Helos - In den Fängen des Todes - Juliana Alt - E-Book

Helos - In den Fängen des Todes E-Book

Juliana Alt

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Beschreibung

Pandora will nach ihrer langen Knechtschaft endlich ein Leben in Frieden. Doch als die mächtigste Person Venedigs durch einen Mord auf sie aufmerksam wird, muss sie sich entscheiden: Auftragskillern aus England dabei helfen einen Serienmörder zu fassen oder selbst für ihre Taten hingerichtet werden. Und während sich die Intrigen um sie herum wie eine Schlinge zusammenziehen, ist da noch Kaemon. Der Mann, der nicht nur eine Gefahr für jeden atmenden Feind des Königsreichs darstellt, sondern genauso für Pandoras Herz…

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Seitenzahl: 559

Veröffentlichungsjahr: 2024

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ISBN: 978-3-910615-41-0

Alle Rechte vorbehalten

I run this maze, erase my steps, with lips

that lie, with every breath.

Bad Wolves

Inhalt

Kaemon, London, Dezember

Pandora, Italien, Dezember

Kaemon, Venedig

Pandora, Venedig

Erinnerung, Kaemon

Pandora, Straßen von London

Pandora, Quartier, London

Pandora, Quartier, London

Erinnerung, Pandoras Kindheit, Venedig

Pandora, Quartier, London

Pandora, Quartier London

Pandora, Quartier London

Erinnerung eines Unbekannten

Pandora, Straßen von London

Pandora, Quartier London

Pandora, Palast, London

Pandora, Quartier London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Bar, London

Pandora, Quartier London

Pandora, Weg zum Palast

Pandora, Straßen von London

Pandora, Elodies Haus, London

Pandora, Quartier London

Pandora, Straßen von London

Erinnerung, Pandoras Tod

Pandora, Weg zur Bibliothek, London

Pandora, Bibliothek London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Erinnerung, Helos Welt

Pandora, Quartier London

Pandora, Weg zur Kirche

Pandora, Erinnerung, Zeit bei Helos

Pandora, Quartier London

Pandora, Palast in London

Pandora, Portal nach Venedig, Salomes Palast

Pandora, nahe Dublin

Pandora, Erinnerung, Zeit bei Helos

Pandora, Straßen von Dublin

Pandora, Haus des Professors, Dublin

Pandora, Straßen von Dublin

Pandora, Friedhof, Dublin

Pandora, Erinnerung, Zeit bei Helos

Pandora, Venedig, Salomes Anwesen

Pandora, Straßen von Venedig

Kaemon, London, Januar

Kaemon, Straßen von London

Pandora, Salomes Anwesen, Venedig

Pandora, Erinnerung, Zeit bei Helos

Pandora, Salomes Anwesen, Venedig

Pandora, Straßen von London

Pandora, Palast, London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Helos Reich

Pandora, Straßen von London

Kaemon, London

Pandora, London

Pandora, Palast, London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Weg zu Nyx, Unterwasserwelt Londons

Pandora, Straßen von London

Pandora, Palast, London

Pandora, Straßen von London

Pandora, Palast, London

Pandora, Hinrichtung, Venedig

Triggerwarnung:

Popular Monster - Falling In Reverse

The Drug In Me Is Reimagined - Falling In Reverse

Killing Me Slowly - Bad Wolves

Another Life - Motionless In White

Voices - Motionless In White

Such Small Hands - La Dispute

Violent – carolesdaughter

Can You Feel My Heart - Bring Me The Horizon

The Worst In Me - Bad Omens

Animals – Architects

Black Lungs – Architects

Sofia I‘m Sorry - Jesse Detor

»Ich liebte sie in jedem Augenblick. Die Art, wie wir uns ansahen; die Art, wie wir unsere Gaben vereinten und jeden Auftrag perfekt ausführten. Wir waren füreinander bestimmt – aber als er mir so viel Geld für ihren Kopf bot … seien wir ehrlich, ich liebte das Geld einfach mehr.«

Kaemon, London, Dezember

Langsam schlendert er über die steinerne, mit Schneeflocken übersäte Brücke, die über den breiten Fluss führt. Es ist bereits sehr spät – das Mondlicht spiegelt sich auf der vereisten Wasseroberfläche, aber an manchen Stellen, an welchen das Eis feine Risse aufweist, dringt es in die Schwärze hinab, in der Hoffnung, den Grund zu erreichen.

Noch nie hat jemand diesen Grund zu sehen bekommen. Er hat schon als kleiner Junge den Glauben daran verloren, dass das Licht diesen dunklen Ort jemals erreichen könne. Selbst die Nixen und Nymphen, die den unvorsichtigen Bewohnern Londons in solchen Nächten wie diesen hier den Verstand rauben, meiden ihn.

Er wendet sich ab und steckt die Hände in die warmen Taschen seines schwarzen Mantels. Seine Füße hinterlassen tiefe Abdrücke im Schnee, aber es dauert nicht lange, da sind auch sie wieder unter einer weißen Schicht begraben. Mit einem leichten Lächeln auf den schmalen Lippen betrachtet er die kleinen Flocken, die vom Himmel hinabfallen; beobachtet, wie sie auf den Spitzen seiner glänzenden Schuhe landen und sich dort in wenigen Sekunden auflösen.

Er hat die andere Seite der Brücke schon fast erreicht, als ihn das leise Geräusch brechenden Eises stocken lässt. Kein Mensch würde es wagen, sich in dieser Jahreszeit diesem Fluss zu nähern, nicht einmal die alten Droschken sind unterwegs. Es muss eines der Wesen sein, das das glänzende Wasser sein Zuhause nennt – er grinst und eilt zum Ufer.

Unter der Eisfläche regt sich etwas. Er kann die zuckenden Bewegungen ausmachen, vereinzelte Schuppen glänzen sehen, wenn sie sich so nah an der Oberfläche befinden, dass das Mondlicht sie erfassen kann. Da zerbricht das gefrorene Wasser bereits und ein Mädchen von überirdischer Schönheit erhebt sich aus dem Dunkeln. Von ihrer hellen Haut perlen die Wassertropfen herab und ihre langen, schwarzen Haare schmiegen sich um ihren schlanken Körper, als wären sie gemalt. Das Wesen greift nach dem Ufer und zieht sich zu ihm.

»Kaemon. Du wärst doch nicht gegangen, ohne auf mich zu warten?« Das Wesen lächelt überheblich. Jetzt ist die lange, funkelnde Flosse zu erkennen, welche das Wasser mit eleganten Bewegungen zum Schäumen bringt. Langsam lässt Kaemon sich auf einem der Steine nieder und lacht leise.

»Oh, Muriel, langweilen dich die armen Seelen, die in deinem Wasser umher geistern etwa schon? Erst gestern hast du einen tüchtigen Arbeiter dazu gebracht, sich in den Tod zu stürzen.« Muriel verdreht mürrisch die Augen und beginnt damit, die Eisschichten, die sich auf den letzten Blumen gebildet haben, in ihr Haar zu stecken. »Der Winter hält die meisten Menschen von meinem Fluss fern, und ihre Seelen erstarren in den kalten Fluten so schnell.«

Kaemon schüttelt belustigt den Kopf und beobachtet, wie Muriels Flosse einen Hauch blaue Farbe bekommt, wenn das Licht auf sie fällt. »Du bist zu wählerisch«, sagt er nur und hebt den Blick in den klaren Nachthimmel.

»Ich bin einsam!«, faucht Muriel und zieht sich aus den unruhigen Fluten. Sie ist ihm nun so nah, dass Kaemon ihren eisigen Atem auf seiner Haut spüren kann. Auf ihrem zierlichen Körper haben sich bereits kleine Eiskristalle gebildet, und er muss sich dazu zwingen, nicht nach ihnen zu greifen, so schön sind sie. Doch es ist immer besser, Muriel nicht zu nahezukommen, wenn sie nicht danach verlangt – das haben schon viele vor ihm zu spüren bekommen.

»Wie viele deiner Verehrer sind jemals wieder an die Oberfläche gekommen, meine Liebe?«, fragt Kaemon gelangweilt und weiß, dass er im Begriff ist, das zu tun, was Muriel ihm jedes Mal verübelt. »Das weißt du genau«, erwidert die Schwarzhaarige genervt und will nach dem kleinen Taschenbuch, das Kaemon in seiner Manteltasche trägt, greifen. Geschickt weicht Kaemon zurück und hält ihr Handgelenk fest. Sein Blick ist nun grimmig, von der anfänglichen Belustigung ist kein Hauch mehr zu erkennen. »Dann geh sorgfältiger mit ihnen um. Lass sie ein-, zweimal wiederkommen. Ich kann dir nicht jeden überlassen. Meine Auftraggeber erwarten Beweise.«

Muriel faucht und reißt sich los. »Warum bist du nur so egoistisch!« Kaemon erhebt sich und wendet sich zum Gehen. »Ich glaube nicht, dass ich dir schon wieder erklären muss, warum ich ihre Köpfe brauche. Du bist zwar gierig, aber nun wirklich nicht dumm.« Damit entfernt er sich vom dunklen Ufer.

