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Unter allen Helden, die vor Troja gekämpft hatten, war keinem so widriges Geschick beschieden, bevor er in seine Heimat zurückkehrte, wie dem klugen Helden Odysseus. Als er mit zwölf wohlbemannten Schiffen von der Küste von Troja absegelte, trieb ihn der Wind zuerst nach Ismaros, der Stadt der Cikonen. Dieselbe eroberte und zerstörte er, und reiche Beute ward unter die Genossen verteilt. Statt aber nach Odysseus' Rate alsbald weiterzusegeln, schwelgten die Genossen in dem trefflichen Weine, den sie in der Stadt gefunden. Unterdessen hatten die Bewohner der Stadt die in der Nähe wohnenden Cikonen herbeigerufen, die tapfer und stark waren, und es kam zu einem hartnäckigen Kampfe, der vom Morgen bis zum Abend währte. Jedes der griechischen Schiffe verlor in diesem Kampfe sechs seiner Helden, und eilig segelten die noch lebenden von dannen, trauernd, daß sie ihre Gefährten unbegraben mußten liegen lassen.
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Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ernst Weber
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Griechisches Leben und altklassischer Geist in deutscher Wiedergeburt
Hyperions Schicksalslied
Iphigeniens Parzenlied
Prometheus
Aus der Iliade
Hektor und Andromache
Hektors Abschied
Aus der „Penthesilea“
Achills Tod
Aus der Odyssee
Odysseus und Polyphem
Nächtliche Fahrt
Die sterbende Meduse
Griechische Spiele
Die Mutter des Siegers
Die Kraniche des Ibykus
Der Sieger
Tod des Perikles
Der Bote von Marathon
Der junge Themistokles
Salamis
Themistokles in Olympia
Ein Dichter in der Schlacht von Salamis
Grab des Themistokles
Historischer Adelsklub
Die gefesselten Musen
Der trunkene Gott
Ist’s ein Narr bloß? Ist’s ein Weiser?
Der Ring des Polykrates
Der befreite Prometheus
Alexander Ypsilanti auf Munkacs
Aus dem „Abschied von Griechenland“
Hellas! — Aus abgrundtiefem Meer
Hebt sich ein sonnbeglänzter Strand.
Blauseiden spannt sich’s drüber her —
So schaut ich dich, mein Griechenland.
Und hohe Tempel sah ich stehn
Auf schlanken Säulen, weit und licht,
Und Götter, stolz und marmorschön,
Mit reinem Menschenangesicht.
Du Volk der Schönheit, sei gegrüßt,
Gegrüßt mir auf Olympias Flur!
Aus deines Lebens Quelle fließt
Auch Deutschlands edelste Kultur.
Was deine Heldenschar erstritt,
Was deiner Künstler schönster Traum,
Die deutsche Jugend lebt es mit
Noch heut, vergessend Zeit und Raum.
Und deutsche Dichter schufen neu
Die alte Griechenherrlichkeit
Und gaben ihre Melodei
Dem längstverrauschten Völkerstreit,
Und zeigten, wie im heitern Spiel
Des Griechen dunkler Ernst gebot,
Wie ihn ein stolzes Hochgefühl
Ließ lachend schreiten in den Tod.
Nicht was aus fremdem Idiom
Die scharfgeschliffne Brille liest,
Nur was als frischer Lebensstrom
Durch deutsche Dichteradern fließt,
Was wieder Blut von unserm Blut
Und Geist von unserm Geiste ward:
Das weckt aufs neu den Tatenmut
Und lockt die stammverwandte Art.
Wer finden will hellenisch Land
Und griechisch Leben möcht verstehn,
Dem reicht der Spielmann heut die Hand
Und lehrt mit Dichteraugen sehn,
Mit Dichteraugen groß und weit,
Durchdringend der Geschichte Dunst —
Denn lebenswarme Wirklichkeit
Wird Hellas nur im Reich der Kunst.
Der deutsche Spielmann
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang ins Ungewisse hinab.
Christ. Friedr. Hölderlin
„Es fürchte die Götter
Das Menschengeschlecht!
