Himmelspracht - Monika Endres - E-Book

Himmelspracht E-Book

Monika Endres

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Beschreibung

In einem fernen Land liegt der Zauberwald - in dem alles erstarrt ist. Kein einziger Stern ist nachts zu sehen. Auch nicht der Mond. Sehnsuchtsvoll wartet er seit einer Ewigkeit an Jahren darauf, erlöst zu werden. Schließlich gelangt der mächtige Drachenherz in den verwunschenen Wald. Er wird begleitet von Elfen, die aus purem Licht zu bestehen scheinen. Einst hatte die böse Hexe die Verwünschung über den Zauberwald ausgesprochen. Nun schließt ihre Tochter Amalia einen Bund mit Drachenherz un den Elfen. Gemeinsam erwarten sie die Ankunft des gütigen Hüters des Glücks. Dessen Gegenwart verheißt das Ende der Starre und aller Dunkelheit, die über dem Zauberwald liegen. Das Fest des Lebens kann beginnen.

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Seitenzahl: 265

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Monika Endres

himmelspracht

Books on Demand

Inhaltsverzeichnis

Drachenherz

Der Zauberwald

Künstlerische Gestaltung

des Titelbildes

von

Constanze Schubert

Drachenherz

 

Er starrt vor sich hin.

Fixiert einen bestimmten Punkt.

Unablässig.

Was soll er nur tun?

Es scheint keinen Ausweg zu geben.

Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breitet sich in ihm aus.

Langsam.

Aber unaufhaltsam.

Die Geister, die er rief, verlassen ihn nicht mehr, so sehr er auch darum bittet. Er versprach sich davon eine Bereicherung seines Lebens. Weshalb sonst hätte er sich mit ihnen einlassen sollen? Doch er wurde betrogen. Selbstverständlich.

Sein Leben wird zunehmend von ihnen bestimmt. Er steht als stummer Zuschauer daneben und muss erkennen, dass er keine Möglichkeit hat, etwas daran zu ändern. Mit der Zeit wird es immer hektischer und unruhiger um ihn herum, ohne dass er etwas dagegen unternehmen kann. Was ist aus seinem Wunsch, ein erfolgreiches Leben zu führen, geworden?

Immer schneller dreht sich alles um mich und ich kann ihm keinen Einhalt gebieten.

Ich möchte mein Leben gerne anhalten, doch es will mir nicht gelingen, so sehr ich mich auch darum bemühe.

Jede Anstrengung dagegen scheint mir vergebens zu sein; vergeudete Mühe und vertane Zeit.

Denn erbarmungslos treibt es mich an, so dass ich keine Ruhe finden kann.

Er ist verwirrt. Steht einfach da! Seine Erstarrung erlaubt ihm nicht, sich von einem Ort zum nächsten zu bewegen. Immer schneller dreht sich sein Leben um ihn. Er kann nichts mehr deutlich erkennen, alles verwischt vor seinen Augen. Es macht ihm Angst. Kein klarer Gedanke kehrt ein. Teuflischerweise gesellt sich zu der bereits bestehenden Verwirrung eine Verunsicherung hinzu. Oder ist sie die unausweichliche Folge von ihr? Ein loderndes Inferno entsteht in ihm. Sein Kopf scheint zu bersten.

Denn ein furchtbares Ungeheuer schleicht um ihn herum und versperrt ihm jeden Ausweg. Und er, der mächtige und gefürchtete Drachenherz, kann nichts dagegen ausrichten, denn dieses Monster scheint ihm unbesiegbar zu sein.

Er ist groß und mächtig, so wie auch der Mensch hofft, groß und mächtig zu sein. Drachenherz besitzt Flügel. Sie werden nicht oft benutzt. Auch die Gefühle, die ein Mensch besitzt, bleiben ab und zu im Schrank liegen. Eingeschlossen. Hinter verriegelten Türen.

Das Ungeheuer, das um Drachenherz herumschleicht, zielt nicht auf die Zerstörung seiner Person. Es gibt sich damit zufrieden, sein Leben zu begrenzen und klein zu machen. Darauf verwendet es besondere Sorgfalt und gönnt sich keine Pause.

Es ist keine Begrenzung zu spüren. Vorerst. Er kann sich frei und ungehindert bewegen. Alltägliches Leben findet statt. Jeden Tag. Doch unmerklich werden die Grenzen enger. Immer nur ein ganz klein wenig. Bis er schließlich vor Mauern steht, die ihn einsperren. Mauern ohne Tür. Mauern ohne Fenster. Hohe Bauwerke. Mächtiger als er.

Was kann er diesem Untier entgegen setzen, das ihm langsam aber sicher die Luft abschnürt? In den zurückliegenden Zeitaltern setzte er sich gegen Ritter zur Wehr, die ihre Lanze auf ihn richteten. Stets zog der Angreifer geschlagen, mit gesenktem Kopf und zerbrochener Waffe, wieder weiter seines Weges; doch gegen dieses Tier in ihm scheint er nichts ausrichten zu können.

Je stärker er um sich schlägt, umso mächtiger scheint es zu werden. Es gehört einer Gattung an, über deren Wesen er bisher keinerlei Kenntnis erlangen konnte. Ein ungleicher Kampf findet statt.

