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Was, wenn der Grundriss eines Hauses nicht nur Wände zeigt - sondern Verbrechen?
Ein junger, auf Okkultismus spezialisierter Autor wird von einem Bekannten gebeten, sich den Grundriss eines Hauses und Kaufobjekts anzuschauen, auf dem ein versteckter Raum zu sehen ist. Und es gibt noch weitere Merkwürdigkeiten, die darauf hindeuten, dass das Haus zu üblen Zwecken benutzt wurde. Wer waren wohl die Bewohner dieses Hauses? Stimmt es, dass ein eingesperrtes Kind darin Morde begangen hat? Oder dass der Mann einer jungen Frau darin auf unerklärliche Weise ums Leben kam? Sicher ist: Hinter der harmlosen Fassade steckt viel mehr, als auf den ersten Blick scheint - und die dunklen Geheimnisse, die das seltsame Haus birgt, sind gefährlich ...
Das Haus wartet. Und sobald du es betrittst, wirst du nicht mehr derselbe Mensch sein.
Ein Roman, der durch Skizzen und Dokumente zum Miträtseln einlädt - mit Sogwirkung
Für Fans von psychologischem Horror, True-Crime-Stimmung & Mitdenk-Thrillern
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Seitenzahl: 175
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Über das Buch
Über den Autor
Weitere Titel des Autors
Titel
Impressum
DAS SELTSAME HAUS
Das ist der Grundriss eines Hauses.
Obergeschoss
Erdgeschoss
Erstes Kapitel – EIN SELTSAMES HAUS
Beratung eines Bekannten
Kurihara
Zwei Bäder
Der mysteriöse Raum
Fantasiegeschichte
Fakten
Der Artikel
Zweites Kapitel – EIN SKURRILER GRUNDRISS
Eine Mail
Das zweite Haus
Unterschiede
Im Haus von Kurihara
Das dreieckige Zimmer
Ein Raum unter der Erde
Veränderungen
Das Haus in Tokyo
Zwei Kinder
Zwei Aspekte
Das Geheimnis
Schwestern
Vorzeichen
Raum zur Miete
Drittes Kapitel – EIN GRUNDRISS IN DER ERINNERUNG
Ein symmetrisches Haus
Der Ort, an dem Yō verstarb
Das Rätsel der Zeit
Das verborgene Zimmer
Der wahre Grundriss des Hauses
Die plötzliche Nachricht
Viertes Kapitel – GEFESSELT AN EIN RITUAL
Der Brief
Brüder
Ushio
Die Krise
Zwillinge
Rankyō
Das Zweighaus Katabuchi
Shigeharu
Der Plan
NACHWORT
Was, wenn der Grundriss eines Hauses nicht nur Wände zeigt - sondern Verbrechen?
Ein junger, auf Okkultismus spezialisierter Autor wird von einem Bekannten gebeten, sich den Grundriss eines Hauses und Kaufobjekts anzuschauen, auf dem ein versteckter Raum zu sehen ist. Und es gibt noch weitere Merkwürdigkeiten, die darauf hindeuten, dass das Haus zu üblen Zwecken benutzt wurde. Wer waren wohl die Bewohner dieses Hauses? Stimmt es, dass ein eingesperrtes Kind darin Morde begangen hat? Oder dass der Mann einer jungen Frau darin auf unerklärliche Weise ums Leben kam? Sicher ist: Hinter der harmlosen Fassade steckt viel mehr, als auf den ersten Blick scheint - und die dunklen Geheimnisse, die das seltsame Haus birgt, sind gefährlich …
Das Haus wartet. Und sobald du es betrittst, wirst du nicht mehr derselbe Mensch sein.
Uketsu begann als Autor für die japanische Website Omokoro zu schreiben und ist inzwischen ein äußerst beliebter YouTuber. Er trägt eine weiße Maske und einen schwarzen Ganzkörperanzug, seine Identität bleibt ein Rätsel. Er ist der erfolgreichste Vertreter eines neuen Trends in Japan: des »Sketch Mystery«-Romans, in dem sich Text und Zeichnungen zu einem spannenden Mordrätsel verbinden. Seine Bücher haben das Krimi-Genre in Japan entscheidend verändert.