Sie halten die Herrschaft
In ewigen Händen
Und können sie brauchen,
Wie’s ihnen gefällt.
Der fürchte sie doppelt,
Den je sie erheben!
Auf Klippen und Wolken
Sind Stühle bereitet
Und goldene Tische.
Erhebet ein Zwist sich,
So stürzen die Gäste,
Geschmäht und geschändet,
In nächtliche Tiefen,
Und harren vergebens,
Im Finstern gebunden,
Gerechten Gerichtes.
Sie aber, sie bleiben
In ewigen Festen
An goldenen Tischen.
Sie schreiten vom Berge
Zu Bergen hinüber;
Aus Schlünden der Tiefe
Dampft ihnen der Atem
Erstickter Titanen,
Gleich Opfergerüchen,
Ein leichtes Gewölke.
Es wenden die Herrscher
Ihr segnendes Auge
Von ganzen Geschlechtern,
Und meiden, im Enkel
Die ehemals geliebten
Still redenden Züge
Des Ahnherrn zu sehn.“
So sangen die Parzen;
Es horcht der Verbannte
In nächtlichen Höhlen,
Der Alte, die Lieder.
Denkt Kinder und Enkel,
Und schüttelt das Haupt.
Wolfgang von Goethe
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonne, als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz,
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren, wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängstigten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich.
Wolfgang von Goethe
Aber Hektor fand in den Gemächern
Nirgends Andromache. Denn sie stand mit dem Kinde
Noch auf dem Turm und jammerte dort und weinte,
Und als er nirgends im Hause seine Frau
Antraf, trat er unter die Türe des Hauses:
„Mädchen, sagt mir die Wahrheit rasch: wohin
Ist sie gegangen, Andromache? Ging sie etwa
Zu ihren Schwägern oder den Schwägerinnen?
Oder betet sie mit den andern Fraun,
Um die furchtbare Göttin, die uns zürnt,
Dort mit Bitten und Flehen zu versöhnen?“
Doch des Hauses Schaffnerin sagte darauf:
„Da du die Wahrheit befiehlst, so höre denn:
Nicht zu den Schwägern oder Schwägerinnen,
Noch zum Tempel Athenes ist sie gegangen,
Nein, auf dem Turme steht sie, denn sie erfuhr,
Daß die Achäer siegreich seien, da lief sie,
Und das Mädchen folgte ihr, das das Kind trägt.“
Aber Hektor eilte denselben Weg
Wieder zurück, den er kam, die Straße hinunter,
Bis zum Tor, wo der Weg hinaus ins Feld führt.
Dort kam laufend Andromache ihm entgegen,
Seine teure Gemahlin, Eëtions Tochter,
Der in Thebe, am Fuße des waldigen Plakos,
Über Kilikiens Männer herrschte: dessen
Tochter gewann einst Hektor, und die traf er
Jetzt am skäischen Tore samt der Dienerin,
Mit dem Kind an der Brust, dem lieben Kinde.
Dem unmündigen Sohn, den sein Vater selbst
Gern Skamandrios nannte: aber die andern
Riefen ihn Astyanax, weil Hektor allein doch
Troja hielt und beschützte.
Und er lächelte schweigend über dem Kinde,
Und Andromache stand an seiner Seite,
Weinend griff sie nach seiner Hand und sagte:
„Dich wird dein Mut noch verderben! Und dich jammert
Nicht deines Kinds, des Würmchens, nicht deiner Frau,
Die bald nun deine arme Witwe sein wird?
Denn dich töten bald nun die Achäer,
Alle gegen dich Einen! Doch mir wäre
Ohne dich wohler zu sterben! Mir bleibt ja
Nichts mehr, das mich tröstete, wenn du hinsinkst.
Vater und Mutter hab ich nicht mehr. Den Vater
Tötet’ Achilleus, als er das hochgetürmte
Thebe zerstörte. Doch er beraubte ihn nicht:
Ehrfurchtsvoll verbrannt er ihn mit der Rüstung,
Und einen Hügel schüttet’ er über ihm auf,
Und die Nymphen, die das Gebirg bewohnen,
Pflanzten Ulmen umher. Sieben Brüder hatt’ ich:
Alle opfert’ Achill an jenem Tage
Unter Stieren und Schafen. Aber die Mutter
Führt’ er hinweg ins Lager und gab sie frei,
Als ihm Lösung geboten ward; aber Diana
Hat sie mit ihren Pfeilen dann getötet.
