Henni vom Tietjenhof (2) - Wirbel im Reitercamp - Christin Pols - E-Book

Henni vom Tietjenhof (2) - Wirbel im Reitercamp E-Book

Christin Pols

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Beschreibung

Henni zählt die Tage, bis sie endlich mit Sinja, Leslie und Oscar in die Reiterferien fahren kann. Mit dem Pony-Express bringt Frau Großmutter die vier Freunde zum Gestüt Fuchs. Hier gibt es sogar einen See für Pferde und Menschen. Doch während alle unbeschwert im Wasser planschen, verschwindet das wertvolle Fohlen Fidelio! Was hat der Pferdepfleger zu verbergen? Wieso verhalten sich die Praktikantinnen so seltsam? Oder hat der Gestütsbesitzer das Pferdebaby etwa heimlich verkauft? Abenteuer auf dem Pferdehof. Für Ponyfans und Spürnasen ab 8 Jahren. Mit vielen Tipps zum sicheren Umgang mit Pferden. Illustriert von Nicole Rademacher.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das sind wir
Golfclub oder Tietjenhof
Bye-bye Florida
Da fliegt der Schlapphut
Endlich wieder Hopi schnuppern
Der Pony-Express
Auf ins Reitercamp
Die Stimme vom Heuboden
Was ist bloß mit Ossi los?
Leslie und ihr neuer Schützling
Das Super-Fohlen
Truschkas Truppe
Da ist er wieder!
Mähnen-Wirrwarr
Die Pferde-Teams im Hütchen-Slalom
Ein Cowboy in Nöten
Oscar an der Leine
Der heimliche Streit
Kalte Burger mit Quak-Konzert
Schock am See
Ein Fall für beste Buddys
Auf Fohlensuche
Die Anti-Sorgen-Pizza
Spuk auf der Fohlenweide
Der Verdächtige Nummer 1
Wer ist Schnucki?
Die Fohlenflüsterin im gelben Mantel
Fliegende Untertasse oder knutschender Elefant?
Unzertrennliche Freunde
Der Picknick-Transport
Ritt zur Ruine
Frau Gräfin ist entschwunden
Mögen Jungs Einhorn-T-Shirts?
Truschkas Überraschungen
Die Preisverleihung
Das ist ja wohl der Knaller
Pferdetaxi mit Dackel-Chauffeur
Autorenportrait
Impressum

 

 

Das sind wir

 

 

Wir haben Curly Horses. Das sind Pferde mit einem besonderen Fell. Mit denen können sogar Pferdehaar-Allergiker umgehen, ohne dass sie Augenjucken, Nasenschniefen oder Atemnot bekommen.

 

 

 

 

 

Und das sind meine beiden Lieblingsponys:

 

 

Golfclub oder Tietjenhof

 

Moin, Moin! Ich bin Henni. Und ich könnte gerade wahnsinnig werden! Da leben wir schon auf einem Ponyhof mitten in der Natur. Mit sieben Pferden, drei Katzen und zwei Hunden. Mit einer bellenden Eule und einem zahmen Uhu auf dem Dach. Und trotzdem will meine Mama lieber woanders sein.

Zum Glück sind es nur noch ungefähr 34 Stunden. Dann bin ich wieder zu Hause auf dem Tietjenhof. Bei meiner Hopi mit ihren Locken. Bei Foxi mit seiner wilden Mähne. Bei Frau Großmutter mit ihrem Schlapphut. Und bei meinen Freunden, mit denen ich bald ins Reitercamp fahre. Heute ist unser letzter Urlaubstag in Florida. Morgen geht es mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland. Dann kann ich endlich wieder Pferdeluft schnuppern …

„Das ist doch der Wahnsinn! Guckt euch das an! Hier könnte ich sofort einziehen.“ Die Stimme meiner Mutter quietscht vor Begeisterung. Es ist schon das dritte Haus, das wir uns angucken. Ein Musterhaus in einem Golfclub. Ich rolle mit den Augen.

Mein Papa ist in Tante Ullis Haus geblieben. Er sitzt jetzt im klimatisierten Living-Room und liest irgendwelche doofen Berichte. Selbst im Urlaub arbeitet er ständig. Da hätte er ja gar nicht erst mit uns mitfliegen müssen.

„Wann sind wir hier fertig?“, frage ich.

„Wow! So einen coolen Swimmingpool hab ich ja noch nie gesehen!“ Meine Mama sieht aus, als würde sie am liebsten mit Klamotten in das knallblaue Wasser springen.

„Was willst du mit einem Swimmingpool? Wir haben doch die Weser“, erwidere ich. Der Tietjenhof liegt nämlich direkt an einem Fluss, der Weser heißt. Wir haben sogar eine eigene kleine Bucht, in der wir baden können.

„O ja, die Weser. Schwimmen zwischen Fischen und Schilf. Nein danke!“ Meine Mama verzieht das Gesicht. Ihr perfekt geschminkter Mund sieht plötzlich ziemlich komisch aus.

„Badest du manchmal in der Weser, Henni?“, möchte Tante Ulli wissen.

„Ja, total oft. Mit meinen Freunden an unserem Lieblingsstrand. Da kann man super ins Wasser gehen.“

Tante Ulli hat ihre Kindheit auch auf dem Tietjenhof verbracht. Sie ist die Schwester meiner Oma. Aber Ulli ist schon vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert. Sie spricht immer noch gut Deutsch. Nur manche Worte fallen ihr nicht mehr ein. Dann benutzt sie einfach englische.

„In Florida können wir nicht in den Flüssen und Seen baden, you know! Da gibt es zu viele Alligators. Was sagt ihr noch dazu?“ Sie guckt uns fragend an.

„Äh. Krokodile?“ Meine Mama steht in der Terrassentür.

„Yeah, exactly. Das meinte ich. Krokodile.“ Sie wendet sich dem Inneren des Hauses zu. „Schaut mal, hier ist das Home-Cinema!“

Ich laufe ihr nach und starre auf eine große Leinwand, die fast eine ganze Zimmerbreite einnimmt.

Mama bekommt Stielaugen. „Das ist ja wie ein eigenes Kino!“, jubelt sie.

In Florida ist alles riesig. Große Häuser, große Autos, große Straßen, große Supermärkte. Nur die Hunde sind klein. Die haben sogar Pullover an und laufen an Glitzer-Leinen. Meistens treffen wir diese Mini-Vierbeiner, wenn wir durch den Countryclub gehen. Sie sind auch oft auf dem Arm eines fröhlichen Frauchens, das mich Sweetheart nennt.

Der Countryclub, in dem Ulli wohnt, hat viele Wege mit Palmen und pinkfarbenen Blumen. Die Häuser sehen alle neu aus. Sie sind hellgelb oder hellrosa. Und die hohen Eingangsportale sind dunkelgrün oder weiß.

