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Weihnachten und Ostern passen nicht zusammen? Das denkt sich auch der oberste Osterhase Heinrich, bis er einen überraschenden Anruf bekommt: Der Weihnachtsmann ist krank und bittet ihn um Hilfe. Sonst muss Weihnachten ausfallen. Obwohl Heinrich die Kälte hasst, reist er sofort zur Weihnachtsstadt. Doch der Weihnachtsmann hat ein großes Chaos hinterlassen und dann verschwinden auch noch die Wunschzettel. Mit vollem Einsatz (und ein bisschen Tollpatschigkeit) gibt Heinrich alles, um das Weihnachtsfest zu retten und herauszufinden, warum der Weihnachtsmann immer schwächer wird … Ein humorvolles und atmosphärisches Weihnachtsbuch für die ganze Familie! • Stimmungsvolle schwarz-weiße Illustrationen • Zum Selberlesen ab 8 Jahren oder zum Vorlesen • Fantasievolles Weihnachtsbuch für die ganze Familie in der Adventszeit • Perfektes Geschenk für Weihnachten • Magie, Abenteuer, Humor und eine gemütliche Atmosphäre
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Widmung
Figuren und Karte
1. Ein unerwarteter Anruf
2. Ich reise zum Nordpol und nehme mit …
3. Auf in die eisige Eiseskälte
4. Der Weihnachtsmann in Hasenpantoffeln
5. Freundliche und nicht ganz so freundliche Begegnungen
6. (Kreatives) Chaos
7. Ich hab da mal eine Frage …
8. Kann man Zöpfe essen?
9. Ein (fast) reibungsloser Rundgang durch die Weihnachtsstadt
10. Ein schiefer Ton ist auch ein Ton
11. Tief in sich hineinspüren
12. Zwei Spürnasen und ein Brummbär
13. Rot ist das neue Gelb – oder so ähnlich
14. Kein Gebäck ist kein gutes Zeichen
15. Advent, Advent, welch’ schönes Präsent!
16. Auf die Plätze, fertig, los …
17. Über den Beginn der Weihnacht
18. Völlig allein – oder etwa doch nicht?
19. Frostiges Schneegestöber
20. Warum es dem Weihnachtsmann so schlecht geht
21. Plätzchen sind die neuen Eier
22. Der Osterhase war da
23. Es denkt sich besser mit Kakao
24. Wieder vereint und schon wieder weg
25. Alle Pfoten voll zu tun
26. Lichterkettenfieber
27. Ein echter Weihnachtshase
28. Auf ein Wiedersehen?
Dir hat das Buch gefallen?
Danksagung
Autorin und Illustratorin
Inhaltsverzeichnis
Cover
Heinrich Hase rettet Weihnachten
von Lisa Bogen
mit Illustrationen von Marie Bollmann
© 2024 Lisa Bogen
c/o Postflex #8298
Emsdettener Str. 10
48268 Greven
Text: Lisa Bogen
Cover und Illustrationen: Marie Bollmann
Lektorat: Hanna Schmandin
Alle Rechte vorbehalten.
www.lisabogen.de
Für Sonja
Kerzenschein und Tannenduft. Dicke Schneeflocken, Lebkuchen und ein Hauch von Zimt in der Luft …
So, das muss erst mal an Weihnachtsstimmung genügen. Denn diese Geschichte startet nicht am Nordpol oder in einem verschneiten Weihnachtsstädtchen. Nicht auf einem Weihnachtsmarkt oder auf einer Schlittschuhbahn. Nein, diese Weihnachtsgeschichte startet im Osterdorf. Und zwar bei mir, Heinrich Hase. Auch genannt: der oberste Osterhase.
Was ich mit Weihnachten zu tun habe, fragst du dich vielleicht? Nun, ich habe Weihnachten gerettet! Jawohl! Aber fangen wir am Anfang an.
