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Ein humorvoller Selbstversuch mit magischem Notizbuch Du willst ein Buch schreiben, aber das leere Blatt starrt Dich an wie ein Endgegner? Willkommen im Club! In dieser unterhaltsamen Geschichte begibt sich ein Ex-Marketing-Manager auf die Suche nach seinem schriftstellerischen Talent – ausgestattet mit nichts als Zweifeln, einer Überdosis Kaffee und einem ziemlich mysteriösen Notizbuch, das offenbar ein Eigenleben führt. Zwischen Schreibblockaden, Selbstzweifeln und überraschenden Lektionen nimmt Dich dieses Buch mit auf eine Reise voller Humor, kreativer Tipps und inspirierender Denkzettel. Ob Du selbst schreibst oder nur neugierig bist, was in einem angehenden Autorenkopf so vor sich geht – hier erfährst Du, wie chaotisch, witzig und magisch der Weg zum ersten Roman wirklich sein kann. Perfekt für alle, die vom Schreiben träumen – oder wissen wollen, was dabei alles schiefgehen kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2025
Sven Heinrich
Hilfe! Ich werde
Schriftsteller!
© 2025 Sven Heinrich
Website: https://kreative-schreibwelt.de
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Sven Heinrich, Lange Grund 8, 37619 Bodenwerder, Germany.Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Für Tonia
»In Liebe und Dankbarkeit«
EINS Es gibt Bücher, die dich finden.
ZWEI Der erste Schritt ist, den ersten Satz zu schreiben!
DREI Inspirationen sind überall.
VIER Also … was bist du?
FÜNF Für wen schreibst du eigentlich?
SECHS Der Anfang zählt!
SIEBEN Charaktere sind wie Bäume.
ACHT Ein Dialog ist keine Unterhaltung.
NEUN Wichtig ist, was nicht gesagt wird.
ZEHN Der Mittelteil ist keine Brücke.
ELF Die Welt um dich herum.
ZWÖLF Chaos klingt wie eine ziemlich unordentliche Strategie.
DREIZEHN … null kreativ.
VIERZEHN Der perfekte Abschied.
FÜNFZEHN Vom Kieselstein zum Diamanten.
SECHZEHN Lass deine Geschichte frei.
SIEBZEHN Danke schön.
Wer kannte es nicht? Diese Tage, an denen man komplett planlos war. An denen man umherirrte, bis plötzlich etwas passierte, das einen wieder in die richtige Bahn lenkte.
Nun, bei mir war es wahrscheinlich dieser Donnerstag im Oktober. So ein richtig ekliger Nachmittag, an dem selbst die Wolken keinen Bock hatten, irgendwas anderes zu tun, als bleigrau vor sich hinzuhängen.
Eigentlich war es der perfekte Tag, um sich mit einer dicken Decke und einer Überdosis kitschiger Filme auf der Couch zu vergraben.
Aber nein, nicht mit mir!
Ich trottete planlos durch die Straßen meiner Heimatstadt und ähnelte dabei sicherlich einem Statisten, der in einem dieser melancholischen Indie-Filme mitspielte. Wann würde ich es endlich schaffen, diese nagende Leere in mir loszuwerden?
Ich wusste es nicht.
Es nieselte so fein, dass ich noch nicht einmal sicher war, ob es regnete oder ob die Luft einfach nur beschlossen hatte, extra fies zu sein. Die Kälte kroch wie ein mies gelaunter Mitbewohner unter meine Jacke.
Mit jedem Schritt kehrten die Gedanken zu einem bestimmten Tag zurück. Diesem einen Tag, der sich wie eine Szene in Zeitlupe abspielte und mein Leben umgekrempelt hatte. Der Tag, an dem ich beschlossen hatte, dass das Leben mehr zu bieten hatte als endlose To-Do-Listen und das Scrollen durch soziale Medien. Der Tag, an dem ich meinen Job hingeschmissen hatte.