„Können wir jetzt los?“, frage ich.

„Yes, my dear!“, Ulli hält uns die Tür auf. „Come on!«, ruft sie.

Wir steigen in ihren Geländewagen. Tante Ulli zeigt uns fast jeden Tag irgendwelche Musterhäuser. Dabei ist sie keine Maklerin oder so. Sie findet es einfach interessant, sich die Gebäude von innen anzusehen. Genau wie meine Mama. Ich sage nur: Laaaaangweilig!

„Thank you! Bye-bye!“ Ulli winkt einem Mann in Uniform. Er öffnet die Schranke am Eingangstor und wir können rausfahren.

„Wieso haben eigentlich alle Clubs hier Schranken?“, frage ich.

„Oh, das ist wegen der Security. Sonst könnte ja jeder in den Club kommen. Auch Leute, die hier nicht hingehören. Einbrecher vielleicht. People, die was klauen wollen, you know.“ Ulli zieht ihre große schwarze Sonnenbrille von der Stirn runter und setzt sie auf die Nase. Sie sieht aus wie ein Filmstar.

Mama dreht sich zu mir nach hinten. „Wir haben doch auch ein Tor zu Hause auf dem Tietjenhof. Nur dass da niemand steht und es immer auf- und zumacht!“ Sie wendet sich wieder nach vorne und klappt den Spiegel über dem Beifahrersitz runter. Das ist ihr üblicher Make-up-Check zu Beginn jeder Autofahrt. Der Ablauf ist fast immer gleich. Lippenstift nachziehen, Haare zurechtwuscheln und dann die Sonnenbrille aufsetzen.

„Aber unser Tor ist da, damit Billie und Klaus nicht abhauen!“, erkläre ich. Wir haben nämlich zwei Hofhunde, die frei bei uns herumlaufen.

„Well, Billie und Klaus – das ist eure Security!“ Tante Ulli lacht. Sie biegt auf eine große Straße ab und gibt ordentlich Gas.

Auf der Rückfahrt zu Ullis Haus habe ich Zeit, nachzudenken. Drei Wochen war ich jetzt in Florida. Wir waren in Disney World, im Harry-Potter-Schloss und in einem Wasserpark. Ab und zu auch am Strand oder in einer der großen Shoppingmalls. Es war ein spannender Urlaub, das schon, aber ich freue mich jede Minute mehr auf zu Hause. Endlich wieder zu den Pferden. Endlich wieder auf den Tietjenhof.

Tante Ulli fährt in ihre Garage. Von da aus gehen wir über den Hauswirtschaftsraum ins Haus. Es ist angenehm kühl hier drinnen. Die Klimaanlage läuft rund um die Uhr. Ich gehe ins Bad, um mir die Hände zu waschen. Gleich gibt es für uns Eistee am Pool. Im Flur steht Mamas hellbraune Reisetasche. Aus dem Seitenfach ragt ein Prospekt. Ich greife nach dem kleinen Heft. Mein Gefühl sagt mir, dass ich das besser nicht tun sollte. Doch meine Finger können es nicht lassen. Also nehme ich den Flyer in die Hand und sehe die glänzenden Fotos mit den schicken Häusern. Ich lese die Buchstaben über den Bildern: „Country-Living in Florida! Lovely houses in Jacob Garden“.

Jacob Garden? Das ist der Club, in dem wir heute Morgen die Musterhäuser angeschaut haben. Was sind „lovely houses“? Lovely bedeutet sowas wie schön, glaube ich. Und houses sind Häuser. Überlegt Mama etwa, nach Florida zu ziehen? Mir wird ganz flau im Magen. Am liebsten würde ich den Prospekt zerreißen. Mama soll nicht wegziehen! Und ich will auch nicht woanders leben. Weder in Florida, noch in Honolulu oder am Nordpol! Ich will in meinem Zuhause bleiben. Bei meinen Freunden und den Tieren. Bei Frau Großmutter auf dem Hof. Ich stecke den Flyer unauffällig zurück in Mamas Reisetasche.

 

Bye-bye Florida

 

„Tschüü-üss!“ Mein Rucksack ist schon im Kofferraum und ich steige in Tante Ullis großen schwarzen Geländewagen. Ihr Mann Theo steht vor der Einfahrt und winkt uns. Er ist Ehemann Nummer vier – und ich finde, es sollte auch keine Nummer fünf mehr geben. Theo ist super! Er hat mir jeden Tag Eis mit Schokosoße gemacht.

Mama nimmt ihre Handtasche zur Seite, sodass ich mehr Platz habe. Wir beide sitzen hinten. Papa thront vorne neben Ulli, die uns jetzt zum Flughafen nach Miami fährt.

„Wenn ihr Drinks wollt, ich habe euch zwei Flaschen mit Wasser in die Ablage gestellt.“ Mamas Tante sieht wie immer sehr schick aus. Ihr grünes Kleid macht sich gut auf dem hellen Fahrersitz. Ihre goldenen Pumps hätten auch toll dazu ausgesehen. Doch die hat Ulli eben noch ausgetauscht gegen bequemere Schuhe, mit denen sie Gas geben und bremsen kann.

„Tausend Dank! Wir werden euch sooo vermissen!“ Mama schnallt sich an und stellt ihre Handtasche neben ihre Füße. Jetzt beugt sie sich nach vorne zu Papa. „Was, Henry? Wir werden noch oft an die Abende am Pool denken!“

„O ja“, sagt mein Papa und guckt aus dem Fenster. Er ist ja meistens mit seiner Arbeit beschäftigt. Doch hier in Florida hat er sein Notebook abends sogar aus der Hand gelegt, wenn wir zum Dinner in ein Restaurant gefahren sind. Und danach, wenn wir uns auf die Terrasse gesetzt haben zum Kartenspielen. Tagsüber hat er trotzdem die ganze Zeit telefoniert und E-Mails geschrieben. Oder Zeitung gelesen und Wirtschaftsberichte studiert.

„Wann fährst du wieder nach Hamburg?“, frage ich Papa.

„Morgen Abend. Übermorgen früh kommen Geschäftsfreunde aus Saudi-Arabien.“ Er lehnt seinen Kopf an die Nackenstütze und macht die Augen zu.

Mama sieht aus dem Fenster. „Ich würde am liebsten hierbleiben!“, sagt sie. Ihre Stimme klingt ein bisschen traurig.

„Und was wird dann aus Caruso? Und aus deinen Jobs?“ Ich kann das wirklich nicht verstehen. Wieso hat sie kein bisschen Heimweh? Sie hat ein tolles Pferd zu Hause. Ja, sogar zwei tolle Pferde. Foxi, das Pony, das ich immer reite, gehört ihr ja auch. Und sie wohnt auf einem schönen Hof mitten in der Natur. Das ist doch tausendmal besser als Florida!

