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Ein normales Leben, wenn die Mutter tot ist und man kaum Freunde hat? So sieht das Leben von Prinzessin Enja Mellow aus. Und daran scheint sie nichts ändern zu können, bis ein Angriff auf sie dafür sorgt, dass sie die Element School kennenlernt und so herausfindet, dass sie und drei weitere Mädchen die vier Elemente sind. Nun versucht sie mit ihren neuen Gefährtinnen, die Welt vor den boshaften Machenschaften eines Bundes namens Pagos und schließlich auch vor dem Untergang zu bewahren.
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Seitenzahl: 281
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Wärme ... war das Erste, das ich wahrnehmen konnte. Geborgenheit ... war das Erste, das ich fühlen konnte. Feuer ... war das Erste, das ich sehen konnte.
Ich lag auf dem Boden und alles um mich herum brannte. Es war laut vom Knistern, hell von den Flammen und heiß vom Feuer. Ich richtete mich langsam auf, um mich zu orientieren – doch ich sah nichts bis auf das Feuer. Ich fühlte mich sicher, obwohl ich wusste, wie gefährlich Feuer sein kann.
„Enja?“, fragte eine Stimme aus dem Nichts. Ich erschrak und konnte einen Aufschrei gerade noch unterdrücken.
„Hab keine Angst, meine Süße“, sagte die sanfte Stimme. Bei den Worten meine Süße verkrampfte sich mein Herz, denn so nannte mich meine Mom früher immer.
„Mom?“, fragte ich schließlich, auch weil die fremde Stimme der meiner Mom sehr ähnelte.
„Und ich habe schon gedacht, dass ich mich weiter vor dir versteckt halten könnte, ohne mich zu zeigen.“ Ich hatte diesen Satz noch nicht verstanden, als vor mir eine Gestalt erschien. Es war eine junge Frau. Sie trug ein hellrotes bodenlanges Kleid, schön geschnitten und mit seltsamen Symbolen. Sie war schlank und hatte langes gewelltes blondes Haar und fast schwarze Augen – so wie ich. Nach ein paar Sekunden konnte ich die Gestalt deutlich erkennen, sodass mein Atem stockte.
„Mom!“, schrie ich und wollte sie umarmen, doch sie streckte mir ihre Hand entgegen und sagte: „Stopp! Es tut mir sehr leid, Enja, aber du kannst mich nicht berühren, sonst würde ich aus diesem Traum verschwinden und wir könnten nicht weiter kommunizieren.“
Danach wurde mir einiges klar. Ein Traum, dachte ich, natürlich! Meine Mom ist ja auch gestorben und ich werde sie nie wieder in den Arm nehmen können. Bei diesen Gedanken rollten mir ein paar Tränen über die Wangen.
„Es tut mir leid, meine Süße, ich wollte dir diese schmerzhaften Erinnerungen eigentlich ersparen, doch du hast mich erkannt und diese Unterhaltung ist sehr wichtig und ich weiß nicht, wie viel Zeit wir noch haben, bis eine von uns aufwacht.“
„Ich verstehe, Mom. Aber worüber sollen wir denn sprechen, du hast die Hälfte meines Lebens verpasst und weißt so gut wie nichts über mich“, erwiderte ich aus Frust und Trauer.
Doch meine Mom war nicht traurig über das, was ich gesagt hatte, sondern ein seichtes Lächeln legte sich über ihr wunderschönes Gesicht. Ich war verwirrt, und das bemerkte auch meine Mom: „Ich bin immer bei dir, meine Süße, auch wenn du mich nicht siehst.“ Sie schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor ihr Gesichtsausdruck wieder ernst wurde: „Es ist jetzt ganz wichtig, dass du mir zuhörst!“, sie war so ernst, dass sie anscheinend gar nicht bemerkte, wie sie einen Schritt auf mich zuging. „Es gab Gründe, warum ich gegangen bin. Und die letzte Chance, alles aufrechtzuerhalten, liegt in deinen Händen, Enja. Bevor du irgendjemandem traust, musst du immer alles selbst überprüfen. Die Welt da draußen ist nämlich gefährlich und anders, als du denkst!“
Ich wollte es unterdrücken, konnte aber nicht mehr, verfiel in Gelächter und konnte mich erst nach ein paar Sekunden wieder fangen. Meine Mom stand immer noch ernst vor mir und wollte etwas sagen, doch tat sie es nicht.
„Entschuldigung, Mom. Das hat sich gerade echt lächerlich angehört. Vor allem ergibt es keinen Sinn, was du mir gerade erzählt hast. Ich dachte, du wärst immer bei mir, obwohl du tot bist! Wenn du wirklich immer bei mir wärst, würdest du wissen, dass Dad mich nicht rauslässt, um Bekanntschaften zu machen.“
„Ich weiß! Und das ist auch gut so, denn je weniger sie von dir wissen, desto besser ist es! Außerdem solltest du auch diejenigen überprüfen, die du schon kennst, denn du kannst niemandem trauen. Und das meine ich ernst.“
Ich wollte etwas erwidern, doch meine Mom schnitt mir das Wort ab, indem sie etwas Seltsames tat. Sie erhob beide Hände und fing an, damit das Feuer um uns herum aufzusaugen. Hätte sie mir nicht gerade erst gesagt, dass ich mich in einem Traum befände, hätte ich geglaubt, dass alles real ist.