HEN NA E – Seltsame Bilder
UKETSU
HEN NA IEDAS SELTSAMEHAUS
KRIMINALROMAN
Übersetzung aus dem Japanischenvon Heike Patzschke
変な家HEN NA IE by 雨穴 (Uketsu)
Für die Originalausgabe:Copyright © Uketsu 2021German translation rights arranged with ASUKA SHINSHA, INC.through Japan UNI Agency, Inc., Tokyo and Casanovas & Lynch Literary Agency S.L., Barcelona
Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2025 byBastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln, Deutschland
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben -vorbehalten. Die Verwendung des Werkes oder Teilen davon zum Training künstlicher Intelligenz-Technologien oder -Systeme ist untersagt.
Textredaktion: Rubiga MurugesapillaiUmschlaggestaltung: www.buerosued.deUmschlagmotiv: © www.buerosued.de; © Stefan Bauer
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7577-0142-0
Sie finden uns im Internet unter luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: lesejury.de
Verstehen Sie, was ungewöhnlich an diesem Grundriss ist?
Auf den ersten Blick wirkt er wahrscheinlich wie der Grundriss eines ganz normalen Wohnhauses. Aber betrachtet man ihn einmal aufmerksam bis in den kleinsten Winkel, bemerkt man plötzlich hier und da in dem Haus seltsame Ungereimtheiten. Nach und nach entdeckt man immer mehr Unstimmigkeiten, bis sich schließlich alles zu einer »Tatsache« verdichtet.
Diese ist so ungeheuerlich, dass man sie einfach nicht glauben will.
Zurzeit arbeite ich als freier Journalist. Mein Schwerpunkt sind okkulte Phänomene. Im Rahmen meiner Tätigkeit kommen mir oft gruselige Geschichten und Berichte von merkwürdigen Erlebnissen zu Ohren.
In vielen geht es um »Häuser«.
»Im Obergeschoss habe ich Schritte gehört, aber eigentlich dürfte dort niemand sein.«, »Immer, wenn ich allein im Wohnzimmer bin, spüre ich Blicke, die auf mich gerichtet sind.«, »Im Wandschrank sind Stimmen zu hören.« – Solche und ähnliche Begebenheiten in sogenannten Spukhäuserngibt es wie Sand am Meer.
Aber das, was ich nun über dieses Haus erfuhr, unterschied sich doch ein wenig von all diesen Geschichten.
Es war im September des Jahres 2019. Mein Bekannter Yanaoka meldete sich bei mir: »Ich brauche Ihren Rat.« Yanaoka ist Kundenberater in einem Redaktionsbüro. Seit wir uns vor ein paar Jahren bei der Arbeit kennengelernt hatten, trafen wir uns oft zum Essen.
In Kürze sollte Yanaokas erstes Kind das Licht der Welt erblicken. Daher hatte er, wie er mir erzählte, beschlossen, zum ersten Mal in seinem Leben ein Einfamilienhaus zu kaufen. Abend für Abend hatte er sich bis spät in die Nacht in Immobilienanzeigen vertieft und schließlich eine ideale Immobilie in der Innenstadt entdeckt.
Es war ein zweistöckiges Haus in einer ruhigen Wohngegend. Trotz der Nähe des Bahnhofs gab es viel Natur in der näheren Umgebung, und auch wenn es sich um eine gebrauchte Immobilie handelte, war sie doch noch relativ neu. Als das Paar das Haus besichtigte, war es von dem offenen und hellen Inneren des Hauses angenehm beeindruckt, wie mir mein Bekannter berichtete.
Allerdings gab es eine Stelle im Grundriss, die er sich nicht erklären konnte.
Erdgeschoss
Zwischen der Küche und dem Wohnzimmer im Erdgeschoss existierte ein mysteriöser Raum.