„Ach, Caruso würde es hier auch gefallen“, sagt Mama.

„Das glaube ich nicht. Der würde bestimmt seine Freunde vermissen.“ Kein Pferd der Welt würde ein Leben in der Herde und im Offenstall gegen ein Leben in einem klimatisierten Stall tauschen wollen.

„Well, wir haben hier in Florida tolle Ranches! Das sind schöne Ställe mit großen, hellen Boxen. Und die Weiden sind alle mit weißen Holzlatten eingezäunt. Das sieht so gut aus!“ Tante Ulli gerät ins Schwärmen. „Wir haben einen Freund mit einem großen Anwesen ganz in der Nähe. Der züchtet Pferde. Arabien Horses sind das. Ich schicke euch mal die Fotos!“

„O ja! Bitte!“ Mama scheint es nicht abwarten zu können, die Bilder dieser Pferde zu sehen. Sie kann sich doch unsere eigenen Pferden angucken! Die stehen bei uns zu Hause direkt vor unserem Fenster, und wenn wir am Esstisch sitzen, können wir ihnen beim Spielen und Fressen zugucken.

Wie es meiner Frau Großmutter und meinem Onkel Luke wohl geht? Ob sie schon die Kirschen gepflückt haben? Und was macht Oscar? Er wohnt direkt neben mir und wir gehen sogar in die gleiche Klasse. Hat er sich gelangweilt ohne mich? Bestimmt hat er wieder irgendeine seltsame Beobachtung gemacht. Oscar entdeckt ständig komische Dinge. Vor ein paar Wochen haben wir zusammen herausgefunden, dass unser Nachbarshund Elvis immer wieder geheime Botschaften am Halsband hatte. Aber wir haben das Rätsel gelöst, zusammen mit unserer Freundin Sinja, die auch bei uns im Dorf wohnt.

„Wie läuft es bei euch zu Hause auf dem Tietjenhof? Habt ihr was gehört?“, fragt Tante Ulli, so als könnte sie meine Gedanken lesen.

„Ich hab gestern kurz mit Luke telefoniert. Mutti und er freuen sich, dass wir endlich wieder nach Hause kommen“, antwortet Mama.

Mein Herz macht einen fröhlichen Hüpfer. Sogar im Bauch spüre ich ein aufgeregtes Kribbeln, wenn ich an zu Hause denke. Ich vermisse einfach alles. Meine Tiere, meine Freunde, meinen Lieblingsstrand. Ich freue mich natürlich auch auf meine Freundinnen Sinja und Leslie.

Leslie habe ich vor Kurzem noch für ziemlich eingebildet gehalten. Erst als sie regelmäßig zu uns auf den Tietjenhof kam und ich ihr sogar Reitunterricht gegeben habe, wurde mir klar, dass Leslie echt lieb ist. Sie mag Tiere, sie ist lustig und sie hat es wirklich nicht einfach gehabt, als sie noch klein war. Ihre jetzigen Eltern haben sie adoptiert. Sinja, Oscar und ich sind ihre ersten richtigen Freunde.

„Wie ist das Wetter bei euch in Deutschland?“ Tante Ulli beobachtet uns kurz im Rückspiegel.

„Na, wie schon? Kalt, nass und grau. Wie meistens.“ Mama macht ein trübes Gesicht.

„Hä? Das Wetter ist doch bestimmt total gut bei uns!“ Ich wundere mich mal wieder, wie anders Mama alles sieht. Ich finde es auf dem Tietjenhof immer schön. Auch wenn es regnet. Die Bäume und Blumen brauchen schließlich auch mal was zu trinken.

Ob es in Deutschland warm genug ist, um baden zu gehen? Dann gehe ich auf jeden Fall als Erstes schwimmen. Ach quatsch! Als Erstes gehe ich natürlich zu den Pferden. Erst mal ’ne Runde kuscheln!

 

Da fliegt der Schlapphut

 

„Meine Damen und Herren, wir beginnen mit dem Landeanflug auf Bremen. Wir bitten Sie nun, sich wieder hinzusetzen und sich anzuschnallen“, klingt es über den Lautsprecher.

Schnell hüpfe ich zurück auf meinen Fenstersitz. Wenn ich nach unten schaue, sehe ich die norddeutschen Dächer, viele davon mit roten Dachziegeln, immer näher kommen. Gleich landen wir.

„Bist du angeschnallt?“, fragt Mama. Ihre Worte sausen durch meine Ohren, ohne dass ich wirklich hinhöre. Meine Gedanken wandern zu Hopi, meinem gelockten Pony. Ich kann es nicht erwarten, wieder hinter ihren Ohren zu schnuppern.

„Ihre Tochter muss sich bitte anschnallen!“, raunt eine höfliche Flugbegleiterin. Ich schaue hoch. Sie lächelt uns an und zwinkert mir zu. Schnell ziehe ich den Gurt über meinen Bauch.

„Hast du den grünen Rucksack in die Klappe über uns gepackt?“, fragt Mama meinen Papa. Der nickt und lehnt sich seufzend zurück.

Endlich geht das Flugzeug in den Landeanflug. Das fühlt sich an wie Ameisen im Bauch und drückt in den Ohren. Als die Räder aufsetzen, rumpelt es ordentlich. Jetzt kommt der Flieger langsam zum Stehen. Ungeduldig gucke ich zum Ausgang. Ich kann es kaum aushalten. Ich will endlich nach Hause!

In meinen Beinen zuckt es schon. Nun nickt Mama, ich springe vom Sitz und drücke mich an meinen Eltern vorbei. Jetzt kann ich wirklich nicht mehr warten. Ich möchte das Flugzeug unbedingt als Erste verlassen. Papa reicht mir meinen Rucksack. Aber leider kann ich nicht zum Ausgang flitzen, denn der schmale Gang ist schon voller Menschen. Die Passagiere bilden eine lange Schlange. Oje! Das kann dauern.

Im Schneckentempo geht es zur Flugzeugtreppe. Da wartet der Bus auf uns. Ich sehe einen Transportwagen mit Koffern über das Rollfeld fahren. Meinen roten Koffer kann ich nirgends entdecken. Hoffentlich geht er nicht verloren. Da sind nämlich die Geschenke für meine Freunde und für Oma drin.

Im Flughafengebäude werden unsere Pässe kontrolliert. Wir holen einen Gepäckwagen und gehen zum Kofferband. Alle paar Sekunden spuckt die Öffnung am Laufband ein neues Gepäckstück aus. Die Koffer drehen dann eine Runde nach der anderen und warten auf ihre Besitzer.

Es dauert, bis wir unseren Tüddelkram zusammen haben. Tüddelkram – das sagt Frau Großmutter immer. Es passt ganz oft, weil irgendwie alles Tüddelkram ist. Durch eine automatische Glastür treten wir in die Ankunftshalle.