Die Nachricht von meiner Kündigung hatte wie eine Bombe eingeschlagen. Meine Kollegen hatten reagiert, als hätte ich verkündet, dass ich ab sofort als professioneller Unterwasser-Basketballer arbeiten würde. Dabei wollte ich doch »nur« Schriftsteller werden.
Später am Tag hatte meine Mutter dann noch diese eine bestimmte Pause gemacht – diese »Mein Kind hat den Verstand verloren«-Pause – bevor sie mit ihrer sanftesten Stimme, die sie anscheinend aufbringen konnte, gefragt hatte: »Hast du das auch gut durchdacht, Schatz?«
Nein! Hatte ich nicht. Es war eine Entscheidung aus dem Bauch raus. Spontan und unüberlegt. Aber manchmal waren die besten Entscheidungen im Leben die, die man nicht zu Tode dachte. Allerdings war es auch ein Sprung ins kalte Wasser – ohne zu wissen, ob man schwimmen konnte.
Jetzt, Monate später, schlurfte ich durch die verregneten Straßen und fragte mich zum zigsten Mal, ob ich wirklich so sprungbereit gewesen war … oder einfach nur ein Idiot, der sich selbst überschätzt hatte.
Aber eins wusste ich mittlerweile: Schreiben war der mieseste »Jetzt oder nie«-Plan der Welt, besonders wenn man keinen blassen Schimmer hatte, was man da eigentlich tat.
Andererseits träumte ich von diesem einen Moment, in dem ich als erfolgreicher Schriftsteller in meinem Sessel sitzen würde – so einem prachtvollen Ohrensessel – und meinen Enkeln erzählen könnte: »An diesem Tag hat euer Opa sein Leben neu gestartet.« Und meine Enkel würden mich mit großen Augen ansehen, als ob ihr Opa die Welt gerettet hätte.
Ein Traum, der fast zu schön war, um wahr zu sein. Einfach alles hinzuschmeißen, hinter sich zu lassen und der Leidenschaft zu folgen. Unzählige Ratgeber hatte ich darüber gelesen. Aber die bittere Wahrheit? Es war definitiv schwerer, als es einem immer gesagt wurde. Außerdem fehlten mir für diesen einen Traum weitere essenzielle Dinge: Eine Frau, Kinder und … ein erfolgreicher Roman.
Aber seit meinem großen »Ich schmeiße alles hin«-Moment hatte ich kaum etwas auf die Reihe bekommen. Jeden Morgen starrte ich meinen Laptop an, als wäre er eine besonders knifflige Matheaufgabe, und die weiße Seite auf dem Bildschirm war dabei so hartnäckig wie die 113. Primzahl.
Statt zu schreiben, lief ich in meiner Wohnung auf und ab, wie ein eingesperrtes Raubtier. Ich verbrachte Stunden damit, in meinem Kopf irgendwelche Figuren zu erfinden, nur um sie dann wieder zu verwerfen, als wären sie zu schwach, um meine Erwartungen zu tragen. Der leere Bildschirm war mein größter Feind.
Und neben der Tatsache, dass ich die bereits geschriebenen Worte an einer Hand abzählen konnte, gab es noch ein weiteres Problem, das mich langsam, aber sicher in Panik versetzte. Das Problem mit dem lieben Geld.
Mein »Notgroschen«, der mich ein Jahr ohne Einkommen durchbringen sollte, verabschiedete sich schneller, als ich »Bestseller« buchstabieren konnte. Jeden Morgen blickte ich auf meinen Kontostand und wartete darauf, dass ein Wunder geschah. Welch Überraschung: Tat es nicht.
War es das jetzt also? Das Ende meines großen Traums? Das große Abenteuer, das noch nicht einmal richtig begonnen hatte?
Vielleicht. Vielleicht war es aber auch nur … ein mieser Donnerstag.
Also tat ich das, was ich immer tat, wenn mir die Decke auf den Kopf fiel, und sich die Zweifel wie ein nasser Wollpulli um meine Gedanken legten: Ich ging spazieren. Ziellos natürlich, denn was wäre deprimierender als ein Ziel zu haben und dann doch nicht anzukommen?