Meine Macht scheint plötzlich nicht mehr auszureichen, um mich gegen das Ungeheuer zu wehren, das um mich herumschleicht.

Ich muss zugeben, dass es mir Angst macht.

Denn es sperrt mich zunehmend ein.

Die Kreise, die es um mich zieht, werden immer enger.

Sein Leben steht auf dem Kopf. Fragen beunruhigen ihn, die unangemeldet vor ihm erschienen sind. Aus dem Nichts kommend, stehen sie vor ihm. Plötzlich und unerwartet.

„War ich schon immer das, was ich jetzt bin?“

„Was hat mich dazu gemacht?“

„Wie war ich in früheren Zeiten?“

Doch im Augenblick ist er zu müde, um darüber nachzudenken.

Nur eines muss er doch wissen:

„Wozu führe ich dieses Leben?“

„Was gibt meiner Existenz ihren Sinn?“

Im Traum erscheinen Bilder aus den längst vergangenen Tagen seines Lebens. Eine Stunde um die andere vergeht. Woche reiht sich an Woche, ein Monat an den folgenden. Jahre werden alt und mit ihnen auch er. Es gibt keine Abwechslung. Nichts Überraschendes hat seinen Platz. Eine tödliche Langeweile füllt jeden Winkel seiner Zeit.

Fremde, schemenhafte Erinnerung. Keine Verbindung zu seinem Leben. Wie abgeschnitten.

„Sehe ich in diesen Träumen, wer ich wirklich bin?“

„Besitze ich nur ein Trugbild von mir selbst?“

Die wichtigste aller Fragen aber scheint diese zu sein:

„Wo finde ich die Wahrheit?“

Im Dunkel der Vergangenheit ist er ein feuerspeiendes Ungeheuer, vor dem die Menschen sich fürchten und weglaufen; alleine deswegen, weil er für sie ein unbekanntes Wesen ist.

Doch niemand, der flieht, kennt ihn wirklich; denn keiner macht sich die Mühe, ihn genauer zu betrachten.

Jeder Augenblick ist umhüllt von Einsamkeit. Eingepackt von oben bis unten. Von vorne bis hinten. Außenherum und innenherum. Durch und durch. Wiegt zwei Tonnen. Ist lauter als das Dröhnen der Flugzeug-Turbinen. Erfüllt die Zeit. Sekunden, Stunden und Tage.

Erbitterte Kämpfe mit Rittern vor alten, düsteren Festungen. Bizarre Schlachten. Dazu verdammt, sich unaufhörlich zu wiederholen. Sieg oder Niederlage. Es bleibt gleichgültig.

Sobald die Sterne am Himmel stehen, stellt er sich immer wieder diesem einen Kampf. Als gäbe es kein Morgen mehr. Keinen einzigen neuen Tag mit unbekannten Ereignissen. Eine Langeweile umgibt ihn, die niemals wieder zu enden scheint. Es ist nichts in Sicht, das imstande wäre, diesen Zustand zu beenden.

Durchbricht nicht auch eine kleine Pflanze den Asphalt? Doch für ihn scheint es keine Erlösung zu geben.

In seinen Träumen sieht er dunkle und bedrohliche Bauwerke. Festungen, deren mächtige Mauern bis in den Himmel hinauf ragen.

Die Pracht, die sie in sich verbergen, hat keinen Nutzen. Für niemanden. Kein Mensch hat etwas davon. Denn es ist kein Leben in ihnen. Es hat aufgehört, lebendig zu sein. Bereits vor langer Zeit. Ausgelöscht durch Hochmut und Arroganz.

Elegant steigen die zum Fest geladenen Gäste aus den Kutschen. Den Kutscher würdigen sie keines Blickes. Sie nehmen ihn nicht wahr. Für sie ist er kein Mensch, der Aufmerksamkeit verdient. Den Pferden hingegen streicheln sie flüchtig über den Hals.

Eine verlogene Berührung. Denn diese Geschöpfe sind in ihren Gedanken stets einen Schritt voraus. Sie betrügen sich selbst um ihr Leben. Bleiben niemals bei dem jetzigen Augenblick. Verschwenden jede Sekunde ihrer Gegenwart an Zukünftiges.

Die Kutscher blicken ihnen mit leeren, blutunterlaufenen Augen nach. Aufgezehrtes Dasein. Vergangen durch lebenslanges Unverstandensein, immerwährende Abweisung und stetige Verleugnung der eigenen Persönlichkeit.

Jede erlebte Enttäuschung brach ein kleines Stück vom Leben ab. Unerfüllte Sehnsucht verursachte Risse und Hoffnungslosigkeit ließ es schließlich zerbersten.

Diese Menschen fühlen nichts mehr. Sie wissen, dass sie nichts zu erwarten haben und führen eine Existenz in einem Vakuum. Geprägt von Dunkelheit, Einsamkeit und Verzweiflung.

Betrachten wir hingegen die Eleganz des Abends. Männer und Frauen verstecken sich hinter ihrem feinen und prächtig gewandetem Äußeren.

Ein schönes Kleid allein erschafft noch keinen guten Menschen, und sei es noch so kostbar. Im Gegenteil. Das aristokratische Äußere scheint eine hilfreiche Verkleidung dabei zu sein, zu bedecken, was verborgen bleiben muss.