Da er keine Türen hatte, konnte man ihn nicht betreten. Auch der Immobilienmakler, den sie fragten, wusste nichts darüber. Für die Bewohner brachte das zwar keinerlei Unannehmlichkeiten mit sich, aber irgendwie war es doch unheimlich, weshalb mein Bekannter hin und her überlegte, ob er das Haus wirklich kaufen sollte, wie er mir erzählte.
»Sie kennen sich doch mit okkulten Dingen aus«, führte er als Grund dafür an, dass er beschlossen hatte, mich um Rat zu fragen. In der Tat klangen schon die Worte »ein mysteriöser Raum« sehr geheimnisvoll und faszinierend. Allerdings bin ich ein absoluter Laie in Sachen Architektur. Nicht einmal einen Grundriss kann ich richtig lesen.
Daher beschloss ich, jemanden um Unterstützung zu bitten.
Kurihara, ein Bekannter von mir, arbeitet als Architekt für ein großes Architekturbüro. Zudem ist er ein Liebhaber von Horror und Mystery, weshalb ich dachte, dass er der perfekte Ansprechpartner für meine Frage sei.
Als ich ihm mein Anliegen erklärte, schien er sich sehr dafür zu interessieren. Daher entschied ich, ihm sofort den Grundriss zu schicken und ihn dann am Telefon zu befragen.
Das Gespräch mit ihm habe ich im Anschluss aufgeschrieben:
Ich
Herr Kurihara, wir haben uns lange nicht gesehen. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich nehmen! Sie haben sicher sehr viel zu tun.
Kurihara
Kein Problem. Übrigens, was den Grundriss anbetrifft, den Sie mir geschickt haben …
Ich
Ja. Es geht um den Raum ohne Tür im Erdgeschoss. Verstehen Sie, was es damit auf sich hat?
Kurihara
Hm, eins kann ich definitiv dazu sagen: Dieser Raum wurde absichtlich gebaut.
Ich
Absichtlich?
Kurihara
Ja. Wenn Sie sich die Zeichnung anschauen, verstehen Sie es bestimmt auch. Dieser Raum ist dadurch entstanden, dass zwei zusätzliche Wände eingezogen wurden, die eigentlich gar nicht notwendig wären.
Beide grenzen an die Küche. Ohne diese Wände gäbe es diesen »mysteriösen Raum« gar nicht, und die Küche wäre auch größer. Dass man sich extra die Mühe gemacht hat, hier zwei Wände hochzuziehen, durch die sogar die Küche verkleinert wurde, bedeutet, dass dieser Raum gebraucht wurde.
Ich
Verstehe. Aber wofür wurde er denn gebraucht?
Kurihara
Vielleicht sollte hier ursprünglich so eine Art Stauraum geschaffen werden.
Würde man zum Beispiel auf der Wohnzimmerseite Türen anbringen, könnte man den Raum als Kleiderschrank nutzen, und auf der Küchenseite könnte daraus ein Geschirrschrank werden. Aber wahrscheinlich haben die Bauherren es sich mittendrin anders überlegt, oder ihnen gingen die Gelder aus. Daher könnte dieser Plan aufgegeben worden sein, noch bevor die Türen angebracht wurden.
Ich
Wie interessant! Das heißt also, dass die Bauarbeiten schon weit fortgeschritten waren und man den Grundriss nicht mehr ändern konnte, sodass dieser Raum dann geblieben ist.
Kurihara
Diesen Gedanken finde ich am naheliegendsten.
Ich
Tja, dann ist ja gar nichts mysteriös an diesem Haus.
Kurihara
Stimmt. Wobei …
– – – Völlig unerwartet nahm Kuriharas Stimme einen dunkleren Klang an.
Kurihara
Wissen Sie eigentlich, wer dieses Haus gebaut hat?
Ich
Die vorherigen Bewohner. Angeblich war es eine dreiköpfige Familie: ein Ehepaar mit einem kleinen Kind.
Kurihara
»Mit einem kleinen Kind«, sagen Sie. Wie alt war es denn ungefähr?
