Hochsensibel - Wie Sie Ihre Stärken erkennen und Ihr wirkliches Potenzial entfalten - Eliane Reichardt - E-Book
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Hochsensibel - Wie Sie Ihre Stärken erkennen und Ihr wirkliches Potenzial entfalten E-Book

Eliane Reichardt

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  • Herausgeber: Irisiana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Stark (und) hochsensibel!

Laut Schätzungen ist jeder siebte Mensch hochsensibel und nimmt die Welt um sich herum intensiver und detaillierter wahr als der Rest der Welt. Doch oft weiß er selbst nichts von seiner besonderen Veranlagung, die von anderen Menschen leider nur allzu oft als Schwäche gedeutet oder von Ärzten/Therapeuten gar als psychische Störung gewertet wird.
Dieses Buch erläutert das Phänomen Hochsensibilität ausführlich und beschreibt, in welcher Weise hochsensible Menschen Alltagssituationen wie Einkaufen, Schule oder Arbeit erleben. Auch Ausgehen und Feiern fühlt sich für sie anders an …
Wie können sie ihr Leben trotz oder gerade mit ihrer Hochsensibilität am besten meistern? Wie lässt sich Hochsensibilität aus einer vermeintlichen Schwäche in eine echte Stärke umwandeln? Und zu guter Letzt: Wie können Hochsensible das in ihnen schlummernde Potenzial erwecken und voll entfalten?

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Seitenzahl: 382

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Eliane Reichardt

Hochsensibel

Wie Sie Ihre Stärken erkennen und Ihr wirkliches Potenzial entfalten

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© 2016 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe ­Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten. Vollständige oder auszugsweise Reproduktion, gleich welcher Form (Fotokopie, Mikrofilm, elektronische Datenverarbeitung oder an­dere Verfahren), Vervielfältigung und Weitergabe von Verviel­fältigungen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Projektleitung

Andrei-Sorin Teusianu

Hannes Frisch

Redaktion

Claudia Fritzsche

Korrektorat

Susanne Schneider

Grafik / Satz / DTP

Christoph Dirkes

mediathletic bild + design, Neuenkirchen

www.mediathletic.com

Umschlaggestaltung

*zeichenpool, München

ISBN 978-3-641-17919-9V001

Meinen Kindern und meinen Enkelkindern

in Liebe

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Test: Sind Sie hochsensibel?

Teil 1

Die Forschungsgeschichte

Was Hochsensibilität ausmacht

Gefühle des „Anders-Seins“, augenscheinliche Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten

Ausgiebiges Reflektieren, augenscheinliche Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung

Ausgeprägte Empathie

Ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, Loyalität, Wahrheitsliebe

„Anderer“ Humor – davon aber reichlich!

Kreative, künstlerische Fähigkeiten

Ausgeprägte emotionale Verwundbarkeit

Überhöhte Selbstansprüche, Selbstzweifel, Selbstkritik, Perfektionismus

Reiches Innenleben

Komplexe Denkweise

Sehr gutes Gedächtnis

Überdurchschnittliche Intelligenz

Hohe Empfindlichkeit gegenüber Lärm, Geruch, Geschmack, Licht und Farben sowie Berührungen

Starke Schmerzempfindlichkeit

Empfindlichkeit gegenüber Arzneimitteln, insbesondere Psychopharmaka und/oder Betäubungsmitteln

Meiden von Menschenmassen, Abneigung gegen „Small Talk“

Hochsensibilität gestern und heute

1960 in Deutschland

Die rasante Entwicklung der nächsten Jahrzehnte

Hochsensibilität heute

Was sollte ich wissen? – Kurzer Abriss angrenzender Themen

Introvertiert oder extravertiert, spielt das eine Rolle?

Sonderfall HSS

Ein Interview

Denken in Bildern

Das Lernverhalten divergenter Denker

Hochbegabung

IQ-Test: ja oder nein?

Synästhesie

Teil 2

Wie Hochsensible ihren Alltag meistern (können)

Einkaufen – Stress pur!

Ausgehen und Feiern

In der Arbeit

In der Schule

Ich fühle, was du fühlst – kann es das geben?

Beim Arzt – „Das kann man nicht spüren!“

Tipps zur Gesundheitsvorsorge – der hochsensible Körper

Hochsensible und Psychotherapie

Langfristiger Umgang mit Hochsensibilität

Trainieren Sie Ihre Wahrnehmung

Bleiben Sie bewusst – achten Sie (auch) auf die kleinen Stressmomente!

Kümmern Sie sich um Ihre Emotionen

Lassen Sie Ihre Gefühle zu!

Respektieren Sie Ihre eigenen und die Grenzen anderer

Anhang

Nachwort

Danksagung

Weiterführende Literatur

Nützliche Internetadressen

Vorwort

Schon in meiner Kindheit und Jugend kamen Freunde und Bekannte zu mir, die mir ihre Sorgen und Nöte erzählten und mir ihr Herz ausschütteten. Ich war die gute Freundin, die aufmerksam und interessiert zuhörte und, wenn nötig und gewünscht, gemeinsam mit ihnen nach Lösungen suchte. Während meiner Ausbildung zur Arzthelferin begann ich mich für den menschlichen Körper zu interessieren und saugte alles Wissen, was dank der etwas ungewöhnlichen Ausbildung verhältnismäßig viel war, in mich auf. Unter anderem gab es das Fach „Medizingeschichte“. Der Lehrer hatte kein Interesse daran, uns Zahlen, Daten und Fakten auswendig lernen zu lassen, und las uns stattdessen oft sehr alte überlieferte Geschichten von Heilungsmethoden, unter anderem Operationen, vor. Dabei lernte ich die Begriffe „Selbstheilungskräfte“ und „Selbsthypnose“ kennen und war sofort fasziniert. Beides, Medizin und (im weitesten Sinn) Psychologie, ließ mich bis heute nicht mehr los.

Lange Zeit beschäftigte ich mich mit positivem Denken, (Selbst-)Hypnose, NLP und ähnlichen Methoden und Techniken. Dadurch wurden mir viele Fragen beantwortet, und diese Antworten konnte ich bei meinen unterschiedlichen Tätigkeiten immer auf irgendeine Weise weitergeben. Genau genommen war ich mein Leben lang als Beraterin tätig: Lebensberaterin, Existenzgründungsberaterin, Unternehmensberaterin, Beraterin für Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikationstrainerin und vieles mehr. Das alles war anregend, sehr spannend, und ich habe sehr viel gelernt. Irgendwo auf diesem Weg wurde mir deutlich bewusst, dass ich anders war als viele andere. Natürlich kannte ich dieses Gefühl bereits seit meiner frühen Kindheit. Es tauchte situationsbedingt immer mal wieder auf. Doch dass es sich so glasklar, so tief und so dauerhaft darstellte, das kannte ich noch nicht. Mir fehlte etwas. Und dieses Etwas musste etwas Grundlegendes sein. Mir wurde klar, dass ich nicht für andere, sondern für mich selbst nach Antworten, nach dieser einen Antwort suchte. Fortan ging ich zwar bewusster durchs Leben, aber in gewisser Weise auch unsicherer, weil ich nicht wusste, wonach ich konkret auf der Suche war. Ich las, recherchierte, tauschte mich mit jeweils sach- und fachkundigen Menschen über die unterschiedlichsten Themen aus. Aber so viel ich auch lernte, so sehr ich mein Wissen erweiterte, etwas fehlte immer. So verständlich, nachvollziehbar und hilfreich die Dinge auch waren, eines war immer ganz klar: Ich fühlte es nicht in meinem tiefsten Inneren und konnte nur kurzfristig das so oft versprochene Lebensgefühl entwickeln.