Meine Mom sog einiges vom Feuer einfach so in sich auf und sprach zu mir: „Eigentlich ist es zu früh hierfür, aber wir haben keine Wahl. Sie sind uns schon zu nah auf den Fersen und könnten jeden Moment angreifen, also musst du jetzt gut auf dich aufpassen – hörst du, Süße, du musst es mir versprechen!“.
„Äh, … ja, ich kann auf mich aufpassen, aber wovor denn?“, fragte ich.
Sie sah mich besorgt an, als wollte sie es mir verraten, es aber nicht könnte, und antwortete schließlich: „Das, meine Süße, wirst du leider noch früh genug erfahren.“
All das Feuer, das meine Mom zuvor aufgesogen hatte, verteilte sich in ihrem Körper. Schließlich nahm sie meine Hände und übergab mir ein gewaltiges Gefühl. Ich bemerkte es in mir, denn ich fühlte mich auf einmal stark und mutig. Danach zog sie mich fest an sich und gab mir einen Kuss, der sich warm und sicher anfühlte: „Wir sehen uns bald wieder, wenn es wieder sicher genug ist. Ich liebe dich, meine Süße – und pass auf dich auf!“.
„Ich liebe dich auch, Mom.“
Das Letzte, das ich hörte, waren die Versicherungen meiner Mom, dass alles wieder gut werden würde. Doch nichts wurde wieder gut – ich wachte auf und mir wurde mein ganzes erbärmliches Leben wieder bewusst. Meine Mom war tot.
Ich habe noch ein bisschen geweint nach diesem Traum, bis ein Klopfen an der Tür mich aufhören ließ. „Prinzessin?“, fragte eine sanfte Stimme an der Tür, die ich sofort erkannte.
„Ja, Elena, du kannst reinkommen und hör auf, mich dauernd Prinzessin zu nennen, du weißt, dass ich das nicht leiden kann.“
Eine große hübsche Frau, mit braunen Locken betrat mein Schlafzimmer. Elena kam, gefolgt von Hector, der in der Tür stehenblieb, hinein und umarmte mich kräftig.
„Alles Gute zum Geburtstag, Herzchen!“, sagte Elena.
„Von mir auch“, fügte Hectors brummige Stimme, die ich immer und überall erkannt hätte, hinzu.
Hector betrat niemals mein Zimmer, da mein Vater dies untersagt hatte, also stand ich auf, ging zur Tür und sagte: „Danke!“, während ich ihn umarmte. Danach schloss er die Tür und machte sich wieder an die Arbeit, während Elena mir ein perfektes Kleid für den heutigen Tag hinauslegte.
Elena und Hector sind die Beraters meines Vaters „König“ Frank. Ich lebe mit ihm nicht auf einem Schloss, wie es sich ja eigentlich gehört für – nun ja - einen König. Das liegt vor allem daran, dass er den Job an seinen jüngeren Bruder William weitergegeben hat, den Titel wird er aber immer behalten, da er auch immer noch wie ein König behandelt wird. Trotzdem oder vielleicht aus diesem Grund verlangt er, dass ich lerne, wie eine richtige Prinzessin zu handeln und zu leben. Ich dagegen hasse dieses ganze Getue! Ich bin einfach nicht die geborene Prinzessin und werde es auch nie sein, egal wie oft ich noch zu diesem überflüssigen Unterricht gehen muss. Mein Dad hat außerdem darauf bestanden, dass ich niemals und unter keinen Umständen die königlichen Mauern verlassen darf – im Ernst! Genauso hat er es damals verkündet. Ich habe schon mehrere Male versucht, hier herauszukommen, aber leider vergeblich. Wenn ich durch die dichten Gärten oder Geheimgänge wollte, wurde ich von Wachen entdeckt, die gerade nach unsichtbaren Feinden (und mir) Ausschau hielten. Ich habe meine Taktik in den Jahren, die ich hier eingesperrt bin, verbessert und konnte immer weiter vordringen, nur leider bemerkte das auch mein Dad. Also hat er – notgedrungen, wie er mir erklärte – Hightech-Alarmanlagen installieren lassen. Aber was mein Dad nicht wusste, war, dass ich diese problemlos umgehen konnte. Doch auch dies hatte ich ohne die Rechnung, meines Vaters gemacht und er war so „großzügig“, mir zu allem Überfluss Wachhunde an die Seite zu stellen, die mich ohne auch nur eine winzige Pause angebellt haben. Mein Vater meinte immer und immer wieder, dass die Außenwelt so wenig wie möglich über mich erfahren dürfe, da ich sonst in große Schwierigkeiten geraten würde. Wegen seines Verhaltens dachte ich, er würde langsam paranoid werden.