Aus der Ferne vernimmt er noch die wütenden Flossenschläge Muriels, als sie zurück in ihre eigene Welt gleitet. Oh, sie ist so sprunghaft, in manchen Momenten so verführerisch und lieblich und im nächsten Augenblick so heimtückisch und tödlich, wie es keine andere Nixe Londons ist. Nie hat Kaemon sie anders kennengelernt, aber im Gegensatz zu den anderen armen Seelen hat er sich niemals seinen Verstand rauben lassen. Vielleicht sein Herz, aber nicht seinen Verstand.

»Ich bestimme, was dein nächster Schritt ist, ich entscheide, wen du als Nächstes zu dir holst. Ich lasse dich deine Regeln verletzen, ich forme deinen Charakter – du glaubst, du kannst immer noch frei sein? Denk noch mal darüber nach. Deine Seele liegt in meinen Händen. Du kannst nicht dagegen ankämpfen.«

Pandora, Italien, Dezember

So war es nicht geplant. Nachdem sie das Amulett aus seiner Kammer gestohlen und sich zurück in die Menschenwelt gerettet hatte, wollte Pandora dieses Leben hinter sich lassen und ein kleines Zimmer in der nächsten Stadt mieten. Doch jetzt rennt sie lediglich davon, fühlt sich in diesen Städten nicht sicher genug.

Ihre Füße tragen sie über den vereisten Waldboden, wirbeln weiße Wolken auf und hinterlassen tiefe Abdrücke, die noch Tage später zu erkennen sein werden. Krampfhaft schließen sich ihre Finger um das kleine Schmuckstück, dessen glühendes Gold seine Muster in ihre helle Haut brennt, aber sie lässt nicht los, im Gegenteil, packt es sogar noch etwas fester. Es zu verlieren, würde ihren sicheren Tod bedeuten.

So viele Gedanken schwirren in ihrem Kopf umher, dass ihr schwindlig wird. Gedanken, die sie aus dem Gleichgewicht bringen, aber Pandora kämpft sich weiter durch das dichte Gestrüpp. Sie ignoriert ihren lauten Herzschlag, versucht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne entdeckt zu werden.

Ihr ist klar, dass er nach ihr sucht – oder liegt er in diesem Moment seelenruhig in seinem Bett und wartet darauf, dass sie ihm ein weiteres Mal in die Arme läuft? Sie schnappt laut nach Luft, schlingt den dünnen Mantel enger um sich, um dem eisigen Wind keine Möglichkeit zu geben, mit seinen gierigen, kalten Fingern nach ihr zu greifen. Verzweifelt unterdrückt Pandora ein Schluchzen. Ist sie im Begriff zu versagen oder verliert sie nur ihren Verstand? Nein. Niemals, diesmal nicht.

Ihre Sicht klärt sich wieder. Ihr Herzschlag wird ruhiger. Inzwischen hat sie den kleinen Bach erreicht, der unterhalb des Gipfels in das weite, kalte Meer mündet – doch sie hat keinen Blick für diese Schönheit, nicht wirklich.

Seine Wasseroberfläche glänzt gespenstisch und sieht man genauer hin, erkennt man die blassen Gesichter der Unglücklichen, die dort ihr Leben gelassen haben. Manche strecken ihre Hände nach dir aus, aber ihre Seelen sind bereits verloren, greifst du nach ihnen, ziehen sie dich mit in ihr nasses, verfluchtes Grab. Doch sobald die ersten Strahlen des Mondes die Oberfläche berühren, ist auch noch etwas anderes in den Fluten zu entdecken – schimmernde Schwanzflossen, die das Meer mit geschmeidigen Bewegungen teilen und die Seelen in die Tiefe ziehen.

Am Rand der Klippe stoppt Pandora und wirft einen kurzen Blick hinter sich. Kein Mensch ist zu sehen, nicht einmal ein Waldtier huscht von einem Baum zum anderen. Nervös streicht sie sich die schwarzen Strähnen, die der Wind ihr in das Gesicht bläst, beiseite und schluckt.

Ihr einziger Weg in die Freiheit ist der Sprung – doch Nixen sind schon immer listige Wesen gewesen, daran hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nichts geändert. Pandora atmet tief durch, versteckt das Amulett sicher in ihren Kleidern und springt. Als sie auf dem Wasser aufkommt, fühlen sich die Fluten an wie viele kleine Nadeln, die sich in ihre Haut bohren, und für den ersten Moment nimmt ihr die See den Atem. Sie schlägt um sich, versucht hektisch, der Dunkelheit zu entkommen, aber sie sinkt unaufhaltsam weiter in die Tiefe, findet keinen Halt.

Um sich herum kann Pan verschwommen Bewegungen erkennen. Schatten, die so schnell verschwinden, wie sie kommen. Die Kälte dringt immer weiter in ihre Knochen vor, ihre Finger werden taub und die Luft weicht endgültig aus ihren Lungen.

Aber dann, als sie den Glauben an die alten Sagen beinahe vollkommen verloren hat, packt sie etwas an ihrem Handgelenk und zieht sie nach oben. Mit nur wenigen Schwanzschlägen erreicht die Nixe den nächstbesten Stein, der aus dem Wasser ragt. Unter krampfhaftem Luftholen zerrt Pandora sich auf ihn.

Die Nixe bringt ein wenig Abstand zwischen sie. Ihre Augen sind grün – ein dunkles, trostloses Grün, ganz im Gegensatz zu den feuerroten Haaren, die sie sich mit einer langen Schlinge Seegras aus dem Gesicht gebunden hat. »Mutig. Oder sollte ich eher sagen, töricht?«

Ihre Stimme ist sanft, aber auch misstrauisch und so scharf wie die Kanten des Felsen, auf dem Pandora sitzt.

»Ich wusste, dass es funktionieren würde. Das Zeichen ist noch mächtig, hättest du mich nicht gerettet, hättest du gegen den Codex verstoßen«, erwidert sie mit starker Stimme, denn jetzt, da wenigstens ein kleiner Teil ihres Planes funktioniert hat, weiß sie, dass das Schicksal es doch nicht so schlecht mit ihr meint.

»Oh, meine Liebe … siehst du es nicht? Dieses kleine Königreich gehört nicht deiner Art, wir spielen nicht nach euren Regeln.« Augenblicklich überkommt Pandora der Zorn, den sie all die Jahre in sich verschlossen hat und sie packt die Kehle der Nixe. »Ich warne dich. Vielleicht bin ich die Tochter eines Volkes, dessen Namen man langsam vergisst, weil man uns hintergangen hat, aber ich kann dein Leben schneller beenden, als dir lieb ist.« Die Nixe zischt leise und mit rasendem Herzen lässt Pandora sie los. »Was willst du überhaupt hier?«

»Weg. Bring mich auf irgendein Schiff, Hauptsache ich komme weg von hier.« Das Wasserwesen sieht sie finster an und Pan weiß, dass die Nixe sie am liebsten ertränken würde, trotzdem legt diese ihre Hand sanft auf das unruhige Wasser und runzelt konzentriert die Stirn. Nach ein paar Atemzügen hebt sie den Kopf.

»Ein Schiff, ein paar hundert Meter entfernt von uns. Nimm es oder ertrinke.« Erleichterung strömt durch Pandoras Körper, als die Nixe wirklich ihre Hand nimmt und sie ins Wasser zieht. Das Zeichen des Codex‘ auf ihrem Arm wird warm, schon fast heiß, aber es stört sie nicht im Geringsten – es ist ihre Versicherung zu überleben, ein wunderschöner Fluch.

Das Wasser rauscht an ihr vorbei, kleine Fische kommen aus ihren Verstecken. Allmählich sieht Pandora die Schönheit, die sich unter diesen dunklen Wellen verbirgt. Auf den ersten Blick wirken sie so trostlos, doch wenn man loslässt, erreichen einen die wundervollen Geschöpfe, und die Schatten alter, prachtvoller Bauten ziehen an einem vorbei. Die Zeichen, die in ihr Gestein geritzt wurden, sind schon vor langer Zeit von den Wasserpflanzen überwuchert worden. Trotzdem ragen so manche Spitzen noch darunter hervor und entführen die, die das Glück haben, sie zu Gesicht zu bekommen, in fremde Welten.

Für einen kurzen Moment schließt Pan die Augen und konzentriert sich auf das Gefühl, wie das Wesen sie ohne Mühe durch das Meer zieht, darauf, wenn ein kleiner Fisch ihre Hand streift oder eine Luftblase ihre Wange berührt. Ist dieses Gefühl die Freiheit, die sie all die Jahre vermisst hat? Pandora öffnet die Augen und schaut in die Tiefe. Auf einmal kommt ihr die weite Schwärze der See gar nicht mehr so bedrohlich vor, viel mehr mystisch und faszinierend.

