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Als Sienna nach Willow Creek kommt, will sie eigentlich nur eines: ihren Halbbruder Luke kennenlernen – den Mann, von dem sie ihr Leben lang nichts wusste. Doch ihre Ankunft auf der kleinen Ranch im Herzen von Colorado wird nicht zur herzerwärmenden Familienzusammenführung, sondern zum Drahtseilakt zwischen Vorurteilen, verletzten Gefühlen und unausgesprochenen Wahrheiten. Nur einer scheint hinter ihre Fassade zu blicken: Ethan, Tierarzt und alter Schulfreund von Luke, bringt mit seiner charmanten Art Siennas Welt gehörig durcheinander. Doch Vertrauen fällt ihr schwer – zu tief sitzen die Narben ihrer Vergangenheit. Als ein traumatisiertes Pferd ihr Herz berührt, beginnt Sienna langsam, auch sich selbst zu heilen. Doch dann holt sie ihre Vergangenheit ein – und droht, alles zu zerstören, was sie sich gerade erst aufgebaut hat … ___ Jeder Band der Willow Creek Ranch-Reihe ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Herzklopfen und Stallgeflüster
Von Sue Calez
Über die Autorin:
Sue Calez ist studierte Literaturwissenschaftlerin und lebt mit ihrer Familie, zwei Pferden und einer bunten Schar weiterer Tiere inmitten einer idyllischen ländlichen Umgebung. Inspiriert von ihrer Leidenschaft für Geschichten, die das Herz berühren, und ihrem Faible für authentische Charaktere, schreibt sie vor allem romantische Geschichten, die den Zauber der kleinen Momente einfangen.
Weitere Bücher der Autorin:
Zimtduft und Hufgetrappel (Willow Creek Ranch 1)
Jeder Band der Willow Creek Ranch-Reihe ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
Herzklopfen und Stallgeflüster
Willow Creek Ranch 2
Von Sue Calez
Prolog
„Zoey, du hast schon wieder den Kühlschrank offengelassen.“ Ich werfe meiner Mitbewohnerin einen scharfen Blick zu. Die junge Frau mit den bunt gefärbten Haaren ist mir zwar eine gute Freundin, aber als WG-Partnerin eine einzige Katastrophe. Doch allein könnte ich mir die Miete in Denver unmöglich leisten. Zumal ich meinen Job in einem Café vor einigen Wochen verloren habe und derzeit auf staatliche Unterstützung angewiesen bin.
„Mir egal“, murrt Zoey und kaut geräuschvoll auf etwas herum, das mich in Konsistenz und Farbe an eine Schuhsohle erinnert. Ich rümpfe die Nase, erspare mir jedoch eine Diskussion. Dass solche Gespräche ins Leere laufen, habe ich bereits nach wenigen Wochen unseres Zusammenlebens begriffen.
„Im Gemeindezentrum gibt es heute wieder Lebensmittel. Kommst du mit?“, frage ich hoffnungsvoll. Wenn wir zu zweit gehen, haben wir die Chance auf doppelte Portionen – Obst, Gemüse, Grundnahrungsmittel.
„Kein Bock“, flötet Zoey. Ich presse die Lippen zusammen, während in mir Wut aufsteigt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie den Ernst unserer – ihrer – Lage nicht begreift. Wir sind beide arbeitslos. Wir haben beide nichts Handfestes gelernt. Während ich jedoch jeden Tag nach einem neuen Job suche, hat es sich Zoey in ihrer Tatenlosigkeit bequem gemacht. Etwas, das unsere Freundschaft zunehmend belastet.
„Dann lass es bleiben“, grummle ich und schnappe mir das Einkaufsnetz, das am Haken neben der Tür hängt.
Den Weg zum Gemeindezentrum lege ich nachdenklich zurück. Ich bin niemand, der schnell aufgibt. Nicht so wie Zoey. Doch im Moment steht auch mir das Wasser bis zum Hals. Und ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
In Momenten wie diesen fühle ich mich schrecklich allein. Bis auf Zoey habe ich niemanden auf dieser Welt. Zu meiner ehemaligen Pflegefamilie gibt es keinen Kontakt mehr, und meinen alten Freundeskreis habe ich hinter mir gelassen, um aus dem Sumpf, in dem sie feststecken, zu entkommen. Doch trotz all meiner Mühen, trotz all der harten Arbeit sehe ich keinen Hoffnungsschimmer am Horizont.