Alles begann an einem ganz gewöhnlichen Freitagmorgen im Osterdorf. Es war ein sonniger Morgen, denn im Osterdorf scheint immer die Sonne. Hier ist nie ein Wölkchen am Himmel zu sehen, hier ist es immer angenehm warm. Hier ist immer Frühling. Zum Frühstück schnippelte ich mir einen leckeren Obstsalat: mit Äpfeln, Bananen und ein paar Beeren. Dazu einen leckeren Kakao. Ich liebe Kakao!
Draußen vor der Haustür lag wie jeden Morgen schon die Zeitung mit den neuesten Neuigkeiten aus dem Osterdorf – das Osterblatt. Zugegeben, besonders viele Neuigkeiten sind das nie. Denn das Osterblatt ist wortwörtlich nur ein einziges Blatt. Mein Vorgänger Moritz Hase – ein rüstiger Rentnerhase, der seinen wohlverdienten Ruhestand genießt – wollte sein Haus wohl in einem neuen Farbton streichen lassen und für die Bibliothek waren zwei neue Bücher bestellt worden. Das waren auch schon alle Nachrichten.
Es versprach ein ruhiger und geordneter Tag zu werden. So, wie ich es am liebsten mag. Zufrieden hoppelte ich zur Tür, wo ich in meine gelben Stiefel schlüpfte und mir meinen dunkelbraunen Aktenkoffer schnappte. Jetzt konnte es losgehen – auf zur Osterzentrale.
Draußen war der Frühlingsduft noch intensiver. Ich hüpfte über einen Erdweg vorbei an grünen Wiesen. Wild durcheinander wuchsen dort Blumen in allen erdenklichen Farben. Rote Blumen, gelbe Blumen, bunt gesprenkelte Blumen. Die gelben gefielen mir besonders gut, denn Gelb ist meine Lieblingsfarbe. Ich hüpfte vorbei an Apfelbäumen, Birnenbäumen, Kirschbäumen. Sie alle trugen Früchte und verströmten herrlich süße Düfte.
Unterwegs traf ich den einen oder anderen Osterhasen. Alle grüßten mich ehrfürchtig wegen meiner bedeutenden Position als oberster Osterhase. (Oder zumindest glaubte ich das.)
Schon bald kam die Osterzentrale in Sicht. Sie ist riesig, das größte Gebäude im ganzen Osterdorf. Die roten Backsteine wurden von der Sonne erleuchtet und das Gebäude strahlte in vollem Glanz.
Ich hüpfte drei große Stufen hinauf und hoppelte durch die hölzerne Doppelflügeltür in den gefliesten Eingangsbereich. »Hallo Luise, hab einen wundervollen Tag«, begrüßte ich die Häsin am Empfang. Ich stieg in den Aufzug und fuhr in die oberste Etage zu meinem Büro. Auf einem goldenen Schild an der Tür stand:
»Heinrich Hase – Oberster Osterhase«
Denn ich bin nicht nur irgendein Osterhase, sondern der Osterhase, der bei den Menschen bekannt ist und der die wichtigen Entscheidungen im Osterdorf trifft. Und ich hatte eine große Vision. Meine Vision war es, Ostern groß zu machen. Mindestens so bedeutend wie Weihnachten.
Ich kramte den Schlüssel aus meinem Aktenkoffer und schloss das Büro auf. Alles sah so aus, wie ich es hinterlassen hatte: vollkommen ordentlich. Die Papiere lagen zu einem geraden Stapel zusammengerückt auf dem Schreibtisch. Die Stifte steckten nach Farben sortiert in ihrer Halterung. Wundervoll.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, wischte über die glatte Holzplatte und startete meinen Computer. Später wollte ich noch mit den Hasen aus der Schokoladenfabrik telefonieren und mir neue Farbproben zum Bemalen der Eier anschauen.
Doch dazu sollte es nie kommen, denn in diesem Moment klingelte mein Telefon. Ring, ring. Ich nahm den Hörer ab und hielt ihn mir an meinen Löffel. »Osterzentrale, Heinrich Hase am Apparat«, meldete ich mich freundlich.
»Hallo? Spreche ich da mit dem Osterhasen?«, fragte eine zittrige Stimme.