Ich sah mich zwischen zwei Welten: Zum einen waren da die Menschen, die einen Teil meiner Interessen teilten, aber teilweise eine Dauereuphorie an den Tag legten, die ich als unglaubwürdig empfand. Zum anderen gab es die, die das alles überhaupt nicht interessierte und deren Leben dennoch in gleichförmiger Regelmäßigkeit zu verlaufen schien. Ich war nicht unzufrieden oder gar leidend, doch mir wurde immer deutlicher, dass ich mich weder den einen noch den anderen zugehörig fühlte. Herauszufinden, warum ich mich so anders fühlte und zum großen Teil auch von anderen so gesehen wurde, wurde für mich immer dringlicher. Warum waren mir manche Dinge so außerordentlich wichtig und anderen offenbar nicht? Warum musste ich immer alles hinterfragen und andere nicht? Warum konnte ich nicht wie die meisten anderen etwas lernen und dann einfach nur über Jahrzehnte hinweg einen entsprechenden Job machen? Warum erschien mir so oft so schnell etwas sinnlos? Und warum hatte ich so oft das Gefühl, nicht (richtig) verstanden zu werden? Ich hatte eine tiefe Sehnsucht in mir, dort anzukommen, wo ich hingehörte. Denn dass es diesen Ort, diese Menschen, dieses Lebensgefühl geben musste, davon war ich überzeugt. Doch wo sollte das sein?

Aufgrund eines äußeren Anlasses begann ich, mich mit psychologischen Störungsbildern auseinanderzusetzen. Erschrocken stellte ich fest, dass viele der Symptome, denen ich dort begegnete, auch auf mich zutrafen. Zwar passte alles nicht wirklich und es fühlte sich auch nicht richtig an, aber ich wurde zunehmend unsicherer. Ich konsultierte einen Psychologen, um mit ihm darüber zu sprechen und mich entsprechend testen zu lassen. Nein, ich hatte keine Störung. Ganz im Gegenteil: Ich war völlig normal. Dass ich psychisch gesund war, spürte ich tief in mir. Aber normal …? Und so suchte ich weiter.

In einem Frühjahr fand mich das Buch Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel? von Andrea Brackmann. Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Es fand mich! Nach dieser Lektüre, die meinen tiefsten inneren Kern nicht nur berührte, sondern mich dort auch nachhaltig erschütterte, wusste ich, was bisher nicht stimmte, und es ist wahrlich nicht übertrieben, wenn ich sage, dass dieses Buch mich „nach Hause“ brachte.

Da stand ich nun mit meinem ganzen Gepäck in der Eingangstür und sah nur Chaos. Dieses Haus war bis zum Dach voll mit allen möglichen Dingen, die kreuz und quer verstreut lagen. Aber ich war mir sicher, dass ich hier richtig war. Was tun? Wo anfangen? Zuerst nahm ich eine Grobsortierung vor und begann mit dem Thema „Hochsensibilität“. Ich las, was ich finden konnte: Bücher, Internetseiten, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, meldete mich in unterschiedlichen Internetforen an und initiierte reale Treffen für Hochsensible. Und dabei brachte ich die einzelnen Dinge an die richtigen Stellen in meinem neuen Heim. Als danach immer noch viel herumlag, begab ich mich unsicher und zögerlich an das Thema „Hochbegabung“. Aber noch bevor ich richtig damit begonnen hatte, fiel mir auf, dass es da noch eine dritte Sache zu beleuchten gab: meine Synästhesie. Sie lag versteckt unter all den anderen Dingen und ich konnte anfangs nur ein Zipfelchen davon erkennen. Ich machte mich daran, auch für diese Dinge einen geeigneten Platz in meinem Haus zu finden, und es dauerte eine Weile, bis alles in den entsprechenden Schränken und Regalen verstaut war. Mittlerweile war der Sommer ins Land gegangen. Die Hochbegabung lag immer noch in Einzelteilen auf dem Boden verstreut und ich wagte mich nicht so recht daran. Ich ahnte, dass diese Dinge teilweise für mich allein zu schwer waren. Also suchte ich mir jemanden, der mir beim Tragen und Sortieren helfen sollte, und fand eine Mentorin. Mit ihrer Hilfe kamen die Dinge recht schnell an den richtigen Platz, und auch die anderen Themen konnte ich nochmals genau betrachten, teilweise umsortieren und an ihren endgültigen Platz bringen. Nebenbei lernte ich eine Menge mehr von ihr und entwickelte allmählich ein tiefes Verständnis nicht nur für meine individuellen Angelegenheiten, sondern auch für die anderer Hochsensibler. Immer wenn meine Mentorin abends nach getaner Arbeit ging, ließ sie mir eine Denkaufgabe da – und ich dachte nach, las, recherchierte und sortierte die ganze Nacht. Es war anstrengend. Es hat mich an jedem einzelnen Tag viel Kraft gekostet, es war mit Freude und Euphorie verbunden, aber auch mit Trauer, Frustration und vielen Tränen. Und immer wieder neuen Fragezeichen. So manches Mal war ich nahe daran aufzugeben, aber was wäre dann gewesen? Heute ist mein Haus meine Heimat. Immer mal wieder stelle ich kleine Dinge um, doch im Großen und Ganzen hat alles seine feste Ordnung. Viele Sachen, die ich damals mitbrachte, habe ich in dieser Zeit entsorgt, auf den Müll geworfen. Neue Dinge sind hinzugekommen und ergeben zusammen mit den noch vorhandenen alten ein stimmiges Gesamtbild. Es ist gemütlich geworden in meinem neuen Heim. Eine wohltuende Ruhe umgibt mich. Und im Kamin brennt ein Feuer, das mich im Winter wärmt und im Sommer belebt. Manchmal lodert es und manchmal glimmt es, aber es erlischt nicht. Es bleibt. Endlich.

Nach meinen Ausbildungen im Trappmann-Institut arbeite ich seit 2013 als Beraterin und Coach für hochsensible und hochbegabte Erwachsene und bin Counselor für Unternehmen. (Mehr dazu finden Sie auf meiner Website: www.eliane-reichardt.de) Ich initiierte einige monatliche Stammtische für hochsensible und hochbegabte Erwachsene, und im März 2014 gründete ich auf Facebook eine Gruppe mit dem Namen „Hochsensitivität-Hochbegabung-Synästhesie“, deren Mitgliederzahl innerhalb nur eines Jahres auf etwa 3.000 gestiegen war und stetig weiterwächst. Ich moderiere diese Gruppe nach wie vor aktiv.

Dabei stelle ich immer wieder fest, dass viele sich regelmäßig wiederholende Fragen offen sind. Es handelt sich zum größten Teil um Fragen nach Identifizierungsmöglichkeiten von Hochsensibilität (der Begriff „Diagnose“ ist hier nicht angemessen), nach der Ursache, nach Intensität, Umfang und Ausmaß und nicht zuletzt um Fragen des Umgangs damit. Sehr oft höre und lese ich auch die Frage „Woher kommen denn plötzlich die vielen hochsensiblen Menschen?“.

Auch in meiner Praxis erfahre ich, dass aufgrund fehlenden oder bruchstückhaften Wissens eine teilweise große Unsicherheit besteht. Diese Unsicherheit ist oft die Ursache dafür, dass sich Hochsensible nur schwer oder gar nicht in ihrem Sosein annehmen können, was wiederum verhindert, dass entsprechende Tipps oder Übungen in die Tiefe, an den Kern der Person gehen können. Die Erfolge solcher Kurse – im Sinn eines positiven Lebensgefühls – sind meist nur von kurzer Dauer, weswegen diese Menschen auch einen Kurs nach dem anderen besuchen. Aus diesem Grund bin ich recht schnell dazu übergegangen, Grundlagen- und Hintergrundwissen über Hochsensibilität zu vermitteln, um damit ein tieferes Verständnis für das Thema an sich und für die individuelle Intensität und Ausprägung zu fördern. Das ist ähnlich der Psychoedukation in der Medizin und Psychologie, die die Patienten durch genaue Kenntnis ihrer Krankheit in die Lage versetzt, besser damit umzugehen. Dieses Prinzip funktioniert auch in der Beratung hochsensibler und hochbegabter Erwachsener sehr gut und zeigt dauerhafte Erfolge. Die Antworten auf die Fragen „Was?“, „Wie?“ und „Warum?“ bilden eine sehr gute Grundlage für eine nachhaltige Veränderung, denn Veränderung beginnt im Bewusstsein.