Mein Leben ist eine reinste Katastrophe und das fing alles heute vor genau acht Jahren an. An meinem achten Geburtstag starb meine Mom aus unbekannter Ursache. Ich habe es nie richtig verstanden, denn sie war kerngesund und zu jung, um zu sterben. Und heute kommt alles wieder hoch: die Trauer, die ich durchlebte, die Fragen, die ich beantworten musste, und ihre Beerdigung, mit der ich alles beenden sollte. Nach der Beerdigung kapselten wir uns irgendwo in Englands Nirgendwo mit dem Personal in einem großen Haus mit hohen Mauern ab. Ich habe mein Zuhause seitdem nicht von außen gesehen und ich weiß noch nicht einmal, wo genau wir hier leben. Von diesem Tag an lebte ich nach den strengen Regeln, die mein Vater aufstellte, ohne ...
„Welche Farbe möchtest du heute anziehen?“, fragte Elena und unterbrach damit meine Gedanken.
„Mir egal, such du eine aus.“
„Ach Enja, wie oft soll ich es denn noch sagen, an Geburtstagen wird gefeiert, denn das ist dein Tag, der Tag, an dem du im Mittelpunkt stehst und außerdem wird ...“, Elena brach mitten im Satz ab und sah von meinem Kleiderschrank zu mir auf und lächelte.
„Was?“, fragte ich.
Nach ein paar Sekunden des Schweigens war mir klar, dass Elena mir es nicht sagen würde, also stand ich auf, um selbst nachzugucken, was sie so aus dem Konzept gebracht hatte. Und da sah ich es: eine große Schatulle mit einem Bild und einer Karte, die auf dem Deckel befestigt waren. Ich nahm das Paket und setzte mich auf mein Bett. Auf dem Bild war eine wunderschöne Frau mit einem schön geschnittenen roten Kleid. Sie trug ihre blonden langen Haare offen, sodass man ihre sanften Locken gut sehen konnte. Das Gesicht war leicht verwischt, doch diese Frau sah meiner Mom sehr ähnlich. Es war meine Mom, nur sie konnte es sein – mit demselben Kleid wie in meinem Traum. Das Seltsamste war, dass ich das Kleid noch nie zuvor gesehen hatte: Wie konnte ich davon so detailliert geträumt haben?
All diese Fragen, die durch meinem Kopf schwirrten, bereiteten mir Kopfschmerzen und ich wollte mich ablenken, deshalb nahm ich mir als Nächstes die Karte vor:
Liebe Enja, dieses Kleid übergebe ich Dir heute, an Deinem 16. Geburtstag, weil ich es auch schon von meiner Mutter bekam.
Ich wünsche mir sehr, dass Du es heute den ganzen Tag trägst, und vor allem wünsche ich mir, dass Du an Deinem Geburtstagsball viel Spaß damit hast.
Ich liebe dich, meine Süße!
Deine Mom
Ich musste weinen. Meine Mom hätte mir die Schatulle übergeben sollen. Doch es war zu spät, ich werde sie nie wiedersehen, in den Arm schließen und ihr Ich liebe dich sagen können.
Elena sah, dass ich weinte und sagte: „Ich weiß, dass es schwer ist, einen geliebten Menschen zu verlieren, vor allem wenn man noch so jung ist wie du damals. Soll ich dir irgendwie helfen oder dir etwas bringen?“.
Ich zwang mir ein Lächeln auf und sagte, dass dies nicht nötig sei und ich in diesem Augenblick nur Ruhe brauche. Elena verstand das und ging kurz vor die Tür, obwohl sie ihre morgendlichen Aufgaben noch nicht erledigt hatte. Als ich endlich alleine war, öffnete ich das Paket und sah das Kleid – zum zweiten Mal. Es sah haargenau wie im Traum vergangener Nacht aus. Nachdem ich es angezogen hatte, betrachtete ich es detailliert im Spiegel. Die Ärmel gingen mir bis zu den Ellbogen und hingen leicht von der Schulter. Außerdem glitzerte alles schön. Der V-Ausschnitt war mit Spitze verziert. Um die Taille zog sich ein rotes Band, das hinten zu einer Schleife gebunden wurde. Der Stoff hing bis kurz über den Boden. Das Kleid passte mir so gut, man hätte denken können, es wäre maßgeschneidert oder auf mich angepasst worden.
Am meisten beeindruckten mich die Symbole, mit denen das Kleid vollständig bedeckt war. Das Symbol sah aus wie ein Diamant, um die Spitze zogen sich drei flammenartige Schweife nach oben. Obwohl ich mir sicher war, das Symbol noch nie zuvor gesehen zu haben, kam es mir bekannt vor. Doch ich erinnerte mich einfach nicht. Vielleicht war es nur Einbildung oder etwas Unterbewusstes, ansonsten hatte ich keine Erklärung dafür. Es sei denn, meine Mom...
Ein leises Klopfen sorgte dafür, dass sich meine Gedanken zerstreuten und ich mich wieder auf meine Haare konzentrierte, die ich so wie auf dem Bild offen tragen wollte. Anders als auf dem Bild benutzte ich noch eine rote Schleife, die ich in den Haaren verarbeitete.