Ich zog die Schultern hoch, stopfte die Hände in die Jackentaschen und schlenderte weiter durch die Straßen. Irgendwas würde sich bestimmt schon noch ergeben. Hoffte ich zumindest.
Vielleicht war es dieses berühmte »Schicksal« – oder einfach nur mein miserabler Orientierungssinn – dass ich an diesem Nachmittag aus einer Mischung aus Langeweile und »Warum zur Hölle tue ich mir das an«-Laune plötzlich in einer winzigen, fast schon versteckten Seitengasse der Altstadt landete.
Der Nieselregen verwandelte den Boden in einen schwarzen Spiegel und das Geräusch meiner Schritte veränderte sich, als ich die Kopfsteinpflastergasse betrat – vom harten Stapfen zu einem gedämpften Tappen.
Die Gasse war so alt, dass ich hätte schwören können, die Römer hätten sie gepflastert. Die glatt getretenen Pflastersteine waren mit Moos überzogen, das bei jedem Schritt nachgiebig unter meinen Schuhen schmatzte. Links und rechts drängten sich Häuser aneinander, wie alte Männer beim Kartenspiel, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Ihre Fassaden bröckelten bereits so stark, dass man die ursprüngliche Farbe oftmals nur noch erahnen konnte, mit Fenstern, die mehr Staub als Glas zeigten.
Wo war ich denn bitte hier gelandet? Ich war mir sicher, dass kein Stadtplan der Welt diese Gasse verzeichnet hatte.
In einem trüben Schaufenster einer geschlossenen Boutique fing ich kurz mein Spiegelbild ein. Da stand ich, vierzig Jahre alt, mit vom Nieselregen gekräuselten Haaren und dieser typischen »Ex-Marketing-Manager auf Sinnsuche«-Attitüde.
Mein ehemals akkurat gebügeltes Hemd hatte ich gegen einen ausgebeulten Pullover getauscht – quasi meine persönliche Revolte gegen den Businesslook.
Während ich mich so umschaute, kaute ich auf meiner Unterlippe, eine alte Angewohnheit aus Marketingzeiten, wenn die Deadlines wieder mal unmöglich einzuhalten waren. Und meine Finger trommelten unbewusst den Rhythmus einer nicht existierenden Melodie auf der Jackentasche. Tap-tap-taptap-tap. Der gleiche nervöse Takt wie damals, als ich meinem Chef die Kündigung auf den Tisch geknallt hatte.
Ich ging weiter. Jeder Schritt führte mich tiefer in diese andere Welt, in der die Zeit anscheinend stehen geblieben war.
Zwischen zwei besonders schiefen Gebäuden duckte sich ein Laden, der aussah, als hätte ihn tatsächlich die Zeit vergessen. Ein uraltes Antiquariat mit einem handgemalten Schild über der Tür, das stolz »Alte Schätze« verkündete, obwohl das Wort »Schätze« schon so verblichen war, dass man es fast für etwas anderes halten konnte. Die Fenster waren so trüb, dass ich mich fragte, ob der Ladenbesitzer jemals daran gedacht hatte, sie zu putzen, oder ob das schon zur Ästhetik gehörte.
Dennoch spähte ich neugierig durch die Scheibe und entdeckte – Überraschung! – Bücher. Bücher, die wild übereinandergestapelt waren, als hätte jemand eine Wette verloren. Und dazwischen ein paar kurios aussehende Gegenstände: eine alte Schreibmaschine, eine Taschenuhr und seltsamerweise, ein kaputtes Puppenkopf-Ding, das mich aus leeren Augenhöhlen anstarrte – wie gruselig.
Und dann kam mir ein Gedanke: Vielleicht würde hier irgendwann mal mein Buch liegen. Ich grinste in mich hinein. Gut, vielleicht nicht in einem Antiquariat, das offensichtlich darauf wartete, von der Stadtverwaltung wegen Einsturzgefahr geschlossen zu werden. Aber wer weiß, vielleicht in einer dieser schicken, modernen Buchhandlungen. Mit einer riesigen und vor allem sauberen Fensterfront. Und daneben mein Name in großen Buchstaben, irgendwo zwischen »Bestseller« und »New Releases«.