Psychoedukation ist ein ausgezeichnetes Werkzeug, es ist der Generalschlüssel, der Ihnen Zugang zu jedem Raum in Ihrem Haus verschafft. Mit diesem Buch gebe ich Ihnen dieses Werkzeug an die Hand und zeige Ihnen darüber hinaus an Beispielen, wie Sie damit umgehen können, um zukünftig Ihre eigenen, ganz individuellen Lösungen zu finden. Ganz nach Konfuzius:

„Gib einem Mann einen Fisch, und du ernährst ihn für einen Tag.

Lehre einen Mann zu fischen, und du ernährst ihn für sein Leben.“

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen einen reichen Erkenntnisgewinn und viel Erfolg mit diesem Buch!

Nottuln, im Mai 2015

Einleitung

Selbstverständlich sind alle Menschen individuell unterschiedlich. Dennoch gibt es einige Merkmale und Verhaltensweisen, die hochsensible Menschen gemeinsam haben, an denen sie sich selbst erkennen und erkannt werden können.

Sie erleben sich selbst als anders – oft schon seit sie denken können. Ihre fünf Sinne sind empfindsamer, sodass sie eben auch Geräusche, Gerüche, Geschmäcker, Licht, Farben und Berührungen stärker empfinden und stärker darauf reagieren. Sie verfügen über eine ausgeprägte Empathie, können sich gut in andere Menschen, aber auch in Tiere und sogar in Pflanzen hineinversetzen. Dabei zeigen sie aber nicht unbedingt eine erhöhte Emotionalität. Aufgrund ihres komplexen Denkens verfügen sie über ein reiches, buntes und vielgestaltiges Innenleben und eine ebensolche Traumwelt. Aus diesem Grund ermüdet sie Small Talk, wogegen sie in tiefsinnigen Gesprächen geradezu aufblühen. Sie empfinden andere Menschen oft als oberflächlich – und im Gegenzug werden sie von anderen mitunter als „kompliziert“ bezeichnet. Auch Aussagen wie „Stell dich nicht so an!“, „Du bist aber mal wieder empfindlich!“, „Nimm doch nicht alles so persönlich!“, „Leg dir mal ein dickeres Fell zu!“ und Ähnliches sind Hochsensiblen wohlbekannt. Sie gelten häufig als „ruhig“, „schüchtern“ oder „ängstlich“, als „vorlaut“ oder „altklug“ und bisweilen als „zickig“, „launisch“ oder „unberechenbar“.

In allen ihren Eigenschaften und Verhaltensweisen scheinen sie zu irgendetwas zu sein. Zu schüchtern, zu empfindlich, zu ruhebedürftig, zu nervös, zu ängstlich, zu ruhig, aber auch: zu ungeduldig, zu laut, zu quirlig, zu wissbegierig, zu unbequem und vieles andere mehr. Scheinbar grübeln sie zu viel, erklären zu viel und interpretieren in alles zu viel hinein.

Etwa 15 Prozent aller Menschen sind hochsensibel, doch erst seit wenigen Jahren wird diese Tatsache öffentlich thematisiert, und seither erkennen immer mehr Menschen diese Eigenart an sich selbst. Mitunter wird sie auch von – bisher leider noch wenigen – Therapeuten oder Ärzten festgestellt.

Die Begrifflichkeiten für dieses Phänomen sind uneinheitlich und vielfältig. „Hochsensibilität“, „Hochsensitivität“, „Hypersensibilität“, „feinfühlig“, „empfindsam“, „zart besaitet“ oder „dünnhäutig“ sind nur einige davon. Sehr häufig liest man auch die Abkürzung „HSP“ für den amerikanischen Begriff „Highly Sensitive Person“. Ich selbst benutze lieber die deutsche Variante „HSM“ für „Hochsensitiver“ oder „Hochsensibler Mensch“ (unter anderem deshalb, weil HSP hierzulande die Krankheit Hereditäre Spastische Spinalparalyse bezeichnet) und HSK für „Hochsensitive“ oder „Hochsensible Kinder“. All diese Begriffe gehen zurück auf die Forschungen der amerikanischen Psychologin Prof. Dr. Elaine N. Aron aus den 1990er-Jahren, die sie 1996 in ihrem Buch The Highly Sensitive Person (dt.: Sind Sie hochsensibel?) erstmalig für eine breite Öffentlichkeit zusammenfasste. Während im wissenschaftlichen Sprachgebrauch der Begriff „Hochsensitivität“ üblich ist, hat sich in der Öffentlichkeit der Begriff „Hochsensibilität“ (HS) etabliert, den ich in diesem Buch verwende.

Seit der ersten deutschsprachigen Veröffentlichung ist auch hier bei uns vieles zum Thema gesagt und geschrieben worden. In den Medien ist von „geringerer Belastbarkeit“ die Rede, von „erhöhtem Rückzugsbedürfnis“, „erhöhter emotionaler Sensibilität“, von „Gabe und Fluch“, ja gar von einem „Leben ohne Filter“.

An einigen Stellen wird spekuliert und gerätselt, warum es immer mehr hochsensible Menschen zu geben scheint, und daraus entwickeln sich geradezu abenteuerliche Theorien, die von evolutionärer Weiterentwicklung bis hin zu Traumata in allen Varianten reichen. Und manchmal wird Hochsensibilität auch als „der neue Hype“ abgetan. Die Frage nach der Ursache von Hochsensibilität hat ebenfalls viele unterschiedliche Vermutungen aufgeworfen.

All das hört sich nicht gerade positiv an und erweckt den Eindruck, dass HSM so gar nicht in unsere heutige Gesellschaft zu passen scheinen. Wer möchte auch schon – und hier sind insbesondere Männer betroffen – als „Sensibelchen“ gelten? Dabei ist Hochsensibilität zunächst ein auf beide Geschlechter gleichmäßig verteiltes, ganz normales Persönlichkeitsmerkmal, das in seinen Grundzügen wundervolle Eigenschaften beinhaltet. Und es unterscheidet sich grundlegend von einer hohen emotionalen Sensibilität. Während emotionale Sensibilität für ein tieferes Empfinden steht, bedeutet Hochsensibilität „mehr wahrnehmen, mehr denken, mehr fühlen“. Der Schwerpunkt liegt nur in einigen Fällen und nur augenscheinlich auf den Emotionen. Tatsächlich gründet Hochsensibilität auf einer anderen Art der Wahrnehmung. Daraus resultieren „typische“ Merkmale hochsensibler Menschen, die – je nach Persönlichkeit und Leidensdruck – auch mit rein emotionaler Sensibilität verwechselt werden können. Nicht jeder sichtlich emotionale Mensch ist also hochsensibel und nicht jeder Hochsensible ist sichtlich emotional.