Ich
Das weiß ich leider nicht … Warum fragen Sie?
Kurihara
Offen gesagt dachte ich, als ich diesen Grundriss zum ersten Mal sah: Das ist schon ein ziemlich seltsames Haus.
Ich
Tatsächlich? Abgesehen von dem mysteriösen Raum war ich eigentlich nicht sonderlich beunruhigt.
Kurihara
Seltsam ist vor allem der Grundriss des Obergeschosses. Schauen Sie sich doch einmal das Kinderzimmer an! Fällt Ihnen denn da gar nichts auf?
Ich
Hm … Ah!
Obergeschoss
Ich
Es gibt zwei Türen. Meinen Sie die doppelte Tür?
Kurihara
Ja. Auch die Lage der Türen ist merkwürdig.
Beispielsweise muss man bis zum Kinderzimmer einen Riesenumweg machen, wenn man über die Treppe ins Obergeschoss geht, oder? Warum ist das nur so umständlich konzipiert?
Ich
Das ist tatsächlich merkwürdig.
Kurihara
Außerdem hat das Kinderzimmer kein einziges Fenster.
– – – Als ich genauer hinschaute, sah ich, dass dort tatsächlich keine Fenster eingezeichnet waren.
Kurihara
Die meisten Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein möglichst sonniges helles Zimmer, aber … ein Kinderzimmer ohne Fenster habe ich zumindest in Einfamilienhäusern noch nie gesehen.
Ich
Vielleicht gab es ja einen bestimmten Grunddafür? Eine Hautkrankheit zum Beispiel, oder das Kind durfte nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt werden, oder etwas Ähnliches …
Kurihara
Wenn es so wäre, würde ein Vorhang vor dem Fenster doch auch genügen. Dass es von Anfang an kein einziges Fenster gab, ist doch sehr ungewöhnlich.
Ich
Stimmt.
Kurihara
In diesem Zimmer gibt es noch etwas Rätselhaftes. Schauen Sie sich doch bitte einmal den Raum mit der Toilette an! Aufgrund der Lage der Tür kann er nur vom Kinderzimmer aus betreten werden. Sehen Sie das?
Ich
Tatsächlich! Ein Kinderzimmer mit eigener Toilette also?
Kurihara
Vermutlich.
Ich
Ein Zimmer ohne Fenster, mit doppelter Tür und eigener Toilette … wirkt irgendwie wie eine Einzelzelle, oder?
Kurihara
Für eine »Überbehütung« geht es einfach zu weit. Ich spüre hier den starken Willen, ein Kind rigoros zu überwachen. Möglicherweise war ja in diesem Zimmer ein Kind eingesperrt.
Ich
… Missbrauch?
Kurihara
Das ist durchaus möglich. Wenn man bei der Interpretation noch weiter gehen möchte, könnte man auch sagen, dass die Eltern ihr Kind niemandem zeigen wollten. Schauen Sie sich doch einmal den gesamten Grundriss des Obergeschosses an!
Wie soll ich sagen … sieht es nicht so aus, als wären alle Räume so angeordnet, dass sie das Kinderzimmer verstecken? Und da dieser Raum ohnehin gar kein Fenster hat, ist es völlig unmöglich, dass jemand von draußen das Kind sieht.
Die Eltern haben ihr Kind hier eingesperrt und seine Existenz verborgen. So kommt es mir jedenfalls vor.
Ich
Aber warum nur?
Kurihara
Das weiß ich nicht. Allein anhand des Grundrisses wird allerdings deutlich, dass es in dieser Familie außergewöhnliche Umstände gegeben haben muss.
Kurihara
Übrigens befindet sich direkt neben dem Kinderzimmer das Schlafzimmer. Sehen Sie?
Ich
Sie meinen den Raum mit dem Doppelbett, oder? Ist das das Schlafzimmer des Ehepaars?
Kurihara
Wahrscheinlich. Dieser Raum ist im Unterschied zum Kinderzimmer sehr offen. Es gibt auch viele Fenster.