„Herein“, sprach ich, während ich die Turnschuhe unter dem Kleid versteckte, denn eines ging gar nicht: High Heels! Als ich mich umdrehte und sah, wer hinter mir stand, erschrak ich: Hector, der königliche Berater meines Vaters, der, der sich stets an die Regeln hielt, der neben Elena der einzige Freund war, den ich hatte, und der eigentlich mein Zimmer nicht betreten durfte. Mein fassungsloses Gesicht zeigte nun auch Wirkung auf Hector, denn er trat einen Zentimeter zurück – als ob das etwas bringen würde, denn er starrte mich immer noch an. Schließlich wurde es mir zu unangenehm und ich versuchte, mich links an Hector vorbeizuschieben, doch er hielt mich am rechten Arm fest.
Daraufhin blaffte ich ihn wutentbrannt an: „Geht’s noch?! Ich glaube, du hast wohl was Falsches zu dir genommen. Wieso bist du überhaupt in meinem Zimmer? Das darfst du doch überhaupt nicht!“.
Doch Hector ignorierte meine Fragen und fragte nur: „Wie geht es dir heute? Hat sich irgendwas geändert?“.
„Mir geht es gut!“, antwortete ich spottend, „Aber du scheinst wohl zu heiß geduscht zu haben.“
Mir wurde auf einmal richtig heiß und ich merkte, wie Hector seinen Griff langsam lockerte, als ob er die Hitze, die in mir aufstieg, auch spüren würde. Ich drängelte mich an ihm vorbei und wollte ins Esszimmer gehen, als ich aus einem anderen der vielen – wirklich sehr vielen – Gänge plötzlich etwas hörte. Eigentlich hätte ich das Geräusch ignoriert, doch an diesem Tag fühlte sich die Situation irgendwie falsch an. Deshalb begann ich zu rennen, so schnell ich konnte, lief aber direkt in die Arme meines Vaters.
„Enja Mellow! Es gehört sich nicht für eine Prinzessin zu rennen, auch wenn man zu spät zum Frühstück erscheint, das nämlich ebenfalls ein Verstoß gegen die Regeln ...“. Eigentlich hätte ich schon längst etwas erwidert, doch mein Vater starrte mich so wortlos an, dass ich den Moment genießen wollte, denn meinen Vater sah man nicht alle Tage so.
„Larissa ...“, flüsterte er. Larissa – dabei krampfte sich mein Herz zusammen, denn meine Mom hieß Larissa Mellow.
Mein Dad räusperte sich und fuhr fort: „Du siehst aus wie deine Mutter.“
Ich musste das erst einmal schlucken, denn das wollte ich meinem Vater echt nicht antun. Ich wollte ihn nicht an all die Trauer erinnern, nicht heute, nicht an ihrem Todestag.
„Es tut mir leid“, murmelte ich also vor mich hin, „Ich wollte das nicht, ich werde mich umziehen gehen, Dad.“
Ich machte mich schon auf dem Weg, als mein Vater meinen Oberarm festhielt. Er drehte mich auf den Fersen herum und umarmte mich kräftig. „Alles Gute, meine kleine Prinzessin“, sagte er, während ich meinen Kopf in sein Hemd kuschelte, „Komm, lass uns essen und den Tag heute besprechen.“ Damit beendete er die Umarmung und wir setzten uns an den Tisch.
Mein Vater war von Natur aus ein sehr muskulöser Mann. Mit seinen schwarzen Haaren und breiten Schultern wirkte er attraktiv. Allerdings sagte er mir immer wieder, dass er keine andere Frau in sein Leben lassen wolle als meine Mom, womit ich auch kein Problem habe). Ich glaube aber auch, dass dies nur ein weiterer Grund dafür ist, dass wir nichts mit der Öffentlichkeit zu tun haben sollen.
Mit einen Räuspern unterbrach mein Vater meine Gedanken: „Also Enja, ich hoffe, dir gefällt das Kleid. Ich habe es gestern noch in deinem Schrank versteckt, damit du es ungestört öffnen kannst. Deine Mutter wollte es dir eigentlich übergeben, aber sie kann es nun mal nicht. Also habe ich gedacht, dass ich es dir so, … äh, übergeben kann und dass du dann …“
„Ist schon gut“, unterbrach ich das Gestottere meines Vaters, womit ich uns beiden wohl einen Gefallen tat, denn Mom war bei uns immer noch ein schwieriges Thema. „Ich bin sehr froh, dass du es mir so indirekt gegeben hast.“
Ich lächelte meinen Vater an und merkte, dass ihm etwas auf dem Herzen lag. Deshalb fragte ich nach: „Dad? Ist alles in Ordnung? Du weißt, dass du mir alles sagen kannst!“.
„Ja, Prinzessin. Ich versuche gerade nur, die passenden Worte zu finden.“
„Brauchst du nicht“, beruhigte ich ihn mit einem Lächeln, „Was das Sprechen angeht, sind wir beide unschlagbar.“ Diese Worte beruhigten ihn, er entspannte sich und zwinkerte mir zu.