Ach du schräger Schlapphut! Ich stehe vor einem großen Holzschild. Darauf ist ein Gesicht zu sehen, das mir bekannt vorkommt. Es ist nämlich mein eigenes! WANTED steht darüber. Das bedeutet Gesucht. Oscar hat sich wieder mal was einfallen lassen!

 

Gespannt linse ich hinter das Schild. „Ossi!“, kreische ich und falle meinem Freund um den Hals.

Mein Nachbar und Klassenkamerad grinst. Er blickt zu den umstehenden Menschen, zeigt auf mich und ruft: „Ich hab sie!“

So ein Quatschkopf! Verlegen gucke ich mich um. Da wird ein Schlapphut in die Luft geworfen.

„Frau Großmutter!“ Ich fliege in die Arme von Oma, die strahlend vor mir steht.

„Sie ist es tatsächlich! Ich glaube, sie ist echt!“ Dann schnuppert Oma an meinen Haaren. „Riecht nach Popcorn, aber auch nach Henni.“

„Yippie!“, ruft Oscar. Dass die Leute um uns herum alle hergucken, stört ihn nicht. Im Gegenteil. Ich glaube, er findet das sogar toll. Mama lächelt höflich. Ihr macht der Rummel auch nichts aus. Nur Papa würde sich am liebsten in Luft auflösen. Er mag keine Menschen-Aufläufe.

„Herzlich willkommen zu Hause, mein allerliebstes Hennilein!“, sagt Frau Großmutter. Ihre blauen Augen funkeln wie Edelsteine.

Ich schmiege mich an sie. „Sind wir schon zu Hause?“, murmele ich mit geschlossenen Augen. Vielleicht habe ich Glück und wenn ich wieder hochgucke, stehen Hopi und Foxi vor mir.

Oma lacht. „Wenn du die Augen gleich wieder aufmachst, sind wir da. Warte nur noch ganz kurz!“

Also lasse ich die Augen zu und warte.

„Nur noch ein paar Schritte. Komm. Putt, putt!“ Sie führt mich vorsichtig vorwärts.

„Wird das heute noch was mit euch?“, höre ich jetzt Papas Stimme. Sie klingt ungeduldig. Also mache ich besser die Augen wieder auf.

„Elvis hat ein Maulwurfnest ausgebuddelt. Sinja und ich haben es so gut es geht wieder eingegraben“, erzählt Oscar, während er neben mir herläuft. „Und Leslies Mutter hat Leslie nach den Sommerferien auf der Eichenwald-Schule angemeldet. Sie geht dann mit Sinja in eine Klasse. Cool, was?“

Ich nicke glücklich. Es tut so gut, wieder bei meinen Freunden zu sein.

„Isolde hat deiner Oma beim Kirschen-Einmachen geholfen. Die Kirschen sind jetzt fast alle runter. Den Rest erledigen die Vögel. Und stell dir mal vor: Die Falken sind schon alle wieder weg. Die waren plötzlich verschwunden!“

„Was? So schnell?“, frage ich.

„Ja. Auf einmal. Ohne Tschüss zu sagen. Ich habe die Falken-Babys nicht mal gesehen.“ Oscar holt einmal kurz Luft, dann setzt er wieder an. „Hast du genügend Badesachen für das Reitercamp?“

„Ja, klar. Ich hab doch zwei Badeanzüge und einen Bikini. Die sind im Koffer.“

„Müssen die vorher noch gewaschen werden?“

„Ja, bestimmt.“ Ich recke den Kopf, damit wir Oma nicht aus dem Blick verlieren. Die läuft mit Mama hinter Papa her, der den Kofferwagen schiebt.

„Werden die Sachen denn noch rechtzeitig fertig?“ Oscar sieht mich streng von der Seite an.

„Ja, sicher. Wir haben doch noch fünf Tage Zeit, bis wir losfahren.“ Ich merke, wie in mir die Vorfreude hochsteigt. Über den Bauch bis in die Haarspitzen. Überall kribbelt es, wenn ich ans Reitercamp denke.

„Viereinhalb, um genau zu sein! Der Tag heute zählt ja nicht mehr ganz“, sagt Oscar.

Wir kommen jetzt an einem Zeitungsladen vorbei. Mein Papa steht vor einem Regal und studiert die Schlagzeilen.

„Ich hab mir das Fernglas von Luke ausgeliehen. Der meinte, wir können es ruhig mit ins Camp nehmen“, erzählt Oscar.

„Meinst du, dass wir das brauchen werden?“

„Wir sollten es auf jeden Fall dabeihaben.“

„Klar. Kann nicht schaden. Aber ich glaube nicht, dass wir Zeit dafür haben.“ Es ist ja ein Reitercamp. Und kein Beobachtungs-Camp.

„Abwarten!“, sagt er. „Es gibt überall was zu entdecken!“

Typisch Oscar. Typisch Secret Agent Elsman! Was immer uns da im Reitercamp erwartet, es wird auf jeden Fall spannend!

 

 

Endlich wieder Hopi schnuppern

 

„… und dann diese schönen Häuser! Ich weiß gar nicht, wie die das in Florida machen, dass da alles so gut aussieht!“ Mama beißt in ihr Käsebrötchen.

„Wie ist denn das neue Haus von Ulli?“, erkundigt sich Frau Großmutter.

Mama schluckt schnell den Brötchenbissen runter. „Einfach nur cool! Mit einer riesigen Eingangshalle. Und auf der Terrasse am Pool steht eine Tiki-Hut.“

„Eine was?“

„Eine Tiki-Hut. Das ist so eine offene Strohhütte, in der man sitzen kann. Da machen Ulli und Theo ihr Barbecue.“ Sie hört überhaupt nicht mehr auf, von unserem Urlaub in Amerika zu schwärmen.

„Ich geh raus!“ Soll sie doch von ihrem geliebten Florida erzählen. Ich habe keine Lust, über andere Länder zu reden. Ich finde es genau hier, wo ich jetzt bin, schön! Ruckzuck schlüpfe ich in meine Gummistiefel und flitze nach draußen. Gestern habe ich nur kurz alle Tiere begrüßt. Jetzt will ich ganz in Ruhe zu meiner Hopi. Und zu Foxi. Und natürlich auch zu unseren anderen Pferden.

Es ist schon fast Mittag. Dadurch, dass in Florida eine andere Zeit ist, sind wir total durcheinandergekommen. Dort ist es jetzt erst früher Morgen. Tante Ulli und Theo schlafen bestimmt noch. Hier bei uns in Deutschland sind wir bereits sechs Stunden weiter. Die Sonne steht hoch über unserem Hof. Billie und Klaus liegen im Schatten unter einem riesigen Baum.