– – – Ich erinnerte mich an die Worte von Yanaoka, der von einem »offenen und hellen Inneren des Hauses« gesprochen hatte.
Kurihara
Ehrlich gesagt gibt es auch in diesem Zimmer Dinge, die mich beunruhigen. Oben auf dem Grundriss gibt es doch einen Raum mit Dusche, sehen Sie? Der Raum im westlichen Stil links daneben wird daher sicher auch als Ankleideraum genutzt. Aber er ist vom Schlafzimmer aus gut einsehbar.
Ich
Jetzt, wo Sie es sagen, sehe ich es auch … Zwischen den beiden Zimmern gibt es gar keine Tür, die Wand ist weit geöffnet.
Kurihara
Ist es nicht selbst bei Ehepartnern so, dass sie es nicht so gernhaben, wenn der andere sie gerade frisch aus der Dusche kommen sieht? Dies hier aber war bestimmt ein Ehepaar, das sich besonders gut verstand. Solch ein Paar und ein eingesperrtes Kind – das passt irgendwie so gar nicht zusammen und wirkt einfach unheimlich … Nun ja, vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein.
Ich
Verstehe. Oh, was ist das denn?
Kurihara
Was meinen Sie?
Ich
Es gibt ja auch noch ein Bad. Ist das nicht ungewöhnlich?
Kurihara
Das kommt durchaus vor, ist aber eher selten. Da fällt mir auf, dass auch das Bad kein Fenster hat. Im Gegensatz dazu hat der Raum mit der Dusche ein großes Fenster.
Ich
Tatsächlich! … Aber so betrachtet, wirkt das ganze Haus wirklich unheimlich. Was meinen Sie? Wäre es besser, dieses Haus nicht zu kaufen?
Kurihara
Allein anhand des Grundrisses kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, aber ich persönlich würde es nicht kaufen.
– – – Nachdem ich mich bei Kurihara bedankt hatte, legte ich auf.
Ich schaute mir noch einmal den Grundriss an und ließ meine Fantasie schweifen. Ein Kind, eingesperrt in einem fensterlosen Raum. Eltern, die seelenruhig in ihrem Doppelbett schlafen.
Ich verglich den Grundriss des Erdgeschosses mit dem des Obergeschosses. Gäbe es nur das Erdgeschoss, wäre es ein ganz normales Haus. Wenn man einmal von dem mysteriösen Raum absah. Ein mysteriöser Raum als Stauraum, der letztendlich gar nicht benutzbar war. War das denn wirklich so?
In diesem Moment schoss eine Vermutung durch meinen Kopf. Eine allzu verrückte Vermutung. Das war doch nicht möglich! Versuchsweise legte ich die beiden Grundrisse einmal übereinander.
Wider Erwarten passte da »etwas« einfach viel zu gut.
Sollte das ein Zufall sein? Oder aber …
Ich rief noch einmal bei Kurihara an.
Ich
Verzeihen Sie, dass ich Sie schon wieder störe!
Kurihara
Kein Problem! Was ist passiert?
Ich
Wissen Sie, dieser Raum im Erdgeschoss lässt mir einfach keine Ruhe. Ich habe mir Gedanken gemacht, ob es möglicherweise irgendeinen Zusammenhang mit dem Grundriss im Ober-geschoss geben könnte.
Kurihara
Verstehe.
Ich
Daher habe ich die beiden Grundrisse vom Erd- und Ober-geschoss einmal probeweise übereinandergelegt. … Der Raum im Erdgeschoss passt genau auf die Ecken im Kinderzimmer und im Bad. Ganz als würde er eine Brücke zwischen diesen beiden Räumen schlagen.
Kurihara
Aah! Tatsächlich!
Ich
Daher … nun, das ist vielleicht ein dummer Gedanke eines Laien, aber könnte es nicht sein, dass der Raum im Erdgeschoss ein Durchgang ist?
Nehmen wir beispielsweise einmal an, dass es im Fußboden des Kinderzimmers und des Bads jeweils ein geheimes Schlupfloch gibt, das die Räume mit dem Erdgeschoss verbindet. Dann führen beide Schlupflöcher zu dem Raum im Erdgeschoss.