„Du hast ja recht, Enja. Ich bin nur sehr nervös.“
„Nervös? Du bist nervös? Okay, wie schlimm ist es? Müssen wir uns umbringen oder irgendwo unter der Erde einquartieren? Oder ist der Nagel einer Putzfrau abgebrochen und sie musste ins Krankenhaus?“ – beim letzten Satz musste ich lachen. Aber auch mein Vater konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, denn das mit der Putzfrau ist hier tatsächlich schon passiert. Sie hat gekreischt wie eine Furie. Und später stellte sich heraus, dass sie meinen Vater vor Gericht gezogen hatte. Das tragische Ende der Sitzung war ungefähr so: Sie bekam fünf Pfund Schmerzensgeld und hat gekündigt. Wie gesagt, alles sehr tragisch …
„Nein. Es geht um heute. Dein Geburtstag.“
„Mein Geburtstag? Was soll damit sein. Will Justin Bieber etwa kommen, um mir eines seiner Lieder vorzuträllern? Wenn ja, dann sag sofort ab, okay?“ Jetzt war es mein Vater, der anfing zu lachen, und ich es, die ihn angrinste.
„In der Familie deiner Mutter ist es schon lange Tradition, dass jedes Mädchen an seinem 16. Geburtstag eine Art Party feiert. Es ist der Geburtstagsball.“
Das war also dieser Ball, von dem auf der Karte die Rede war.
„Deswegen hast du jetzt auch das Kleid, dass am 16. Geburtstag von jeder Frau getragen wurde, der zu Ehren der Ball gehalten wurde.“
Ich konnte nicht anders als mit offenen Mund dazusitzen. Ich wusste, dass es sich nicht gehört für eine Prinzessin, aber ich konnte einfach nicht anders. In unser Haus sollten tatsächlich fremde Menschen eingeladen werden? Das war der Wahnsinn! Doch bevor ich mich weiter darauf freuen würde, wollte ich Klarheit, also fragte ich nach, ob wirklich andere Menschen eingeladen seien.
„Ja“, antwortete mein Dad.
Ja, ... JA! Es sollen Leute kommen, die ich heute kennenlernen würde! Ich war so glücklich, dass ich gar nicht bemerkte, wie sich Sorge auf dem Gesicht meines Vaters ausbreitete.
„Möchtest du das? Den Ball und dieses ganze Bling-Bling? Ich meine, wir können uns auch einen schönen Abend zu zweit machen, so wie immer.“
„Nein! Ich will auf jeden Fall diesen Ball! Das wird der beste Tag meines Lebens!“, nun sprang ich auf und umarmte meinen Vater. Doch als ich wieder aufschaute, sah ich die Sorge in seinem Gesicht.
„Dad? Was bedrückt dich?“
„Mich bedrückt nichts. Ich habe einfach nur ... Angst. Angst um dich, Enja.“ Er wirkte so ernst, dass ich mich wieder zurück auf meinem Stuhl setzte und gespannt zuhörte, denn ich wollte nun endlich wissen, wovor er solche große Angst hatte, dass er mich nicht aus dem Haus und ein normales Leben führen ließ.
„Wovor?“, fragte ich also.
„Davor, dass du mir abhanden kommst, so wie ...“
„So wie was?“
„So wie deine Mutter.“
Meine Mom? Meine Mom Larissa Mellow? Wie meinte er das? Was kann mir schon großartig passieren? Diese Fragen kreisten in meinem Kopf und mein Vater konnte diese Grübelei deutlich in meinem Gesicht erkennen, sodass er fortfuhr: „Deine Mutter hat den falschen Menschen vertraut und deshalb musste sie …“
„… sterben“, murmelte ich den Satz zu Ende.
„Ja, so etwas in der Art. Ich habe Angst, dass du den falschen Menschen traust, denn die Welt da draußen ist sehr gefährlich und anders, als du denkst. Du kannst niemandem trauen.“ Mein Vater redete noch irgendetwas von der bösen, bösen Welt, doch ich konzentrierte mich auf etwas ganz anderes, und zwar auf den Traum von vergangener Nacht. Meine Mom sagte auch so etwas in der Richtung und so langsam vermutete ich, dass mein Vater mehr über den mysteriösen Tod meiner Mutter wusste, als er zugab.
„Enja, hörst du mir überhaupt zu?“, mein Dad unterbrach meine Gedanken gerade noch rechtzeitig, sonst hätte die Wut in mir überhandgenommen und ich hätte für nichts mehr garantieren können.
„Ja, die Welt ist gefährlich, ich soll niemandem trauen und du weißt mehr über den Tod von Mom als ich“, erwiderte ich schlagfertig.
„Enja, dieses Thema ist nicht für deine Ohren gedacht und es könnte dich in große Gefahr bringen! Wenn ich noch etwas in dieser Richtung hören sollte, dann gibt es Ärger, verstanden?“
„Ja, verstanden“, log ich, denn ich wollte keinen Stress. Nicht heute, nicht an meinem Geburtstag und nicht an dem Todestag meiner Mom. Das Gespräch verdarb mir den Appetit, ich schob den Teller zur Seite und wandte mich meinem Vater zu: „Ich möchte mich nun fertig machen, für den Tag heute. Es wäre lieb, wenn du alles für den Ball organisierst und auswählst, da ich mich liebend gerne überraschen lassen würde, Vater.“ Mein Dad nickte mir zu. Ich stand auf und ging in Richtung meines Zimmers.