„Hey, ihr beiden Schnubbis!“, rufe ich. Schon habe ich Klaus’ braune Tatzen auf den Schultern. Er ist nämlich genauso groß wie ich. Jedenfalls, wenn er sich auf die Hinterbeine stellt. Billies schwarzer Kopf drängelt sich dazwischen und schleckt meine Hände ab. Die kalten Hundeschnauzen fühlen sich lustig an. „Ich hab euch ja so vermisst! Die Hunde in Florida sind ganz anders als ihr. Die sind voll mit Glitzer. Und manche haben sogar Pullover an!“

Nach einem ausgiebigen Kuscheln legen sich die Hunde wieder in die alte Diele. Da ist es schön kühl. Sie können rein- und rauslaufen, so oft sie wollen. Sobald sie dann ein fremdes Geräusch hören, springen sie auf und rasen zum Tor.

Wie dumm, dass ich meine Gummistiefel angezogen habe. Die sind viel zu warm. Allerdings ist man auch in Sekundenschnelle reingeschlüpft. Das ist total praktisch. Für alle anderen Schuhe brauche ich länger. Turnschuhe dauern fünf Sekunden. Sandalen dauern vier Sekunden. Flipflops schaffe ich zwar in zwei Sekunden, aber damit bleibe ich zu oft in den Brennnesseln hängen.

Die Pferde kann ich schon von Weitem sehen. Sie stehen auf der Weide. Mit den Augen suche ich die Herde ab. Zwei Schecken, zwei Rappen, zwei Füchse. Ein Beige-Goldener.

„Beim fröhlichen Falken! Sie ist erwacht!“ Oscar springt von der Mauer, auf der er gesessen und auf mich gewartet hat. Wir haben nämlich eine Flutmauer, die unseren Hof vor Hochwasser schützt. Dadurch, dass wir direkt an der Weser wohnen, ist das hier alles Überschwemmungsgebiet.

„Ossi!“ Ich winke.

„Seit wann bist du denn so eine Schlafmütze?“, fragt er, als ich bei ihm angekommen bin.

„Seitdem ich fast drei Wochen eine andere Zeit hatte.“

Gemeinsam gehen wir zu den Pferden. Die haben ihre Weiden und Paddocks genau hinter der Mauer. Da finden sie alles, was sie brauchen: verschiedene Raufen mit Heu, Wasser, Wälzplätze, Sandwege und Offenställe. Wir haben alles so angelegt, dass sie sich überall frei bewegen können. Nur das Gras ist abgesperrt. Sie dürfen immer nur für wenige Stunden davon fressen.

„Hopi!“, rufe ich.

Meine Stute spitzt die Ohren, wiehert ganz leise und läuft dann freudig auf mich zu.

„Meinst du, dass ich so einen halben Deckel unter meinem Hut tragen muss, wenn ich reite?“ Oscar sieht mich an.

„Ähm? Was meinst du?“ Ich streichele Hopi am Hals.

„Na, so ein extraterrestrisches, unfassbar merkwürdiges Kopf-Ding, das man unter einem Hut trägt! Gibt’s in dem Western-Laden, wo ich meine Sachen gekauft habe. Ist wie so ’ne halbe harte Eierschale, die man aufsetzt.“ Er zeigt auf seine braunen Wuschelhaare.

„Was? Was soll das sein?“ Meine Hand greift in Hopis schwarz-weiße Lockenmähne. Ich schnuppere an dem weichen Fell hinter ihrem Ohr. Hier riecht sie besonders gut.

„Luke und deine Oma meinten, es wäre besser, wenn ich meinen Kopf beim Reiten schütze. Sie sagen, dass ein Cowboy-Hut alleine nicht ausreicht.“

„Dann setz doch eine Reitkappe auf. Das machen wir doch alle!“ Mein Pony stupst mich mit der Nase an.

„Ne, ne, ne, Frau Dressurreiterin! So was setze ich nicht auf. Da sehe ich ja total bescheuert aus! Schon mal ’n Cowboy mit Reitkappe gesehen?“ Ossi schneidet eine hässliche Grimasse.

„Schon mal ’n Cowboy gesehen, der nicht reiten kann?“

„Was soll das denn heißen?“ Er guckt mich herausfordernd an.

„Na ja, du bist ja im Grunde Anfänger. Und da ist es vielleicht besser, wenn du einen Sicherheitshelm trägst.“

„Ach so! Du meinst wohl, ich stell mich blöd an beim Reiten, was?“ Er verschränkt die Arme vor seiner Brust.

„Nö. Nicht. Nur …“, stammele ich.

„Na was?“

„Vielleicht sollte man gerade zu Anfang etwas vorsichtiger sein!“ Ich kraule Hopi noch mal kräftig am Hals und gehe dann weiter zu Foxi. Seine Mähne ist noch länger und dichter geworden. Sie sieht aus wie leuchtendes Kupfer.

„Guten Tag, mein lieber Herr Foxi!“, sage ich zärtlich. Er stupst mich an. „Oh Verzeihung! Ich habe gar keine Karotte für dich dabei. Das geht ja gar nicht. Aber Mama schimpft immer, wenn ich dir einfach so zwischendurch was gebe.“ Ich umarme den hübschen Fuchs-Wallach, doch der steckt seine Nase schon wieder ins Gras.

„Dann gehe ich mal gucken, wo Sinja und Leslie stecken!“ Oscar dreht sich um und läuft zum Tor, das vom Pferdebereich auf den Hof führt. Es ist ein Gatter aus Metall mit einem praktischen Schnappverschluss. Sinja und Leslie wohnen beide hier im Dorf. Sie kommen immer mit dem Fahrrad zum Tietjenhof.

„Bis gleich!“ Während ich beobachte, wie Oscar über das Gatter klettert, spüre ich einen warmen Atem in meinen Haaren. Ich drehe mich zur Seite. Biene steht neben mir und untersucht meine Zöpfe. Das kitzelt so doll, dass ich kichern muss. „Na, du kesse Biene! Soll ich dir auch Zöpfe flechten?“ Ich schaue der neugierigen Stute direkt in die Augen. Genau wie Hopi ist sie braun-weiß gescheckt. Aber Biene ist deutlich größer als Hopi. Und sie hat auch nicht ganz so viele Locken.

Weiter hinten grasen Tami, Bunny und Caruso. Snowflake steht etwas abseits. Ich begrüße sie alle und kann nicht genug bekommen von ihrem Geruch. Hmmm! Das riecht ja tausendmal besser als Popcorn! Ich weiß gar nicht, wie ich es so lange ohne Pferdeduft aushalten konnte.

Bevor ich wieder zum Hof zurückgehe, bleibe ich noch mal bei Hopi stehen. Ich stecke meine Nase hinter ihre Ohren, zwischen die Locken, und nehme einen tiefen Atemzug. Wie immer vergesse ich dabei alles um mich rum. Nur die Vögel höre ich zwitschern. Immer lauter, immer fröhlicher. Hopi schnaubt zufrieden. Ich glaube, sie freut sich, dass ich endlich wieder da bin.