Die Eltern hatten ihr Kind versteckt. Aber damit es vom Kinderzimmer ins Bad konnte, musste es durch einen Flur mit Fenster gehen. Es bestand also die Gefahr, dass es von draußen gesehen wurde. Daher bauten die Eltern einen direkten Geheimgang vom Kinderzimmer zum Bad, um das Kind dort baden zu können. Das Regal im Kinderzimmer könnte aufgestellt worden sein, um das Schlupfloch zu verbergen. Diese Gedanken kamen mir vorhin, als ich mir den Grundriss noch einmal ansah. Was meinen Sie dazu?
Kurihara
Hm, das ist auf jeden Fall eine interessante Vermutung.
Ich
Mache ich mir da zu viele Gedanken?
Kurihara
Ich frage mich, ob man tatsächlich so weit gehen würde.
Ich
… da mögen Sie Recht haben. Verzeihen Sie! Mir war nur plötzlich dieser Gedanke gekommen. Vergessen Sie einfach, was ich gerade gesagt habe!
– – – Ich schämte mich plötzlich für meine leidenschaftlich vorgetragenen und auch ernstgemeinten Worte. In der Tat waren sie allzu realitätsfremd. Gerade, als ich das Gespräch beenden wollte, hörte ich, wie Kurihara am anderen Ende der Leitung etwas vor sich hinmurmelte.
Kurihara
… ein Durchgang … nein, warten Sie! Wenn das stimmen sollte, dann wäre dieses Zimmer …
Ich
Wovon reden Sie?
Kurihara
Als ich Ihnen eben zuhörte, kam mir auf einmal eine Idee … Die ehemaligen Bewohner dieses Hauses waren doch eine dreiköpfige Familie: Vater, Mutter und Kind, oder?
Ich
Ja.
Kurihara
Dann gab es ein Bett zu viel. Das Ehepaar schlief im Schlafzimmer im Obergeschoss. Für wen war dann aber das Schlafzimmer im Erdgeschoss?
Ich
Hm, vielleicht für einen Gast der Familie, der hier übernachten konnte?
Kurihara
Das könnte sein. Auch wenn wir nicht genau wissen, wer das war, denke ich, dass diese Familie oft Besuch hatte. Gäste, ein Kinderzimmer ohne Fenster, zwei Bäder und dann noch der vorhin erwähnte »Durchgang« – fügt man das alles zusammen, zeichnet sich deutlich eine Geschichte ab.
Nun ja, sie kommt mir ziemlich absurd vor, doch hören Sie sie sich bitte einmal an! Bedenken Sie dabei aber, dass sie nur ein Produkt meiner ausschweifenden Fantasie ist!
Kurihara
Früher lebten in diesem Haus ein Ehepaar und ein Kind. Das Kind war zu einem bestimmten Zweck im Kinderzimmer eingesperrt. Das Ehepaar lud öfter Gäste in sein Haus ein. Dann geschah womöglich Folgendes:
Sie unterhielten sich im Wohnzimmer und aßen im Speisezimmer gemeinsam zu Abend. Der Ehemann bot dem Gast Alkohol an. Gutgelaunt trank dieser ein Gläschen nach dem anderen. Als er dann betrunken war, lud die Ehefrau ihn ein:
»Wie wäre es, wenn Sie heute über Nacht bei uns übernachten? Wir haben auch ein Gästezimmer.«
»Auch das Badewasser ist schon heiß. Bitte hier entlang!«
Dann wurde der Gast in das Bad ohne Fenster im Obergeschoss geführt.
Sobald sich die Ehefrau vergewissert hatte, dass der Gast im Bad war, gab sie ein Zeichen in Richtung Kinderzimmer. Das Kind schlüpfte nun mit einem gewissen Gegenstand durch das Loch im Fußboden, passierte den Durchgang im Erdgeschoss und drang ins Bad ein. Und dann …
… stieß es ein Messer in den Rücken des Gastes.