Der Traum von meiner Mom ließ mich nicht mehr los. Normalerweise träumte ich selten. Und wenn ich mal träumte, dann hatte ich schon kurze Zeit später keine Erinnerung mehr daran. Dieser Traum war anders. Ja, das spürte ich, er hatte zu real gewirkt. Irgendetwas stimmte mit dem Traum nicht. Meine Mom hat mir Sachen erzählt, die ich vorher noch nicht wusste. Vor allem trug sie das Kleid, das ich jetzt trage und das ich noch nie zuvor gesehen habe.
„Worüber denkst du nach, Prinzessin?“, ich konnte gerade noch einen Schreckensschrei unterdrücken, als ich Hector vor mir sah.
„Himmel, Hector! Du hast mich erschreckt!“
„Oh. Das tut mir leid, das wollte ich nicht. Aber ich mache mir Sorgen um dich, Enja.“
„Sorgen? Um mich? Hector du kannst dir echt über alles Sorgen machen, aber ganz bestimmt nicht über mich. Mir geht es gut und heute wird der beste Tag in meinem Leben. Wenn ich Probleme hätte, hätte ich es dir schon längst gesagt.“
„Das beruhigt mich. Ich habe schon gedacht, du würdest mir aus dem Weg gehen.“ Nun ja, keine schlechte Idee, denn seit er mich so am fest am Arm gepackt hatte, habe ich ein bisschen Angst, obwohl ich Hector schon seit Jahren kenne und er mein einziger Freund ist.
„Nein, Hector, du bist doch mein Freund. Wieso sollte ich dir dann aus dem Weg gehen?“
„Keine Ahnung, das hatte ich einfach nur so im Gefühl und Larissa sagte immer, man solle auf seine Gefühle hören.“
„Ja, meine Mom hat es mir auch immer und immer wieder gut eingeprägt.“ Und in diesem Moment fühlte ich mich nicht ganz wohl, wenn es um Hector ging.
„Hat dir deine Mutter noch irgendwas mitgegeben? Irgendetwas Wichtiges?“
Hä?! Was geht Hector denn meine Mom an?, dachte ich im Stillen.
„Äh, nein, nicht dass ich wusste. Wieso interessierst du dich dafür im Moment?“ Hector zögerte, als ob er versuchte, die Antwort so umzustellen, dass ich sie nicht verstehen würde.
„Du hast ihr Kleid an. Und sie ist jetzt schon dein halbes Leben nicht mehr bei dir. Ich denke, meine Erinnerungen an sie kommen immer häufiger zum Vorschein.“
„Du vermisst also meine Mom?“ Wieso glaubte ich ihm nicht?
„Ja, sie war immer sehr nett und gütig zu mir. Sie sah immer nur das Gute in mir.“
„Ja, Hector, du bist ja auch nicht böse. Meine Mom hat dich so gesehen, wie du eben bist.“ Okay, Hector drehte langsam durch.
„Ja, Enja, das habe ich auch gedacht. Weißt du, du hast viel von deiner Mom.“ „Hector!“, rief eine Stimme zornig, „Was fällt dir ein, über Larissa zu reden. Du bist Personal und nicht Teil der Familie und wenn du das nicht verstehst, dann muss ich wohl deutlicher werden!“. Mein Vater musste während unserer Unterhaltung aufgetaucht sein, ohne dass ich es bemerkt hatte.
„Ja, Sir“, Hector verbeugte sich kurz und stellte sich wieder aufrecht hin. „Es war meine Schuld, ich hätte anders handeln müssen.“
„Nein, es ist doch alles in Ordnung“, mischte ich mich ein. „Wir haben uns doch nur unterhalten.“
„Enja, hast du eigentlich jemals bei deinem Unterricht zugehört? Man unterbricht niemanden, bei einen Gespräch, vor allem nicht, wenn es der König und dein Vater ist!“
„Also genau genommen bist du kein König mehr“, erwiderte ich höhnisch. „Schon vergessen, Vater? Du hast den Thron an deinen Bruder abgegeben. Nur weil du nichts mit der Außenwelt zu tun haben wolltest, aber du kannst es nicht vermeiden, Dad!“
„Jetzt wird’ hier aber nicht frech, junge Dame! Hector geh bitte und hilf Elena beim Abdecken des Frühstückstischs.“
Hector verabschiedete sich mit einem Nicken und ging. Als seine Schritte verhallten, fuhr mein Vater fort: „Ich habe es dir doch gerade erst gesagt. Du kannst niemandem trauen, verstanden? Deine Mom hat den falschen Personen vertraut! Ich möchte nicht, dass du mit anderen Menschen über sie sprichst! Haben wir uns verstanden, Enja?“.