Elaine Aron sagt dazu in ihrem Buch Hochsensible in der Psychotherapie:

„Sensibilität im hier definierten Sinne darf nicht mit Fürsorglichkeit für andere oder Einfühlungsvermögen gleichgesetzt werden und auch nicht mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik.“ […] „Wenn man Hochsensibilität feststellen will, hält man Ausschau nach vier Kategorien: gründliche Informationsverarbeitung, Übererregbarkeit, emotionale Intensität und sensorische Empfindlichkeit.“

Ich habe eine kleine private Umfrage unter etwa 50 HSM durchgeführt, um zu erfahren, wie die allgemeine Berichterstattung bei hochsensibel veranlagten Menschen ankommt. Die meisten empfinden sie als zu einseitig auf das Emotionale fokussiert und teilweise an der Grenze zur Pathologisierung. Sie wünschen sich einen sachlicheren Umgang damit, sie meinen, dass mehr Facetten der HS aufgezeigt und vor allem die Vorteile stärker in den Vordergrund gerückt werden sollten. Allgemein hegen die von mir Befragten die Befürchtung, dass bei der bisher gängigen Art der Berichterstattung HS entweder als Hype abgetan oder als Wahrnehmungsstörung aufgefasst werden könnte.

Doch Hochsensibilität ist weder das eine noch das andere. Es hat sie immer schon gegeben, sie existiert im Tierreich genauso wie unter den Menschen. Und sie hatte schon immer denselben Anteil von etwa 15 Prozent in jeder Population. Elaine Aron hält dies für aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht ganz normal und postuliert, es sei für jede Population überlebenswichtig, ihren Anteil Hochsensibler zu haben. Wenn man bedenkt, dass Hochsensible über eine intuitive Wahrnehmung verfügen und damit Subtiles sehr gut und schnell erkennen, macht dies auch Sinn. Bei Tierherden in freier Wildbahn kann man noch heute gut beobachten, dass es immer dieselben Tiere sind, die zuerst aufhorchen, wenn sie Gefahr oder neue Wasser- und Futterquellen wittern. Im Fall der Flucht sind genau diese Tiere ganz vorne, lassen dabei aber die schwächeren niemals aus den Augen. Kommt es zum Kampf, stehen sie ganz sicher in einer der hinteren Reihen. Und bei genauerem Hinschauen kann man ebenfalls erkennen, dass diese Tiere den kleineren Teil der Herde ausmachen. Es muss diese sensiblen Tiere geben, genauso wie die weniger sensiblen, die viel besser kämpfen können und damit ihren Anteil zum Überleben der Population leisten. Offenbar ist es von Natur aus nicht möglich, beide Seiten in einem Lebewesen zu vereinen.

Sicher war dies in den Frühzeiten der Menschheitsgeschichte auch unter uns ganz normal und jeder hat ganz selbstverständlich die Vorzüge des anderen zum Wohle aller genutzt. Mit der Weiterentwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten und den damit verbundenen Erfindungen hat dieser Unterschied sukzessive an Präsenz verloren. Die Menschen, Normalsensible wie Hochsensible, kamen mehr und mehr in die Lage, die vermeintlichen eigenen Schwächen beispielsweise durch die Nutzung von Erfindungen auszugleichen. Und so sind im Lauf der Jahrtausende die Besonderheiten dieser zwei so unterschiedlichen und doch gleichen Typen in Vergessenheit geraten. Das heißt aber nicht, dass es sie nicht mehr gäbe. Angefangen beim griechischen Arzt Hippokrates über die großen Philosophen und Künstler wie Leonardo da Vinci und Picasso bis hin zu Charlie Chaplin, um nur einige zu nennen, gab und gibt es immer Menschen, bei denen deutliche Merkmale von Hochsensibilität sichtbar waren und sind. Meiner Ansicht nach kann eine ganze Population überlebensnotwendige Fähigkeiten nicht grundsätzlich verlieren. Nur die Art und Weise, wie wir diese Fähigkeiten in unserer heutigen Gesellschaft nutzen können und sollten, ja gar müssen, ist eine andere geworden. Und dies gilt gleichermaßen für Normalsensible wie für Hochsensible. Immer noch sind beide für das Überleben unserer Population gleich wichtig. Allein aus diesem gewichtigen Grund sollten sich Hochsensible ihrer selbst wieder bewusst werden und lernen, sich in dieser sich immer schneller verändernden Welt so gut zurechtzufinden, dass sie ihre Aufgabe von leichter Hand erfüllen können. Sowohl ganz individuell in ihrem persönlichen Umfeld als auch in unserer Gesellschaft.

Weil es Hochsensibilität – wie beispielsweise auch die Hochbegabung – immer schon gab, kann man davon ausgehen, dass sie auch genauso „normalverteilt“ ist. Dies lässt sich anhand der Gauß-Kurve analog zur Verteilung der Intelligenz sehr gut verdeutlichen:

Die Mitte der Kurve, der Scheitelpunkt (unten mit „100“ gekennzeichnet), stellt eine normalintensive Sensibilität dar. Der mittlere Bereich, durch die beiden senkrechten Linien gekennzeichnet, ist also der Normbereich. In diesen Bereich fallen etwa 68 Prozent der Bevölkerung. Die etwa 16 Prozent auf der linken Seite sind demnach wenig sensibel und die etwa 16 Prozent auf der rechten Seite hochsensibel.

Anmerkung: In Verbindung mit meiner Herleitung über die Normalverteilung der Intelligenz drängt sich hier möglicherweise die Vorstellung auf, Hochsensibilität sei identisch mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Und die Tatsache, dass Hochsensiblen in nahezu jeder Abhandlung eine überdurchschnittliche Intelligenz bescheinigt wird, bestärkt diese Vermutung. Doch entbehrt meine Vorgehensweise natürlich jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und müsste mithilfe adäquater Methoden erst noch bewiesen werden.

Betrachtet man nun ausschließlich den Anteil der Hochsensiblen (rechts), so ist davon auszugehen, dass die Intensität der Hochsensibilität innerhalb dieser Gruppe ebenfalls normalverteilt ist.

Hier lässt sich die jeweilige Intensität der Hochsensibilität erkennen. Der linke Teil (1) mit etwa 16 Prozent liegt nicht sehr weit von der Normalsensibilität entfernt. Das mögen Menschen sein, denen ihre Hochsensibilität selbst nicht besonders auffällt und für die die Information, dass sie hochsensibel sind, kaum einen Unterschied macht. Die Hochsensiblen, die zum großen mittleren Teil gehören (2), sind sowohl für sich selbst als auch für andere deutlich erkennbar, können ihre Veranlagung aber noch recht gut kompensieren. Bei denen, die dem ganz rechten Teil der Kurve zugehören (3), ist die Hochsensibilität stark bis extrem ausgeprägt und sie empfinden in unserer hoch technisierten Gesellschaft einen großen Leidensdruck, der sie möglicherweise sehr belastet.

Ob ein Mensch mit seiner Hochsensibilität im Alltag gut zurechtkommt, ist also von vielen Faktoren abhängig. Elaine Aron stellte bereits fest, dass es Hochsensible gibt, die von Normalsensiblen kaum zu unterscheiden sind, und die obigen Grafiken bestätigen dies. Weshalb also können manche Hochsensible ihr Leben ganz „normal“ gestalten, während andere unter ihrer Veranlagung regelrecht leiden?

Es sind vielfältige Einflussfaktoren, die entscheidend zum persönlichen Empfinden eines jeden Menschen, vor allem eines Hochsensiblen, beitragen. Wie meine bisherigen Ausführungen zeigen, ist die Intensität der eigenen HS ein wesentlicher Faktor. Weitere Faktoren sind das Umfeld, in dem ein Mensch aufwächst, und seine individuelle psychische Resilienz (Widerstandskraft). Bei Hochsensiblen sind darüber hinaus die Ausprägung ihrer Hochsensibilität und – je nach Intensität – ganz besonders auch ihr Erkenntnisstand darüber von wesentlicher Bedeutung – vor allen Dingen im heutigen gesellschaftlichen Kontext.