Sie lässt sich von der Nixe weiter durch das Wasser ziehen. Schon bald erkennt sie die Silhouette eines riesigen Schiffes, das die gewaltigen Wellen teilt. Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen. Aufregung gleitet durch ihren Körper. Wohin dieses Schiff sie wohl führen wird? Auf einmal stoppt die Nixe, lässt ihr Handgelenk so hastig los, als hätte sie sich daran verbrannt und deutet auf den Bug des Schiffes. »Viel Glück. Du wirst es brauchen.« Ein hässliches, fieses Grinsen zieht sich urplötzlich über ihr schönes Gesicht und Pandora erstarrt, doch bevor sie die Nixe fragen kann, was sie damit meint, stößt diese sie schon auf die Oberfläche zu. Zitternd schließt Pan die Augen und lässt sich ganz von den wilden Wellen tragen. Sie versucht, sich nicht an der Gischt, die ihr in das Gesicht schlägt, zu verschlucken und so leblos zu wirken wie nur möglich, trotzdem spürt sie die Panik, die sich in ihrem Herzen ausbreitet, deutlich. Es dauert nur wenige Sekunden, da durchschneidet eine tiefe, laute Männerstimme die Stille und Pandora vernimmt schwere, eilige Schritte, die über das Deck hasten. »Da treibt jemand im Wasser!«

»Ist es eine Meerjungfrau?« Grölendes Lachen. Das ungute Gefühl in Pandoras Magengegend verstärkt sich, aber sie traut sich nicht, die Augen zu öffnen, um zu sehen, wer da an der Reling steht und zu ihr hinabblickt. »Lasst sie uns hochholen, wenn sie bereits tot ist, können wir sie immer noch zurück zu den Haien werfen«, ruft eine andere, jüngere Stimme und Pan hört, wie neben ihr etwas in das kalte Wasser gelassen wird – vermutlich eines der kleinen Beiboote, die so riesige Schiffe wie dieses hier oft haben. Sie versucht, sich zu entspannen. Nur daran zu denken, wie es wohl sein wird, wenn sie in einem kleinen Haus am Rande einer Stadt in Frieden lebt, aber als zwei starke, raue Hände sie grob am Handgelenk packen und nach oben ziehen, krampfen sich ihre Muskeln doch ein wenig zusammen. Dumpf lässt man sie auf dem Holzboden des Bootes aufkommen. Pandora weiß, dass sie noch nie eine gute Schauspielerin war, trotzdem zieht sie sich zusammen und beginnt zu husten, in der Hoffnung, die Männer würden ihr glauben, dass sie erst jetzt zu Bewusstsein gekommen ist.

»Doch kein Haifutter«, bemerkt einer der Matrosen, die mit ihr in dem Boot sitzen, kurz angebunden. Pan kann keinerlei Emotionen in seiner Stimme ausmachen. Erst als sie jemand auf das Schiff hebt, öffnet sie langsam die Augen. Und würde sie am liebsten gleich wieder schließen. Die zwanzig Männer, die sie erwartungsvoll anschauen, sind allesamt heruntergekommen, als hätten sie schon seit Jahren kein Land mehr gesehen. Die meisten von ihnen haben einen langen, zotteligen Bart, tragen einen abgewetzten, braunen Ledergürtel um ihre Hüften, in welchem eine Reihe von Messern stecken. Auf der haarigen, schmutzigen Brust prangt ein großes, schwarzes Tattoo, ein Tattoo, das nur bestimmte Leute tragen.

Pandora wird schlecht. Menschenhändler. Dieses Miststück von Nixe hat sie direkt auf eines der gefürchtetsten Schiffe des Meeres gebracht. Der Mann, der sie getragen hat, lässt sie los, doch Pandoras Beine brechen augenblicklich unter ihr zusammen.

Kann es denn noch schlimmer werden? Zitternd hält sie sich an der Reling fest und überlegt, ob sie nicht lieber zurück in das tröstende Wasser springen soll, denn sie ist davon überzeugt, dass es ihr mehr Freiheit bietet, als mit dieser Mannschaft zu segeln. Aber sie weiß auch, dass sie nach einiger Zeit ertrinken würde – und sterben ist keine Option.

Pandora schweigt und wartet ab. Einige der Männer machen sich schon wieder an die Arbeit, als hätten sie das Interesse verloren, aber der Größte von ihnen und die zwei, die sie aus dem Wasser gezogen haben, rücken sogar etwas näher, um sie genauer zu mustern. Es ist ihr unangenehm, wie sie dasteht, zitternd und mit blassen Wangen, aber Pan weiß, dass sie keine andere Wahl hat, als still zu bleiben und sich nicht zu wehren, was auch immer passiert.

»Was machen wir mit ihr, Kapitän?« Schon allein die Art, wie er sie ansieht und sich an den dreckigen Armen kratzt, während er spricht, lässt Pandora die Hände zu Fäusten ballen. Diese Menschen sind so abstoßend. Sie verspürt den Drang dazu, ihre Herzen zum Stillstand zu bringen. Doch in alte Muster zu verfallen, würde sie nur wieder zu ihm führen, vor dem sie so verzweifelt versucht zu fliehen. Also beißt sie sich auf die Zunge, um sich von ihren Gedanken abzulenken und beobachtet scharf jede Bewegung, jeden Gesichtszug der Händler, immer darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Davon lasten ihr inzwischen genug auf dem Gewissen.

Der größte der Männer zuckt mit den Schultern und packt Pan unsanft am Kinn. Ein fauliger Geruch steigt ihr in die Nase. Sie muss aufpassen, nicht zu würgen. Grob dreht er ihr Gesicht zur Seite und mustert die helle, makellose Haut. Als seine Finger auf ihrem Kinn schier unerträglich werden, reißt Pandora sich los und stolpert das kleine Stück, das ihr noch bleibt, zurück. Angst, aber auch Ekel pulsieren durch ihre Adern.

Ein Grinsen schleicht über das Gesicht des Menschenhändlers. Pans Herzschlag setzt für einen kurzen Moment aus. »Bringt sie zu den anderen, aber an einen Platz, an dem man sie gut sieht – wenn uns keine Makel auffallen, kriegen wir morgen bestimmt einen sehr guten Preis für sie.«

Erneut kocht Wut in Pandora hoch, doch sie versucht, sich darauf zu konzentrieren, dass sie wohl bald an Land sein werden.

»Aber Käpt’n, wir wissen doch nicht einmal, wer sie ist«, wendet einer aus der Besatzung ein. Er scheint nicht der intelligenteste der Mannschaft zu sein, denn die beiden anderen Männer, die neben ihr stehen, verdrehen nur die Augen. Einer von ihnen packt sie am Arm, ohne auf die Antwort des Kapitäns zu warten.

»Na und? Geld bringt sie allemal. Wer weiß, vielleicht erzählt sie ja noch etwas über sich, sobald wir Venedig erreicht haben.« Venedig also. Pandoras Mundwinkel verziehen sich zu einem aufgeregten Grinsen und ihr Herz macht einen Sprung.

Sie kann sich noch daran erinnern, wie sie als kleines Kind in einer der Gondeln gesessen und begeistert die Menschen beobachtet hat, die an ihr vorbeizogen. Oder an den kleinen Vorgarten, in dem sie reife Äpfel von den Bäumen holte und immer einen in ihr Kleid steckte, um ihn später heimlich zu essen.

Schwermütig bei den Gedanken daran, wie sorglos dort alles gewesen war, damals, vor all diesen Jahren, merkt Pan gar nicht, wie der Mann, der sie gepackt hält, eine Luke aufklappt. Stickige Luft schlägt ihr entgegen. Instinktiv dreht sie ihren Kopf zur Seite. Mit einer schnellen Handbewegung greift der Matrose nach einer Lampe, die an der Decke gefährlich hin und her schwingt. Sie verbreitet nur ein sehr schwaches, trostloses Licht.

Die schäbige Holztreppe, die in den Schiffsbauch hinabführt, ist gerade so zu erkennen. Pandora nimmt das schwere Rasseln von einigen Eisenketten wahr, aber was genau sich im Halbdunklen befindet, kann sie nur erahnen. Damit der Menschenhändler sie nicht länger anfasst, setzt Pandora ganz von selbst einen Fuß vor den anderen. Ihre zitternden Hände umfassen den dicken Schiffsbalken.

Das Schiff selbst schwankt gefährlich auf den wilden Wellen der See, wilder als vor wenigen Minuten, als Pandora den unheilvollen Boden betreten hat. Ganz so als würde das Meer sie zurückfordern wollen, denn sie weiß, dass es nicht gerne hergibt, was ihm geschenkt wurde.

Allmählich gewöhnen sich ihre Augen an das schlechte Licht und ihr Herzschlag setzt für einen kurzen Moment aus. Die Mädchen, die unter dem Deck kauern, sind jünger, als sie erwartet hat – manche von ihnen höchstens zwölf Jahre alt, andere gerade einmal neun oder zehn. Als Pandora an ihnen vorbeischleicht, heben die meisten nicht einmal mehr ihren Kopf, um ihr nachzusehen, aber die, deren Gesichter Pan erkennen kann, wirken blass und erschöpft. Der Glanz in ihren Augen ist erloschen. Dort, wo die kalten Handschellen die Haut der Mädchen berühren, sind dunkle Abdrücke zu erkennen.

Pandora will gar nicht erst darüber nachdenken, wie lange sie schon hier unten sitzen, ohne richtiges Essen oder die Möglichkeit, an die frische Luft zu kommen. Schnell wendet sie sich von ihnen ab und starrt stur gerade aus. Sie will das Ganze nicht länger mitansehen und hofft, dass der Mann sie in eine leere, dunkle Ecke schafft. Denn Pandora weiß, dass Einsamkeit manchmal die bessere Wahl ist. Allerdings geht ihr Wunsch nicht ganz in Erfüllung – der Menschenhändler schubst sie grob zu einem jungen Mädchen am Ende des Raumes.

Ihre roten Haare fallen ihr zerzaust auf die bebenden Schultern und ihre Handgelenke sind so dünn, dass Pandora Angst hat, die schweren Ketten würden sie jeden Moment zertrümmern. Ein scharfer Schmerz schießt durch ihren Körper, als man sie auf den Boden stößt und sich viele kleine Holzsplitter in ihre Hand bohren. Pandora wirft dem Matrosen einen zornigen Blick zu, aber er interessiert sich nicht sonderlich dafür.