Nanu? Welcher Hase stellte denn so eine seltsame Frage? Aber außer uns Osterhasen kannte doch niemand die Telefonnummer der Osterzentrale. »Sie sprechen sogar mit dem obersten Osterhasen. Wer ist denn da, wenn ich fragen darf?«
Es entstand eine kurze Pause. »Hier spricht der Weihnachtsmann.«
Der Weihnachtsmann. Vor Schreck wäre mir beinahe der Hörer aus der Pfote geflutscht. Ich räusperte mich, um etwas Zeit zu gewinnen. »Aha«, antwortete ich nach kurzem Überlegen. Nicht besonders einfallsreich.
»Spreche ich da mit Moritz Hase?«
»Moritz Hase war mein Vorgänger«, brachte ich nun endlich wieder einen vollständigen Satz hervor. »Er ist im Ruhestand und ich wurde von den anderen Osterhasen als sein Nachfolger gewählt. Ich heiße Heinrich Hase.« Aus irgendeinem Grund hatte ich das Bedürfnis, mich und meine Position vor dem Weihnachtsmann rechtfertigen zu müssen.
»Dann bist du jetzt also der Chef bei euch Hasen?«
»Kann man so sagen, denke ich.«
»Dann brauche ich deine Hilfe.«
Das kam wieder überraschend. »Du brauchst meine Hilfe? Wobei?«
»Du musst Weihnachten retten.«
»Weihnachten retten?«, wiederholte ich fassungslos. Na, wenn es weiter nichts war!
»Ich kann nicht mehr arbeiten«, stammelte der Weihnachtsmann. »Bin wohl zu alt und krank. Mir ist auf einmal alles zu viel. Hab keine Kraft mehr. Möchte mich nur noch hinlegen. Ein langes, langes Schläfchen machen …« Als wollte er die Aussage unterstreichen, machte er eine kurze Pause. »Wenn du uns nicht hilfst, gibt es dieses Jahr kein Weihnachten.«
Die Gedanken ratterten in meinem Kopf. Ich stellte mir die unglücklichen Gesichter vor, wenn unter dem Baum keine Geschenke lägen. Die Menschen würden den Glauben an den Weihnachtsmann verlieren – und vielleicht auch an uns Osterhasen? Es schüttelte mich am ganzen Körper. »Du bittest mich darum, deinen Job zu übernehmen?«
»Ich weiß, ich weiß, es ist viel verlangt«, sagte der Weihnachtsmann. »Und ich weiß, dass das Verhältnis zwischen Osterdorf und Weihnachtsstadt nicht immer ganz einfach war. Etwas angespannt, könnte man wohl sagen. Deshalb … könnte ich es gut verstehen, wenn du uns nicht helfen willst. Aber ich … nun … wie soll ich sagen … Ich bitte dich darum.« Der Weihnachtsmann atmete schwer aus. Stand es wirklich so schlecht um ihn? Würde es bald kein Weihnachten mehr geben?
»Nein«, sagte ich entschlossen. »Das können wir den Menschen nicht antun. Sie freuen sich das ganze Jahr lang auf Weihnachten und dürfen nicht enttäuscht werden.«
»Dann kommst du her?«, fragte der Weihnachtsmann.
»Herkommen – du meinst: zum Nordpol?« Das konnte er doch nicht ernst meinen. Bestimmt hatte ich mich verhört.
»Aus der Ferne kannst du uns nicht helfen«, sagte der Weihnachtsmann. »Wir brauchen hier vor Ort jemanden, der sich damit auskennt, so ein großes Fest zu organisieren.«
Das ging runter wie geschmolzene Schokolade. Er setzte Ostern und Weihnachten auf eine Stufe. Wie hätte ich da noch ablehnen können? »Wann soll ich da sein?«
Wieder eine längere Pause. Der Weihnachtsmann schien wirklich nicht mehr der Schnellste zu sein. »Am besten morgen. Wir brauchen dich so dringend wie möglich. Ich kann … schon seit Wochen nicht mehr richtig arbeiten. In den Fabriken gibt es Probleme, die Briefe der Kinder bleiben unbeantwortet, mit der Planung für die Weihnachtsnacht habe ich noch nicht mal begonnen …«
»Morgen?« Schon wieder wäre mir beinahe der Hörer aus der Pfote geflutscht und ich fragte mich, ob ich mal wieder meine Löffel reinigen sollte.