Die Erkenntnis, selbst hochsensibel zu sein, ist für die so Veranlagten in den meisten Fällen zunächst eine große Erleichterung. Einen Namen für sein Sosein gefunden zu haben, eine Erklärung, warum man sich zeit seines Lebens so anders gefühlt hat, vermittelt einem das Gefühl, dass nun etwas ganz massiv geradegerückt wird. Es ist, als sei man sein ganzes Leben lang in den falschen Schuhen herumgelaufen und habe jetzt endlich die passenden gefunden. Bei manchen HSM reicht schon diese Erkenntnis aus, damit sie in Zukunft anders und besser mit sich selbst und ihrem Umfeld umgehen können. Bei anderen verliert sich diese Wirkung im Alltag wieder. In meiner praktischen Arbeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Betrachtung dieses Persönlichkeitsmerkmals im entwicklungsgeschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext große Aha-Effekte hervorruft, und deshalb ist die Sicht aus dieser Perspektive außerordentlich förderlich für ein tief greifendes und umfassendes Verständnis der HS an sich. Dieses Persönlichkeitsmerkmal losgelöst von der eigenen individuellen Befindlichkeit zu betrachten, gewissermaßen von einer Metaebene aus, trägt maßgeblich dazu bei, sich schneller, besser und wirklich stimmig verorten zu können. Danach fällt der vorbehaltlose Blick auf die eigene individuelle HS erheblich leichter, und die Akzeptanz erfolgt schneller. Von der grundsätzlichen Akzeptanz der Hochsensibilität an sich ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Selbstakzeptanz, und damit ist der Grundstein für eine nachhaltige Veränderung gelegt. Diese Veränderung basiert zum großen Teil auf der veränderten Sichtweise und beginnt damit, sich auf die Unterschiede zu Normalsensiblen zu konzentrieren. Ich werde oft gefragt, ob dies denn Sinn mache und man sich dadurch nicht noch weiter von anderen entferne. Man sollte doch eher bestrebt sein, sich auf Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Das ist absolut richtig! Natürlich müssen wir uns für ein angenehmes und harmonisches Leben miteinander auf die Gemeinsamkeiten fokussieren. Doch dafür ist eine Abgrenzung zwingend nötig. „Abgrenzung“ bedeutet hierbei nicht etwa „Ausgrenzung“, sondern meint die sichere Verortung der eigenen Person. Dies geschieht normalerweise bereits im Kindesalter unbewusst, spielerisch und „nebenbei“ durch Interaktion und Kommunikation mit anderen. Ist jemand aber in einem seine Persönlichkeitsmerkmale ablehnenden Umfeld aufgewachsen und/oder hat(te) niemanden, in dem er sich spiegeln, mit dem er sich messen kann oder konnte, kann diese Abgrenzung nicht in natürlicher Weise erfolgen und mündet oft in einem Gefühl des Ausgegrenzt-Seins. Dazu muss ein Mensch nicht zwingend hochsensibel veranlagt sein. Doch sind Hochsensible hier deutlich stärker gefährdet, weil sie subtile Signale sehr stark wahrnehmen und es von daher keiner verbalen Ablehnung bedarf, um sie zu irritieren, sondern schon kleinste Hinweise nonverbaler Natur ausreichen.

Wenn Sie selbst nicht wissen, wie und wer Sie überhaupt sind und wo Sie stehen, werden Sie sich nicht korrekt abgrenzen und verorten können, und es ist nur menschlich, dass daraus Unsicherheit entsteht. Ein selbst-unsicherer Mensch wird sich kaum unbeschwert in eine Gemeinschaft einfügen können. Diese Erfahrung haben Sie in Ihrem bisherigen Leben vermutlich schon zur Genüge gemacht. So sehr Sie sich auch bemühten, Sie fühlten sich nicht zugehörig, nicht „kompatibel“, immer irgendwie „anders“. Weil Sie nicht wussten, woraus dieses Gefühl entstanden ist, konnten Sie auch nichts daran ändern. Ein Dilemma!

Dem hochsensiblen Menschen wird aus dem Erkennen und Anerkennen der spezifischen Unterschiede zu normalsensiblen Menschen ein neues Selbstverständnis erwachsen, aus dem letztendlich ein positives Selbstwertgefühl entsteht, was wiederum Selbst-Sicherheit zur Folge hat. Sie holen die kindliche Entwicklung praktisch nach, was sich für einen Erwachsenen um einiges schwieriger gestaltet, aber ganz sicher möglich ist. Nur geht das im Erwachsenenalter nicht mehr spielerisch vonstatten, sondern läuft als Lernprozess über den Verstand. Erst dadurch entsteht die Möglichkeit für ein harmonisches Miteinander, auch und besonders mit Normalsensiblen. Denn dies ist das Ziel der Reise zum hochsensiblen Selbst: ein gemeinschaftliches, harmonisches Miteinander mit allen Menschen.

Heinz beschreibt es so:

„Ich werde dadurch bewusster im Umgang mit mir selbst und mit meiner Umgebung. Zu wissen, was, wie und vor allem warum es so ist, wie es ist, lässt mich meine Verhaltensmuster verstehen und bringt mich mir und meinem Sein näher. Damit verändert sich meine innere Haltung zu mir selbst: Ich akzeptiere mich in meinem Sosein, und mein Selbstwertgefühl hat sich spürbar verbessert.“

Claudia sagt:

„Als ich einen Namen für mein Anderssein gefunden hatte, war ich so erleichtert. Leider hat dieses Gefühl nicht lange angehalten. Ich kam mit mir und der Gesellschaft deswegen nicht besser zurecht. Immer noch habe ich mich gefragt, warum mich niemand verstand. Seit ich weiß, wo und wie genau ich „anders“ bin und meine Warum-Fragen beantwortet wurden, habe ich keine großen Probleme mehr. Sogar in der Familie und im Freundeskreis wurde das bemerkt. Ich sei ganz anders geworden, sagt man mir oft. So leicht und unbeschwert. Ja, das stimmt: Ich fühle mich, als wäre mir eine große Last von den Schultern genommen worden. Aber nicht, weil ich eine andere geworden bin, sondern weil ich endlich ich selbst bin.“

Test: Sind Sie hochsensibel?

Elaine Aron entwickelte einen Test zur Hochsensibilität, der heute die Grundlage nahezu aller Tests bildet, die im Internet und in Büchern zu finden sind. Auch dieser von mir auf der Basis meiner Erfahrungen selbst entwickelte, sehr ausführliche Test geht in seinen Grundzügen natürlich auf den von Elaine Aron zurück. Ich habe einige Punkte ergänzend hinzugefügt, die sich im Lauf meiner Praxiszeit als bezeichnend herauskristallisiert haben. Dabei habe ich auch Erkenntnisse aus angrenzenden Bereichen miteinbezogen, deren Zusammenhang mit HS bisher noch nicht wissenschaftlich belegt ist, die sich in meiner Praxis aber ausnahmslos bestätigt haben. Beim Lesen bedenken Sie bitte, dass Sie nicht alle Punkte bejahen müssen, um sich selbst als HSM einstufen zu können. Des Weiteren sind auch Aussagen eingeflochten, die speziell auf extravertierte und/oder High Sensation Seeker abzielen (nähere Erläuterungen dazu finden Sie hier: Sonderfall HSS). Das Gros der HSM ist jedoch introvertiert. Lassen Sie sich also nicht verunsichern und bestätigen oder verwerfen Sie die jeweilige Aussage einfach ganz spontan, ohne lange zu überlegen.

Selbstverständlich ist dieser Test, wie jeder andere auch, eine Selbsteinschätzung. Derzeit gibt es (noch) keine Möglichkeit einer objektiven Identifizierung. Der Begriff „Diagnose“ ist hier nicht angemessen, denn HS ist keine Krankheit. Die körperlichen Aspekte sind meines Wissens noch nicht eindeutig belegbar.