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, als ich das Gemeindezentrum betrete.
„Sienna!“
Die vertraute Stimme lässt mich aufblicken. Eine Stimme, die ich als Teenager oft verflucht habe. Helen, meine Sozialarbeiterin, kommt mit einem warmen Lächeln auf mich zu. Sie ist eine freundliche Mittvierzigerin mit dunkelblonden Locken und runder Brille – und die einzige Person, die mich nie aufgegeben hat.
„Gut, dass du da bist. Ich wollte dich sowieso mal anrufen“, sagt sie.
„Ach ja?“ Skeptisch hebe ich eine Augenbraue und lege das Einkaufsnetz auf den kleinen Tresen, damit eine der freiwilligen Helferinnen mir ein paar Nahrungsmittel hineinpacken kann.
„Komm doch nachher noch kurz in mein Büro“, bittet Helen mit einem geheimnisvollen Funkeln in den Augen.
Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich. Helen führt etwas im Schilde.
Doch ich vertraue ihr.
Sie war es, die mir beistand, als ich aus meiner Pflegefamilie floh und die Behörden anflehte, mich in ein betreutes Wohnen für Teenager zu bringen. Sie war es, die mit ansah, wie ich in die falschen Kreise geriet – und die mich trotzdem nicht fallen ließ. Und sie war es, die mir immer wieder geholfen hat, wenn ich nicht mehr weiterwusste, obwohl ich längst offiziell alt genug bin, um für mich selbst zu sorgen. Seit meiner Jugend ist sie meine Stütze.
Die Helferin packt mir noch eine Packung Nudeln in die Tüte und reicht sie mir mit diesem mitleidigen Lächeln, das mich jedes Mal wie ein Schlag trifft. Das mir das Gefühl gibt, weniger wert zu sein. Ich hasse dieses Lächeln.
Dann gehe ich in den Bereich des Gemeindezentrums, in dem die Streetworker und Sozialarbeiter untergebracht sind. Ich klopfe an Helens Tür, die sich sofort öffnet.
„Komm rein“, ruft sie aus dem Inneren.
Ich trete ein, schließe die Tür und lasse mich auf einen der bequemen Sessel sinken. Hier habe ich so manche Standpauke über mich ergehen lassen müssen von einer damals noch jungen, vollkommen unerfahrenen Sozialarbeiterin, die alles richtig machen wollte. Und ich habe es ihr manchmal so unfassbar schwer gemacht.
Helen erhebt sich von ihrem Schreibtisch und setzt sich mir gegenüber. In ihren Händen hält sie ein Kuvert.
Ich hebe neugierig und skeptisch zugleich eine Augenbraue.
„Erinnerst du dich an die Nachlassunterlagen deiner Mutter?“, fragt sie.
Ich nicke, auch wenn ich keine Ahnung habe, worauf sie hinauswill. Ich habe meine Mutter nie kennengelernt. Sie hat mich bereits als Baby weggegeben.
„Wir hatten damals Akteneinsicht beantragt, und nun habe ich die Kopien der Dokumente erhalten.“ Sie wedelt mit dem Kuvert. „Und ich habe dabei etwas Interessantes entdeckt. Eine Randnotiz nur, aber vielleicht …“
„Was ist es, Helen?“ Meine Stimme ist angespannt.
„Dein Vater hat damals nichts anbrennen lassen“, sagt sie und zieht ein Blatt aus dem Umschlag.
„Und was soll das heißen?“
„Nun, du hast einen Bruder, Sienna. Einen Halbbruder.“
Ich spüre, wie mir das Blut in den Adern gefriert.
„Ich habe einen …“ Mein Atem stockt.
Ich reiße ihr das Blatt aus der Hand, überfliege es immer wieder, bis die Worte vor meinen Augen verschwimmen.
„Luke Callahan“, flüstere ich und streiche mit den Fingerspitzen über den Namen.