„Ja, Dad.“
„Gut, und denk immer daran, ich will nur das Beste für dich. Nun geh in dein Zimmer und beschäftige dich mit irgendetwas. Wir sehen uns.“
Mein Vater drückte mir noch einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich mit einem Nicken verabschiedete und in mein Zimmer verschwand. Und diesmal ohne Ablenkungen.
Der Rest des Tages verlief wie immer. Eigentlich verabscheute ich Bälle, aber das war die einzige Möglichkeit, andere Menschen zu sehen, also musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Obwohl ich Geburtstag hatte, bestand mein Vater darauf, dass ich zu meinem Unterricht ging. Meine Lehrer waren auf das Thema Ball fokussiert und ich konnte mir denken, wer dahinter steckte: mein Dad. Mein Französischlehrer konzentrierte sich auf Gespräche mit anderen Menschen, während meine Gehorsamkeitstrainerin – ohne Witz, die habe ich wirklich – mit mir über Tischmanieren und Höflichkeitsformen sprach. In Sport wurde es dann echt auffällig. Um eines klarzustellen: Ich hasse Sport! Denn der sogenannte Sportunterricht lief nicht wie an normalen Schulen ab, stattdessen musste ich die ganze Zeit mit Büchern auf dem Kopf von einem Ort zum anderen tanzen. Und an diesem Tag sollte ich Tänze lernen, die für Geburtstags Bälle gedacht waren. Nachdem ich den Unterricht überstanden hatte, begann der interessante Teil des Tages. Mein Vater versprach mir seit dem Tod meiner Mom, dass wir kämpfen üben würden, wenn ich den Unterricht gut gemeistert hätte. Und heute hatte ich mich besonders angestrengt, auch weil ich Ablenkung vor dem Ball gebrauchen konnte.
„So, Dad, was üben wir heute? Schwert, Bogen, Kampfstab oder Axt?“, fragte ich meinen Vater, als er die Turnhalle betrat.
„Ich denke gar nichts.“
„Bitte?“
„Du hast mich schon verstanden, Enja. Heute wird nicht trainiert. Du hast eh keine Chance gegen mich.“
„Aber wieso? Ich habe heute besonders gut im Unterricht aufgepasst und außerdem habe ich mich schon den ganzen Tag darauf gefreut.“
„Dann muss ich dich wohl enttäuschen.“
Mit diesem Satz wandte sich mein Vater in Richtung Tür. Doch ich konnte diese Entscheidung nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Ich wollte unbedingt kämpfen, auch wenn ich verlieren würde wie sonst auch. Also zog ich mein Schwert aus der Lederscheide, die um meine Hüfte hing. Mit dem Schwert stellte ich mich hinter meinem Vater, doch er bemerkte die Bewegung. Er drehte sich zu mir um, trat mir das Schwert aus der Hand und fing es danach auf.
„Du hast immer noch keine Chance, Enja.“
Ich schnaubte: „Das glaubst auch nur du.“
Ich machte einen Flickflack, zog ein Schwert aus einer der anderen Lederscheiden und richtete es neben meinem Vater auf. Seine Augen wurden größer vor Staunen und auf seinem Mund zeigte sich ein winziges Lächeln. Diesen Moment der Ablenkung nutzte ich aus, um den ersten Angriff zu starten. Mein Vater war einmal Fechtmeister gewesen, sagte er immer, also wusste er in einer solchen Situation genau, was er tun sollte. Er parierte einen nach dem anderen Angriff, bis er es schaffte, einen Angriff gegen mich zu starten. Das nutzte ich aus, indem ich mit dem Schwert einen Hieb auf der rechten Seite antäuschte. Er konnte die Klinge wieder sicher von sich lösen, sodass wir nun da standen und uns anguckten. Nach ein paar Sekunden, in denen wir Luft holten, sagten wir beide schließlich: „Tod!“. Mein Vater hatte mir sein Schwert gegen das Kinn gedrückt, doch ich schaute ihn nur siegessicher an.
„Schau mal nach unten, Dad. Ich war schneller.“
Mein Vater senkte langsam den Kopf und entdeckte es. Während er versuchte, mein Schwert von sich zu lösen, nahm ich meinen Dolch und legte ihn an seiner linken Flanke an, um zu signalisieren, dass er verloren hatte. Wir nahmen beide unsere Waffen zurück und lächelten uns an, bis mein Vater schließlich sagte: „Das, meine Große, hast du von mir!“.
„Ja, ist klar. Wusstest du eigentlich, dass sich Kinder auch selbst Sachen aneignen. Und das nicht alles verderbt ist.“
Ich verdrehte die Augen und mein Vater schüttelte den Kopf: „Es ist schon spät, Enja. Du solltest dein Ballkleid wieder anziehen, um sechs kommen die Gäste.“
„Ja, verstehe“, ich lächelte ihn noch einmal an, bevor ich wieder in mein Zimmer verschwand, um mich für den großen Ball fertig zu machen.
