Himbeertage - Adi Hübel - E-Book

Himbeertage E-Book

Adi Hübel

0,0

Beschreibung

Die Geschichten in HIMBEERTAGE erzählen von Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen, von Sehnsüchten, Liebesstunden und Verlusten. Die Erinnerung an unvergessliche Tage, an bemerkenswerte Ereignisse und Lebensabschnitte wird immer wieder überraschend aufgelöst. Der ironische Blick auf die handelnden Personen vermittelt zugleich einen guten Anteil Humor, und relativiert die hin und wieder tragischen Ereignisse auf subtile Weise.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 128

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Adi Hübel

Himbeertage

Geschichten vom Leben, Lieben, Träumen

Inhalt

Auch Schmetterlinge weinen

Arthur und ich

Winternacht

Oh weh!

Aprikosenlicht

Himbeertage

Unerwartete Begegnung

Blonder Engel

Verschenkte Träume

Danksagung

Impressum

Auch Schmetterlinge weinen

Franziska

Ihr Gesicht spiegelte sich verschwommen im Glas. Ein aggressives Karmesinrot strömte ihr in kräftigen Pinselstrichen entgegen. Sie bewegte den Kopf leicht nach allen Seiten. Eigentlich schade, dachte sie. Diese schimmernde Fläche brachte eine Distanz zu dem Gemalten, die sie nicht mochte. Aber Cosima, ihre Galeristin, hatte darauf bestanden. Gerade die Distanz zwischen Gemälde und Betrachter sei es, die dem Bild den letzten Kick gebe, und von Spiegelung könne bei diesem neuen Material gar nicht die Rede sein.

Undeutlich konnte Franzi ihre Augen erkennen. Mein Gesicht schwimmt in meiner Arbeit, wie schön, stellte sie trotz des leichten Unbehagens fest. Zufrieden schaute sie um sich und betrachtete nacheinander Bild für Bild. Am Ziel ihrer Wünsche! So viele Jahre hatte sie darauf hingearbeitet. Hatte sich immer wieder vorgestellt, wie es sein würde. Hatte sich danach gesehnt wie nach einem Geliebten. Jetzt war es so weit. Ich stehe inmitten meiner ersten eigenen Ausstellung!

Immer wieder waren es Gemeinschaftsprojekte gewesen, an denen sie teilgenommen hatte. Ein paarmal hatte sie dabei sogar einen Preis eingeheimst. Aber eine Einzelausstellung, das war schon etwas ganz Großes.

Gestern Abend war sie noch einmal durch die drei Räume gegangen, die sie hell und weit umfingen. Alles war so still gewesen und ein Gefühl hatte sie ergriffen, als wäre sie alleine auf der Welt. Es gab nur sie und Farben, leuchtende Farben. Kritisch hatte sie die gehängten Bilder betrachtet. Eines nach dem anderen. Doch, hatte sie zufrieden gedacht, die Auswahl ist uns gelungen.

Natürlich war sie nicht mit jedem der Gemälde gleich einverstanden. Wäre ja auch komisch, wenn ich sie nach all den Jahren noch alle gleich gut fände. Einige waren ihr so vertraut, als wären es ihre Kinder, andere wieder hatte sie unter Herzschmerz entlassen und es gab ein paar, die hatte sie erleichtert von sich fortgeschoben, schon vor langer Zeit. Sie erkannte sie kaum wieder. Es waren diejenigen, die zu ganz bestimmten Anlässen entstanden waren oder die gefühlsbetont ihre damaligen Befindlichkeiten zum Thema hatten.

Mit einigen wenigen der ausgestellten Bilder war sie heute überhaupt nicht mehr einverstanden. Das soll ich gemalt haben, hatte sie verwundert gedacht, oje! Aber auch einige von denen, die nur damals stimmig gewesen waren, mussten hier ihren Platz finden. Darauf hatte die Galeristin bestanden. Schließlich war es eine Ausstellung, die ihre Entwicklung zur ganz großen Künstlerin dokumentieren sollte.