„Henni! Hilfst du mir eben, die Pferde von der Weide zu treiben?“ Frau Großmutter steht am Zaun und hält einen Stick in der Hand. Das ist eine Art Peitsche, die wir als Hilfe benutzen, wenn wir mit unseren Tieren arbeiten.

„Ja, klar!“ Ich flitze los, um mir auch einen Stick zu holen. Sie sind in der Sattelkammer neben den Trensen und Halftern.

Zu zweit haben Oma und ich keine Probleme, die Herde vom Gras zu treiben. Allein ist das schon etwas schwieriger. Dann ist immer ein Pferd dabei, das entwischt und wieder auf die Wiese laufen will. Ich kann das ja so gut verstehen. Doch zu viel Gras ist einfach nicht gut für unsere Ponys. Sie kriegen dann Speckpolster und könnten sogar krank werden.

„So, jetzt müssen wir noch den Anhänger ankuppeln.“ Oma zieht sich den Hut vom Kopf und wischt sich über die Stirn.

„Steht dir gut, dein neuer Schlapphut!“, sage ich.

„Ja, finde ich auch. Den hat mir meine Enkelin aus Florida mitgebracht!“ Sie lächelt und bewundert ihre schicke knallgrüne Kopfbedeckung.

„Hat ’n guten Geschmack, deine Enkelin!“, sage ich.

„Ja, den hat sie. Und eine gute Oma hat sie auch! Die hat nämlich noch eine Überraschung für sie!“ Frau Großmutter setzt ihren Hut wieder auf und macht ein geheimnisvolles Gesicht.

 

 

Der Pony-Express

 

„Überraschung?“ Ich reiße meine Augen auf. „Sag’s mir! Los! Bitte!“

Sie guckt nachdenklich auf ihren Schlapphut. „Hm. Das muss ich mir aber gründlich überlegen.“ Sie versucht, sich das Lachen zu verkneifen.

„Henni! Huhu!“ Sinja läuft auf mich zu. Leslie ist direkt dahinter und winkt mit ihrem Beutel. Den hat sie immer dabei, wenn sie zu uns kommt. Darin sind eine Brotdose, eine Trinkflasche und meistens auch ein paar Reitsachen. Ich renne meinen Freundinnen entgegen. Mann, hab ich die beiden vermisst!

Viele Umarmungen später fragt Oma: „Kann es jetzt losgehen?“

Wir gucken uns an. „Was meinst du?“, will ich wissen.

„Ich sagte doch, dass wir den Anhänger anspannen müssen. Los, ihr Lieben! Helft mir mal!“ Sie geht vor und steigt in ihren kleinen Bus mit den Schiebetüren. Dann startet sie den Motor und fährt ganz langsam ein Stück zurück. Durch das offene Wagenfenster sieht sie nach hinten.

„Wie viel Platz habe ich noch?“, fragt sie.

Sinja macht ihr ein Handzeichen. „Da ist noch genug Abstand bis zum Hänger. Kannst zurückfahren.“

Jetzt mischt Oscar sich ein. Er hält die Hände hoch und zeigt genau an, wie viel sie zurücksetzen kann, um das Auto direkt vor dem Pferde-Anhänger zu parken.

„Kannst noch so viel!“, ruft er.

„Gut so?“

„Jo. Passt!“ Oscar kurbelt die Achse des Hängers runter. Oma steigt aus und beugt sich über die Anhängerkupplung. Es ruckelt und sie ziehen noch ein Stück. Schon ist der Pferdetransporter angekuppelt. Jetzt nur noch den Stecker mit dem Kabel verbinden.

„So, fertig. Kann losgehen!“, sagt Frau Großmutter. „Leslie und Sinja, könnt ihr die Klappe schon aufmachen?“

„Jawoll! Wird gemacht!“ Sinja zieht Leslie mit nach hinten, um die Ladeklappe für die Pferde runterzulassen.

„Könnte mir vielleicht mal einer von euch verraten, was ihr vorhabt?“ Ich gebe zu, dass ich ziemlich verwirrt bin.

„Wir machen den Pferdeanhänger klar“, erklärt Sinja und fummelt an der Plane über der Rampe.

„Wozu?“, frage ich.

„Holt ihr schon mal die Ponys. Einfache Halfter reichen. Allerdings brauchen wir heute das Seil, keinen Führstrick. Ich besorge noch Karottenstückchen.“ Oma will ins Haus gehen, doch ich halte sie am Ärmel fest.

„Was ist hier los?“, will ich wissen.

Sie sieht mich ahnungslos an. „Wir bereiten die Fahrt ins Camp vor!“

„Und was hat das mit dem Hänger zu tun?“, frage ich.

„Wie sollen wir die Ponys denn sonst mitkriegen?“ Sie grinst bis an den Rand ihres Schlapphuts.

„Ponys?“ Ich muss ziemlich dumm gucken.

In dem Moment kommen auch schon Sinja und Leslie. Mit Foxi und Tami im Schlepptau!

„Aha! Da sind ja eure Reisebegleiter!“, ruft Frau Großmutter.

„Die beiden kommen auch mit?“ Meine Augen werden groß wie Tennisbälle.

„Genau! Ich habe mit Truschka abgesprochen, dass ihr die Pferde mitnehmen dürft. Leider passen ja nur zwei in den Anhänger. Also haben wir uns für Tami und Foxi entschieden!“ Sie überprüft den Sitz der Halfter.

„Juchuuuu!“ Ich würde jetzt gerne einen Luftsprung machen, aber ich möchte nicht, dass die Ponys auch in die Luft hüpfen. Also begnüge ich mich mit einem Strahlen.

„Heute machen wir Hänger-Training!“, erklärt Oma. „Damit wir die Pferde am Sonntag früh problemlos verladen können.“

„Wann müssen wir eigentlich losfahren?“, fragt Leslie. Sie hat ihre langen dunklen Haare heute zu einem Zopf gebunden.

„Wir starten Sonntagmorgen gegen 9.00 Uhr. Ich schätze, wir brauchen so ungefähr sechs oder sieben Stunden bis zum Gestüt Fuchs. Mit dem Anhänger kann ich ja nicht so schnell fahren.“ Oma dreht den orangefarbenen Stick, den sie in der Hand hält.

„Dann sind wir spätestens um vier Uhr da.“ Sinja zieht Foxi etwas zu sich heran, weil er schon wieder auf das Gras schielt.

„Nein. Es könnte auch fünf Uhr werden. Ich möchte, dass wir zwischendurch eine Pause machen, damit die Pferde grasen können.“ Sie geht zu der kleinen Seitentür. Von da aus kann man ins Innere des Transporters klettern.

„Aber wir können ihnen doch auch ein Heunetz hinhängen!“, schlage ich vor.

