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»Ich bin an dir gewachsen, immer höher, hoch hinaus. Ich bin an dir gewachsen, und zwar über dich hinaus.« Heiße Milch mit Honig – der Geschmack von Zuhause. Von Kindheit und Jugend. Von Schaffen und Stolpern. Von Wachsen und Werden. Wohltuend bei Bauchweh. Beruhigend vorm Schlafen. Schonend bei Sorgen. Süßlich. Tröstlich. Kindlich. Das ist Heiße Milch mit Honig.
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Seitenzahl: 43
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Heiße Milch mit Honig
Paulina Behrendt
Geschriebenes vom Aufbruch, Loslassen und Wiederfinden.
Texte vom Heimkehren.
Erste Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2021 by
Lektora GmbH
Schildern 17–19
33098 Paderborn
Tel.: 05251 6886809
Fax: 05251 6886815
www.lektora.de
Covermotiv: FIlomena Franke, www.filolino.de
Covermontage: Denise Bretz, Lektora GmbH
Lektorat & Layout Inhalt: Lektora GmbH, Denise Bretz
978-3-95461-210-9
Dieses Buch widme ich meiner Freundin Holly,
deren Wesen aller Anfang war und zwischen allen Zeilen
das einzig Unausgesprochene,
das einzig Unaussprechbare bleibt.
Sturm und Drang
Du reichst mir
heiße Milch
mit Honig,
summst Lalelu
im sanften Klang,
die Füße schlafen
warm und wohlig,
ich träum heut laut
von Sturm und Drang.
Strebertext
Und ich steh dort,
an diesem Ort,
der sich Zuhause nennt,
und ich find keinen Satz,
nicht mal ein Wort,
der und das sich zu dem bekennt,
was ich hier sagen will.
Denn seit Stunden stehe ich hier und schau mich an.
Mal tret ich ein Stück zurück
und mal geh ich ein bisschen näher ran,
um dann mit meiner Fingerkuppe ganz sachte
den Inhalt des Spiegels zu berühren,
und während ich mich
bei dieser Selbstfindungsphase so betrachte,
ja, da check ich plötzlich, wer ich bin.
Und Sorry, liebes Spiegelbild,
lange habe ich dich mit Begründungen gefüllt,
hab dein wahres Ich in jugendliche Maxime gehüllt,
deine Authentizität wie ein Stück Papier zerknüllt
und dein Selbstbewusstsein
literweise mit Geschichten abgefüllt,
sodass es nun nur noch irgendwo besoffen in der Ecke chillt.
Aber, liebes Spiegelbild,
nun spitz all deine Rezeptoren,
denn ich habe mir vor vier Stunden
hier und jetzt geschworen,
heute nicht mit einem zügigen Seitenblick
an dir vorbeizugehen,
nein, ich schwor mir heute,
dich mal richtig anzusehen.
Und, verdammt,
ich mag das, was ich seh.
Gestatten: Streber ist mein Name!
Bin wie der Cupcake ohne Sahne,
bin wie das Schachspiel ohne Dame,
bin wie die Post, doch da nur die nervige Reklame.
Ja und das alles hat nicht mal ne Intention,
folgt keiner krassen Disposition,
unterliegt keiner Argumentation,
ist keine Alternative-Version
und auch keine Kombination
aus neu erfundener Rebellion
und provokanter Perfektion.
Nein, verdammt, das ist es nicht.
Stattdessen ist die Begründung eigentlich ziemlich schlicht,
denn ich bin nicht vintage oder oldschool,
nein man, ich bin einfach derbe uncool.
Morgens, da brauch ich ca. zehn Minuten,
dann bin ich ready für den Tag,
und das nur, weil ich keine 25 Schichten Make-up trag,
keinen Glimmer-Glitzer-glowy-Apperat,
keinen mit Concealer abgedeckten Damenbart,
mir sich kein XXL-Lashes-Volumen offenbart,
kein Eyebrowliner-Kamerad,
zu dem hab ich nun einfach mal nicht son guten Draht.
Naja und schließlich bin ich für all dies
einfach auch viel zu autark,
ja, am Arsch, und schön wärs gewesen,
das sind nur ausgedachte Hypothesen,
denn ich bin nicht oldschool oder feministisch,
nicht all-natural-fetischistisch,
nicht gegen Kosmetik konsumistisch
und auch nicht minimalistisch.
Nein, ich kann es einfach nicht!
Bin zu unmusikalisch für den Lidstrich,
bin zu low für die Highlighter-Schicht,
für Trockenpuderung sowieso viel zu dicht
und mit Mascara muss ich gar nicht anfangen,
denn da würde die schwarze Tusche
in wirklich jede Fuge gelangen
– außer auf meine Wimpern.
Und solange noch niemand
einen Wimperntuschenkiller erfunden hat,
halt ich mich fern von diesem ganzen Make-you-Up.
Denn wenn es erst mal wo sitzt, wo es nicht hinsoll,
geht es so leicht nicht mehr ab.
Und das ist nicht vintage oder oldschool,
nein man, das ist einfach derbe uncool.
Ich kenne keine YouTube-Stars,
weil ich nie ein Abonnement ihrerseits besaß,
weil ich nie stundenlang vorm Bildschirm saß,
mir irgendwelche random Kommentare durchlas
und dabei völlig die Zeit vergaß.
Und weil ich keine »Ich streiche unsere Wohnung heimlich pink«-Videos ansah,
erfuhr ich auch erst im Februar,
dass BibisFickDichPalace anscheinend schwanger war.
Und das alles wäre auch enorm vintage gewesen,
hätte ich stattdessen in der Abendsonne
»Der Sturm« von Shakespeare in Reclam Ausgabe gelesen,
aber nein, das tat ich nicht.
Stattdessen war auch ich ganz erpicht
darauf, in der rot-weißen Tube zu cruisen,
nur dass mein Suchverlauf mit äußerst abstrusen
und diffusen Begriffen gefüllt ist.
Und damit ihr es wisst:
Nein, ich war nicht bekifft,
als ich voller Euphorie
Tangentenrechnung in die Sucherzeile schrieb,
und mein Herz förmlich aufblüht,
wenn sich der simple Club-Typ auch noch
auf Logarithmusfunktion bezieht.
Und so ziehen sich die Alltagssituationen,
geprägt von Synapsenexplosionen,
von gelachten
»Was ist bei dir eigentlich falsch?«-Irritationen,
von »Ich bin gut so, wie ich bin«-Motivationen,
von völligen Worteskalationen
und neuen Konversationsvariationen.
Und ja, ich mag das, was ich da seh
im Spiegel vor mir im Wohnzimmerflur,
aber manchmal, ja manchmal,
wenn es ganz still um mich herum ist,
sich mein Selbstbewusstsein ins Bett verpisst,
da wird der Selbstzweifel zum Pragmatist,
der mein Spiegelbild an nichts anderem misst
als an Klischees.
Und dann fühlt sich das alles gar nicht mehr so gut an,
weil ich dann nicht mal mehr dran glauben kann,
dass sich irgendwer irgendwo irgendwann,
und vor allem nicht ich selbst,
in diesen Streber verlieben kann.
Doch dann
packt mich eine Hand,
zieht mich weg vom Spiegel hin zu einer Leinwand,
darauf ein gemaltes Gemälde und nach mir benannt.
Gestatten: Paulina ist dein Name,
du bist der Cupcake mit der fetten Sahne,
die Post, nur ohne nervige Reklame,
und beim Schachspiel wärst du die sexy Dame.