»Man wird ja wohl noch träumen dürfen«, kicherte ich.
Aber vielleicht konnte ich hier zumindest ein paar »Inspirationen« finden. Na klar! Das war nämlich immer der Grund, mit dem ich mich versuchte, selbst zu entschuldigen, warum ich in irgendwelchen Läden herumhing, statt mich endlich zu Hause hinzusetzen und zu schreiben.
Aber da ich gerade ohnehin nichts Besseres zu tun hatte und die feuchte Kälte langsam meine Knochen infiltrierte, drückte ich auf die Türklinke. Die Tür des Antiquariats ächzte wie ein altes Gelenk, und ein altertümliches Glöckchen bimmelte irgendwo über mir. Der Geruch traf mich wie eine Welle: alte Bücher, Staub, Holz und … war das der Duft von Pfefferminze? Vielleicht von einer vergessenen Teetasse irgendwo zwischen den Regalen.
Ich blieb kurz stehen, um mich zu orientieren. Das warme Licht der antiken Lampen ließ die Staubkörner in der Luft tanzen und die Stille, die mich umgab, hatte einen besonderen Klang – dick und schwer wie Honig. Es war … durchaus gemütlich. Ein Rückzugsort für Menschen, die nicht ganz in die Welt da draußen passten.
Der Laden war klein, aber jede noch so freie Fläche war mit Büchern zugestellt. Sie stapelten sich auf dem Boden, in wackligen Regalen, auf Fensterbänken und sogar auf einem alten Klavier in der Ecke, dessen Tasten so vergilbt waren, dass es seit mindestens einem Jahrhundert keinen Ton mehr von sich gegeben haben dürfte.
Ich zog die Schultern hoch und rieb meine kalten Hände aneinander, während ich langsam zwischen den Buchstapeln hindurch schlenderte und mir meine Gedanken wieder entglitten.
Nach Jahren in der Marketing-Mühle, unzählig verkauften Konzepten und optimierten Kampagnen, hatte ich mich endlich befreit. Frei, um meinen Traum zu verwirklichen, um ein Buch zu schreiben. Doch was sollte ich sagen, diese erhoffte »Freiheit« fühlte sich momentan gar nicht so frei an. Denn die Worte für meinen Roman? Fehlanzeige! Die Ideen? Pff, kaum gedacht, schon wieder weg.
Meine Finger glitten über die Buchrücken. Ich musterte ein buntes Sammelsurium an Covern und meine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Allerdings bekam ich auch wieder dieses grässliche Ziehen in der Magengegend, dieses »Was, wenn du’s nicht schaffst?«-Gefühl, das mir in letzter Zeit immer häufiger Gesellschaft leistete. Wenn ich nun doch kein Schriftsteller war, sondern nur ein Marketing-Typ, der sich für etwas Besseres hielt?
Ich schauderte bei dem Gedanken, schloss die Augen und atmete tief durch. »Vielleicht stimmt das ja«, antwortete ich mir selbst. »Aber wenigstens versuche ich es.«
Nachdem ich schon mehrere Regale durchstöbert hatte, wollte ich mich gerade wieder auf den Rückweg machen, als mir ein kleines, unscheinbares Buch ins Auge fiel. Es stand ganz hinten in einem Regal, halb versteckt neben ein paar wuchtigen Ledereinbänden. Es hatte einen schmalen, abgenutzten Einband aus dunklem Leder – so dunkel, dass es fast schwarz wirkte. Keine Ahnung warum, aber meine Neugierde war plötzlich geweckt. Vorsichtig griff ich danach und zog es heraus.
Es war … schlicht. Kein Titel, keine Prägung, keine Verzierungen – nichts, was auf den ersten Blick besonders war. Es sah aus wie das literarische Äquivalent von »unscheinbar«. Und trotzdem konnte ich meinen Blick nicht davon lösen.