»Morgen«, wiederholte der Weihnachtsmann knapp und hustete so heftig, dass ich ihm gern ein Glas Wasser durch den Telefonhörer gereicht hätte. Vielleicht hatte er sich ja bloß erkältet. Schließlich war es eisig am Nordpol. Wer richtete dort auch freiwillig seinen Arbeitsplatz ein?
»Das schaffe ich niemals. Mein Job als oberster Osterhase ist sehr bedeutend. Ich kann nicht einfach so verschwinden und alle allein lassen. So etwas erfordert ganz viel Organisation und …«
»Dann ist Weihnachten dieses Jahr verloren.«
Ich seufzte. Und seufzte noch einmal. Die Gedanken flogen durch meinen Kopf. Was stand in der nächsten Zeit an? Wer könnte meine Aufgaben übernehmen? Würde ich es irgendwie schaffen, so bald zum Nordpol zu reisen?
»Ich komme morgen«, sagte ich schließlich entschlossen. Ich musste es schaffen. Für die Kinder.
Der Weihnachtsmann atmete erleichtert auf. »Weißt du, wie du zur Weihnachtsstadt kommst?«
»Ehrlich gesagt, nein. Aber wir haben hier bestimmt passende Karten oder Aufzeichnungen. Und bestimmt gibt es auch einen Kaninchenbau, der weit nördlich liegt.« (Kurz zur Erklärung: Im Osterdorf gibt es einen großen Tunnel, über den wir zu Kaninchenbauen auf der ganzen Welt reisen können. So schaffen wir es, an Ostern überall die Eier zu verstecken.) »Darüber kann ich vielleicht in die Nähe der Weihnachtsstadt kommen«, fuhr ich fort. »Aber wie reise ich dann am besten weiter? Mit einem Rentier?«
Jetzt lachte der Weihnachtsmann tatsächlich. »Ho, ho, ho. Du kannst mit keinem gewöhnlichen Transportmittel zur Weihnachtsstadt reisen.«
»Dann muss ich laufen?« Wie sollte ich das denn bitte bis zum nächsten Tag schaffen?
Das tiefe Lachen des Weihnachtsmanns wurde noch lauter. Zugegeben, er klang sympathisch, und ich konnte sogar ein kleines bisschen verstehen, warum er bei euch Menschen so beliebt ist. »Laufen – du bist lustig, Osterhase.«
»Heinrich Hase«, verbesserte ich ihn. Ich bin zwar ein Osterhase, aber werde nicht so genannt – einen Menschen würde man ja auch nicht nur als Menschen bezeichnen. »Wie komme ich denn dann zur Weihnachtsstadt?«
»Du musst es dir wünschen. Du musst es dir ganz genau vorstellen und ganz doll wünschen und dann kommst du zur Weihnachtsstadt.«
»Aha.« Das war keine sehr präzise Wegbeschreibung, aber nun gut.
Nachdem unser Gespräch beendet war, starrte ich eine Weile aus dem Fenster. Schließlich stand ich auf und hopste im Raum auf und ab. Was hatte ich da für eine Zusage gemacht? Konnte ich dieser Aufgabe gerecht werden? Ließ ich damit nicht die anderen Osterhasen im Stich? Und warum half ich dem Weihnachtsmann überhaupt? Wäre das nicht die Gelegenheit, um Ostern zum bedeutendsten Fest des Jahres zu machen? Aber nein. Ich tat das nicht für den Weihnachtsmann. Ich tat das für die Menschen und vor allem für die Kinder, die sich bestimmt schon jetzt auf Weihnachten freuten, obwohl es noch November war.
Nein, für mich stand fest: Ich würde zur Weihnachtsstadt reisen und Weihnachten retten.