Langsam beginnt er, ein dickes Seil aus einer der schweren Holzkisten zu holen und es um ihre Hände zu wickeln. Sie zuckt jedes Mal ein wenig zusammen, wenn das raue Material sich um ihre Haut schlingt. Mit pochendem Herzen sitzt Pan da, wissend, dass sie sich so leicht befreien, damit aber ihr Leben aufs Spiel setzen würde. Und das ist es bei Gott nicht wert, denn diese Männer sind ihre einzige Chance, das Festland zu erreichen. Trotz des ganzen Hasses, der sich in ihren Augen widerspiegelt und durch ihre Adern fließt, ist die Hoffnung noch etwas größer. Die Hoffnung, ihr altes Leben hinter sich lassen und normal sein zu können. Sie wird die Vergangenheit begraben und vielleicht ein paar der Mädchen helfen, einer Knechtschaft zu entkommen. Selbst wenn ihr noch nicht klar ist, wie.

Pandora weiß, wie Sklavenverkäufe ablaufen, hat sie es in ihrer frühen Kindheit doch oft genug miterlebt. Als Tochter einer reichen Familie war es nichts Besonderes, Bedienstete zu haben – auch wenn sie es damals noch nicht verstanden hatte, was es bedeutet, ein Sklave zu sein. Der Schmerz an ihren Handgelenken, als der Menschenhändler ein letztes Mal an dem Seil zieht, holt Pandora aus ihren Gedanken. Ein leises, genervtes Zischen kommt ihr über die Lippen, aber der Mann interessiert sich nicht sonderlich dafür. Er grinst sie nur dreckig an und macht sich auf den Weg nach oben. Als die schwere Luke nach unten kracht und das letzte Tageslicht, das hinunterdringt, erlischt, herrscht Stille.

Jetzt brennt nur noch eine kleine, schwache Öllampe, welche von der Decke hängt. Vorsichtig lehnt Pandora sich an den Holzbalken hinter ihrem Rücken. Die Fesseln an ihrer Haut jucken und sie verabscheut die trostlose Stille. Das schwache Licht versetzt sie in Panik. Schon damals konnte sie so etwas nicht leiden. Geändert hat sich das bis heute nicht. Sie ballt die Hände so weit wie möglich zu einer Faust und schluckt. Nach der ganzen Euphorie, ihm entkommen zu sein, ist da wieder diese Unsicherheit, die sich tief in ihr Herz bohrt. Die Angst, mit der sie so lange leben musste. Sie schließt die Augen und atmet tief durch. Dann dreht sie ihren Kopf zur Seite und beobachtet das junge, rothaarige Mädchen neben sich.

»Wo haben sie dich denn jetzt her?« Pan zuckt zusammen – sie hat nicht damit gerechnet, dass hier irgendjemand mit ihr reden würde. »Aus dem Wasser gezogen«, antwortet sie leise. Langsam kriecht die Kälte ihres nassen Kleides durch ihren Körper. »Wärst du nur lieber ertrunken«, murmelt das Mädchen.

Pandora schnaubt kaum merklich. Wenn sie nur wüsste, dass es nichts Schlimmeres gibt, als den Tod. »Ich bin übrigens Pandora.«

»Rubina.«

»Freut mich.«

»Das würde es mich auch, wenn die Umstände etwas anders wären.«

Pan merkt, wie das Mädchen stark sein möchte, aber der ängstliche, verbitterte Ton in ihrer Stimme verrät sie. Und Pan merkt auch, dass ihr rein gar nichts einfällt, um Rubina etwas aufzumuntern. Schließlich befindet sie sich selbst in dieser verzwickten Situation. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie den schlimmsten Teil ihrer Reise bereits hinter sich hat.

»Woher haben sie dich?«

Rubina seufzt leise. »Meine Familie hat einen kleinen Bauernhof an der Küste Frankreichs. Wir waren gerade im Wald Holz sammeln, als …« Ihre Stimme versagt. »Schon gut«, murmelt Pandora beschwichtigend, »du musst nicht weiterreden.« Rubina nickt leicht. Schweigend wendet Pan sich ab. Sie hat das Gefühl, unter all den traurigen Geschichten zu ersticken. »Na ja, bald sind wir in Venedig«, murmelt sie in sich hinein.

Das junge Mädchen wirft ihr einen kurzen, zweifelnden Blick zu. »Und du glaubst, dort wird es besser werden?«

Es dauert eine Weile, bis Pandora ihr antworten kann. »Weißt du, manche Städte bergen einen wunderschönen Zauber, der die mit sich nimmt, die ihren verloren haben.«

Ein schmales Lächeln schleicht sich auf Rubinas Lippen. »Vielleicht hast du recht und alles kommt wieder in Ordnung.«

Doch als Pandora sich umsieht, hat die Hoffnung nur Rubinas Augen erreicht. Die anderen Mädchen starren weiter geradeaus, der Blick leer, die Gesichtszüge wie eingefroren. Sie seufzt leise. Pandora hat schon so viel Unglück über manche Leute gebracht, früher, als sie noch unter seinen Befehlen stand, dass dieser Anblick nichts Neues ist. Trotzdem möchte sie den anderen so gerne helfen.

Im selben Moment entfacht dieser Gedanke eine ungeheure Wut auf sich selbst. Pandora presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und schluckt. Sie weiß nicht, wie es für sie weiter gehen wird, also sollte sie aufhören, sich um das Wohl anderer zu sorgen. War ihr das nicht all die Jahre beigebracht worden? Sich nicht um die Gefühle anderer zu kümmern? Ein kleiner Teil von ihr will vergessen, was sie da denkt, aber alte Angewohnheiten sind schwer loszuwerden.

Pan holt tief Luft. Ihr ist klar, dass sie unbedingt hier raus muss, sonst würden ihre Gedanken sie langsam auffressen, bis keine Hoffnung mehr übrigbleibt.

Jeder Schlag der Wellen gegen das morsche Holz des Schiffes hallt in ihrem Kopf wider. Ein wenig beruhigt sie dieses Geräusch, hat sie sich doch schon immer in der Nähe des Wassers wohlgefühlt.

Es müssen Stunden vergangen sein, bis der schwere Anker, der sich in einem der Steine am Meeresboden verfängt, das Schiff stoppt. Der Aufprall wirft einige der Mädchen nach vorne und auch Pandora kann sich nur geradeso aufrecht halten. Ihr Herz macht einen kleinen Sprung. Sie sind da. Endlich.

Aufgeregt lauscht sie den eiligen Schritten an Bord. Nur zu gut kann sie sich vorstellen, wie die ersten Waren an Land gebracht und die Besatzung von ihren Geschäftspartnern empfangen wird. Wahrscheinlich errichtet man bereits die Podeste, auf denen sie und die anderen Mädchen zur Schau gestellt werden sollen – bei diesem Gedanken läuft es Pan eiskalt den Rücken hinunter.

Tief durchatmend versucht sie, sich das Deck des Schiffes in Erinnerung zu rufen. Man würde sie direkt auf dem Markusplatz verkaufen. Wenn Pandora einmal von den Menschenhändlern loskommt, ist es eine Leichtigkeit, in den Menschenmassen zu verschwinden. Aber dazu muss es erst einmal kommen und genau das ist es, was ihr Kopfschmerzen bereitet.

Der laute Knall der sich öffnenden Luke reißt Pandora aus ihren Gedanken. Dieselben Männer, die sie aus dem Wasser gezogen haben, beginnen nun, die gefesselten Mädchen nach oben zu zerren. Bei einigen geben die Knie nach, saßen sie doch so lange unbewegt im Dunklen, anderen machen die schweren Ketten zu schaffen. Doch die Besatzung hat kein Mitleid und schleift die, die nicht mehr aufstehen können, grob weiter.

Schon bald wird der Frachtraum immer leerer und die einzigen, die noch hier unten sitzen, sind Pan und Rubina. Pan wirft ihr einen schnellen Blick zu. »Viel Glück.« Das junge Mädchen nickt und lächelt schwach. »Dir auch.«

Und da wird sie auch schon am Arm gepackt und nach oben gebracht. Der Knoten in Pandoras Magen wird immer fester. Jeden Moment könnte das passieren, was ihr ermöglicht, zu fliehen. Oder ihren Untergang besiegelt. Nach wenigen Minuten betritt jemand den Raum, den Pandora hier noch nicht gesehen hat. Seine Haare fallen ihm unordentlich auf die breiten Schultern und über das fahle Gesicht zieht sich eine lange, frische Narbe.

Pan verzieht das Gesicht. Er sieht nicht ansatzweise so schlimm aus wie die anderen Männer, aber dafür strahlt er etwas viel Gefährlicheres, Unheimlicheres aus. So langsam beschleicht sie das Gefühl, dass sie sich vor diesem Mann viel mehr in Acht nehmen sollte, als sie bereits ahnt.

Gekonnt bindet er Pandoras Seil von dem Holzbalken los, doch anstatt sie sofort mit nach oben zu ziehen, verharrt er einen Moment hinter ihr. »Du musst jetzt ganz still sein. Für unser beider Wohl.«

Pandora spürt seinen warmen Atem deutlich an ihrem Ohr. Verwundert dreht sie sich zu ihm. Sie kennt ihn nicht, das ist ausgeschlossen. Aber warum bringt er sie nicht zu den anderen? Retten wollen wird er Pandora wohl kaum, das kann sie sich nicht vorstellen. Trotzdem hält sie ganz still und gibt keinen Ton von sich.