„Das machen wir sowieso. Trotzdem ist das lange Stehen im Hänger für die Pferde sehr anstrengend. Deswegen möchte ich auf halber Strecke einmal abladen.“ Sie geht ins Haus, um die Karotten zu holen.

„Da staunst du, was?“ Oscar hat seinen Cowboyhut aufgesetzt. Vielleicht, damit er beim Hänger-Training wie ein echter Horseman aussieht.

„Ihr hättet mir ruhig mal was sagen können!“ Ich gucke meine drei Freunde an und versuche, eine ernste Miene aufzusetzen.

„Wir wollten, dass du überrascht bist!“ Leslie kichert.

Die Ponys werden unruhig. Sie scharren mit den Hufen.

„Tami glänzt ja wie ein Edelstein.“ Ich streichele die schwarze Stute mit der weißen Blesse. In letzter Zeit ist ihr Fell noch seidiger geworden.

„Und Foxis Locken sind auch fast verschwunden. Siehst du?!“ Sinja zeigt mit dem Finger auf seinen rotbraunen Bauch. Dort sieht er im Winter aus wie ein Teddybär. Aber im Sommer ist auch sein Fell fast glatt.

„Sogar Hopi hat jetzt glatte Haare. Nur ihr Schopf sieht aus, als hätte sie eine Dauerwelle!“, sage ich.

Leslie und Sinja lachen. Oscar verzieht das Gesicht.

„Mein Schopf ist auch immer gewellt. Bloß die Haare an den Beinen sind glatt.“ Ossi hält uns seinen Unterschenkel vor die Nase, der in einer Hose steckt, die über dem Knie endet.

„Oh, wie hübsch!“ Leslie tut so, als würde sie sein Bein bewundern.

„Ja, wirklich toll!“, sagt Sinja. „Aber mir sind Pferdebeine lieber!“

Oma kommt mit einer Brotdose voller Karottenstückchen aus dem Haus. „So, meine Lieben, wir können loslegen! Sinja und Leslie, ihr führt Foxi und Tami einmal über den Hof, bitte. Henni, du nimmst die Karotten und gehst vorne in den Hänger. Oscar und ich machen die Stange hinten zu. Aber erst, wenn ich es sage.“ Sie greift zum Stick, den sie an die Seitenwand gelehnt hat.

„Sollen wir eine große Runde gehen?“, erkundigt sich Sinja.

„Ja, lauft ruhig einmal bis zur Reithalle und zurück. Dann kommt ihr, ohne zu zögern, zur Anhängerklappe. Und bitte nicht stehen bleiben. Einfach drauf zulaufen!“ Sie stellt sich mit Oscar neben die geöffnete Klappe.

 

 

Sinja bleibt mit Foxi im Hintergrund. Nun kommt Leslie mit Tami direkt auf den Hänger zu. Sie lässt das Seil länger und führt die Rappstute zur geöffneten Klappe. Oma hebt hinter ihr den Stick, als die Ponystute auf die Rampe geht. Und schon ist das erste Pferd im Hänger.

„Henni! Gib ihr jetzt bitte ein paar Karottenstücke. Dann kannst du die Kette ans Halfter machen! Alles klar? Und der Nächste bitte!“ Sie gibt Sinja ein Handzeichen.

Nun kommt Foxi auf den Anhänger zugelaufen. Er bleibt kurz auf der Rampe stehen, zögert noch. Oma hebt energisch den Stick und auch Foxi geht in den Transporter. „Und jetzt für Foxi Karotten“, ruft mir Frau Großmutter zu. Ich gebe ihm ein paar Stückchen und befestige die Kette an seinem Halfter.

„Henni, leg die Seile bitte über den Rücken“, höre ich Omas Stimme. Sehen kann ich sie nicht mehr, denn Tami und Foxi versperren mir die Sicht.

„Mach ich!“ Ich führe die Seile unter der Stange über den Rücken der Ponys. Dann können wir sie gleich beim Abladen einfach greifen und die Pferde haben keine Möglichkeit, wegzulaufen.

„So, Oscar, du bist dran. Wir machen die Klappe zu. Fass du da drüben an!“ Oma bückt sich. Und schwupp, ist die Rampe hochgeklappt. „Nun den Haken rein.“

Ossi zieht am Metallbügel. Ich klettere aus der kleinen Seitentür und springe wieder ins Freie. Ganz schön eng in so einem Hänger. Jedenfalls, wenn die Ponys drin stehen.

„Hey! Da ist ja unsere Urlauberin!“ Mein Onkel kommt auf uns zugelaufen. Neben ihm winkt seine Freundin Isolde.

„Luke!“, rufe ich und renne auf ihn zu. Lachend springe ich in seine Arme.

„Schön, dass du wieder da bist, kleine Nichte! Oh, Verzeihung …“ Er hält mich ein Stück von sich entfernt und schaut mich prüfend an. „… ich korrigiere: Große Nichte!“

„Finde ich auch schön! Kleiner Onkel!“, grinse ich.

„Hey Henni! Wie war euer Urlaub?“, fragt Isolde.

„Interessant war’s.“

„Na, das ist ja schon mal was.“ Isolde fummelt an den Ärmeln ihrer Piratenbluse.

„Und was macht ihr hier gerade?“, will Luke wissen.

„Wir proben den Pony-Express. Damit wir gut ins Reitercamp kommen!“ Dann lächele ich den beiden noch mal kurz zu und gehe zurück zu meinen Freunden

 

Auf ins Reitercamp

 

„Meldet euch, wenn ihr angekommen seid!“ Mama wirft uns ein Küsschen zu.

„Und meldet euch auch mal so zwischendurch. Am besten jeden Tag!“ Oscars Mutter Rike steht am Tor. Sie sieht aus, als würde sie ihren Sohn am liebsten wieder aus dem Auto ziehen.

„Gib Gas, Oma!“ Ich beuge mich nach vorne zum Fahrersitz.

Ein ganzes Abschiedskomitee hat sich bei uns auf dem Hof versammelt. Wenn das so weitergeht, kommen wir nie los.

„Bis bald!“, ruft Sinjas Mutter.

„Macht’s gut!“ Sinjas Vater winkt mit einem weißen Taschentuch.

„Viel Spaß, mein Schatz!“ Leslies Mutter kämpft mit den Tränen, als sie noch mal ins offene Wagenfenster guckt.

„Und fahrt vorsichtig!“ Rike streichelt Billie, die neben ihr sitzt. Klaus ist sicherheitshalber in der Diele eingesperrt. Wir haben Angst, dass er dem Auto nachläuft.

Endlich starten wir. Ganz langsam geht es los. Mit dem Pferdeanhänger darf man nicht so schnell fahren. Auch das Bremsen muss immer sacht sein. „Sutsche“, wie wir in Norddeutschland sagen.

„Gibst du mir mal den Korb?“, wendet Oscar sich an Leslie, die neben dem Proviant sitzt.