Hoffnung flammt auf, doch sie verwandelt sich nahezu sofort in Angst. Er wird nichts mit mir zu tun haben wollen. Mit einer wie mir.
„Ich habe seine Adresse, Sienna.“ Helen legt ihre warme Hand auf meine. „Und ich habe sie überprüft.“ Sie reicht mir einen kleinen Notizzettel.
Mir wird schwindelig. Mein Puls rast.
„Du musst nichts überstürzen“, sagt Helen beruhigend. „Aber ich weiß, wie sehr du dir immer eine Familie gewünscht hast. Und ich habe diesen Luke auf Instagram gefunden. Er sieht sehr nett aus.“ Sie zwinkert mir zu.
Ich nicke, unfähig zu sprechen.
Dann verlasse ich das Gemeindezentrum. Das Einkaufsnetz baumelt an meinem Arm. Ziellos laufe ich durch den Park und versuche, meine Gedanken zu ordnen.
Kapitel 1
Die Landschaft zieht an den großzügigen Panoramafenstern des Reisebusses vorbei, während ich staunend meinen Mund öffne und schließe. Das dichte Straßennetz Denvers liegt längst hinter uns, und mit jeder Meile, die wir zurücklegen, nimmt die Natur mehr Raum ein. Der Highway schlängelt sich durch weite, grasige Ebenen, in der Ferne ragen die majestätischen Rocky Mountains auf. Die Besiedlung wird zunehmend spärlicher – nur noch vereinzelt tauchen eine Hütte, ein Bistro oder ein Schnellimbiss auf.
Nicht viel also, das mich von den Gedanken ablenken könnte, die mir unaufhörlich durch den Kopf kreisen.
Ich habe einen Bruder.
Einen richtigen Bruder. Einen, mit dem ich blutsverwandt bin. Dessen Vater auch mein Vater ist. Für andere ist das vermutlich selbstverständlich, aber für mich – nach einem Leben in einer riesigen Pflegefamilie, mit immer wechselnden Geschwistern – fühlt es sich wie ein kleines Wunder an.
Unwillkürlich frage ich mich, wie er wohl sein wird. Ob er nett ist. Ob er mich akzeptieren wird. Ob er überhaupt Interesse daran hat, Kontakt aufzubauen. Oder ist er womöglich ein Arschloch? So wie unser Vater, der sein Leben im Knast zubringt?
Mein Blick wandert von der vorbeiziehenden Wildnis zu dem kleinen Stück Papier in meiner Hand, auf dem Lukes Adresse steht. Ich habe sie überprüft. Luke lebt auf einer waschechten Ranch – mit Reit- und Zuchtbetrieb sowie neuerdings auch Ferienangeboten. Das Anwesen ist riesig.
Lebt er allein dort? Oder habe ich womöglich eine Schwägerin? Neffen oder Nichten?
Ich seufze. Die Fahrt dauert nur noch wenige Minuten.
Bald werde ich ihm gegenüberstehen. Werde entweder den Bruder finden, den ich mir immer so sehr gewünscht habe – oder mein Herz wird gebrochen, und ich kann postwendend in mein erdrückendes Leben nach Denver zurückkehren.
Als der Bus eine Ausfahrt nimmt und über eine schmale Landstraße zuckelt, reiße ich mich aus meinen Gedanken. Ein großes Schild kündigt die nächste Stadt an: Green Rocks. Meine Haltestelle.
Mein Atem geht schneller, mein Herz hämmert mit jeder zurückgelegten Meile heftiger.
Ich drücke meine Nase wie ein Kind an die Scheibe, sehe die Haltestelle näherkommen – und daneben einen Pick-up auf einem kleinen Parkplatz.
Ein junger Mann lehnt lässig dagegen.
Sein aschfarbenes Haar fällt ihm in die Stirn, sein Oberkörper ist von einem gut sitzenden Hemd und einer wetterfesten Weste umrahmt. Arbeitskleidung. Seine Statur ist kräftig, aber nicht einschüchternd. Er schaut auf die Uhr, hebt dann den Blick in Richtung des Busses.
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
Ist das Luke?