»Sind alle draußen, Sylas?«, ertönt eine tiefe, laute Stimme vom Deck. Der Gerufene streckt sich. »Ja, keine mehr hier. Ich räume noch kurz alles beiseite und komme dann nach!«

Pandora glaubt, zustimmendes Gemurmel von oben zu vernehmen. Auch wenn sie nicht weiß, was Sylas vorhat, merkt sie, wie sich ihre Muskeln langsam entspannen. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck mustert der fremde Mann sie.

»Jetzt sollte uns keiner mehr im Weg stehen.« Ein selbstgefälliges Grinsen schleicht sich über seine Lippen. Trotzdem bleibt sie ruhig und lässt sich gehorsam von Sylas nach oben bringen. Er bewegt sich geschmeidig und lautlos, kaum zu glauben, dass er ein Menschenhändler auf hoher See ist. Eher würde Pandora ihn für einen königlichen Auftragsmörder halten – was bei mächtigen Familien in dieser Zeit nichts Besonderes ist.

Doch Pan hat schon seit langem gemerkt, dass man nicht nach dem ersten Eindruck urteilen sollte. Vorsichtig schleicht dieser fremde Mann mit ihr über das Deck. Er weiß genau, welche der alten Holzdielen unter ihnen knarzen würden und schlängelt sich geschickt an ihnen vorbei, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Aber die beiden Männer seiner Mannschaft, die das Schiff bewachen sollen, sind ohnehin abgelenkt.

Tausende schöne Mädchen, reich und Fremden zugetan, laufen lachend an ihnen vorbei. Und da verschwindet Pan schon zwischen den vielen Menschen. Aus dem Augenwinkel kann sie das Podest sehen, auf dem die anderen Mädchen stehen, jedoch schließt sich schon bald eine Menschentraube um sie und verdeckt Pandora die Sicht.

Trotz der schützenden Massen verringert Sylas sein Tempo nicht. Er eilt stur über den Markusplatz, ohne der Schönheit dieses Ortes eines Blickes zu würdigen.

Die Sonne fällt weich auf die hohen, hellen Gebäude, Tauben mit weißem Gefieder tummeln sich auf den filigran geschwungenen Laternen, die sich über die Köpfe der Menschen erheben. Huscht man an einem der Cafés vorbei, vernimmt man sogar den Klang der Geigen und das sachte Klimpern des Klaviers.

Genüsslich atmet Pandora die Luft ein, die sie schon so lange vermisst hat und genießt die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Es fällt ihr leicht, Sylas und die Fesseln um ihre Hände für einen Moment zu vergessen. Sie lässt sich einfach nur treiben.

Doch dann wird es plötzlich kälter. Die Sonne ist verschwunden, und er zerrt Pandora in eine kleine, leere Seitengasse. Hier verliert Venedig seinen Zauber.

Die Wände sind verschmutzt, ein übler Geruch steigt Pandora in die Nase. Auf dem Boden liegt vergammeltes Gemüse. Eine Gänsehaut legt sich über ihre Arme.

Sylas bleibt stehen und schubst sie gegen die Wand. Augenblicklich weicht Pandora beiseite, aber er hat ihre Fesseln fest im Griff und zieht sie zurück. »Ich rette dich vor dem Podest und so dankst du es mir? Indem du wegrennen willst?«

Sie schluckt, weiß nicht, was sie ihm darauf antworten soll. Sylas zuckt mit den Schultern und streicht Pandora langsam über die glatte Haut. Angewidert hält sie die Luft an. »Ich glaube, dass hinter dir viel mir steckt, als der Boss vermutet. Bist du eine der verschwundenen Töchter der Adelsfamilien?«

Er zögert einen Moment, dann gleitet ein siegessicheres Lächeln über sein Gesicht. »Selbst wenn nicht, du lässt dich sicher gut verkaufen. So makellos. So jung.« Mit vor Gier glänzenden Augen beugt sich Sylas zu ihr hinunter, und als sein heißer Atem ihre Haut trifft, dreht Pandora panisch ihren Kopf beiseite.

Sie will weg hier, fort von diesem Widerling, wieder in der Menschenmenge verschwinden. Mit klopfendem Herzen beobachtet sie jede seiner Bewegung, überlegt, wie sie Sylas entfliehen kann. Aber als er sich zu ihr hinunterbeugt, die schmalen, rauen Lippen auf ihre senkt, weiß sie, dass sein Schicksal besiegelt ist. Pandora schließt die Augen.

Ein weiteres Mal schmeckt sie die Bitterkeit in ihrem Mund. Die Bitterkeit, die sie immer schmeckt, wenn sich jemand von diesen Gefühlen leiten lässt. Kaum berühren seine Lippen ihre, verkrampft sich Sylas. Er wird bleich und Pans Fesseln fallen ihm aus der Hand. Mit weit aufgerissenen Augen stolpert er. Sein Mund öffnet sich zu einem letzten, stummen Schrei, dann gleitet er die kalte Hauswand hinab und bleibt reglos auf dem verschmutzten Boden liegen.

Benommen starrt Pandora auf seinen toten Körper. Wie sehr sie es hasst. Wie gerne sie den Schleier des Todes, der unaufhaltsam über ihr schwebt, abschütteln möchte. Kein Monster mehr sein. Ihre Gedanken versetzen ihr einen kleinen Stich im Herzen. Schnell versucht sie sich von den Fesseln zu befreien. Von jemandem gesehen zu werden wäre ihr Todesurteil, man würde sie hängen lassen. Ein Schicksal, das sie nicht ereilen darf.

Pans Herz macht einen kurzen, erfreuten Sprung, als das Seilende ihre Hände freigibt und den Staub auf dem Boden aufwirbelt, als es dort aufkommt.

»Mord!« Die hohe, aufgebrachte Stimme, die über den Platz hallt, lässt die Musiker verstummen und die Verkäufer innehalten.

Pandora erstarrt. Ihr Kopf fühlt sich elend schwer an, während sie ihn hebt und direkt in die eisblauen, geweiteten Augen der älteren Dame starrt. Hatte sie sich eben noch so weit von der Menschenmenge entfernt gefühlt, weiß sie nun, dass man niemals so allein ist, wie man denkt. Pandora schluckt. Und dann rennt sie.

Die Zeit scheint still zu stehen, als sie die enge Gasse entlang eilt. Sie spürt den sachten Wind, der ihr über die Wangen streicht, nicht mehr. Sie fühlt sich wie betäubt, ihre Beine stolpern so unbeholfen über das Pflaster, dass es ihr so vorkommt, als würde eine unbekannte, starke Macht sie zurückhalten.

Schwere, schnelle Schritte dringen Pandora an die Ohren. Sie weiß, dass sie nur Unheil bringen. Sie will schreien, endlich aus diesem Teufelskreis ausbrechen.

Pan versucht, einen klaren Gedanken zu fassen, aber er entgleitet ihr jedes Mal wieder. Sie rennt einfach nur, wählt unwillkürlich ihre Richtung, von der sie hofft, dass sie ihr Sicherheit bringt.

Aber egal, wohin sie läuft, immer mehr Menschen treten ihr in den Weg. Sie wissen, wie es ist, einem Flüchtigen zu begegnen und in dem Glauben, ihre Straßen sicherer zu machen, tun sie alles dafür, diese zur Strecke zu bringen. Dabei entgeht ihnen die Tatsache, dass die wahren Verbrecher in teuren Häusern sitzen, sich von ihren Dienern hochwertigen Wein bringen lassen und diese Stadt unter ihrer Kontrolle haben, ohne das Beste für sie zu wollen.

Pandora schnaubt verbittert, ist ihr doch bewusst, dass sie selbst einmal zu diesen Leuten gehört hat. Schnell schüttelt sie diesen Gedanken ab und versucht sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Kann sie nicht flüchten, wird das ihr letzter Tag gewesen sein und Pan findet keinen Gefallen daran, mit ihm zu sterben. Ohne ihn noch eher, aber nicht mit ihm, es gibt zu viele schmerzende Erinnerungen, die damit verbunden sind.

Schon bald zeigt sich, dass die Wachen in all den Jahren nur aufmerksamer geworden sind. Sie halten Ausschau nach dem jungen, zitternden Mädchen mit den schmutzigen Kleidern und der blassen Haut. Pandora kennt ihre Vorgehensweise nur zu gut, trotzdem zuckt sie jedes Mal wieder zusammen, wenn sie an einem von ihnen vorbeihuscht. Nicht ohne bemerkt zu werden, wie sie feststellen muss.

Als kleines Mädchen war es für sie ein Leichtes gewesen, aus dem großen Anwesen zu verschwinden und sich in der Stadt herumzutreiben. Auch später noch behielt sie diese Eigenschaft, aber heute ist sie einfach zu erschöpft, um nicht den Kopf zu verlieren.

Die Menschen schreien, wenn Pan sie zur Seite stößt, um sich Platz zu schaffen. Stellen ihr ein Bein, um sie zu Fall zu bringen. Obwohl sie sich in Venedig auskennt, hat sie inzwischen die Orientierung verloren. Um einen besseren Überblick zu haben, hastet sie auf das Wasser zu. In ihren Ohren rauscht das Blut. Ihr Atem geht flach.