Betrachter lassen sich nur allzu gern von dem täuschen, was sie vor Augen haben. Der Blick fällt nur auf den angenehmen Anstrich. Hinter die Fassade möchte niemand blicken. Jeder gibt sich mit diesem Betrug zufrieden. Immerzu stattfindende Lügen. Alles hinnehmen. Herzlich gern und problemlos. Auch ich?

Vielleicht möchte ich die Wahrheit überhaupt nicht sehen! Möglicherweise würde sie mir einen Spiegel vorhalten und ich könnte die Schwächen meines eigenen Lebens erkennen.

Die Gäste des Abends verschwinden in dem düsteren Gebäude, als wären sie von einem Sog ergriffen. Jede Umkehr, jede gegenteilige Entscheidung scheint unmöglich zu sein. Die illustre Gesellschaft scheint über eine nach oben geschwungene Treppe den Ballsaal zu erreichen. Doch in Wirklichkeit führt sie hinunter in eine immerwährende Dunkelheit.

An diesem Ort können die feinen Damen und Herren zeigen, was sie sind. Es muss nicht mehr länger verborgen werden. Sie verwandeln sich in reißende Wölfe. Innerlich, versteht sich.

Der Wolf in mir, ein Raubtier, nur darauf aus, Beute zu machen.

Immer wieder, in jeder neuen Nacht, habe ich dieses Bestreben.

Eine wilde Sehnsucht nach frischem Fleisch befällt mich, sobald Mondlicht die Nacht erfüllt.

Es sind heulende, zähnefletschende Wölfe. In jeder einzelnen Nacht immer wieder neu erschaffen.

Für wie gebildet sich der moderne Mensch auch halten mag, im Inneren ist er doch ein Raubtier geblieben.

Nicht alle. Aber viele.

Nicht immer. Aber oft.

Er sucht sein Opfer; es wird gehetzt und in die Enge getrieben, so dass kein Ausweg mehr zu finden ist. Anschließend jagt er ihm alles ab, zerstört jede Hoffnung und löscht alle Wünsche aus, bis es am Ende ist. Dann umkreist er es geifernd und lauernd und schleicht sich immer näher heran, bis schließlich alles vor Angst erstarrt ist. Seines Lebens beraubt, wird nur noch der tödliche Biss erwartet.

Genau das ist es, was dem Tier im Menschen Genugtuung verschafft, bis es am Ende zum Letzten ansetzt.

Welch angenehmer Einblick in eine Gesellschaft.

Als die Einladung zum Fest bei mir eintraf, war ich darüber hocherfreut. Mein Herz klopfte laut. Ohne Zögern sagte ich mein Kommen zu. Endlich wieder ein aufregender Abend. Zu lange schon währt der Frust. Ich bin versunken in der Eintönigkeit.

Hochzufrieden bereite ich mich vor. Ich freue mich auf Gleichgesinnte, die ich dort antreffen werde. Doch gieriger bin ich auf jene, die unschuldig und erwartungsvoll dort eintreffen. Einfältig sind. Unbedarft wie Kinder.

Fröhlich stimme ich mich ein. Ich werde meine edelsten Kleider tragen und mich in Luxus einhüllen. Umgeben sein von Schönheit.

Denn an diesem Abend im Schloss möchte jeder seiner Lust nachgehen. Dazu ist man schließlich hierher gekommen. Und sollte der fremde Leib nicht willig sein, so zwinge ich ihn mit List und Tücke auf die Kissen nieder.

Es findet eine geheuchelte Hingabe statt. Eine Verschmelzung von zwei Individuen. Nur die Körper finden zusammen, aber die Herzen bleiben für sich allein. So wie in jeder Nacht.

Ich erhebe mich, sobald die Morgendämmerung anbricht, und lasse den anderen zurück. Er wird mit keinem einzigen Blick bedacht. Ich bin ihm doch nichts schuldig. Oder?

Kaum hat mich die Dämmerung verschluckt, so ist der andere bereits vergessen. Denn ich hatte kein Interesse an der Person. Ich wollte nur seinen Körper benutzen. Jede persönliche Mitteilung erschien überflüssig, denn das einzige Bestreben bestand darin, meine Triebe auszuleben.

Doch sie konnten nicht befriedigt werden. Seltsam. Alles, was ich erreicht habe, ist ein schaler Geschmack, der hinunter strömt bis zum Herzen, das vom Dunkel der Einsamkeit eingehüllt bleibt.

Ohne Unterbrechung werde ich weitergetrieben. Immerzu verschaffe ich mir aufs Neue Lust, mit der Aussicht, befriedigt zu werden.

Aber eines bleibt mir unverständlich! Weshalb entfernt sich mein Ziel immer weiter von mir, je mehr ich dafür tue, um es zu erreichen? Statt dass ich ihm näherkomme, weicht es vor mir zurück. Schließlich ist es für mich in eine unerreichbare Ferne gerückt und ich muss erkennen, dass ich mir selbst den Weg dorthin verbaut habe.

Ich tue, was möglich ist, um meine Wünsche zu befriedigen, und führe ein triebhaftes Leben.