Meine Entscheidung, zum Nordpol zu reisen, stellte mich vor einige Herausforderungen. Eilig schrieb ich eine Liste und steckte sie in die vordere Tasche meiner Latzhose. Zuallererst brauchte ich eine geeignete Vertretung. Dafür kam mir nur einer in den Kopf: Mein Vorgänger Moritz Hase musste aus dem Ruhestand zurückkehren. Zu der Uhrzeit frühstückte er meist in der Bäckerei Möhrchen, also schnell dorthin.
Wie alle Häuser im Osterdorf war auch die Bäckerei eiförmig. Die Glocke an der Tür bimmelte beim Öffnen und der Duft von Kaffee, Kakao und frischem Gebäck strömte mir in die Nase. Wie immer war die Bäckerei gut besucht. Ich ließ meinen Blick über die bunten Tische schweifen und erkannte Moritz an seinem braunen Hut mit der grünen Feder.
»Moritz! Moritz!«, rief ich. Alle Hasen drehten sich um, nur Moritz schlürfte genüsslich seinen Kaffee weiter. Er war eben schon ein alter Hase und hörte nicht mehr so gut. Nervös schlängelte ich mich zwischen den Tischen hindurch.
Erst als ich vor ihm stand, schaute Moritz lächelnd zu mir auf. »Heinrich, mein Guter, was machst du denn hier?«
Leicht außer Atem erzählte ich ihm von dem Telefonat und Moritz hörte geduldig zu. Als ich ihn bat, meine Vertretung zu übernehmen, zögerte er kurz. Doch schließlich nickte er. »In der Winterzeit geht es hier ja etwas entspannter zu. Das schaffe ich schon. Zeig denen vom Nordpol, was wir Osterhasen draufhaben!«
Erleichtert bestellte ich mir zur Stärkung noch ein Schokostütchen in Möhrenform und hoppelte flink nach Hause. Auch mein Haus war eiförmig und ich hatte es gelb streichen lassen – ihr erinnert euch, meine Lieblingsfarbe. Vom Speicher holte ich meinen Koffer, der – ihr könnt es euch sicher denken – auch gelb war. Bisher hatte er mich nur in warme Länder begleitet, denn ich finde Kälte einfach abscheulich. Deshalb besaß ich auch keine warme Kleidung. Was an der Stelle zum Problem wurde. Wo sollte ich so schnell passende Sachen herbekommen? Um etwas beim Schneider in Auftrag zu geben, war es zu spät. Ich schaute mich in meinem Haus nach Alternativen um.
Testweise wickelte ich mich in meine bunte Flickendecke ein. Das war warm und gemütlich, aber zum Bewegen eher unpraktisch. Als ich damit loshüpfen wollte, fiel ich prompt auf die Nase. »Aua«, murmelte ich und rollte mich aus der Decke. Keine gute Idee. In der Küche entdeckte ich Backhandschuhe. Die zog ich mir über die Löffel. Gar nicht so schlecht. Doch das würde nicht reichen, um am Nordpol nicht zu erfrieren.
Da kam mir eine Idee. Ich kannte eine Person, die Kälte und Schnee liebte und regelmäßig in solchen Gebieten Urlaub machte. Meine beste Freundin Bonnie! Die hatte ganz sicher warme Kleidung. Schnell machte ich mich auf den Weg zu ihrem Ei-Haus.
Als sie mir die Tür öffnete, hüpfte sie aufgeregt auf und ab. »Du reist zum Nordpol! Du reist zum Nordpol!« Natürlich war die Nachricht mittlerweile auch zu Bonnie durchgedrungen.
Ihre Begeisterung war immer ansteckend und so musste auch ich kichern und spürte ein angenehmes Kribbeln der Vorfreude in meinem Bauch. Als würden ganz viele Schmetterlinge darin herumflattern. Unnötig zu erwähnen, dass ich mir dabei gelbe Zitronenfalter vorstellte.
Bonnie schob ihre Brille hoch, die ihr vor Aufregung ein Stück heruntergerutscht war, und winkte mich ins Haus. Dort machte sie uns Kakao, denn Bonnie liebt Schokolade genauso wie ich.