Doch machen Sie sich darum keine Sorgen: Sie werden deutlich spüren, ob Sie mit den einzelnen Aussagen in Resonanz gehen oder nicht. Anhand Ihrer Bejahung der Aussagen lässt sich schon recht sicher feststellen, ob dieses Persönlichkeitsmerkmal bei Ihnen vorliegt.

Der Test

Das Fremdbild

Sie wurden/werden oft als „sensibel“, „empfindlich“, „schüchtern“, „scheu“, „ängstlich“ oder „verträumt“ bezeichnet.Ihnen wurde/wird gesagt, dass Sie sich Dinge einbilden, zu viel in etwas hineininterpretieren, sich in etwas hineinsteigern, dass Sie überreagieren, sich „anstellen“.Außenstehende bezeichnen Sie als „zickig“, „schwierig“, „kompliziert“, „launisch“, „unberechenbar“. Als Kind hörten Sie auch öfter, Sie seien altklug.Man sagt, sie seien sprunghaft in Ihren Gedanken. Sie hören oder merken häufiger, dass andere Ihnen nicht folgen können.Man unterstellt Ihnen Schwierigkeiten in sozialen Kontakten, bezeichnet Sie als „arrogant“, „Besserwisser“, als „Hemmschuh“ oder „Spaßbremse“.

Sensorisches

Bei andauerndem starkem Lärm können Sie sich schlecht oder gar nicht konzentrieren.Martinshörner und ähnlich intensive, laute Geräusche halten Sie nur schwer aus.Das Ticken von Uhren, das Tropfen defekter Wasserhähne oder das Summen von Neonröhren ist Ihnen unangenehm – Sie werden unruhig, nervös oder gar ungehalten.Hintergrundgespräche und -geräusche stören Sie.Sie hören auch leise, entfernte Geräusche, die andere nicht wahrnehmen.Kaugeräusche oder eine laute oder schwere Atmung anderer sind Ihnen unangenehm.Musikalische Misstöne hören Sie sofort heraus, auch wenn Sie selbst kein Musiker sind.Grelles Licht, wie zum Beispiel Neonlicht, ist Ihnen nur schwer erträglich. Durch das Halogenlicht entgegenkommender Fahrzeuge, aber auch die Reflexion in den Spiegeln, fühlen Sie sich stark beeinträchtigt bis extrem geblendet.Dämmerung, Zwielicht kann Sie verunsichern.Sie nehmen Farben deutlich intensiver wahr als andere; grelle Farben können Sie nicht ansehen.Kleine oder nicht klare Muster, zum Beispiel Pepita oder Hahnentritt, beginnen vor Ihren Augen ineinander zu verlaufen oder sich zu bewegen.Sie genießen zarte Düfte, können sich aber auch an kräftigen Düften der Natur erfreuen. Sie riechen beispielsweise Pilze, die sich noch im Waldboden befinden, herannahenden Regen oder Schnee.Vor Unwettern oder anderen Naturereignissen in Ihrer unmittelbaren Umgebung sind Sie nervös, gereizt oder reagieren mit körperlichen Symptomen wie starker innerer Unruhe, Zittern, Herzrasen oder Atemnot.Sie haben eine Abneigung gegen künstliche Düfte und fühlen sich in der Nähe stark parfümierter oder desodorierter Menschen unwohl. In parfümierten Wohnungen oder Autos wird Ihnen übel.Intensive unangenehme Gerüche können Sie nur schwer ertragen, sie verursachen Ihnen mitunter sogar körperliche Übelkeit.Sie haben einen feinen Geschmackssinn und können einzelne Zutaten in Speisen differenziert herausschmecken.Sie schmecken es bereits einen Tag vorher, ob die Wurst, die Milch oder die Butter morgen verdorben sein werden.Schon der Anblick von Obst, Gemüse oder Kräutern kann Ihnen ihren Geschmack in den Mund zaubern.Sie haben allein aufgrund von deren Konsistenz eine Abneigung gegen einige Lebensmittel.Einige Dinge fühlen sich für Sie so gut an, dass Sie die Berührung sehr genießen können. Bei anderen Dingen vermeiden Sie die Berührung, weil es sich nicht gut anfühlt (zum Beispiel Holz, Metall, Leder, verschiedene Stoffe). So kann der eine Mensch die Berührung beispielsweise von Holz sehr genießen, während sie bei einem anderen möglicherweise eine Gänsehaut hervorruft.Sie können Eisstiele aus Holz nicht im Mund haben und nicht aus Pappbechern trinken.In Kleidung eingenähte Label oder Waschanleitungen entfernen Sie, weil Sie sie beim Tragen als störend empfinden.Pullover aus Wolle kratzen und jucken auf der Haut, selbst durch die Unterwäsche.Kleidung aus synthetischen Materialien ist Ihnen unangenehm auf der Haut. Sie haben das Empfinden, Ihre Haut könne nicht atmen.Sie spüren deutlich Nähte an Strümpfen, T-Shirts und Handschuhen, Falten in Bettlaken, und das ist Ihnen so unangenehm, dass Sie den Drang verspüren, diese Dinge „geradezurichten“.Schals, Halstücher und Krawatten und Rollkragen engen Sie ein, auch die übrige Kleidung darf nicht zu eng sein. Kopfbedeckungen, vor allem Mützen, sind Ihnen unerträglich.Sie spüren Unebenheiten im Untergrund, auf dem Sie stehen oder gehen, selbst durch Ihr Schuhwerk hindurch.Sie fühlen sich körperlich bedrängt, wenn Ihnen jemand zu nahe rückt, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln oder an der Kasse im Supermarkt.Sie können im körperlichen und emotionalen Ruhezustand Ihren Herzschlag spüren.Sie haben Probleme damit, größere Dinge (zum Beispiel Tabletten) zu schlucken, und spüren genau, wie diese Ihre Speiseröhre passieren.Sie können Lage, Größe und Funktion Ihrer inneren Organe spüren und merken schnell, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Körperliches

Sie mögen nicht gern an (in) den Ohren berührt werden. Ohropax und Ohrmuschel-Lautsprecher („In-ear“ und „Stöpsel“) sind Ihnen unangenehm und fallen manchmal nach einiger Zeit von selbst wieder heraus. Sie können auch Gleichgewichtsprobleme (Schwindelgefühle) verursachen. Routineuntersuchungen beim Ohrenarzt erfahren Sie mitunter als schmerzhaft, und Wattestäbchen benutzen Sie gar nicht oder nur mit großer Vorsicht.Sie sind temperaturempfindlich. Sowohl Kälte als auch Hitze können Sie nicht gut ertragen. Am wohlsten fühlen Sie sich bei etwa 20 bis 25 Grad Celsius. Sie mögen eine leichte Brise; Zugluft wirkt sich allerdings negativ auf Ihren Gemütszustand aus.Sie zeigen starke Reaktionen oder Unverträglichkeiten bei Kaffee, schwarzem Tee, Alkohol und Medikamenten, sind sehr schmerzempfindlich und spüren beginnende Krankheiten schon frühzeitig. Betäubungsmittel wirken bei Ihnen oft nicht so, wie sie sollten, und vor allem beim Zahnarzt muss das Lokalanästhetikum oft nachgespritzt werden.Sie leiden an Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und reagieren auf künstliche Zusatzstoffe in der Nahrung, auf Schadstoffe in der Luft; und auch die Reisekrankheit ist Ihnen wohlbekannt. Auf psychischen Stress reagieren Sie mit körperlichen Symptomen.Sie bekommen häufig ganz plötzlich großen Hunger und müssen dann sogleich etwas essen, weil es sonst Ihre Stimmung und Ihre Konzentration beeinträchtigt.Sie sind häufig motorisch unruhig, stehen immer wieder auf, laufen im Zimmer auf und ab oder wippen hektisch mit einem Bein.