Sie rennt weiter, die Leute in den Booten nicht beachtend, doch dann sticht ihr ein großer, junger Mann ins Auge.

Pandora weiß nicht, was es ist, aber er strahlt etwas aus, das sie in ihren Bann zieht. Er ist gerade dabei einen Beutel voller Münzen von einem mageren, aber gut angezogenen Burschen entgegenzunehmen und weist im Gegenzug auf eine schmale Holzkiste. Als Pandora an ihm vorbeirennt, wirft er ihr nur einen gelangweilten, sporadischen Blick zu. Trotzdem hat sie das Gefühl, dass alles um sie herum verschwindet, die Wachmänner, die hinter ihr her sind, die Händler. Es bleiben nur der Unbekannte mit den pechschwarzen Haaren und sie, zwischen den vielen Schiffen und den alten Kutschen.

Früher wäre ihr das nie passiert. Niemals hätte sie sich durch jemanden ablenken lassen und ihr Ziel aus den Augen verloren. Kaum ist der Fremde aus ihrem Blickfeld, stolpert sie und fällt.

Einen Wimpernschlag später packen die Wachmänner sie an den Armen und zerren sie fort. Panisch versucht Pan sich zu wehren, aber sie kann sich nicht aus ihren Griffen befreien. Sie schnappt nach Luft. Jetzt ist alles vorbei, da ist sie sich sicher.

Sie muss heftig blinzeln, um die aufsteigenden Tränen zu vertreiben. So eine Chance wird es nie wiedergeben, Pandora weiß, dass sie ihm nicht ein zweites Mal entfliehen kann.

Das Amulett in ihrem Kleid wird plötzlich schwerer, als würde es sie schadenfroh daran erinnern wollen, dass es ihr immer Pech bringen wird. Die Menschen, an denen sie vorbeigeschleppt wird, werfen ihr abwertende Blicke zu. Mit vor Zorn funkelnden Augen senkt Pandora den Kopf. Sie hat das alles hier nicht verdient, nein, es ist unfair, dass es gerade sie trifft. Es gibt so viele schlechte Menschen in diesen Ländern. Diebe, Betrüger und Mörder. Und ausgerechnet sie bringt man nun fort, durch all die Massen, wie ein zur Schau gestelltes Tier.

Dabei wissen sie doch noch nicht einmal, wer sie eigentlich ist, was sie ist. So viele Dinge, die Pan in ihrer lang ersehnten Freiheit hatte erledigen wollen, und nichts davon wird erfüllt. Der Zorn, die Sehnsucht und der Durst nach Rache werden sie auf ewig begleiten.

Pandora schließt die Augen, als sie merkt, dass die Last sie zu erdrücken scheint. Erschöpfung fließt durch ihre Adern. Sie lässt sich von den beiden Männern an ihrer Seite widerstandslos auf das gewaltige, umzäunte Gebäude zuziehen. Pandora hat es schon einmal gesehen, damals, aus sicherer Entfernung, als Venedigs gefürchtetster Serienmörder geschnappt wurde. Keiner weiß, was danach mit ihm passiert war. Jetzt wirkt der Bau umso gefährlicher.

Er ragt in den Himmel empor, und auf seinen dunklen Dächern sitzen tausende von Tauben. Dieser Ort hier ist so verkümmert, dass es niemanden mehr interessiert, ob er von Plagen heimgesucht wird oder das Dach undichte Stellen hat, durch welches die Regentropfen hindurchfließen. Solange keine unerwünschte Gestalt hinein- oder hinauskommt, gibt die Stadt kein Geld für einen Ort wie diesen aus.

Trotzdem spendet es Pandora ein wenig Trost, dass sie hier sterben wird. In der Stadt, wo alles angefangen hat. Wenn sie die Augen schließt, ziehen die Erinnerungen an ihr vorbei – wie sie mit ihrem Kindermädchen die Tauben gefüttert oder mit ihrem Onkel fangen gespielt hat, wie sie tagelang in ihrem Zimmer gesperrt war, weil sie versucht hatte, einem Wachmann den Hut zu stehlen. Nie ist diese Geschichte an die Oberfläche gekommen. Das großzügige Schmiergeld ließ alle Akten darüber verschwinden.

Pandora seufzt leise. Ob all diese Menschen noch lebten? Ob man sie erkennen würde? Wahrscheinlich nicht. Sie war sehr jung, als sie diese Welt verließ und er gab ihr nie eine Gelegenheit dazu, einen flüchtigen Blick nach Venedig zu werfen. Diese Aufgabe übernahmen immer die anderen.

Die Wachmänner an ihrer Seite bleiben vor dem schmiedeeisernen Tor stehen. Ungeduldig halten sie ein kleines Stück Papier in die Höhe. Ein Ausweis, vermutet Pan, aber sie erkennt es nicht genau und hatte sich nie so weit hergewagt, um es erforschen zu können.

Der grimmige, bärtige Mann hinter dem Tor mustert das Papier kurz, dann nickt er und öffnet die quietschende Tür. Die beiden Wachmänner stoßen Pandora hindurch. Das Tor fällt krachend hinter ihnen ins Schloss. Nervös beobachtet Pan die Umgebung. Der schmucklose Platz ist menschenleer, aus dem vertrockneten Brunnen in der Mitte sprudelt schon lange kein Wasser mehr, und der eisige Wind fegt rücksichtslos über den Boden, die dreckigen Taubenfedern umherwirbelnd. »Wohin bringen wir sie?«, durchbricht der Wachmann zu Pans linker Seite die unheimliche Stille. Der andere zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Zu den Mördern natürlich. Auch wenn es mir egal ist, wo sie am Ende landet.«

»Aber wir wissen doch noch gar nicht, was passiert ist. Sollten wir sie nicht zuerst in einen Verhörraum bringen?«, wirft der andere ein und Pandora verdreht die Augen. Wo auch immer man sie hinbringt, sie wird den Tag nicht überleben. Dafür ist die italienische Regierung bekannt.

»Pah. Schau sie dir an. Keinen wird es stören, wenn sie gehängt wird. Bezweifle, dass sie jemand vermisst.«

Ärger erhitzt ihre Wangen. Sie hasst es, auf ihr Äußeres reduziert zu werden, auch wenn es ihr manche Aufträge erleichtert hat. Der schmalere Wachmann seufzt. »Wie du meinst«, beendet er die Diskussion geschlagen. Der Griff um Pans Arm hat sich inzwischen ein wenig gelockert, trotzdem werden seine Finger Abdrücke auf ihrer Haut hinterlassen.

Ohne zu zögern schleppt man sie durch einen langen, kahlen Gang. An seinen Wänden hängen die Bilder bedeutender Männer, unter deren Hand tausende Verbrecher und Unschuldige gestorben sind. Man vergöttert sie, obwohl man weiß, dass die Assassinen der Stadt die eigentliche Anerkennung verdient haben. Sind sie es doch, welche die Gauner von den Straßen und die schwarzen Schafe der Adligen aus der Öffentlichkeit fernhalten.

Je weiter sie gehen, desto kälter wird die Luft. Eine Gänsehaut überzieht Pandoras Arme und schon bald dringt das Geräusch von vor Angst klappernden Zähnen an ihr Ohr. Die Gefangenen, die hier in den Zellen sitzen, sind Mörder. Mörder, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren oder nicht das Glück besitzen, dass jemand eine schützende Hand über sie hält. Die Habgier steht ihnen in das Gesicht geschrieben, die Furcht vor dem, was mit ihnen passieren wird und die Hoffnungslosigkeit, die ihnen so lange eingeredet wurde, bis sie es glaubten. Sie allesamt sind arme, gebrochene Leute und Pan bedauert, dass sie schon längst zu ihnen gehört. Das Blut, das an ihren Händen klebt, lässt sich mit keinem Wasser abwaschen und nüchtern betrachtet, ist es schon längst ein Teil ihres Körpers.

Leises Wimmern liegt in der Luft. Obwohl sie weiß, dass viele es verdient haben, würde sie den Insassen so gerne die Freiheit schenken. Mit pochendem Herzen zwingt Pan sich dazu, ihren Blick starr zu halten. Nicht zu den Gefangenen zu schauen.

Als sie das Ende des Ganges fast erreicht haben, bleiben die Wachmänner ruckartig stehen. Einer von ihnen zieht einen bronzenen Schlüsselbund heraus – er scheint so schwer zu sein, dass man jemanden mit Leichtigkeit damit erschlagen könnte. Es dauert eine Weile, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hat, dann sperrt er die Zelle auf und schubst Pandora grob hinein. Die Tür schließt sich krachend. Schlagartig umgibt Pan nur noch ein schwacher, trostloser Lichtschimmer. Eine Weile steht sie nur starr in der Mitte, nicht wissend, was sie tun soll, bis ihre Augen die Inschriften auf der Steinwand erfassen. Neugierig tritt sie näher.

Helos

Im Auftrag des Todes

Blitzartig weicht Pandora zurück. Sie wird blass, muss aufpassen, dass ihr kein hysterischer Schrei entweicht. Es ist eine Botschaft von ihm, da ist sie sich sicher. Niemand sonst würde es wagen, dieses Symbol an diesen verschmutzen Wänden zu hinterlassen.