Stets probiere ich alles aus, was mir Befriedigung verspricht und verpasse nichts davon.

Doch ich muss immer wieder feststellen, dass es mich nicht nur unbefriedigt zurück lässt; je öfter ich mich auf dieses unverbindliche Spiel einlasse, umso verhärteter wird mein Herz.

Ich unternehme unzählige Unbeschreiblichkeiten, um Befriedigung zu erlangen. Dabei gebe ich niemals etwas von mir preis und lasse keinesfalls Nähe zu.

Aber wie ich es auch drehe und wende, so bin doch stets ich selbst derjenige, der immer mehr seiner Substanz verliert und sein Persönlichstes hingibt an den, der ihm fremd gegenübersteht.

Es passiert einfach mit mir, ohne dass ich eingewilligt hätte. Meine Persönlichkeit verliert an Stärke, denn mein Ich wird immer kleiner und unwichtiger.

Je wertloser ich mich fühle, umso leichter ist das zu machen, was ich tue. Es muss mir wirklich überhaupt nichts wert sein, wenn ich das Innigste und Schönste zum Schleuderpreis vergebe. Es wird nicht nur verschenkt, sondern einem mir völlig Fremden angenötigt.

Jedesmal, wenn ich meinen ganz intimen Bereich bereitwillig zum Gebrauch anbiete, so tue ich es, damit ich ein wenig Nähe erfahre und mich geborgen und geschützt fühlen kann.

Mehr wünsche ich mir nicht von diesen vielen belanglosen, immer gleich verlaufenden Begegnungen. Doch kein einziges Mal ist dabei auch nur ein Hauch dessen zu spüren, wonach ich mich sehne.

Und so vergehe ich langsam aber sicher immer mehr, bis ich schließlich nur noch ein Nichts bin. Genauso bedeutungslos und nichtssagend wie meine amourösen Stunden.

Im Laufe der Zeit fühle ich mich immer unschöner und unwerter. Das tue ich mir mit dem andauernden Verschwenden meiner Gefühle an, die ich in die Dunkelheit hinausschicke und auf die niemals eine Antwort erfolgt. Denn bereits die kleinste Erwiderung würde mich aus diesem Teufelskreis herausreißen, in den ich mich hineinbegeben habe.

Aber so muss ich immer wieder in der gleichen Weise handeln und kann mich nicht dagegen entscheiden, denn mein Verlangen ist zu groß. Auch wenn ich inzwischen erkennen muss, dass mich dieser Weg nicht in die Nähe meiner erhofften Empfindungen bringen wird, so kann ich ihn doch nicht verlassen. Denn er bleibt meine einzige Möglichkeit, um der Erfüllung meiner Sehnsucht vielleicht ein kleines Stückchen näherkommen zu können.

Und so biete ich mich als willenloses Stück Fleisch den Wölfen zum Fraß an, sobald der Mond am Himmel steht. Auch in mir selbst breitet sich die Nacht immer mehr aus. Jeder Wolf, dem ich begegne, macht sie dunkler und jede Hingabe lässt einen weiteren Stern verlöschen. Bis es schließlich ganz finster in mir ist und mein Leben völlig von der Dunkelheit bedeckt wird.

Ich Grunde werde ich dadurch zu einem einsamen Menschen.

Wahres, dauerhaftes Glück gehört einer aussterbenden Gattung an; oder täusche ich mich?

In der Hektik der Welt gerät langsam in Vergessenheit, wie man das Glück erlangt und es bewahrt.

Isoliertes Leben, jeder ist für sich allein. Ich werde verführt von verlockenden Lippenbekenntnissen und frivolen Betrügereien. Es gibt nichts, auf das ich mich verlassen kann und was meinem Leben standhält.

Und so vergeht eine Nacht nach der anderen. Es scheint keinen neuen Tag mehr zu geben, denn ein dunkler Schleier überzieht mehr und mehr die Gestalten, die beim Fest lachen und scherzen, als gäbe es für sie kein Morgen. Doch sie haben ein Herz im Leib, wie das eines angeschossenen Wolfes.

Denn auch dieses verletzte Tier, das um die Endgültigkeit seines Leidens weiß und keine Hoffnung mehr besitzt, strebt danach, noch so viele Unschuldige wie möglich mit sich ins Verderben zu reißen. Doch die Wölfe schlagen ihre Zähne in Schuld. Der Mensch auf Erden hat seine Unschuld verloren.

Die Gäste auf dem Fest versuchen ebenfalls, die Macht über das Leben der anderen zu erhalten. Doch sie bewegen sich wie Marionetten. Nicht ihr eigener Wille lässt sie in grotesken Windungen tanzen, sondern eine andere Macht, der sie sich ergeben haben, lenkt ihre Schritte.

„Was ist noch wahr?“

„Worauf kommt es an?“

„Was ist wichtig?“

Sie wissen es nicht mehr und haben auch kein Interesse daran, es zu erfahren. Denn es bleibt ihnen nur ein einziges Vergnügen: Die Erfüllung all ihrer Wünsche. Es ist wie ein Rausch, der nicht mehr endet.