Ja, das hatte sie so gesagt bei der Auswahl der Gemälde: ganz große Künstlerin. Diese Auszeichnung, die Cosima ihr damit verlieh, verursachte ihr ein wunderbares und warmes Gefühl, das ihren ganzen Körper durchströmte. Cosima Blume war eine weithin anerkannte Galeristin, die ihre Künstlerinnen und Künstler sorgfältig aussuchte. Schon diese Ausstellung bei ihr war etwas Besonderes, Franzi war sich dessen sehr wohl bewusst.

Noch während die Freude sie wärmte, hatte Franzi, wie immer, wenn sie ihre Werke zeigte, an sich zu zweifeln begonnen. War sie wirklich gut genug? Waren ihre Gemälde tatsächlich etwas Besonderes. Waren sie nicht ebenso gut oder bedeutungslos, wie viele andere auch? Hatte sie nicht doch die falschen ausgewählt? Waren die, die sie vor Jahren gemalt hatte, nicht schon veraltet?

Nein, hatte sie in der letzten, fast schlaflosen Nacht beschlossen, ich will jetzt die ganz große Künstlerin sein. Ich habe etwas zu zeigen, ich habe etwas zu sagen.

Weshalb sie nicht früher in diese Kategorie aufgestiegen war, hatte sicher mit ihrem bisherigen Leben zu tun. Das Studium war noch anregend und aufregend gewesen. Die Exkursionen, die vielfältigen Maltechniken, die Professoren mit ihren Korrekturwünschen. Wenn sie zurückdachte, fielen ihr zudem die unendlich langen Nachmittage und Abende ein, die sie in ihrem damals noch winzigen Atelier verbracht hatte.

Wie unglaublich kreativ ich doch damals war. Sie musste lächeln, wenn sie an diese frühen Jahre dachte. Auch wenn sich eine Reihe von Bildern auf vergangene Liebschaften und einige stürmische Affären bezog, nie war ihr einer ihrer Partner wichtiger gewesen als die Malerei. Sie hatte Vorrang vor allem anderen gehabt. Wie oft hatte ihre Schwester Luisa ihr vorgeworfen, sich immer mehr zu vergraben. Aber das war es doch, was sie wollte! Alleine sein mit ihrer Arbeit, mit ihrer Kunst und malen, malen, malen.

Sicher waren deshalb ihre Freundschaften oft leidenschaftlich und intensiv, doch wenig dauerhaft gewesen. Wer wollte schon mit einer Frau zusammen sein, die ihre Tage und oft auch die Abende lieber im Malerkittel zubrachte als im kleinen Schwarzen oder im Segellook.

Das hatte sie allerdings auch besessen, ein kleines Schwarzes, besaß es noch und trug es sogar heute Abend. Erfreut hatte sie festgestellt, dass es ihr immer noch passte. Als sie es aus der Hülle befreite, hatte sie zunächst daran gedacht, sich ein neues, ein moderneres Kleid anzuschaffen, es dann jedoch wieder verworfen. Wie oft brauche ich so etwas, das kann ich mir doch sparen, hatte sie überlegt und den Einkaufsbummel, zu dem ihre Schwester sie drängte, abgesagt.

Am Eingang tat sich etwas. Cosima empfing die ersten Gäste. Selbst aus der Entfernung bemerkte Franzi, wie chic und elegant die beiden Frauen gekleidet waren. Nervös strich sie sich den kurzen Rock glatt. Die Spaghettiträger rutschten ihr auch schon wieder über die Schultern. Gott sei Dank hatte sie Luisas Rat, noch zum Friseur zu gehen, befolgt. Vorsichtig griff sie in die ungewohnte Fülle, die ihren Kopf umgab. Irgendwie kam sie sich fremd vor, hier zu stehen mit diesen gelockten Haaren. Andererseits fühlte sie sich durch die aufgelegte Schminke und das dezente Augen-Make-up irgendwie gut aussehend. Sie brauchte sicherlich den Vergleich mit all den herausgeputzten Besucherinnen, die sich heute Abend hoffentlich einstellen würden, nicht zu scheuen, versuchte sie sich beim Anblick dieser ersten Besucherinnen trotzig einzureden.