Nachdem ich mein Kleid angezogen hatte, wobei ich sorgfältig darauf geachtet hatte, dass niemand den Dolch und meine Turnschuhe unter dem Kleid würde sehen können, übte ich noch einmal die Tanzschritte, die mir von meiner Sportlehrerin ausführlich beigebracht worden waren. Ich mochte es nicht zu tanzen und dass mir zu Ehren ein Ball stattfinden wird, finde ich auch lächerlich. Aber das ist nun mal meine einzige Chance Bekanntschaften zu schließen.
Als ich die letzten Schritte durchging, klopfte es an der Tür. Mit einem Zögern öffnete ich.
„Du siehst wunderschön aus, Prinzessin“, sagte mein Vater.
„Danke, Dad. Ich hoffe, dass ich in diesem Kleid nicht zu dick wirke.“
„Himmel Enja, du wirkst in diesem Kleid doch nicht zu dick, eher gertenschlank!“
„Wie bitte? Sehe ich krank aus oder magersüchtig? Nicht dass hinterher alle denken, dass ich ein Problem hätte und dann zu schnell urteil…“
„Nein, Enja! Egal was passiert: Du wirst die Schönste auf dem ganzen Ball sein.“
Mein Vater schenkte mir noch ein letztes Lächeln, bevor er wieder ernst wurde, „So, der eigentliche Grund, weshalb ich hier bin, hat nichts mit deinem Aussehen zu tun, sondern mit deinem Geburtstag.“
„Wieso schon wieder mit meinem Geburtstag?“, unterbrach ich ihn.
„Ja, Enja. Wenn du mich aussprechen lassen würdest, wüsstest du es jetzt schon!“
„’Tschuldige“, murmelte ich geknickt, denn ich hatte Regel Nummer 1 vergessen: Niemals jemanden unterbrechen, vor allem nicht die Eltern – ich ging davon aus, dass das mit den Eltern nur hinzugedichtet worden war.
„Also, ich möchte dir heute an deinem 16. Geburtstag etwas schenken. Ich und deine Mom.“
„Aber, Dad, ich wollte doch nichts zu meinen Geburtstag.“
„Tja, jetzt ist es schon zu spät, denn die Gäste sind schon da.“
„Du schenkst mir den Ball? Ehrlich? Du weißt, dass ich Bälle hasse.“
„Ja, meine Süße, das weiß ich, deshalb habe ich mich ja auch so gewundert, dass du einen Geburtstagsball haben wolltest.“
„Wegen der Tradition, in Moms Familie“, unterbrach ich ihn erneut.
„Enja …“
„Jaja, ich weiß schon … Regel Nummer 1: niemanden unterbrechen“, unterbrach ich meinen Vater schon wieder. Also irgendwann werde ich das auch noch mal lernen. Also murmelte ich erneut eine Entschuldigung vor mich hin.
„Nun gut. Ich möchte dir das hier schenken.“
Mein Vater öffnete das Tuch, das er schon die ganze Zeit in der Hand trug. Ich war so erstaunt über das, was ich sah, dass ich nicht bemerkte, wie ich es anstarrte: ein Schwert! Nein, nicht irgendein Schwert, sondern das Schwert! Das Schwert, das mein Vater schon über Jahre mit sich trug und mit dem er alle Angriffe auf unsere Familie abgewehrt hatte.
„Bist du dir sicher, dass ich es annehmen soll?“, fragte ich, immer noch mit einem Starren. „Du hast es schon so lange und du verbindest damit so viele Erinnerungen, die ich dir nicht wegnehmen will, und wenn …“
„Enja, ich bin mir sicher. Denn ich habe es damals von meinem Vater bekommen, an meinem 18. Geburtstag. Und er hatte es auch schon von seinem Vater erhalten.“
Jetzt musste ich lächeln.
„Was ist?“, fragte mein Vater sichtlich verwirrt.
„Regel Nummer 1: Man unterbricht niemanden.“ Jetzt wurde aus dem Grinsen ein Kichern.
„Regel Nummer 2: Niemanden auslachen“, erwiderte mein Vater ernst.
Ja, diese Regel vergeigte ich auch sehr oft, denn ich bin eben von Natur aus ein glücklicher Mensch. Ich wollte diesen Moment nicht zerstören und brachte eine gemurmelte Entschuldigung heraus, als ich das Kichern unter Kontrolle bekam.
„Ich danke dir, Dad.“
Ich nahm das Schwert aus dem Tuch und begutachtete es. Normalerweise hätte ich es noch nicht mal angucken dürfen und jetzt … Er hatte es mir tatsächlich geschenkt. Mir! Seiner Tochter, die in diesem ganzen Prinzessinnen-Zeug total versagte. In diesem Moment war ich so stolz, dass ich mir wünschte, Mom wäre dort gewesen. Und das konnte ich in meinem sehnsüchtigen Blick nicht verbergen, mein Vater bemerkte es. Doch er sagte nichts, stattdessen wühlte er in seiner rechten Jackettasche und zog ein rotes Päckchen mit schwarzer Schleife heraus. An der Seite hing ein kleiner Zettel.
„Hier, Enja. Das ist von deiner Mutter.“