Der Bus hält. Ich versuche aufzustehen – und verfange mich prompt mit meiner Sweatjacke in der Armlehne. Beinahe falle ich in den Gang, kann mich nur mit Mühe fangen.
Der Busfahrer schüttelt leicht den Kopf, hilft mir auf die Beine und reicht mir draußen meinen bis zum Bersten vollgestopften Wanderrucksack aus der Gepäckaufbewahrung.
„Danke, Sir“, murmle ich, doch er nickt nur knapp und steigt wieder in den Bus. Wenige Augenblicke später setzt sich das Fahrzeug in Bewegung und verschwindet hinter der nächsten Kurve.
Ich stehe da und starre ihn an.
Luke.
Mein Bruder.
Es fühlt sich so unfassbar unwirklich an. Er ist hier. Er holt mich ab.
„Sie müssen Sienna sein“, höre ich seine Stimme zum ersten Mal. Sie ist tiefer, als ich erwartet habe. Die Unterkunft im neu eröffneten Gästehaus und den Abholservice habe ich per Mail gebucht – natürlich ohne zu erwähnen, wer ich wirklich bin.
„Ja, hi, also, ähm … ja, hi“, stammle ich, während er sich vom Truck abstößt und auf mich zugeht.
„Kommen Sie, geben Sie mir Ihre Tasche. Die sieht schwer aus“, sagt er mit einem kurzen Nicken. Seine Stimme ist warm, seine Haltung entspannt. Er ist größer, als ich erwartet habe. Doch er sieht genauso aus wie auf den Bildern seines Instagram-Accounts.
„Ich bin deine Schwester“, flüstere ich kaum hörbar, während Luke mir bereits den Rücken zuwendet und meinen Rucksack auf die Ladefläche hebt. Es platzt einfach so aus mir heraus. Ich hatte mir zurechtgelegt, ihn nicht damit zu überfallen. Ihn erst einmal kennenzulernen. Doch die Worte brannten auf meiner Zunge. Sie wollten nach draußen.
Er hält inne.
Dreht sich langsam um.
Seine Augenbraue hebt sich skeptisch. „Wie bitte?“
Ich nehme all meinen Mut zusammen. „Ich bin deine Schwester. Harvey Callahan ist auch mein Vater.“
Stille.
Lukes Gesicht verhärtet sich. Der warme Ausdruck in seinen Augen weicht einer kalten Maske. Ein quälender Moment vergeht, in dem wir uns einfach nur ansehen. Dann schüttelt er den Kopf und wendet sich ab.
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
„Luke?“, hauche ich leise. „Luke, bitte.“ Ich setze einen Schritt auf ihn zu, spüre, wie meine Knie weich werden. „Es tut mir leid, ich hätte damit nicht einfach so herausplatzen dürfen. Aber ich wollte es dir auch nicht einfach am Telefon sagen. Oder gar per Mail. Ich war einfach so neugierig und so aufgeregt und so …“
„Stopp“, fährt er mir mit schneidender Stimme dazwischen. Er dreht sich wieder zu mir und ist in wenigen Schritten direkt vor mir. „Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst?“
Ich hole tief Luft, kralle meine Finger in den Stoff meines Rucksacks und ziehe daran. „Ich kann es dir beweisen.“
Ohne ein Wort lässt Luke los.
Ich nehme den Rucksack an mich, wühle mit zitternden Fingern darin und ziehe schließlich die Mappe mit all den Unterlagen hervor. Ich reiche sie ihm.
„Hier.“ Ich deute auf eine Klarsichtfolie. „Das ist ein Brief unseres Vaters an meine Mutter. Er schreibt, dass er seine Frau nicht für sie und das Baby verlassen wird. Dass er einen kleinen Sohn hat – dich.“
Luke hebt eine Hand, will mich daran hindern, weiterzusprechen.
„Es reicht.“
Ich schlucke schwer, deute aber noch einmal auf die Mappe.
„Da ist auch ein Kinderbild von dir dabei. Unser Vater hat es ihr geschickt. Warum auch immer. Vielleicht wollte er ihr Mitleid oder ihr Verständnis.“
Luke starrt mich an, als würde er überlegen, ob er einfach weglaufen soll. Dann nimmt er die Mappe entgegen. Blättert durch. Überfliegt die Dokumente. Schweigt.