Die Glastüren öffneten und schlossen sich jetzt im Sekundentakt. Das strömt ja nur so, dachte sie erfreut. Da kam auch schon die Galeristin auf sie zu und stellte sie einer Gruppe von Journalisten vor, die sofort die Kameras auf sie richteten. Sie fühlte sich peinlich berührt und überwältigt zugleich, als Cosima Blume sie in den höchsten Tönen lobte. Sie musste aufhören, ständig die Hände hinter dem Rücken zu halten. Während sie lächelte und in die Kameras blickte, kam ihr ein Gedanke, der sie überraschte. Sie sprach ihn nicht aus, dachte aber selbstbewusst, ich brauche kein Lob, meine Bilder sprechen für mich.

Anscheinend musste das jedoch sein, dieses Verklären der Künstlerin, und auch das Erklären der Gemälde. Das sollte wohl sie selbst übernehmen. Ich will das nicht, aber ich muss es tun, Cosima erwartet es von mir.

Dabei fiel es ihr schwer, über ihre eigenen Werke zu sprechen. Wie sollte sie ihre Stimmungen und Absichten erklären, die sie zu diesem oder jenem Gemälde inspiriert, ja geradezu getrieben hatten? Wie sollte sie die Trauer und Begeisterung, die Leidenschaft und Todessehnsucht, die in ihren Bildern steckte, heute wieder mit Worten hervorholen? Mit Farben und Formen wollte sie sichtbar machen, was sie bewegte. Sie war keine große Rednerin, was sie sagen wollte, tauchte sie in Farbe.

So hielt sie sich bei ihren Erklärungen an Äußerlichkeiten: an Rahmen, die Auswahl, die Hängung, die Farben, den Gesamteindruck. Sie beantwortete auch Fragen zu den einzelnen Gemälden, war aber dankbar, als eine Journalistin sich sehr interessiert nach ihrem Werdegang erkundigte. Dieser sogenannte Werdegang war nun nicht schwer zu erklären. Steht doch alles im Katalog! Diese Bemerkung, die ihr spontan in den Sinn kam, konnte sie gerade noch für sich behalten.

Es fiel ihr leicht, die Frage zu beantworten, weil sie sich schon intensiv mit den Daten ihrer Vita für den Katalog beschäftigt hatte. Und wann ihr Maltalent sich das erste Mal gezeigt hatte, war natürlich nicht auf den Tag genau festzumachen. Sie lächelte freundlich. „Ich wollte immer schon malen, schon als Kind. Diese Leidenschaft hat mein bisheriges Leben ausgefüllt. Sie hat mich nun hierher in diese wunderbare Galerie zu Cosima Blume getragen. Cosima, dir verdanke ich das alles.“

Eine freundschaftliche Umarmung und die Fotoapparate wurden aufs Neue gezückt. Cosima und sie zusammen vor dem Lieblingsbild der Galeristin. Hoffentlich sehe ich gut aus. Ich darf nicht mit offenem Mund lächeln, mein Zahn ... Mehr konnte sie nicht denken. Lächeln, lächeln!

Jetzt war Cosima gefragt. Sie sagte so unglaublich kluge Dinge, fand Franzi und interpretierte die Ausstellung mit viel Sachverstand.

Kurzzeitig war sie selbst in den Hintergrund gerückt. Sie hörte sich wieder sagen: „Ich wollte schon immer malen, schon als Kind.“ Irgendwie irritierte sie dieser Satz plötzlich. Als Kind wollte ich noch etwas ganz anderes, dachte sie, ich wollte singen und Musik machen und zusammen mit meiner Schwester auf den Bühnen der Welt stehen. Jetzt steht sie alleine dort im Rampenlicht. Alleine.

Luisa war Sängerin geworden, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie war berühmt, gab ein Konzert nach dem anderen, drehte jetzt sogar einen Film.