Langsam klappte ich es auf. Und fand … ebenfalls nichts. Leere Seiten. Jedes einzelne Blatt war elfenbeinfarbig, glatt – und sowas von unbeschrieben. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über das Papier und spürte eine feine Struktur.
Ein leises Schnauben entfuhr mir. Na toll, ein leeres Notizbuch. Ausgerechnet das musste ich hier finden. Aber anstatt es genervt zurück ins Regal zu schieben, hielt ich es immer noch in der Hand. Irgendwie fühlte es sich … anders an.
Merkwürdig, ich weiß.
»Interessante Wahl!«, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir, und ich hätte schwören können, dass vor einer Sekunde noch niemand dort gestanden hatte. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich das Buch fast fallen ließ.
Ein älterer Herr erschien wie aus dem Nichts, als wäre er aus den Seiten eines der verstaubten Bücher gestiegen. Keine Ahnung, wie er sich so lautlos anschleichen konnte. Vermutlich hatte er ein Ninja-Training in seiner Jugend absolviert.
Breit grinsend funkelten seine blitzblauen Augen unter buschigen Brauen hervor. Das graue Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, und seine ganze Haltung strahlte diese entspannte »Ich weiß Dinge, die du nicht weißt«-Vibes aus. Dabei musterte er mich mit einem Blick, der sich anfühlte, als könnte er direkt in meinen Kopf schauen und die chaotischen Gedanken darin entziffern. Peinlich, denn ehrlich gesagt, wollte ich die lieber für mich behalten.
»Äh, ja …«, stammelte ich und schüttelte gleichzeitig den Kopf, was ungefähr so widersprüchlich wirkte wie »Ja, nein, vielleicht, mal sehen«. Was zum Teufel war los mit mir?
»Es ist … leer«, bemerkte ich mit messerscharfer Analysefähigkeit und hielt das Buch hoch, als müsste ich beweisen, dass ich nicht verrückt war.
»Ich dachte, es wäre ein Buch, das … keine Ahnung, irgendetwas … Inspirierendes«, stammelte ich weiter und versuchte irgendwo meine Fassung wiederzufinden.
»Manche Bücher brauchen keine Worte, um Geschichten zu erzählen.« Der Blick des alten Mannes wanderte nickend über das Notizbuch in meiner Hand, als hätte er gerade eine wichtige Erkenntnis gemacht. »Vielleicht wartet es nur darauf, von Ihnen gefüllt zu werden.«
Ich zog die Stirn kraus. »Wieso sollte ich ein leeres Notizbuch brauchen?« Die Frage rutschte mir heraus, bevor ich darüber überhaupt nachdenken konnte.
Er trat einen Schritt näher und deutete mit einem gichtknorrigen Finger auf das Buch. »Es wählt seinen Besitzer. Denn nicht jeder, der es findet, möchte es mitnehmen. Nur diejenigen, die etwas suchen, das sie selbst nicht benennen können.«
Ah ja, klar. Mystisches Geschwurbel vom Feinsten. Ich starrte ihn an und war mir unsicher, ob ich loslachen oder den Laden fluchtartig verlassen sollte. Eigentlich tendierte ich zu Letzterem.
Dennoch riss ich mich zusammen. Ich wollte ja nicht unhöflich sein.
»Das klingt … sehr geheimnisvoll«, brachte ich schließlich heraus, wobei meine Stimme mindestens zwei Oktaven zu hoch klang.
»Es ist Ihr Weg, den Sie gehen«, erwiderte er weiterhin kryptisch und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist dieses Buch eine Hilfe. Vielleicht auch nicht. Aber es ist für Sie.«
Noch so ein Satz und ich wäre ernsthaft aus dem Laden gerannt. Aber Moment mal. Ein leeres Notizbuch für jemanden, der seit Monaten versucht, einen Roman zu schreiben? Irgendwie machte das erschreckend viel Sinn. Schließlich musste ich ja irgendwo meine Gedanken festhalten. Warum also nicht in diesem Buch?