Sie geben sich bis zur Besinnungslosigkeit hin. Der Mund, dessen Lippen erst rot verlockend verführten, ist jetzt blutleer und erstarrt. Er liegt auf dem Gesicht seiner Trägerin wie eine Maske. Nichts regt sich!

Für diese Reichen und Schönen scheint alles sinnlos zu sein. Das, was sie tun, hat schon seit langer Zeit keinerlei Bedeutung mehr für sie. Sie erkennen keinen Sinn in ihrem Handeln. Ist das vielleicht der Grund für alle Hemmungslosigkeit?

Doch sobald Drachenherz aus seinem tiefen Schlaf erwacht, steht die Realität als sein ärgster Feind vor ihm.

Bedrohlicher als die Ritter in Drachenherz Träumen ist für ihn die Wirklichkeit, gegen die er sich zur Wehr setzen muss. Unaufhörlich geschieht das. Denn die Realität ist oftmals grausamer als sein schlimmster Alptraum.

Das Schauspiel des Lebens erlaubt keinen Rollentausch. Änderungen des Drehbuches sind nicht vorgesehen. Ich muss den mir zugedachten Part akzeptieren und versuchen, ihn so gut wie möglich auszufüllen. Es bleibt mir keine andere Wahl, als die Inszenierung anzunehmen. Ob sie mir gefällt oder nicht. Die Handlung bewegt sich rücksichtslos fort und ich kann ihr keinen Einhalt gebieten.

Bei den Darstellern handelt es sich um allseits bekannte Persönlichkeiten:

Gestatten, ich bin der KÜMMERER: Ich kümmere mich um alles, nur nicht um meine eigenen Belange.

Mit Eifer hole ich das Versäumnis anderer nach, aber an mich selbst denke ich nicht.

Jemand könnte sich bei mir für das bedanken, was ich für ihn tue.

Doch das geschieht niemals.

Verzeihung, aber ich bin der SCHÜCHTERNE: Alle drängen sich an mir vorbei, obwohl ich zuerst da war.

So stehe ich immer hinten an, ohne jemals auch nur den Versuch zu unternehmen, mich dagegen zu wehren.

Denn das habe ich nicht gelernt.

Hallo, meine Schöne, ich bin CASANOVA: Ich befinde mich immerzu und ohne Unterbrechungauf der Jagd.

Mein Jagdtrieb beherrscht mich und treibt mich an.

Ich bin unruhig und halte stets Ausschau nach frischer Beute.

Aber sie erfreut mich nicht. Denn gerade eben habe ich sie erlegt, da werde ich schon wieder zur Jagd gezwungen.

Ich gebe es zu, ich bin der UNTREUE: Nichts kann man mir hingeben, denn ich bewahre es nicht.

Ich bin nicht nur anderen untreu, sondern vor allem mir selbst.

Alles hört auf mein Kommando, denn ich bin der MACHTVERSESSENE: Der Wunsch nach Macht treibt mich an und bringt mich dazu, dieser Macht Opfer zu bringen.

Ich opfere mich selbst, doch was habe ich davon?

Denn ich kann meine Macht, die ich erworben habe, nicht auskosten.

Sie nützt mir nichts, sondern lässt mich machthungrig zurück.

Achtet auf mich, denn ich bin der EITLE: Immerzu betrachte ich mein Spiegelbild.

Ich entdecke ständig Dinge an mir, die der Verbesserung bedürfen.

Mich beherrscht der Gedanke,immer noch besser aussehen zu müssen.

Niemals begnüge ich mich mit dem, wie es ist.

Immer unzufrieden mit mir selbst, strebe ich einzig und allein danach, meine Schönheit zu mehren.

Aber dabei bedenke ich nicht, dass ich vielleicht trotz meines guten Aussehens ein einsamer Mensch bleibe.

Fragt mich, denn ich bin der BESSERWISSER: Ich weiß immer alles besser.

Es gibt nichts, was ich nicht noch verbessern könnte.

Nichts kann ich so lassen wie es ein anderer gemacht hat.

Ich kann ihm keine Anerkennung geben, denn es steht mir immer vor Augen wie man es noch besser machen könnte.

Holt mich in die Wirklichkeit zurück, denn ich bin der TRÄUMER: Ich fliehe in meine Träume, denn die Realität des Lebens erschreckt mich.

Im Traum kann ich das Leben führen, wie es die Wirklichkeit niemals zulassen würde.

Welche Rolle wurde mir auf den Leib geschrieben? Ist mein Leben als Komödie oder als Tragödie inszeniert? Wer führt bei mir die Regie?

Welche Stellung nehme ich ein in meiner Familie und gegenüber Freunden, Bekannten und Kollegen? Ich erschaffe mich an jedem Tag neu und stelle mich so dar, wie ich gerne von den anderen gesehen werden möchte.

Doch sollten diese ebenfalls das nur spielen, was sie sind, auf wen kann ich mich dann noch verlassen?

Wo ist die Wahrheit zu finden? Darüber wage ich nicht mehr zu urteilen.

Wer meint es ehrlich mit dem, was er sagt?

Ich habe es gewagt, dir mein Vertrauen zu schenken.

Doch ich bin nicht sicher, ob du es verdienst.

Vielleicht täusche ich mich in dir.

Bist du wirklich so, wie du dich gibst oder spielst du mir nur etwas vor?