Sie widersteht dem Drang, das Amulett hervorzuholen, um es sicherheitshalber mit dem darauf abgebildeten Symbol zu vergleichen, denn sie hat zu viel Angst vor der sicheren Wahrheit. Schwer atmend lässt Pan sich auf die heruntergekommene Pritsche fallen, die linke Hand fest an das klopfende Herz gepresst.

Nicht, dass es irgendeinen Unterschied macht, wenn sie heute noch stirbt, findet er sie ohnehin, aber die Gewissheit, dass er bereits auf sie wartet, bringt sie um den Verstand.

Mit zitternden Händen tastet Pandora die Pritsche ab. Es ist nicht selten, dass Verbrecher spitze Gegenstände in ihre Zellen schmuggeln, in der Hoffnung, ihrem Schicksal entgehen zu können, doch Pan findet nichts. Enttäuscht lässt sie sich an die eiskalte Wand sinken. Fieberhaft schweift ihr Blick durch den kahlen Raum, die Inschrift außer Acht lassend, aber es gibt nichts, mit dem sie das schwere Schloss knacken könnte.

Schluckend durchsucht sie den dünnen Stoff ihres Kleides. Vielleicht hatte sie dort etwas hineingesteckt, ohne es zu realisieren, oder es ist ihr einfach entfallen. Als sie das goldene Amulett berührt, zuckt sie heftig zurück. Ihr ist klar, dass sie sich zusammenreißen muss, wenn sie aus dieser Zelle entfliehen will, aber es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren.

Trotz Pans sorgfältiger Suche fällt ihr kein passender Gegenstand in die Hände. Sie schließt die Augen und reibt sich über die schmerzenden Schläfen. Die dunklen Haare fallen ihr zerzaust auf die bebenden Schultern. Sie muss furchtbar aussehen. Die Ereignisse der letzten Stunden stecken ihr tief in den Knochen und sie hasst es, wie der letzte Hoffnungsschimmer immer wieder aufkeimt, um wenig später zu verlöschen.

Wie lange wird man sie hier sitzen lassen? Wie lange es wohl dauert, bis der Henker den festen Strick verknotet und über den Galgen gehängt hat? Bei dem Gedanken daran wird ihr schlecht. Als sie hier lebte, war es üblich, Hinrichtungen beizuwohnen. Pandora kann sich noch genau daran erinnern, wie die Gauner mit vor Furcht verzerrtem Gesicht auf ihrem Podest standen, und dass es nur wenige Sekunden dauerte, bis ihr Gezappel ihnen den Hals brach.

Dass sie selbst einmal dort hängen würde, hätte sie damals nie zu denken gewagt, und sie beschließt, wenigstens ein wenig eleganter zu sterben als all die anderen Verbrecher. Ihre Gedanken zaubern ein verzerrtes Grinsen auf ihre Lippen. Wie viele Menschen wohl in diesen Zellen verrückt wurden?

Langsam zieht Pandora ihre Knie zu sich und rollt sich zusammen. Die eisige Luft lässt sie frieren und sie hört die unruhigen Schritte der anderen Insassen. Sie hallen unheilvoll von den Wänden wider, ein bedrohliches Echo. Sollen sie doch froh sein, wenn sie noch laufen können, denkt Pan sich, als sie die frustrierten Stimmen hört, die sich über ihren Aufenthalt beschweren. Sie streckt ihre Beine aus und legt sich hin, die Augen starr auf die Decke gerichtet.

Plötzlich merkt sie, wie gut es tut, wieder liegen zu können, so unbequem ihr Quartier auch sein mag. Ihre Muskeln entspannen sich ein wenig und sie schließt die Augen. Ihre Gedanken ziehen an ihr vorbei, aber Pan achtet nicht sonderlich auf sie. Sie liegt einfach da, regelmäßig atmend.

In der Hand hält sie ein kleines Bild ihrer Mutter. Immer schon hat sie es eng bei sich getragen, aber nie hat es jemand anderes zu Gesicht bekommen.

Pandora seufzt leise und lässt die Zeit ruhig verstreichen. Als sie schwere Schritte auf dem Gang hört, die unaufhaltsam näherkommen, erhebt sie sich elegant, steckt das Foto in ihren Ausschnitt und reckt den Kopf stolz in die Höhe.

Wer auch immer ihr Henker ist, er soll nicht merken, wie sehr sie sich vor ihm fürchtet. Er soll nicht die Möglichkeit bekommen, sich an ihrer Angst zu ergötzen. Vielleicht würde sie eine kleine Rede vor ihrem Publikum halten, beschließt Pandora, sie haben ein Recht darauf zu wissen, was für erbärmliche Menschen ihre Stadt regieren. Doch als die Männer die rostige Eisentür aufschließen, folgt ihnen kein Henker, nicht einmal eine große Waffe tragen sie bei sich.

»Mein Name ist Sir Donavan, Signora. Folgen Sie mir bitte ohne großen Aufstand. Jenes Unterfangen sollte diese Mauern nicht verlassen«, erhebt der breitschultrige, braunhaarige Mann vor ihr die Stimme. Sein britischer Akzent ist nicht zu überhören. Er trägt eine saubere, teure Uniform, die denen gleicht, die den königlichen Beratern zur Verfügung steht. Sie ist in einem dunklen, klaren Blau gehalten, und die Schulterblätter sind geziert mit goldenen Mustern.

Verwirrt starrt Pandora ihn an. »Werden Hinrichtungen nicht mehr öffentlich praktiziert?«

Sir Donavans Mundwinkel kräuseln sich zu einem Lächeln. »Oh, Signora, dies hier ist keine Hinrichtung.«

Pans Augen verengen sich zu misstrauischen Schlitzen. Sie weiß nicht, was sie von all dem halten soll, auch wenn sich Erleichterung in ihrer Brust ausbreitet. Keine Hinrichtung, gut, aber was ist es dann? Sie ist eine gewöhnliche Mörderin, und Venedig hat noch nie etwas von diesen gehalten. Sie kann sich schwer vorstellen, dass man sie urplötzlich verschont. Sir Donavan macht eine einladende Handbewegung in Richtung Ausgang. »Folgen Sie mir nun? Ich möchte ungern ungemütlich werden.« Er zögert, dann grinst er verschmitzt. »Anordnung von ganz oben, Signora.«

Einen Moment verharrt Pandora noch an der Stelle, doch dann nickt sie und tritt aus ihrer Zelle heraus. Sie würde nicht sterben – zumindest vorerst. Das ist das Wichtigste, was auch immer sie jetzt erwartet. Oder wer. Sir Donavan legt ihr sanft eine Hand auf die Schulter – seine weißen Handschuhe heben sich kaum von ihrem mit Salz durchtränktem Kleid ab. Auch wenn er einen recht freundlichen Eindruck macht, fühlt Pandora sich nicht sonderlich wohl. Sie kann es nicht leiden, wenn sie nicht weiß, was mit ihr passiert.

Trotzdem schleicht sie widerstandslos vor dem Dunkelhaarigen her, darauf bedacht, kein Geräusch von sich zu geben. Wenn man nicht will, dass jemand merkt, wie sie mitgenommen wird, muss das heißen, dass jemand Mächtiges seine Hände im Spiel hat. Ansonsten wäre so etwas wohl kaum möglich.

Sir Donavan führt sie zu einer schmalen, steinernen Tür. Von den Zellen aus ist es unmöglich, sie zu entdecken und sie lässt sich auch nur einen kleinen Spalt öffnen. Wäre er nur ein wenig dünner, würde selbst Pan nicht hindurchpassen, aber so kann sie genau durch den Schlitz schlüpfen.

Der andere Gang ist um einiges weiter als der vorherige. Er ist mit einem dunkelblauen, samtigen Teppich ausgelegt, über welchen sich goldene Ranken zieren. Sie setzen sich die Wand hinauf fort, als wüchsen sie unentwegt und verschwinden in der dunklen, mit Holz verlegten Decke.

Das Licht der Kronleuchter spiegelt sich in den Bilderrahmen der landschaftlichen Gemälde, die Venedig in seinen prachtvollsten Stunden zeigen. Fasziniert stoppt Pandora vor jedem der Bilder einen kurzen Moment.

Zu ihrer Überraschung hat Sir Donavan nichts dagegen. Er lässt ihr jede Zeit der Welt, steht einfach nur hinter ihr und wartet, bis sie weiter geht. Nach all der Zeit fühlt sich Pan endlich wieder sicher. Es ist ein eigenartiges Gefühl, so ungewohnt, aber sie genießt es. Gelöst streicht sie über die alte, gepflegte Holzfassade.

Obwohl der Gang keine Fenster hat, wirkt er nicht bedrohlich, eher verwunschen, als tauche sie in ein altes Märchen ein. Stumm schreitet Pandora ihn weiter entlang, bis zu einer breiten, dunklen Tür. Sie ist überzogen mit aufwendigen Schnitzereien - Rosen, Eichen und den verschiedensten, kleinen Tieren. Sir Donavan räuspert sich. »Signora, bevor wir durch diese Tür gehen, müssen wir einige Verhaltensregeln besprechen.«

Neugierig wendet sich Pandora ihm zu und nickt leicht.

»Ihr werdet nur reden, wenn es von Euch verlangt wird«, holt Sir Donavan Luft, doch Pan unterbricht ihn mit einer sachten Handbewegung.