Ich
Was?! Wie kommen Sie denn plötzlich auf solch eine Geschichte?
Kurihara
Langsam, langsam, das spielt sich doch alles nur in meiner Fantasie ab!
Der nackte wehrlose Gast, benommen vom Alkohol, verstand überhaupt nicht, was da vor sich ging, und konnte auch keinen Widerstand leisten. Das Kind stieß ihm immer wieder das Messer in den Rücken. Blut floss in Strömen. Schließlich brach der Gast zusammen, ohne irgendetwas verstanden zu haben, und verstarb.
Das heißt, dass dieses Haus gebaut worden ist, um Menschen zu ermorden.
Ich
Das kann doch nicht wahr sein! Sie scherzen, oder?
Kurihara
Nun ja, vielleicht ist es ja fast ein Scherz. Aber ausschließen kann ich es nicht.
Haben Sie schon einmal im Internet nach dem Begriff »mysteriöse Vorfälle« gesucht?
Sie finden dort unzählige Beschreibungen von brutalen und unerklärlichen Vorfällen, die einem wie geschmacklose Horrorgeschichten vorkommen. Es gibt auf der Welt so viele wahnwitzige Verbrechen jenseits unserer Vorstellungskraft.
Nehmen wir zum Beispiel einmal an, es gab so ein Ehepaar, das sein Haus umbaute und sein Kind benutzte, um Morde zu begehen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen … so völlig undenkbar ist das nicht.
Ich
Nein … aber … einmal angenommen, das stimmt, wozu dann das Ganze?
Kurihara
Tja, es ist kaum vorstellbar, dass das alles inszeniert worden ist, um nur einen einzigen Menschen zu ermorden. Vermutlich wurden hier routinemäßig Menschen ermordet. Dann geschah das gewiss nicht auf Grund von Hass. Vielleicht waren es ja Auftragsmorde.
Ich
Auftragsmorde?
Kurihara
Im Internet existieren zahlreiche Seiten, auf denen Auftragsmorde angeboten werden. Diese Seiten im Darknet waren doch vor einiger Zeit ein großes gesellschaftliches Thema, wissen Sie noch? Die meisten davon sollen substanzlose Fakeseiten sein, aber man sagt, dass es auch einige Webseiten gibt, die tatsächlich anbieten, Mordaufträge zu übernehmen. Angeblich verlangen sie nur wenig Geld dafür, etwa zweihundert- bis dreihunderttausend Yen. Es handelt sich hier, einfach gesagt, um Amateurauftragskiller, doch im Laufe der Zeit soll ihr Vorgehen immer vielfältiger und raffinierter geworden sein.
Ich
Sie meinen also, dieses Haus war der Arbeitsort einer Firma, die Auftragsmorde anbietet …?
Kurihara
Ich will damit nur sagen, dass auch das denkbar wäre. Aber ich lasse hier einfach nur meine Fantasie spielen.
– – – Ein Killer-Ehepaar also, das sein Kind dazu nutzte, Menschen umzubringen. Selbst für eine Fantasiegeschichte klang das alles doch sehr weit hergeholt.
Kurihara
Lassen Sie uns die Geschichte noch weiterspinnen! Vorhin haben Sie doch den Gedanken geäußert, dass das Regal aufgestellt worden sein könnte, um ein Schlupfloch im Boden zu verbergen. Im Kinderzimmer gibt es noch ein weiteres Regal, sehen Sie?
Dann wäre es ja denkbar, dass sich auch darunter ein Schlupfloch befindet, oder? Was meinen Sie?
Ich
Hm …
Kurihara
Wohin würde dieses Loch denn führen?
Ich
Ähm … in den Abstellraum.
Kurihara
Genau, in den Abstellraum. Also kann man sagen, dass es in diesem Haus auch einen Weg für die Beseitigung der Leichen gibt.
Ich
Wie meinen Sie denn das?
Kurihara
Ich komme noch einmal zu dem zurück, was ich vorhin gesagt habe.