Ich zeige gern die angenehme Seite meines Lebens her und stelle sie geschickt dar, so dass sie von den anderen wahrgenommen wird. Manchmal bin ich versucht, damit anzugeben. Doch das andere, das ebenso zu mir gehört, halte ich verborgen, so dass es niemandem auffällt.

Manchmal bemerkt man die dunkle Seite in mir kaum. Dann gibt es Zeiten, in denen diese Macht stärker zu Tage tritt. Sie besiegt die eigene Moral und setzt meine Wertvorstellungen außer Kraft.

Weshalb bin ich nicht ehrlich? Warum baue ich mir ein Lügengebäude auf? Es wird immer undurchsichtiger und verworrener. Noch ein Stockwerk mehr, noch eine weitere verschlossene Tür. Bis es schließlich mir selbst schwerfällt, in all den unzählig gewordenen Räumen und Fluren die Orientierung zu behalten. Stets gerate ich tiefer in Verstrickungen und immer weiter entfernt sich die Möglichkeit von mir, mich selbst daraus zu befreien. Meine Lügen passieren nicht nur einfach so durch ein Versehen, ohne dass ich es eigentlich gewollt hätte. Ich scheine von etwas, das ich nicht beschreiben kann, zu meinem Handeln gezwungen zu werden. Es scheint mir keine Möglichkeit zu bleiben, um dagegen Einspruch einzulegen.

Das in meinem Inneren Verborgene verleitet mich zu meinem Handeln. Ich bin nicht der Herr über mich selbst.

Ab und zu lüge ich andere an, doch in erster Linie belüge ich mich selbst.

Denn wenn ich ehrlich zu mir wäre, müsste ich zugeben, dass eine Änderung meines Leben unausweichlich wäre.

Zwingt mich nicht bereits meine Geburt in eine vorgegebene Bahn? Ist nicht von vornherein das Gelingen oder Scheitern meines Lebens festgelegt?

Welche Macht trifft diese Entscheidungen für mich, bevor ich zu leben beginne? Oder bin ich alleine im Universum? Ist mein Leben durch einen puren Zufall entstanden?

Es würde mich trösten, wenn ich wüsste, dass mein Leben nicht zufällig passiert, sondern dass ich gewollt bin. Aus dem Sumpf des Daseins könnte ich herausgezogen werden, wenn ich die Gewissheit hätte, dass eine liebende Vatermacht mich erdacht und in Vollkommenheit geschaffen hat. Und dass diese Macht mich nicht alleine lässt, sondern mich mit ihrer Gegenwart umfängt.

Nie mehr alleine fühlen.

Niemals!

Keine Sekunde länger verlassen sein.

Niemals!

Mich nicht alleine meinen Ängsten stellen müssen.

Niemals!

Ich könnte gelassener leben, würde ich eine verlässliche Größe kennen, die mir mein Leben geschenkt hat.

Wer sagt mir eigentlich, dass ich mich selbst darum bemühen muss, mein Leben zu gestalten? Macht es überhaupt einen Sinn, wenn ich mich anstrenge? Wenn doch bereits alles vorherbestimmt ist? Wird es einen Unterschied machen, in welchen Bahnen mein Leben verlaufen wird, ob ich nun viel dafür tue oder wenig?

Es begann, ehe ich entstanden bin. Eine Macht war vorhanden, ehe Materie Form angenommen hatte und bevor aus Staub der Mensch erstand.

Wenn ich mit dieser Allmacht in Kontakt treten und sie bitten könnte, dass das Böse aus unserer Welt verschwindet, als wäre es nie dagewesen und all sein Schrecken nicht über uns käme - wäre das nicht wunderbar?

Doch so kunstvoll diese Gedankengebilde auch geschaffen sind, sie haben keinen Wert. Denn wie ich es auch betrachte: Das Dunkle in mir ist stets gegenwärtig.

An manchen Tagen erscheint mir der Kampf dagegen aussichtslos. Die daraus entstehende Hoffnungslosigkeit erweckt den Wunsch in mir, es einfach zu lassen wie es ist und keine Anstrengungen mehr zu unternehmen, um dem Dunkel in mir etwas entgegenzusetzen.

Denn es hat ja doch keinen Sinn. So sehr ich mich auch um eine Besserung bemühe, falle ich immer wieder in mein altes Verhaltensmuster zurück. Bisher war ich der Meinung, das Dunkel zu hassen – doch so, wie es aussieht, liebe ich es.

Plötzlich scheint eine Änderung meines Lebens möglich zu sein. Ich bin dem gütigen Hüter des Glücks begegnet. Er ermöglicht mir, Vergangenes zurücklassen. Kein Festhalten mehr. Mein Herz ist von seiner Gegenwart berührt. Ich lasse mich auf ihn ein und das Dunkel verliert seine Macht über mich. Es ist so einfach!

Ich habe seine Bekanntschaft gemacht. Der mir bisher unbekannt war, hat sich vorgestellt. Und nicht nur das. Er hat mir gezeigt, welchen Sinn er meinem Leben geben will. Ich soll Menschen das Glück zurückbringen. Derart getröstet können sie wissen, dass das Leben schön ist. Verführerisch. Aufregend. Spannend. Man kann übermütig sein. Lausbubenhaft. Albern. Ausgelassen. Impulsiv. Spontan. Das Leben umarmen.