»Ich hab dir schon warme Sachen raugesucht«, erklärte Bonnie und ich wusste wieder mal, warum sie meine beste Freundin war. »Ein paar Strickpullover – und ich habe sogar eine gelbe Steppjacke gefunden. Wenn die nicht perfekt zu dir passt, weiß ich es auch nicht. Und deine Stiefel können wir mit Stoff füttern, dann sind sie gleich wärmer.« Statt ihren Kakao zu trinken, sprang Bonnie gleich wieder auf. Sie holte die Kleidung und streckte sie mir entgegen. »Hier. Probier das direkt mal an.«
Ich stellte meine Tasse ab und schlüpfte in den Pullover mit gestricktem Zickzackmuster. Er war ein wenig kratzig, aber sonst ganz bequem.
Bonnie kicherte. »Wer hätte gedacht, dass ich dich mal in solchen Sachen sehe? Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet du zum Nordpol reisen würdest! Ich wünschte fast, ich könnte mit dir tauschen.«
»Ich werde dir etwas Schönes mitbringen. Versprochen.« Ich hielt meine Pfote wie zum Schwur hoch. »Ich bin so gespannt, was mich erwartet – und ob ich das überhaupt schaffen kann … Weihnachten retten.«
Die Schmetterlinge in meinem Bauch ließen die Flügel hängen und das freudige Gefühl wich einem ängstlichen. Ich setzte mich wieder und trank einen Schluck Kakao. »Und was bin ich dann? Ein Ersatzweihnachtsmann oder ein Osterhase? Oder irgendwas dazwischen?«
»Ein Weihnachtshase?«, schlug Bonnie grinsend vor und legte mir eine Pfote auf den Arm. »Du bist Heinrich und das ist genau richtig so. Du wirst deine Aufgabe gut meistern, so wie du jede Aufgabe gut meisterst. Lass es auf dich zukommen und gib einfach dein Bestes. Dann machst du mehr als genug und enttäuschst niemanden. Und mich würdest du sowieso nie enttäuschen. Ich kümmere mich auch gern um deine Blumen, während du weg bist – auch wenn ich für nichts garantieren kann.« Sie grinste noch breiter und brachte die Zitronenfalter in mir wieder zum Fliegen. Bonnie hatte recht. Ich würde mein Bestes geben und das war genug.
Am nächsten Morgen wachte ich von der Sonne auf. Ich gähnte ausgiebig, weil ich bis spät in die Nacht Bücher zum Thema Weihnachten gelesen hatte. Obwohl ich mich gern noch einmal umgedreht hätte, stand ich auf, holte das Osterblatt von draußen rein und machte mir meinen Kakao und Obstsalat. Eigentlich war alles wie immer. Aber es fühlte sich nicht an wie immer und mein Blick wanderte ständig zu meinem gepackten Koffer und dem Rucksack neben der Haustür.
Ich wickelte mir den gelben Schal um und schlüpfte in Bonnies Steppjacke. Dann schnallte ich mir den Rucksack auf den Rücken und hob mit beiden Pfoten den ziemlich schweren und vollgestopften Koffer hoch.
Behutsam schloss ich die Augen und wünschte mir, zur Weihnachtsstadt zu reisen. Ich wünschte es mir ganz doll. Doch als ich blinzelte, um zu schauen, ob ich schon angekommen war, stand ich noch immer in meinem Haus.
Also noch mal. Ich kniff die Augen zusammen und wünschte mir ganz, ganz, ganz doll, zum Nordpol zu reisen.
Immer noch nichts? Was hatte der Weihnachtsmann noch gleich gesagt? Ich sollte es mir genau vorstellen. Aber wie stellt man sich einen Ort vor, an dem man nie zuvor war? Fantasie, schoss es mir in den Kopf.