»Schon gut«, sagt sie leise, »ich weiß, wie man sich Adligen gegenüber verhält. Und bitte, nennen Sie mich nicht Signora, ich heiße Pandora, Sir.« Sie lächelt zaghaft. Auch wenn es schon einige Zeit her ist, kann sie sich noch gut daran erinnern, wie es ist, wie jemand besseres behandelt zu werden.

Sir Donavan zuckt überrascht mit den Schultern. »Wie Sie meinen, Signora.«

Einen kurzen Moment schaut er sie noch an, wahrscheinlich überlegend, woher ein Mädchen, dass so heruntergekommen aussieht, die adligen Etiketten kennt, aber vermutlich kommt er zu dem Schluss, dass es ihm egal sein kann, denn er öffnet ohne ein weiteres Wort die Tore.

Der Saal, der sich vor Pandora erstreckt, ist weitläufig. Es gibt kaum Möbel, die ihn drückend erscheinen lassen und die großen, hellen Fenster durchfluten den Raum mit glänzendem Licht. Staunend hebt Pan ihren Blick.

Die Decke ist geziert mit verschiedensten, bunten Malereien. Sie zeigen junge Mädchen, die gelassen über saftig grüne Wiesen laufen, Waldtiere, welche sich an einem ruhigen Bach niederlassen, um aus ihm zu trinken. Freiheit ist es, was Pandora in diesen Bildern sieht, und sie fragt sich, wer in diesem Haus wohl das Sagen hat, verbreitet es doch eine so herzliche und ungezwungene Atmosphäre.

Langsam schiebt Sir Donavan sie durch eine weitere, prächtigere Tür. Der Raum dahinter ist zwar etwas kleiner, aber genauso schön – durch die vielen aufgestellten Vasen mit den bunten Blumen wirkt er sogar ein wenig verspielt. Doch als Pandora zu der langen Tafel schaut, muss sie schlucken.

Am Tisch sitzt eine zierliche, eindrucksvolle Frau. Sie trägt ein weißes, aus silbrig glitzerndem Garn gefertigtes Kleid, aber es lässt sie nicht blass aussehen, nein, es bringt ihre dunkelblauen, klaren Augen zum Strahlen. Die hellblonden Haare sind ihr hochgesteckt worden, trotzdem lösen sich einige gewellte Strähnen und fallen ihr sanft in das makellose Gesicht.

Mit einer kaum wahrzunehmenden Handbewegung bedeutet Sir Donavan Pan stehenzubleiben. Er räuspert sich. »Salome. Dies hier ist das Mädchen, das man beobachtet hat.«

Obwohl er eine leichte Verbeugung andeutet, ist sein Ton freundschaftlich. Salome. Natürlich weiß Pandora sofort, wer sie ist. Die Frau des mächtigsten Mannes von Venedig. Aber was will sie von ihr, einer einfachen Mörderin? Sie kann wohl kaum von all den Geheimnissen wissen, die Pandora umgeben. Sie würde das Übernatürliche doch ohnehin nicht begreifen können.

Schnell, aber elegant lässt sich Pandora in eine kurze Verbeugung fallen, nicht zu lange, sie möchte nicht zu unterwürfig erscheinen. Der Grat zwischen Ergebenheit und Selbstbewusstsein ist schmal, aber Pan wandelt schon immer auf diesen Wegen, also ist es nichts Neues für sie.

Die Frau nickt Sir Donavan knapp zu, dann richtet sie ihren Blick auf Pandora. Sie lächelt, aber es erreicht ihre Augen nicht. Auch, wenn sie gütig erscheint, ist da diese Kälte, die man nicht außer Acht lassen sollte. Stumm bedeutet sie Pan, sich zu setzen. Langsam kommt diese ihrer Bitte nach. Sie reibt sich nervös die Hände und schluckt. Was auch immer Salome von ihr will, es kann nichts Gutes sein.

„Ich muss ehrlich zugeben, dass es mich überrascht hat, von dir zu hören“, erhebt Salome die Stimme. Mit gerunzelter Stirn mustert Pandora sie. Ihr ist nicht ganz klar, worauf sie damit hinauswill.

»Ein Mann, der urplötzlich tot zusammenbricht, ohne sichtbare Verletzungen? Weißt du, Kind, ich habe lange die mächtigen, verzauberten Wesen unserer Welt studiert«, fährt Salome fort, und Pan weicht jegliche Farbe aus dem Gesicht. »Da war es für mich leicht zu erkennen, was du bist.«

Nein, das darf nicht sein. Niemand soll hinter Pans Geheimnis kommen, es hat sie bisher nur in Schwierigkeiten gebracht, wenn Außenstehende davon gewusst haben. Sie widersteht dem starken Drang, aufzustehen und zu laufen. Ihre Fingernägel bohren sich panisch in ihre kalte Haut, ihr Atem geht flach.

Ein Lächeln huscht über Salomes Lippen. »Auch wenn ich nie gedacht hätte, einmal einer Serva zu begegnen, die Nixen haben euch doch beinahe ausgerottet, nicht wahr?«

Doch Pandora hört schon nicht mehr hin. Die Bewegungen um sie herum erscheinen ihr wie in Zeitlupe, die Stille schwillt zu unglaublichem Lärm heran, den nur sie vernimmt, und ihr Herzschlag setzt für einen Moment aus.

Erst als sich Salome erhebt, klingt die Benommenheit etwas ab. »Schon als kleines Kind habe ich euch faszinierend gefunden. Die Fähigkeit, Menschen mit einem einzigen Kuss zu töten, wenn die Abneigung gegen diese Person groß genug ist. Obwohl ich mich frage, wie viele von euch es bereut haben, keine vollständigen Nixen zu sein, sondern nur deren Verwandten. Ihre verhassten, nicht akzeptierten Verwandten.«

»Fähigkeit«, murmelt Pandora leise. Sie schnaubt. »Ein Fluch ist das, mehr nicht.« Salome schaut sie mit schief gelegtem Kopf an.

Pan weiß, dass sie mit ihr spielt, aber trotzdem hat sie das Gefühl, unter der Last zu ersticken. Ein feines Lächeln umspielt Salomes Mundwinkel, dann wird sie wieder ernst. »Wie auch immer man es nennt, du bist eine Mörderin und als jene wird man gehängt, dessen bist du dir hoffentlich bewusst?«

Pan nickt schwach. Mörderin. Obwohl sie weiß, dass es wahr ist, hinterlässt dieses Wort einen kleinen Stich in ihrem Herzen, wenn es über die Lippen eines anderen kommt.

»Gut. Dann mache ich dir nun ein Angebot, dass du nur ablehnen kannst, wenn du ein sehr törichtes Mädchen bist: Ich sorge dafür, dass man dich verschont, dafür stellst du dich in meine Dienste. Es gibt da eine dringende Angelegenheit in London, die erledigt werden muss.«

Perplex starrt Pandora sie an. Sie würde ihm entgehen, aber ob die Aufgabe, die sie für Salome verrichten müsste, sie nicht weitaus mehr an ihre Grenzen bringen wird, weiß sie noch nicht.

Zögernd hebt Pandora den Kopf. „Welche Aufgabe?“, fragt sie mit brüchiger Stimme – sie kann sich nicht mehr stärker zeigen, als sie ist, und Pan merkt, wie die Erschöpfung ihre Gedanken vernebelt.

Mit zufriedenem Gesichtsausdruck greift Salome in eine dunkle Kommode und zieht einen Fetzen Papier heraus. Als Pandora ihn entgegennimmt, wird ihr warm ums Herz. Es ist ein Zeitungsausschnitt aus einer Zeitung, die sie so oft gelesen hat, als sie klein war. Aber in dem Moment, in dem ihr Blick auf die Überschrift fällt, verdunkelt sich ihre Miene und ihr wird bitterkalt.

Neues Opfer

Londons Killer schlägt erneut zu

»Das ist schon das dritte Opfer in zwei Wochen und diesmal hat es jemanden von uns erwischt«, sagt Salome leichtfertig und nimmt Pan das Blatt aus der Hand. Auch wenn sie sich gefasst zeigt, sieht Pandora die Sorge in ihrem Gesicht.

Ihre Finger verkrampfen sich. Wie hat Pan nichts davon wissen können? Zu diesem Zeitpunkt war sie noch tief in derartige Ereignisse verstrickt gewesen. Hat er sie etwa mehr unter Kontrolle gehabt, als sie dachte? Hat er seine Finger im Spiel?

Pandora beschleicht das unangenehme Gefühl, dass seine Pläne immer noch über ihrem Kopf schweben wie ein großes, schwarzes Spinnennetz, aus dem es kein Entrinnen gibt. Ihr wird schlecht. Nervös krallt sie sich an ihrer Stuhllehne fest. »Also, wenn du bereit bist, dich dieser Sache anzunehmen, werde ich dir alles genauer erklären – solltest du den Galgen bevorzugen, lasse ich dich unverzüglich hängen.« Die Festigkeit in Salomes Stimme lässt keine Zweifel übrig, dass sie dazu in der Lage ist.

Pandora schließt die Augen. Ihr ist schwindelig. Es ist zu viel für sie, trotzdem weiß sie, dass sie zu einer Entscheidung kommen muss, und dafür bleiben ihr nur wenige Minuten. Sie holt tief Luft und verbeugt sich vor der Frau, die ihr Leben rettet und sie wahrscheinlich in etwas noch Schlimmeres hineinzieht. »Ich akzeptiere das Angebot.«