Das Innenleben

Sie sind wissbegierig und lernen gern und viel, bisweilen auch exzessiv. Dabei gehen Ihnen nie die Möglichkeiten aus, denn Sie sind vielseitig interessiert.In Gesprächen nehmen Sie die Dinge oftmals sehr genau, sind sehr differenziert und manchmal auch detailverliebt. Sie legen Worte buchstäblich auf die „Goldwaage“.Sie sind es gewöhnt, über den Tellerrand zu blicken, Verbindungen zwischen unterschiedlichen Themen herzustellen und sie auch miteinander zu verknüpfen.Als aufmerksamer Zuhörer und Zuschauer nehmen Sie schnell Informationen auf, die Sie dazu bringen, neue Querverbindungen herzustellen oder etwas neu zu differenzieren, und manchmal geraten Sie dabei auf geistige Höhenflüge.Sie denken sehr komplex, berücksichtigen alle Ihnen bekannten Möglichkeiten und betrachten die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei können Sie auch „durch die Augen anderer“ schauen und werden nicht selten zum Advocatus Diaboli.Zwischen den Zeilen zu lesen und Zwischentöne zu hören ist für Sie völlig normal.Sie haben eine ausgeprägte Wahrnehmung von Unterschwelligem, können dies deuten und so auch unterdrückte oder überspielte Stimmungen bei anderen Menschen sehr gut spüren.Sie haben häufig Gedankenblitze, Eingebungen und neue Erkenntnisse, die aus dem Nichts zu kommen scheinen.Sie sind ein guter Zuhörer und spüren schnell, wie es anderen geht. Deshalb kommt jeder gern zu Ihnen, um sein Herz auszuschütten. Dabei erfahren diese Personen großes Mitgefühl von Ihnen. Manchmal leiden Sie auch mit den Menschen und haben das große Bedürfnis, ihnen zu helfen. Dabei können Sie sich oft nicht vom Leid anderer distanzieren.Dementsprechend können Sie für andere besser Partei ergreifen als für sich selbst. Geht es darum, sich selbst zu behaupten, ziehen Sie sich lieber zurück.Sie spüren auch Konflikte, von denen Sie selbst nicht betroffen sind, und lassen sich dabei oft von den Gefühlen anderer beeinflussen.Mit Kritik können Sie nicht gut umgehen.Teilweise sind Sie mehr oder weniger starken Stimmungsschwankungen ausgesetzt.Sie haben Probleme, mit Lügen klarzukommen. Wenn Sie selbst belogen werden, sind Sie lange untröstlich. Oft glauben Sie von sich selbst, Sie seien zu gutgläubig oder gar naiv.Von Ungerechtigkeiten gegen andere fühlen Sie sich auch selbst betroffen, und manchmal fühlen Sie sich für Geschehnisse verantwortlich.Sie haben häufig das Gefühl, sich erklären zu müssen, und fühlen sich daher missverstanden, unverstanden, vielleicht auch einsam. Sie scheinen nicht mit anderen kompatibel zu sein, anders, verkehrt und fühlen sich zuweilen „wie von einem anderen Stern“.Positive wie negative Gefühle klingen bei Ihnen mitunter sehr lange nach. Sie sind sehr verletzlich, aber nicht nachtragend.Sie sind sehr harmoniebedürftig und stellen aus diesem Grund Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche oft zurück. Konfliktsituationen weichen Sie deshalb auch lieber aus.

Weiteres

Wann immer es möglich ist, meiden Sie Menschenansammlungen in jeder Form. Auf großen Konzerten, Volksfesten, in öffentlichen Schwimmbädern oder in Einkaufszentren fühlen Sie sich nicht wohl.Ein Spaziergang in der Natur, ein Besuch in einem Museum oder auch nur ein Aufenthalt in einem ruhigen Café ist für Sie dagegen Genuss pur.Sie haben einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik und lieben daher Musik, Kunst und Schöngeistiges.Naturereignisse können größte Glücksgefühle in Ihnen auslösen. In solchen Momenten fühlen Sie sich eins mit der Natur.Sie sind sehr schreckhaft und empfinden eine Abneigung gegen Gewalt in jeder Form. Entsprechende Filme im Fernsehen mögen Sie sich daher nicht ansehen, Nachrichten von Krieg oder Katastrophen jedweder Art erschüttern Sie nachhaltig. Solch eindringliche negative Bilder gehen Ihnen lange nicht aus dem Sinn.Sie spüren die Schmerzen anderer körperlich an derselben Stelle Ihres eigenen Körpers. Oftmals auch dann, wenn Ihnen nur davon erzählt wird.Sie haben oft das dringende Bedürfnis, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.In neuen Situationen brauchen Sie länger als andere, um sich zu orientieren, manchmal sind diese auch beunruhigend für Sie. Mit Veränderungen können Sie nicht gut umgehen, und eine Trennung, ein Umzug, ein neuer Arbeitsplatz kann Sie für einige Zeit aus der Bahn werfen.Sie haben häufig das Gefühl, dass Sie Beziehungen intensiver empfinden als das entsprechende Pendant. Versprechen nehmen Sie sehr ernst.Bei zu viel Unruhe, Hektik und Turbulenz um Sie herum werden Sie fahrig, ungehalten, aggressiv oder verunsichert oder brechen möglicherweise plötzlich in Tränen aus. Nach solchen Tagen benötigen Sie viel Zeit und Ruhe für sich allein.Sie empfinden manchmal eine bemerkenswerte innere Stärke, in Extremsituationen, zum Beispiel bei einem Unfall, behalten Sie die Ruhe und den Überblick und können andere anweisen, was wann und in welcher Reihenfolgen zu tun ist. Anschließend sind Sie von sich selbst überrascht und können sich nicht erklären, wie Sie das bewerkstelligt haben.Sie haben häufig Tagträume und merken nicht, wie darüber die Zeit vergeht.Sie reflektieren oft und intensiv, denken gründlich nach und gehen den Dingen gern auf den Grund. Manchmal fällt es Ihnen deswegen schwer, Entscheidungen zu treffen.Sie sind pflichtbewusst, gewissenhaft und zuverlässig und haben einen hohen Anspruch an die Qualität Ihrer eigenen Arbeit. Ihre Neigung zum Perfektionismus lässt Sie manchmal Arbeiten nicht abschließen oder gar nicht erst beginnen.Unter Zeit-, Leistungs- oder Erwartungsdruck können Sie schlecht oder gar nicht arbeiten, Wettbewerb liegt Ihnen nicht. Routinearbeiten fallen Ihnen schwer.Sie machen nur wenig Alters- und Geschlechterunterschiede. Klischees gehören nicht in Ihre Gedankenwelt. Sie haben wenig bis keine Vorurteile, Diskriminierungen liegen Ihnen fern.Sie haben ein bemerkenswertes Gedächtnis und können sich gut an Ihre frühe Kindheit erinnern. Situationen und Gespräche können Sie oft noch nach Jahren haargenau wiedergeben. Sie wissen, wer was gesagt oder getan hat, wie die Umgebung aussah, welche Kleidung die Beteiligten getragen haben und wie die Stimmung war. Sie erinnern sich an Gerüche, den Geschmack des Essens, an Ihre eigenen Gefühle und den Anlass der Situation. Oftmals können Sie sich an Gespräche wortwörtlich erinnern.Sie halten (Ihre eigene!) Ordnung. Bücherregale sind nach einer ganz bestimmten Struktur geordnet, beispielsweise nach Einbandfarbe, Größe, Themen, Autoren, und auch in Ihren Schränken stehen und liegen die Dinge wohlgeordnet immer am selben Platz. Wehe dem, der etwas umsortiert! In solchen Fällen können Sie sehr ungehalten reagieren.Sie trennen sich nur schwer von Dingen. Alles ist für Sie mit Erinnerungen verknüpft. Wenn Sie sich schweren Herzens doch einmal von Dingen trennen, tut es Ihnen später oft sehr leid und Sie denken noch lange daran.Ihr Schreibtisch ähnelt dem von Albert Einstein. Die ihm innewohnende Ordnung erschließt sich oft nur Ihnen selbst.Sie sind kreativ in Kunst, Handwerk, Musik oder Literatur oder auch im Entwickeln oft unkonventioneller neuer Lösungen und Strategien.Sie suchen in allem, was Sie tun, einen Sinn, ermüden von Small Talk und lieben tiefsinnige Gespräche. Der intensive Umgang mit Menschengruppen kostet Sie viel Kraft.Wortwitz, Ironie und auch Sarkasmus liegen Ihnen, Sie können auch herzlich über sich selbst lachen. Witze auf Kosten anderer bringen Sie eher zum (peinlich berührten) Schweigen.Manchmal können Sie Spaß und Ernst nicht auseinanderhalten, sind dann irritiert, verunsichert oder verletzt.Sie haben ein reiches, buntes und vielgestaltiges Innenleben, eine rege Fantasie und eine ebensolche Traumwelt. An Ihre Träume können Sie sich oft noch lange erinnern. Manchmal wissen Sie während des Träumens, dass Sie träumen, und können das Traumgeschehen beeinflussen oder sich selbst zum Aufwachen bringen („luzides Träumen“).