Wieder schloss ich die Augen und erinnerte mich an die Bücher, die ich am Abend zuvor gelesen hatte, und alles, was ich sonst noch über Weihnachten wusste. Wir feierten im Osterdorf zwar selbst kein Weihnachten, aber durch unsere Verbindung zur Menschenwelt wussten wir trotzdem Bescheid. Ich dachte an Schnee und an Kälte, an den Weihnachtsmann und seine Wichtel. Doch noch immer klappte es nicht. Frustriert ließ ich den Koffer sinken. Was machte ich falsch? Lag es daran, dass ich keine Kälte mochte? Ich wünschte mir ja nicht wirklich, in der Kälte zu sein …
Also atmete ich tief durch und startete einen neuen Versuch: Diesmal dachte ich an warmen Kakao. Ich konnte die Gesänge der Wichtel in meinen Löffeln hören und den Duft von rauchigen Kaminen und süßen Plätzchen riechen. Ich wünschte mir, dorthin zu reisen. Ich glaubte daran, dort zu sein. Und dann, ganz plötzlich, spürte ich ein Kribbeln im ganzen Körper. Erst nur leicht, dann immer stärker. Ich fühlte mich wie ein warmes Blubberbad. Mein Körper fühlte sich an wie tausend kleine Bläschen, die sprudelnd nach oben steigen. Eine wohlige Wärme umschloss mich. Und wurde sogleich abgelöst von klirrender Kälte.
Ich riss die Augen auf und sah nichts als Weiß. Schnee. Überall war Schnee. Es hatte geklappt! Ich war am Nordpol. Vor Aufregung quiekte ich kurz auf, dann zog ich den Reißverschluss meiner Jacke so hoch, wie es ging. Aber der kalte Wind wehte trotzdem durch mein Fell und brachte meine Zähne zum Klappern.
»Hallo?«, rief ich ins Nichts hinein. »Ist da jemand? Weihnachtsmann? Kannst du mich hören?«
Es kam keine Antwort zurück. Also stapfte ich los – denn Hoppeln war in diesem tiefen Schnee unmöglich. Der kalte Wind blies mir um die Ohren und ich zog den Schal noch enger. Außerdem kramte ich die Backhandschuhe hervor und zog sie mir über die Löffel. Viel wärmer wurde es dadurch nicht. Lief ich überhaupt in die richtige Richtung? Die Sonne stand hoch am blauen Himmel und strahlte, aber sie wärmte nicht so sehr wie im Osterdorf.
Endlich entdeckte ich in der Ferne etwas. Kam mir da jemand entgegen? War das der Weihnachtsmann? Aber die Person schien mir dafür ein bisschen zu bunt gekleidet. Trug der Weihnachtsmann nicht immer rot-weiß? Mit einem Ziel vor Augen stapfte ich noch entschlossener voran. Eine Pfote vor die andere. Schritt für Schritt. Mit beiden Handpfoten umklammerte ich den schweren Koffer, den ich hochhalten musste, damit er nicht vom Schnee durchnässt wurde.
Als ich näher kam, winkte mir die Gestalt. Offenbar wartete sie auf mich. Aber es war nicht der Weihnachtsmann, sondern eine Frau. Jetzt war ich nah genug dran, um ihr Lächeln zu erkennen. Die Frau hatte weißgraue Haare, die zu zwei langen Zöpfen geflochten waren. Im Gesicht hatte sie tiefe Lachfalten und sie trug einen bunten Poncho in allen Farben des Regenbogens zu einer schwarzen Hose und braunen Stiefeln.
»Du musst Heinrich sein«, begrüßte sie mich. »Ich freue mich so sehr, dass du hergefunden hast!«
Ich schlotterte am ganzen Körper. Trotzdem streckte ich ihr höflich meine Pfote entgegen und nickte. »Heinrich Hase mein Name. I-ich bin der oberste Osterhase und wurde gebeten, herzukommen und zu helfen«, presste ich zwischen klappernden Zähnen hervor.