Als er den Blick endlich wieder hebt, wirkt er verwirrt. Aber nicht mehr so feindselig.
„Und was jetzt?“ Seine Stimme klingt unsicher. „Soll ich dich jetzt einfach als meine Schwester akzeptieren?“
Ich weiß für einen Moment nicht, was ich sagen soll.
Dann nicke ich.
„Ich weiß, dass das viel verlangt ist. Dass es unfair ist, dich so zu überfallen. Aber … ich wollte dich kennenlernen.“ Meine Stimme bricht. „Ich habe mir immer eine Familie gewünscht.“
Luke sieht mich lange an.
Dann atmet er tief durch, fährt sich mit der Hand durchs Haar.
„Komm mit“, sagt er schließlich. „Wir fahren erstmal zur Ranch.“ Meine Beine zittern, als ich ihm zum Truck folge. Und mit jeder Meile, die wir schweigend auf der holprigen Straße zurücklegen, frage ich mich: Habe ich einen Fehler gemacht? Oder ist das hier der Anfang von etwas Neuem?
Kapitel 2
„Das kann ich mir nicht leisten, Luke.“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, als mein Halbbruder mich in die Suite des Gästehauses führt und meine Tasche abstellt. Ich blicke mich um, unfähig zu verbergen, wie beeindruckt ich von dem großzügigen Raum bin. „Ich habe euer kleinstes Zimmer gebucht. Das hier“, ich drehe mich mit ausgestreckten Armen um die eigene Achse, „ist viel zu teuer für mich.“
„Schon gut“, brummt Luke. „Falls du wirklich meine Schwester bist…“
„Ich bin deine Schwester“, zische ich verletzt, beiße mir jedoch sofort auf die Zunge. Ich bin schließlich nicht in der Position, Lukes Vertrauen einzufordern. Vermutlich wäre ich an seiner Stelle genauso misstrauisch – wenn nicht sogar feindselig.
„Wie dem auch sei – du bist mein Gast.“ Er seufzt leise, fast tonlos, und für einen kurzen Moment wirkt er verloren. Ein befremdlicher Drang steigt in mir auf – ihn in meine Arme zu nehmen, meinen großen Bruder. Der Gedanke lässt erneut dieses seltsam neue Gefühl der Hoffnung in mir aufflammen, doch Lukes distanzierte Fassade erstickt es sofort wieder.
„Magst du vielleicht … ich meine … ich würde mich freuen, wenn du mit meiner Freundin Claire und mir zu Abend isst.“ Ich sehe, wie er den Kiefer anspannt, als er die Einladung ausspricht. Vermutlich lädt er mich nur aus Höflichkeit ein.
Mein verletzter Stolz flüstert mir zu, dass ich ablehnen sollte. Meine Koffer packen. Wieder verschwinden. Doch ich habe Luke in eine schwierige Situation gebracht – das darf ich nicht vergessen. Also nicke ich vorsichtig.
„Gern.“
„Dann … also … bis nachher. Gegen sechs. Wo du mich findest, habe ich dir ja gezeigt.“
Ich nicke, erinnere mich an die kleine Führung, die Luke mir nach unserer Ankunft gegeben hat. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, atme ich das erste Mal seit Stunden tief durch.
Die Suite ist wunderschön.
Sündhaft schön. Luxuriös. Ein Ort, der zum Bleiben einlädt.
Das gesamte Gästehaus vereint Ranch-Charme mit modernem Komfort – eine Mischung, die sich auch in diesem Raum widerspiegelt. Die Wände sind in warmen Braun- und Beigetönen gehalten, an einigen Stellen hat man bewusst das alte Fachwerk freigelegt. Drohnenaufnahmen der Ranch schmücken die Wände. Der Wohn- und Schlafbereich besteht aus einem wolkenweichen Bett, einer gemütlichen Sitzecke und massiven Holzschränken.
Als ich ins Badezimmer trete, bleibe ich sprachlos stehen.
Eine Regendusche.
Und eine frei stehende Badewanne.