Wenn Sie sich in etwa der Hälfte der hier aufgeführten Punkte sehr deutlich oder in etwa zwei Dritteln gut wiedererkennen, sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein hochsensibler Mensch.

Aufgrund meiner vorhergehenden Ausführungen wissen Sie bereits, dass sich Hochsensibilität unterschiedlich intensiv ausdrückt. Aus diesem Grund lässt sich nicht konkret sagen, ab welchem Punkt denn nun tatsächlich eine HS vorliegt. Sie können viele Punkte vielleicht in nur schwacher Form an sich feststellen und/oder einige ganz intensiv. Das ist abhängig von der individuellen Ausprägung und Intensität. Achten Sie darauf, unter welchen Überschriften Sie den Aussagen am häufigsten zustimmen konnten. Das gibt Ihnen einen Anhaltspunkt, welche Form der Ausprägung bei Ihnen vorliegt. Sollten Sie so gar nichts unter den Überschriften „Sensorisches“ und „Körperliches“ bestätigen können, ist es möglich, dass bei Ihnen keine HS, sondern eine hohe emotionale Sensibilität vorliegt. Auch diese emotionale Sensibilität ist eine großartige und wichtige Eigenschaft, und Sie sollten sie sich erhalten. Tipps und Hinweise aus dem vorliegenden Buch können Ihnen auch in diesem Fall helfen, besser damit zurechtzukommen, sollte es Sie belasten.

Teil 1

Die Forschungsgeschichte

Frau Prof. Dr. Elaine N. Aron gilt als die Begründerin des psychologischen Konstrukts „Hochsensibilität“. Ein Konstrukt ist eine auf gedanklicher Ebene konstruierte Erklärungshilfe für einen Sachverhalt, der nicht direkt zu beobachten ist, sich aber aus anderen messbaren Eigenschaften ergeben kann. Im Falle der HS wurden hierzu auch andere Untersuchungen herangezogen, die eindeutige Hinweise liefern. Weil die Kenntnis dieser Untersuchungen zum besseren Verständnis der HS beiträgt, weise ich in diesem Kapitel auf einige maßgebliche hin.

Prof. Aron entdeckte und beschrieb also das Konstrukt HS Mitte der 1990er-Jahre als ein ganz normales Persönlichkeitsmerkmal (engl. trait) und nannte es wissenschaftlich „sensory processing sensitivity“ (SPS). Nach ihrer Schätzung sind 15 bis 20 Prozent der Weltbevölkerung hochsensibel, wovon etwa 70 Prozent introvertiert und 30 Prozent extravertiert sein sollen. Sie vermutet den Ursprung der HS im Gehirn und forscht nach wie vor auf diesem Gebiet.

Doch Elaine Aron war nicht die Erste, die entdeckte, dass es offenbar Menschen gibt, die sich deutlich von anderen unterscheiden.

Der deutsche Naturwissenschaftler Dr. Carl Ludwig von Reichenbach stellte bereits Mitte der 1880er-Jahre umfangreiche Untersuchungen dazu an und beschrieb auf insgesamt über 1.700 Seiten den „sensitiven, begabten Menschen“. Er führte – entsprechend den damaligen Möglichkeiten – mit und an diesen Menschen unzählige Versuche auf naturwissenschaftlicher Ebene durch und ermittelte einige Gemeinsamkeiten, die mit den von Prof. Aron formulierten Eigenschaften der HSM weitgehend übereinstimmen. Damals steckte die Psychologie als eigenständiges Fachgebiet sozusagen noch „in den Kinderschuhen“. Die Einschätzung der Psyche von Menschen war Medizinern und/oder Philosophen vorbehalten, und Dr. von Reichenbach war Chemiker – möglicherweise auch ein Grund dafür, dass seine Ergebnisse keine wesentliche Beachtung fanden und die Untersuchungen nicht fortgeführt wurden.

In den 1930er-Jahren beschäftigte sich der Psychologe Carl Gustav Jung mit Intro- und Extraversion, wobei er viele Eigenschaften von Introversion entdeckte, die deutliche Zusammenhänge mit Hochsensibilität aufweisen. Nach Frau Prof. Arons Forschungen sind sie aber nicht identisch damit.

Ebenfalls in den 1930er-Jahren schrieb der Theologe, Pfarrer und Therapeut Eduard Schweingruber das Buch Der sensible Mensch, in dem er sehr genau das Wesen von HSM beschreibt. Auch er verstand dieses Persönlichkeitsmerkmal als ganz natürlich und erläuterte in seinem Buch, dass und warum diese Menschen keine Therapie, sondern lediglich eine Anleitung zu ihrer Lebensführung benötigen. Dass dies nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen ist, beschreibt er sehr schön mit folgendem Satz:

„Die gesamte Eigenart ist das Instrument, auf dem der Sensible die Melodie des Lebens zu spielen hat.“ Diese Aussage zeigt, dass auch Herr Schweingruber (Hoch-)Sensibilität als zentrales Merkmal vorausgesetzt hat.

In den 1960er- und 1970er-Jahren befasste sich der Psychiater Prof. Dr. med. Wolfgang Klages mit der Sensibilität. Er war lange Zeit Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Aachen. Auf der Basis zweier Jahrzehnte Erfahrung kommt er in seinem Buch (Titel ebenfalls Der sensible Mensch) zu dem Ergebnis, dass „früher noch gut kompensierte sensible Menschen …in zunehmendem Maße ins Psychopathologische gehende Verhaltensweisen [zeigen]“, weil „im Zuge der zeitgeschichtlichen Entwicklung die technisch geprägteWelt[stimulationsreicher] wird.“ Damit hatte er eine tief greifende Erkenntnis, die leider nicht in nennenswertem Maß Einzug in die Psychiatrie und die Psychologie gehalten hat, obwohl das Buch als Monografie an Fachkollegen gerichtet war. Für Prof. Klages liegt die Ursache von hoher und Hochsensibilität im Gehirn, genauer gesagt: im Thalamus, der für die Filterung von Reizen verantwortlich ist.

Daneben existiert eine Reihe von Studien, die nicht unter der Annahme von Hochsensibilität als natürlichem Persönlichkeitsmerkmal im Sinn von Frau Prof. Aron durchgeführt, aber ebenfalls zur Formulierung des Konstrukts HS herangezogen wurden und werden. Neben dem bereits erwähnten C. G. Jung seien hier der berühmte russische Arzt und Physiologe Iwan Pawlow und der amerikanische Entwicklungspsychologe Prof. Jerome Kagan genannt.