»Ich bin Wilma, die Frau des Weihnachtsmanns. Wir können dir gar nicht genug dafür danken, dass du so spontan zur Hilfe bereits bist. Klaus, also dem Weihnachtsmann, geht es von Tag zu Tag schlechter. Er kann das Haus nicht mehr verlassen und das Denken fällt ihm schwer. Oft schafft er es ohne meine Hilfe nicht mal aus dem Bett. Niemand weiß, was mit ihm los ist oder wie wir ihm helfen können.« Sie seufzte und richtete den Blick auf den schneebedeckten Boden. Kurz verschwanden alle Lachfalten aus ihrem Gesicht und wichen einem dunklen Schatten. »Aber darüber können wir gleich in Ruhe sprechen. Jetzt bringe ich dich erst mal zur Weihnachtsstadt. Los, komm. Es ist nicht mehr weit. Nur ein paar Minuten Fußweg – oder sollte ich besser Pfotenweg sagen?« Sie lachte und es war ein helles, angenehmes Lachen, das fast wie Musik in meinen Löffeln klang.
Ich mochte Wilma Weihnachtsfrau auf Anhieb und folgte ihr. Sie bot an, mir beim Tragen meines Gepäcks zu helfen, aber ich lehnte höflich dankend ab, auch wenn ich es nach wenigen Metern bereits bereute. Der Koffer war so groß und schwer, dass er mir immer wieder aus den Pfoten flutschte.
»Wieso bin ich nicht direkt in der Weihnachtsstadt gelandet? Wäre das nicht viel unkomplizierter? Und wie funktioniert diese Wunschreise?«, fragte ich neugierig. Nicht zuletzt, um mich von der Kälte und dem schweren Gepäck abzulenken.
Wilma grinste nur schelmisch. »Das ist Teil des Weihnachtszaubers. Es funktioniert über Wunschmagie. Nur wer sich wirklich wünscht, herzukommen, und fest daran glaubt, kann den Weg finden. Wie nah man an der Weihnachtsstadt landet, ist dann Übungssache.«
»Aha!«, kommentierte ich interessiert und beschloss, mich bei Gelegenheit näher in die Thematik einzulesen. Schließlich war ich ein wissbegieriger Hase.
»Du hast es fast geschafft.« Wilma blieb kurz stehen und drückte ihr Kreuz durch. »Oder besser gesagt: Wir haben es fast geschafft. Ich merke auch, dass ich in die Jahre gekommen bin. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn mein Mann und ich uns zur Ruhe setzen.«
Dazu sagte ich nichts, hauptsächlich, weil ich vor Kälte kaum mehr in der Lage war, zu sprechen. Wir durchquerten einen Wald voller Tannen und als ich befürchtete, dass mich meine Pfoten nicht mehr lange tragen würden, lichtete sich der Wald und gab den Blick auf eine Stadt frei.
»Wow.« Wir blickten hinab in ein gigantisches Tal, in dem es große Gebäude und unzählige kleine Häuschen gab. Aus einigen stieg Rauch auf. Das war eine andere Liga als das Osterdorf. Die Weihnachtsstadt musste um ein Vielfaches größer sein als meine Heimat. Genaueres konnte ich aber noch nicht erkennen. Denn eine zauberhafte Glitzerschicht schien die Stadt wie eine Kuppel zu umgeben.
»Willkommen am Nordpol, willkommen in der Weihnachtsstadt«, raunte Wilma und ich konnte den Stolz in ihrer Stimme heraushören. »Und willkommen am schönsten Ort der Welt, wenn du mich fragst.« Sie zog hinter einem Baum zwei Bretter hervor, die vorne leicht gebogen waren und an denen jeweils eine Schnur befestigt war. »Bereit für deine erste Schlittenfahrt? Damit sind wir viel schneller in der Stadt und es macht mehr Spaß.« Wilma kicherte und wirkte dabei jünger, als ihre grauen Haare und das faltige Gesicht vermuten ließen.
Zögerlich nahm ich das Holzbrett entgegen. Natürlich hatte ich schon von Schlitten gehört (oder gelesen), aber dieses Teil schien mir nun doch fragwürdig. »Damit soll ich den Berg runterrutschen?«
»Es kann nichts passieren. Ich komme häufig den Berg hoch, um zu rodeln. Das ist eine meiner liebsten Beschäftigungen und die Bahn hier ist perfekt dafür.« Wilma legte das Brett auf den Schnee und setzte sich darauf.