Und Pläne für die Zukunft? Die Frage erreichte Franziska und holte sie in die inzwischen gut gefüllten, vor Gesprächen summenden Räume zurück. Auch das konnte sie beantworten: „Malen will ich, malen, immer nur malen.“ Und auch wenn sie es lächelnd sagte, es war ihr tief ernst damit. Sie war wieder bei ihrer Kunst angekommen.

Langsam gingen sie weiter, von Bild zu Bild. Dass die drei großen Zeitungen Redakteure und Fotografen schicken würden, war völlig überraschend und auch, dass sich die Kulturredaktionen der beiden örtlichen Radiosender für die neue Ausstellung interessierten, hatte Franzi nicht erwartet. Auch die überregionale Presse hatte schon im Vorfeld um einen Katalog gebeten. Cosima hatte wohl alle ihre Kontakte spielen lassen. Alle zeigten großes Interesse, scharten sich um sie und notierten sich ihre Kommentare.

Franzi sonnte sich. Sie sonnte sich in dieser aufmerksamen Menge. Das hatte sie nicht gedacht, dass sie sich so fühlen würde. So emporgehoben und umarmt von einer Menge Menschen, die alle ihre Bilder sehen wollten. Sie fühlte sich anerkannt und geliebt und glücklich. Sie fühlte sich in ihrem Element.

Da hatte sie sich jahrelang in ihrem Atelier vergraben, hatte gearbeitet und war kaum jemals aus der Stadt hinausgekommen. Auch Freundschaften waren spärlich geworden. Liebschaften auch. Nur die Familie war ihr noch wichtig gewesen. Aber was hieß bei ihr schon Familie. Der Vater war in einer neuen Beziehung versunken, die Mutter schon lange tot und nur Luisa, die geliebte, kleine Schwester, war noch greifbar. Wo sie nur blieb? Sie hatte fest versprochen zu kommen.

Reisen war verpönt. Das konnte sie immer noch machen. Später einmal, beruhigte sie die Schwester, wenn ich irgendwann in fernen Jahren meinen Pinsel nicht mehr halten kann, dann reise ich. Sie wollte arbeiten, malen, so viel und so oft es ging.

Und jetzt also der Lohn für all diese Abgeschiedenheit, für diese Mühen. Franzi gestand sich ein, dass es nicht immer leicht gewesen war, sich nichts als die Arbeit zu gönnen. Wie oft war sie verzweifelt gewesen, wenn ihr die Umsetzung ihrer Gedanken und Gefühle nicht gleich gelang. Wie viele Male hatte sie Bilder neu begonnen und wieder verworfen und übermalt. Wie oft hatte sie ihre Pinsel in die Ecke geworfen und beschlossen, nicht mehr zu malen. Nie mehr.

Mit Kellnern und Messebegleitungen hatte sie sich über Wasser gehalten. Immer wieder hatte sie auch kleinere Arbeiten weit unter Wert verkauft, um ihr Leben zu finanzieren. Leicht war es nicht gewesen.

Und jetzt das. Sie war angekommen in der Kunstwelt. War anerkannt mit ihren Werken. Würde sicher hervorragende Kritiken bekommen. Ganz sicher. Die Gedanken schossen ihr nur so durch den Kopf, als die Gruppe der Begleiter wieder bewundernd vor einem der Gemälde stehen blieb.

Am Eingang wurde es laut. Die Journalistin vor ihr reckte den Hals. Franzi spürte eine kleine Unruhe um sich entstehen. Ich will jetzt nicht wissen, was hinter mir los ist. Ich drehe mich nicht um. Doch sie konnte die Aufmerksamkeit nicht mehr auf sich lenken. Die Frau bedankte sich freundlich für das Gespräch und wandte sich ab. Auch die anderen Presseleute hatten ganz plötzlich einen interessanteren Focus gefunden. Mehrere wandten sich um und eilten zum Eingang. Franzi biss die Zähne zusammen. Sie war wütend auf dieses Ereignis, das ihr die endlich errungene Zuwendung und Aufmerksamkeit der Presseleute entzog. Was war los?