„Was denn? Jetzt schon? Finger weg!“ Sinja schiebt Leslies Hand zurück, die gerade nach dem Henkel greifen will.

„Menno! Das geht ja gut los mit euch Frolleins“, schimpft er.

„Wie nennst du uns? Frolleins?“, frage ich.

„Das klingt schrecklich!“ Sinja ist empört.

„Wenn, dann ja wohl bitte Ladys“, schlägt Leslie vor.

„Okay, Ladys! Her mit den Fressalien!“, grinst Oscar.

„Vergiss es“, donnert Sinja.

„Nicht in diesem Ton, Herr Elsmann“, fordere ich.

„Für euch immer noch Secret Agent Elsman! Ladys!“ Ossis Stimme klingt ein bisschen nach James Bond. Jedenfalls wie jemand, der gerne wie James Bond sein möchte.

Nachdem wir rechts in die Dorfstraße eingebogen sind, kommen wir an Sinjas Haus vorbei. Vor der Einfahrt stehen ihre Großeltern mit den Zwillingen und winken.

„Benny! Basti!“, ruft Sinja. Sie lehnt sich aus dem offenen Fenster. „Macht keinen Mist, wenn ich nicht da bin. Tschüüüüss, Oma! Tschüüüss, Opa!“

Frau Großmutter hupt. Ben zielt mit einer Wasserpistole auf seine große Schwester. Sinja zieht hastig den Kopf zurück. Bevor alles klatschnass wird, machen wir schnell die Scheiben hoch.

„Frechdachs!“ Sinja lacht.

In Schrittgeschwindigkeit rollen wir durch unser Dorf. Weil wir hier alle Leute kennen, müssen wir ganz oft winken. Und als wir an der Ecke der Dorfstraße ankommen, um auf die große Allee Richtung Autobahn einzubiegen, steht Leslies Mama an der Gartenpforte. Sie lächelt tapfer. Aber in ihren Augen glitzern Tränen. Oma hält neben ihr und lässt das Fenster runter.

Frau Kaiser guckt in den Wagen. „Ich bin immer erreichbar. Meine Handynummer hast du doch abgespeichert?“, fragt sie.

„Klar, hab ich. Und ich gebe sie auf jeden Fall auch nachher noch der Gestütsleiterin“, sagt Frau Großmutter.

„Ich hatte Frau Fuchs schon eine Nachricht mit meinen Kontaktdaten gesendet.“ Die Stimme von Leslies Mutter klingt besorgt.

„Steht ja auch alles im Anmeldeformular.“ Oma hebt zum Abschied die Hand. „Wir melden uns, wenn wir angekommen sind.“

„Wiedersehen!“ Frau Kaiser winkt uns nach, bis wir um die Ecke verschwunden sind.

„Hast du eine Taschenlampe mit, Leslie?“ Ich möchte unsere Freundin ein bisschen ablenken. Sie schaut nämlich immer noch aus dem Auto und winkt ihrer Mutter zu. Obwohl die längst nicht mehr zu sehen ist.

„Taschenlampe?“, nuschelt Leslie abwesend.

„Ta-schen-lam-pe!“ Oscar klatscht die Silben übertrieben langsam mit.

„Wozu?“ Leslie sieht etwas verwirrt aus. In ihren Augen schimmert es.

„Falls der Strom ausfällt … Oder für die Nachtwanderung … Für unsere Beobachtungen …“, rattert Oscar tausend Einsatzmöglichkeiten herunter.

„Und damit uns zwischendurch immer mal wieder ein Licht aufgeht“, unterbricht Sinja ihn. Sie zwinkert Leslie zu. Die beiden sind inzwischen gute Freundinnen und nach den Sommerferien kommen sie zusammen in die fünfte Klasse.

„Naaahaaachtwaaaanderung?“ Ich tue so, als ob ich zittere. „Warum sagt mir das keiner? Ich hab Angst im Dunkeln!“

„Ich auch!“, ruft Leslie und muss dabei lachen. Es hört sich an, als würde ein Esel Iah machen.

„Das wird sooooo gruselig …“ Oscar hat seine Stimme tief verstellt, wie ein furchterregendes Monster.

„Da könnt ihr ja so froh sein, dass ihr mich dabeihabt“, sagt Sinja. „Ich hab nämlich keine Angst im Dunkeln. Wenn ihr wüsstet, wie oft ich nachts aus dem Bett muss, weil meine kleinen Brüder wach werden.“

„Wieso musst du dann aus dem Bett?“, erkundigt sich Leslie.

„Wenn Mama und Papa am Wochenende arbeiten, dann lasse ich meine Zimmertür auf. Damit ich die beiden hören kann, wenn sie Quatsch machen“, erzählt Sinja.

„Muss lustig sein, wenn man Geschwister hat“, sagt Leslie.

Oscar und ich können da nicht mitreden. Wir sind ja auch Einzelkinder. Genau wie Leslie. Bei Sinja in der Familie läuft alles ganz anders. Da ist immer was los. Entweder ihre kleinen Brüder streiten sich oder sie denken sich irgendeinen Mist aus. Lustig ist das wohl schon. Doch ich merke auch, dass Sinjas Eltern nicht so viel Zeit für sie haben und dass meine Freundin oft zurückstecken muss.

„Immer Rücksicht nehmen? Alles teilen? Und dann sogar noch nachts aufstehen? Klingt nach Stress.“ Oscar dreht an seiner Rückenlehne, um sie weiter nach hinten zu stellen.

„Aber es ist immer was los“, finde ich. „Und außerdem ist man dann nicht immer mit den Erwachsenen allein.“

Ich höre, wie Frau Großmutter vorne im Auto kichert. Sie hat’s auch nicht immer leicht mit den anderen Erwachsenen. Zum Beispiel mit ihrer Tochter, also Mama.

„Mit euch ist noch viel mehr los. Was meint ihr, was wir jetzt alles erleben werden. Ab geht’s ins Reitercamp!“ Beschwingt haut Oscar auf die Seitenverkleidung des Wagens. So, als würde er diesen Satz unterstreichen wollen. „Könnte ich jetzt bitte, bitte ein Brötchen haben?“

Nachdem wir einige Stunden Richtung Süden gefahren sind, verlassen wir die Autobahn.

„Hier suchen wir uns eine gemütliche Ecke zum Grasen“, kündigt Oma an.

„Ich will aber nicht grasen“, sage ich und muss über meinen eigenen Witz lachen.

„Schade. Ich hätte dich gerne grasen sehen.“ Oscar redet mit geschlossenen Augen. Ich hatte gedacht, dass er schläft.

Wir halten an einem kleinen Waldweg. Frau Großmutter parkt den Anhänger so, dass er weit genug weg von der Hauptstraße steht.

---ENDE DER LESEPROBE---