Du bist Vater und Mutter mir! Du mein Bruder!
Du mein Gemahl! Erbarme dich und bleib bei mir!
Laß dein Kind nicht verwaisen! Nicht dein Weib
Alles verlieren! Stelle am Feigenbaum
Dort das Volk auf, wo der Weg zur Stadt
Leicht ist und die Mauer dem Angriff freisteht.
Dreimal stürmten die Griechen da schon herauf,
Sei’s, daß ihnen ein Seher den Weg verriet,
Oder daß sie der eigne Mut zum Sturm trieb.“
„Liebe Frau, das weiß ich so gut wie du.
Aber die Scham vor den Männern und Weibern Trojas
Treibt mich hinab: ich darf nicht feige erscheinen.
Auch der eigne Mut zwingt mich, zu kämpfen.
Nur das hab ich gelernt: an der Spitze des Heeres
Ruhm für den Vater und für mich zu erwerben.
Denn das weiß ich, und tief im Herzen empfind ich’s:
Einst wird ein Tag sein, wo das heilige Troja
Sinkt und Priamos und Priamos’ Volk!
Und nicht bewegt mich der Trojaner Elend
Und der Sturz des Königs und meiner Mutter
Und der Brüder und all der Tapfern, die
Unter den Feinden dann im Staube liegen,
So wie dein Elend mich kümmert, das dann einbricht,
Wenn von den griechischen erzbepanzerten Männern
Einer dich packt, an der Freiheit letztem Tage,
Die du in Argos dann am fremden Webstuhl
Sitzest, oder gezwungen und widerstrebend
Wasser holst an der Quelle Messeis oder
Hyperia! Und einer, der dich da
Tränenvoll sieht bei der Arbeit, sagt vielleicht:
»Das ist Hektors Weib, der so tapfer war,
Als um die Stadt der Troer so hart gekämpft ward.«
Das wird er sagen vielleicht und dich mit neuem
Jammer erfüllen und Sehnsucht. Doch ich liege
Längst im Dunkel der Erde und höre
Nicht, wie du schreist, und sehe nicht, wie sie dich fortziehn.“
Und so sprechend griff nach seinem Kinde
Hektor; aber das warf sich schreiend herum
Und an die Brust des Mädchens: denn seines Vaters
Nickender Helmbusch und Panzer schreckten es.
Und sein lieber Vater und seine Mutter
Lachten, und Hektor nahm den glänzenden Helm ab,
Setzte ihn neben sich nieder, küßte sein Kind,
Tänzelte es mit beiden Händen und rief,
Auf zu Zeus und den andern Göttern betend:
„Zeus und ihr Götter alle! Laßt dies Kind
Gleich mir unter den Troern einst voranstehn!
Tapfer sein und über Ilion herrschen,
Daß die Sage einmal im Volke gehe:
Größer noch als sein Vater, wenn er vom Kampfe
Heimkehrt, ist er, wenn er die blutbespritzten
Köstlichen Waffen seiner Feinde heimbringt,
Und seine Mutter aufjauchzt!“ Also sprechend,
Legt er das Kind in seiner Mutter Arme,
Und sie nahm es an ihre atmende Brust,
Lächelnd unter Tränen. Und ihn, das sehend,
Jammert es, und er sprach: „Geliebte, laß
Nicht zu sehr die Dinge dein Herz belasten.
Nur was geschehen soll, geschieht: mich tötet keiner,
Dem nicht das ewige Schicksal den Befehl gab,
Doch dem Geschick zu entfliehn, ist keinem beschieden.
Weder der Gute noch der Böse entflieht ihm,
Denn es waltet von Anfang an. Deshalb
Geh du nach Hause und sieh nach deiner Wirtschaft,
Spindel und Webstuhl besorg und halte die Mägde an,
Fleißig zu sein. Den troischen Männern aber
Liege der Kampf am Herzen und mir zumeist,