Warum nur ist er nicht früher in Erscheinung getreten? Denn er hätte doch sicher verhindern können, dass das Glück zerbrach! Wie soll es mir mit meiner kleinen Kraft und meinen geringen Fähigkeiten möglich sein, den verzweifelten Menschen ihr zerbrochenes Glück zurückzubringen?

Alles ist zerbrochen.

Mein Leben liegt in Scherben. Sie sind das einzige, was ich noch in meinem Herzen spüre.

Es ist nichts mehr übrig von Liebe und Lebensfreude; alles ist kaputt gemacht.

Eine Verwüstung hat sich ausgebreitet, wohin ich auch blicke.

Wo kann ich heil werden?

Mit mir hat er sicher eine schlechte Wahl getroffen. Ganz bestimmt bin ich für diese Aufgabe nicht geeignet. Denn meine Schwachheit ist die größte der ganzen Welt. Sie füllt die Ozeane und überschwemmt alle Kontinente. Das Himmelszelt ist nicht groß genug, um sie zu fassen. Ich zittere vor Schwachheit. Und soll mich dem stellen, was ich selbst für undurchführbar halte? Bin nicht länger der mächtige und gefürchtete Drachenherz. Ich habe mich gewandelt. Jetzt bin ich verzagt und mutlos.

Doch das Bewusstsein meiner eigenen Stärke ist nicht mehr nötig, denn ich vertraue nun nicht länger mir selbst, sondern der Kraft des gütigen Hüters des Glücks.

Wo warst du nur die ganze Zeit? In all dem Streit, dem Leid und der gegenseitigen Wut dieser Welt hast du uns allein gelassen. Aber das ist nicht richtig. Niemals hattest du den Menschen verlassen, sondern in jedem einzelnen Augenblick warst du ihm nahe. Er konnte es nur nicht erkennen. Die Wahrheit war vor seinen Augen verborgen.

Und so bin ich auf dem Weg zu den Menschen, um ihnen ihr zerbrochenes Glück zurückzubringen. Aber je länger ich die Art dieser für mich rätselhaften Spezies betrachte, desto unverständlicher wird sie mir.

Es wird zwischen Gewinnern und Verlierern unterschieden. Darüber bin ich sehr erstaunt, denn diese Einteilung nimmt eine Gesellschaft vor, die selbst nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Sie hat das Bewusstsein dafür vor langer Zeit verloren durch ihren Entschluss, bei sich selbst stehen zu bleiben. Auf diese Weise muss kein anderer anerkannt werden. Unter allen Umständen musste verhindert werden, dass ihr vorgeschrieben wird, was sie zu tun und zu lassen hat. Das wollte sie nicht ertragen, die feine Gesellschaft.

Damit hat der Mensch die Fähigkeit verloren, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Er wollte selbstbestimmt leben. Das hat er erreicht. Jetzt muss er es tun. Ihm bleibt nichts anderes übrig.

Auch seinen Kindern gibt er keine Werte mit, die dem Leben Stabilität verleihen. Inzwischen kann man die Früchte der antiautoritären Erziehung erkennen. Erschreckend, was daraus entstanden ist.

Der Mensch ist nicht mehr verbindlich. Er macht keine Vorgaben und ist kein Vorbild. Seine Kinder gewinnen keine Maßstäbe und erkennen keine Grenzen, die sie schützen. Es herrscht Orientierungslosigkeit, wohin man auch blickt.

Es besteht eine grenzenlose Freiheit! Genau das ist es doch, was sich der Mensch gewünscht hat. Die Krone der Schöpfung. Erhalten hat er aber einen Lebensumstand, der ihm keinerlei Sicherheit bietet.

Er hat nichts, das verlässlich ist und keinen, dem er sein Leid klagen kann. Niemand tröstet ihn. Keiner nimmt sich um ihn an. Er ist nur auf sich selbst gestellt. Allein gelassen steht er da.

Kalt ist es geworden.

Ich empfinde keine Geborgenheit und erfahre keinen Trost.

Wo ist ein Ort, bei dem ich mich bergen kannund der mir Sicherheit für mein Leben gibt?

Ich bin völlig allein gelassen.

Aber was noch schlimmer ist: Ich weiß nicht, wohin ich mich wenden kann.

Ich wollte doch nur ein eigenverantwortliches Leben führen und niemandem Rechenschaft darüber abgeben müssen. Dieses Ziel habe ich erreicht, doch wohin hat es geführt?

Die scheinbare Freiheit hat den Menschen nicht glücklicher gemacht, sondern unglücklich. Denn sie hat ihn in eine freiwillige Isolation gebracht. Er erkennt den Weg nicht mehr, der ihn wieder herausführt.

Es kann wohl kaum eine Gesellschaft darüber entscheiden, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zählt, die selbst kalt, unbarmherzig und korrupt ist.

Sie sucht nur ihren eigenen Vorteil. Begriffe wie Rücksichtnahme und Barmherzigkeit sind ihr fremd geworden.