Luisa! Sie hätte es sich denken können. Luisa war erschienen. Der schillernde Vogel hatte die Bühne betreten. Wie immer war sie nicht alleine. Die Schar ihrer Begleiter schwänzelte um sie herum. Carsten nahm ihr das weiße Cape von den Schultern und reichte es an Christina, ihre Freundin, weiter.

Du meine Güte, wie sie strahlte! Viele Besucherinnen und Gäste im vorderen Raum hatten sich ihr zugewandt. Franzi spürte eine Welle der Zuneigung in sich aufsteigen. Diese wunderbare Frau dort war ihre Schwester. Wie schön sie war. Alle waren sie in diese Luisa verliebt. Alle bewunderten sie. Sie kam und schon schien nur noch sie im Raum zu sein. Nur noch sie war anwesend. Nur noch sie wurde wahrgenommen und bestaunt.

Heute trug sie ein wunderschönes Kleid aus grüner Seide. Ihre Haare hatte sie so nach oben gesteckt, dass sie in einer wilden Kaskade seitlich auf ihre Schulter fielen. Und was für Haare sie hatte! Dieses Rot war echt und glänzte ohne kosmetische Zutaten. Franzi hatte es Mühe bereitet, diese Farbe genau zu treffen.

Wie oft hatten sie sich früher zusammen vor dem Spiegel gedrängt und ihre Gesichtszüge und Haare verglichen. Franzi hatte sich meist mit der Feststellung zufriedengegeben, dass ihre kleine Schwester einfach die Schönere sei. Und Luisa hatte das auch nie abgestritten, sondern es immer wieder betont. Sie sei die Schönere und auch die Jüngere und die ältere Schwester müsse immer für sie da sein.

Da stand sie nun. Ihre Bilder schienen mit einem Mal unwichtig zu sein. Was hatte Franziska schon mit ihren großen und kleinen Rechtecken aufzubieten gegen die lebendige Schönheit dieser Frau? Sicher, einzelne Grüppchen standen noch vor den Bildern, aber die meisten Gäste hatten sich ihr zugewandt, wollten neugierig geworden sehen, wer die Aufmerksamkeit der Kritiker und Fotografen so ausschließlich auf sich zog. Luisa hielt sie gefangen. Sie unterhielt sich wie immer charmant lächelnd und wortgewandt mit den Journalisten. Ihr hohes, sinnliches Gelächter schnitt Franzi plötzlich ins Ohr. Alle lachten sie mit. Was war es Amüsantes, das ihre Schwester da von sich gab? Lachten sie etwa über sie und ihre Bilder? Lachten sie darüber, wie einsam sie vor einem ihrer Gemälde stand, alleine mit sich und ihrer Kunst?

Mit einem Mal stieg eine ungeheure Wut in Franzi auf. Sie musste die Augen schließen, so sehr überschwemmte sie dieses Gefühl von Ohnmacht und Hass und Liebe. Sie drückte eine Hand auf den Magen, um das heiße Gefühl von Angst und Zorn in den Griff zu bekommen. Diese Schwester hatte ihr alles genommen, alles entwertet. Schon immer war sie diejenige gewesen, die in der Mitte des Universums kreiste. Schon als Kind hatte sie ihr entgegenkommendes, strahlendes Lächeln eingesetzt, um alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Immer war sie die Bewunderte gewesen. Nichts hatte sie dazu getan. Gar nichts. Weder ihre Zensuren noch sonstigen Leistungen waren überragend gewesen. Und doch, alle Zuneigung war ihr entgegengeströmt. Sie musste sie nur aufnehmen und sich darin sonnen. Und das hatte sie auch getan.

Immer und immer wieder war sie selbst, Franzi, daneben gestanden und hatte sie geliebt, die kleine Schwester. Sie hatte sie bewundert und war in ihrem Schatten groß geworden. Groß bin ich geworden, ja, erwachsen ja, aber nicht schön. Nicht strahlend. Nicht geliebt. Nicht bewundert!