»Was kostet es?«, fragte ich schließlich.
Doch der Mann lächelte nur und schüttelte den Kopf. »Ein Geschenk«, sagte er mit einem seltsam geheimnisvollen Leuchten in den Augen, »nur für Sie.«
Ein Geschenk? Ich war sprachlos und weiterhin verwirrt. »Ähm … danke«, murmelte ich schließlich.
Er nickte zufrieden, sagte aber nichts mehr weiter.
Mit einem freundlichen Abschied verließ ich mit dem Buch in der Hand auf direktem Wege den Laden. Mein Kopf war immer noch damit beschäftigt, die soeben vorgefallene Situation einzuordnen.
Vor der Tür prickelte die kühle Abendluft auf meiner Haut. Der Regen hatte wieder etwas zugenommen und fiel nun stetig auf das Kopfsteinpflaster. Die Stadt wirkte dadurch ruhiger, als hätte sie einen Gang zurückgeschaltet.
Ich zog meinen Kragen wieder höher und klemmte das Notizbuch schützend unter meine Jacke.
Der Heimweg kam mir überraschend kurz vor, aber in meinem Kopf spielten sich tausend Gedanken ab. Was war da gerade passiert? War dieses Buch etwas Besonderes – oder war das alles einfach nur ein Zufall?
Und dann, ganz plötzlich, spürte ich es. Es war schwach, kaum greifbar, aber da: ein winziger Hauch von Hoffnung. Vielleicht war dieses kleine, unscheinbare Buch tatsächlich das, was ich gebraucht hatte. Vielleicht war es das Zeichen, endlich anzufangen.
Endlich wieder zu Hause angekommen, legte ich das Notizbuch mit einer Vorsicht auf den Schreibtisch, die normalerweise zerbrechlichen Ming-Vasen vorbehalten war. Dabei schielte ich misstrauisch auf das Ding im schwarzen Gewand, als könnte es sich gleich in Staub auflösen. Ein absurder Gedanke, wenn man bedachte, dass ich es die ganze Zeit unter meiner Jacke getragen hatte – durch Wind und Wetter. Aber egal. Jacke aus, Hausschuhe an. Prioritäten setzen.
Und Kaffee. Ohne den ging gar nichts. Und ehrlich gesagt, brauchte ich jetzt erstmal etwas Koffein, um meine wirren Gedanken zu ordnen und diesen seltsamen Fund zu verarbeiten. Also, ab in die Küche, in der ich in einer perfekt einstudierten Choreografie die Kaffeemaschine bediente.
Während die braune Rettungsflüssigkeit durchlief, trommelte ich nervös mit den Fingern auf der Arbeitsplatte. Mein Blick schweifte zu den Regalen an der Wand, die eher Lagerhallen für Kaffeetassen und Snacks glichen. Kreativität braucht schließlich Treibstoff. Außerdem versteckte ich zwischen den leeren Kaffeetassen meine Angst vor dem weißen Blatt. Jeder erfolglose Schreibversuch hatte eine neue Tasse hinterlassen – stumme Zeugen meiner Verzweiflung.
Mit einer frischen dampfenden Tasse Kaffee in der Hand ging ich zurück in mein »Schreibbüro«. Na ja, die Bezeichnung war geschmeichelt. Eigentlich war es ein kleines Zimmer, das ein Schlachtfeld beherbergte. Überall lagen ausgebreitete Notizzettel, auf denen meine mehr oder weniger grandiosen Ideen festgehalten waren, bewacht von einer Armee aus leeren und halbvollen Kaffeetassen.
Und mitten in diesem Chaos lag das Notizbuch. Stolz, unbeeindruckt, als wäre es hier der Boss.