Bruchstückhaft kann ich mich an manches aus den vergangenen Drachenzeitaltern erinnern. Es sind schemenhafte und verschwommene Teile von Bildern aus längst vergangenen Tagen, die in den Tiefen meiner Seele begraben sind.

Ich sehe die Familie beim gemeinsamen Mittagessen; alle sind mit dabei: Mutter und Vater, Opa und Oma und die Kinder. Sie gehen liebevoll miteinander um, denn sie wissen, dass sie einander brauchen.

Dann fällt mein Blick auf die Frauen des Dorfes bei ihrem wöchentlichen Treffen. Sie freuen sich auf ihr Beisammensein; tauschen Kuchenrezepte und Neuigkeiten aus.

Sie kommunizieren miteinander und bauen damit ein starkes und funktionstüchtiges soziales System auf. Schaffen sich dadurch sichere Netze, die ihnen Sicherheit geben; denn sie zerreißen nicht, sollten sie hineinfallen.

Es sind Festungen, die aus Ehrlichkeit, Toleranz, Nähe und Verständnis im gegenseitigen Umgang erbaut wurden.

Wie anders sieht es hingegen heute aus. Wohin hat uns die moderne, viel gelobte Zeit gebracht? Wir sind kalt geworden und lassen keine Nähe zu. Das Gefühlte wird verborgen, um keine Angriffsfläche zu bieten. Was für Vorbilder sind wir, denen unsere Kinder nacheifern können?

Und das soll meine Zukunft, mein Auftrag sein? Dieser Gesellschaft soll ich das Glück zurück bringen?

Es scheint mir fast unmöglich geworden zu sein.

Ich will dich glücklich machen.

Hallo, ich rede mit dir!

Doch du kannst mich nicht hören, denn es ist zu viel, was du in dir bewegst, als dass du auf dieses kleinen Fünkchen des Glücks achten könntest.

Du tust mir leid und ich bedauere dich zutiefst.

Aber selbst das ist vergebliche Mühe, denn du bemerkst nichts davon.

Hast du vielleicht vergessen, wie sich Glück anfühlt?

Die menschliche Ignoranz wird mich nicht daran hindern, meinen Auftrag anzunehmen. So sehr sie es auch versucht. Denn ich nehme ihn aus der Hand des gütigen Hüters des Glücks entgegen. Der jeden meiner Gedanken kennt. In- und auswendig. Die verborgenen Wünsche und Sorgen meines Herzens liegen offen vor ihm.

Warum beauftragt er gerade mich? Kann er vielleicht doch nicht alles sehen? Ist ihm wirklich alles bekannt? Dann muss er doch wissen, dass ich völlig ungeeignet bin, seinen Auftrag auszuführen. In der endlichen Größe aller Dinge ist kein Wesen zu finden, das dafür so ungeeignet ist wie ich. Unter allem, was erschaffen ist, bin ich am wenigsten dafür erdacht, Menschen glücklich zu machen. Weshalb gerade ich?

Zudem bin ich ein Relikt aus alten Tagen und niemand in dieser Zeit wird mich sehen können. Es existieren ohne Zweifel viele Dinge, die uns umgeben, auch wenn man sie nicht sehen oder begreifen kann.

Spreche ich einer existierenden Größe nur deswegen ihre Realität ab, weil ich sie nicht sehen kann? Ich sollte das Unsichtbare nicht auf das Sichtbare reduzieren.

Für mich Drachenwesen, das schon längst ausgestorben ist und diese Zeit nicht überleben konnte, ist die menschliche Logik nicht zu verstehen.

So sind die angesehensten Personen einer Gesellschaft nicht zwangsläufig auch die besseren und glücklicheren Menschen.

Wie ist es möglich, dass ein Mensch auf der Sonnenseite des Lebens keinen Halt hat, niemandem mehr traut und auf die schiefe Bahn gerät? Er ist attraktiv und vermögend. Besitzt alles, wovon andere nur träumen können.

Trotzdem achtet er seine Existenz für nichts und wirft sie weg. Seine Wegbegleiter dabei sind Alkohol und Drogen. Er flüchtet in den Rausch, der nötigt ist, um sein Dasein nicht länger spüren zu müssen. Denn es ist ihm unerträglich geworden.

Das wohlbehütete, abgesicherte Sein! Er kennt keine Geldsorgen und kann tun und lassen, was er will. Warum wirft er es weg? Aus welchem Grund ist es ihm über?

Etwas Entscheidendes scheint zu fehlen, doch er weiß nicht, was es ist. Auch kein anderer kann es ihm sagen. Niemand weiß, um was es sich dabei handelt.

Und so ergibt er sich in Süchte und macht sein Leben zunichte, denn er will es nicht haben; es macht ihn trotz allem nicht glücklich.

Es ist und bleibt unbegreiflich für mich. Selbst in der Länge eines Drachenlebens kann ich dies alles nicht verstehen. Und sollte es eine Ewigkeit lang andauern.

Doch es macht nur umso deutlicher, dass ich keine Zeit verlieren darf. Jede einzelne Minute ist wichtig. Kein Zögern mehr!

Mächtige Flügel tragen mich. Bei Gebrauch entsteht ein lautes Raunen. Im Bruchteil einer einzigen Sekunde bringen sie mich dahin, wo zuvor noch nie ein Mensch gewesen ist.