Mit einem skeptischen Blick nahm ich einen Schluck Kaffee. »Warum habe ich es eigentlich mitgenommen? Es steht schließlich nichts drin.« Leise lachte ich über mich selbst. Natürlich stand nichts drin – es war schließlich ein leeres Notizbuch. Sinn der Sache. Es wurde höchste Zeit, dass das Koffein seine Wirkung entfaltete. Wenn man allerdings meinen Schreibtisch und dessen Umgebung genauer betrachtete, war es wohl an der Zeit, ein wenig Ordnung ins Zettel-Chaos zu bringen.
Entschlossen nahm ich das Notizbuch in die Hand. Das Leder fühlte sich unter meinen Fingern warm an, fast lebendig. Feine Narben durchzogen den Einband, ähnlich den Lebenslinien auf einer alten Hand. Ein schwacher Duft nach Staub und altem Papier stieg mir in die Nase.
Wiederholt stellte ich fest, dass es keine Prägung hatte. Keinen Titel. Nichts. Es stand noch nicht einmal das Wort »Notizbuch« oder so etwas Ähnliches auf dem Deckel. Einfach nur ein dunkelbraunes Leder mit leeren Seiten. Minimalismus pur.
»Sehr mysteriös«, brummte ich vor mich hin, setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl und stellte meine Tasse zu den anderen. Ein leises Klirren verriet mir, dass ich wirklich dringend aufräumen sollte. Aber nicht jetzt. Jetzt war erst einmal das Buch an der Reihe.
»Okay, machen wir mal was Sinnvolles«, murmelte ich, zog meinen Lieblingsfüller hervor und schlug die erste Seite auf. Ein winziger Moment des Triumphs – und dann natürlich die unvermeidliche Katastrophe: Ein Tropfen Tinte, der wie ein besonders schadenfroher Fleck mitten auf die Seite platschte.
»Na, das fängt ja schon gut an«, grummelte ich und hielt bereits Ausschau nach einem Tintenkiller, als es plötzlich geschah: Langsam, fast träge, begann der Tintenfleck sich aufzulösen, als würde er von einer unsichtbaren Kraft verschluckt.
Und dann stand es plötzlich da. Ein Wort. Gestochen scharf und unmöglich real: »Hallo!«. In einer eleganten, geschwungenen Handschrift, wie aus einem antiken Buch.
Die Welt um mich herum gefror für einen Moment, während die Buchstaben auf der Seite wie schwarze Flammen tanzten. Das konnte unmöglich real sein – aber meine zitternden Hände sagten etwas anderes. Mein Herz setzte aus, machte dann ein paar Extraschläge und ging direkt in den Sprintmodus. Das Buch flog aus meinen Händen, als hätte es mich gebissen. Es landete unschuldig auf dem Boden, während ich rückwärts aus dem Stuhl kippte und mit einem dumpfen »Uff!« auf dem Teppich landete.
Ohne nachzudenken, sprang ich aus dem Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und presste meinen Rücken dagegen, als würde ich damit einen Dämon aussperren.
»Okay. Okay! Was zur Hölle … war das?!«, stotterte ich.
Ein paar Minuten später stand ich im Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht – die Universalwaffe gegen Panik. Im Spiegel sah ich mein Gesicht. Blass wie Kreide, mit Augen, die aussahen, als hätte ich seit einer Woche nicht geschlafen.
»Vielleicht … war das nur der Kaffee. Oder der Stress.« Meine Lippen zuckten leicht, als würde mein Spiegelbild mir selbst nicht glauben. »Vielleicht werde ich auch einfach verrückt«, fügte ich leise hinzu und lachte trocken. Zumindest hätte ich dann endlich eine gute Ausrede für meine chaotische Wohnung.
»Junge, komm wieder runter«, schallte ich mich selbst. Aber tief in mir flüsterte eine Stimme, dass Verrücktheit vielleicht genau das war, was ich gerade brauchte – einen weiteren Sprung aus dem sicheren Hafen der Vernunft in das wilde Meer des Wahnsinns.
Nach einem weiteren Wasserschwall auf meinem Gesicht fasste ich genug Mut, um wieder ins Büro zurückzukehren.