Hoffnung, die tödlich endet: Ein Küsten-Krimi - Rainer Keip - E-Book

Hoffnung, die tödlich endet: Ein Küsten-Krimi E-Book

Rainer Keip

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Beschreibung

Der Küstenwache von Kolberg wird ein in der Ostsee treibender Container gemeldet. Man vermutet, dass er beim letzten Sturm über Bord eines der großen Schiffe gegangen ist. Schnell stellt man jedoch fest, dass man dessen Identifikationsnummer entfernt hat, was die Behörden stutzig macht. Sie öffnen den Container und machen eine erschreckende Entdeckung: Er ist voller Leichen! Wer waren diese Menschen, die auf so grausame Weise umgekommen sind, und woher kamen sie? Wer ist für deren Tod verantwortlich?
Eines ist gewiss: Schlepperbanden, die mit Menschenleben handeln, ist es egal, ob die Leute ihr erhofftes Ziel erreichen …
Da eine Spur nach Hamburg führt, werden Falk Möller und Ewa Stepinska, das bewährte deutsch-polnische Ermittlerteam, mit dem Fall betraut. Ihre Ermittlungen sind alles andere als einfach, denn irgendwo in ihren Behörden scheint es jemanden zu geben, der in diese Gräueltat verwickelt ist.

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Rainer Keip

 

 

Hoffnung,

die tödlich endet

 

 

 

Ein Küsten-Krimi

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kerstin Peschel nach Motiven, 2022 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Hoffnung, die tödlich endet 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

Aus der Feder von Rainer Keip sind momentan weiterhin erhältlich: 

 

Das Buch

 

 

Der Küstenwache von Kolberg wird ein in der Ostsee treibender Container gemeldet. Man vermutet, dass er beim letzten Sturm über Bord eines der großen Schiffe gegangen ist. Schnell stellt man jedoch fest, dass man dessen Identifikationsnummer entfernt hat, was die Behörden stutzig macht. Sie öffnen den Container und machen eine erschreckende Entdeckung: Er ist voller Leichen! Wer waren diese Menschen, die auf so grausame Weise umgekommen sind, und woher kamen sie? Wer ist für deren Tod verantwortlich?

Eines ist gewiss: Schlepperbanden, die mit Menschenleben handeln, ist es egal, ob die Leute ihr erhofftes Ziel erreichen …

Da eine Spur nach Hamburg führt, werden Falk Möller und Ewa Stepinska, das bewährte deutsch-polnische Ermittlerteam, mit dem Fall betraut. Ihre Ermittlungen sind alles andere als einfach, denn irgendwo in ihren Behörden scheint es jemanden zu geben, der in diese Gräueltat verwickelt ist..

 

 

***

 

 

Hoffnung, die tödlich endet

 

 

Ein Küsten-Krimi

 

 

1. Kapitel

 

»Container Steuerbord voraus«, schallte es über die Lautsprecheranlage des Steuerstandes der Josef Pilsudski, einer Passagierfähre, die von Kolberg aus zur dänischen Insel Bornholm unterwegs war.

»Verdammt«, murmelte Kapitän Pisczek und ließ das Schiff hart nach Backbord steuern, um dem Container, der halb unter der Wasseroberfläche langsam in der Strömung dahindümpelte, auszuweichen. Dabei hatte er noch Glück, da die See an diesem Tage glatt wie ein Spiegel war, wie meistens nach einer mehr als stürmischen Wetterperiode. Vor zwei Tagen sah es noch etwas anders aus. Pisczek erinnerte sich ungern an die stürmische Überfahrt, als er von Bornholm Kurs auf seinen Heimathafen Kolberg gesetzt hatte und er sich wie in einer Waschküche vorgekommen war. Meist war die Ostsee ruhig, aber wenn ein Sturm aufzog, war sie eines der gefährlichsten Gewässer überhaupt, da sie nicht besonders tief war. Unzählige Wracks auf dem Grunde des Meeres zeugten von ihrer Unberechenbarkeit.

Über Bord gegangene Container stellten eine große Gefahr dar und immer häufiger kam es vor, dass es zu Kollisionen mit Frachtern, Fähren oder auch mit Segelbooten kam, was für diese durchaus ein schlimmes Ende nehmen konnte.

Auch für die Josef Pilsudski stellten solche Hindernisse ein gewisses Risiko dar, da es sich bei der Fähre um einen, wenn auch sehr großen, Katamaran handelte, der auf zwei Schwimmkörpern lief. Die Beschädigung einer der beiden durch eine Kollision mit einem derart massiven Körper hätte auch für sie fatale Folgen haben können. Außerdem konnte im ungünstigsten Fall die Ruderanlage beschädigt werden, was zu einer zeitlichen Verzögerung geführt hätte und die konnte sich ein Fährschiff schon gar nicht leisten.

Das Schiff befand sich noch innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone und Pisczek gab die Koordinaten des Havariegutes an die zuständigen Behörden in Kolberg weiter.

»Bestimmt bei dem Sturm von vorgestern über Bord gegangen«, hörte er die Stimme des Hafenmeisters aus dem Lautsprecher.

»Ja. Wahrscheinlich haben die Deppen das noch nicht einmal gemerkt.«

»Wie groß schätzen Sie das Teil?«

»Ich denke es ist ein Zwanzig-Fuß-Container. Der kann so manch einem in Schwierigkeiten bringen.«

»Wir schleppen ihn ein. Euch noch eine gute Fahrt.«

Es knackte im Lautsprecher, als der Hafenmeister die Verbindung unterbrach und die Josef Pilsudski ihre Fahrt in Richtung Bornholm fortsetzte.

 

*

 

Langsam näherte sich die Maria Sklodowska, ein Bergungsschiff der Marine aus der Piast Klasse den Koordinaten, die ihnen über die Hafenmeisterei Kolberg übermittelt wurden. Normalerweise war das Spezialschiff nicht für zivile Angelegenheiten zuständig, aber für die Besatzung war die Bergung eines havarierten Containers immer eine willkommene Abwechslung und gleichzeitig eine Übung im normalen Alltagstrott. Das Schiff war mit einem hydraulischen Schiffskran ausgerüstet und Kapitän Wolski hielt über sein Sonargerät Ausschau nach dem Bergungsgut.

»Container direkt vor uns«, hörte er die Stimme seines Navigationsoffiziers und die Maria Sklodowska verringerte ihre Fahrt.

»Ein ganz schöner Brocken«, sagte Wolski und gab den Befehl an die Crew des Bergungskrans zum Ausfahren des Gerätes. Gleichzeitig sprangen zwei Kampfschwimmer ins Wasser und befestigten den Container an vier Haken, welche an einer Kette des Krans ins Wasser baumelten. Mühelos schaffte die Hydraulik den Container an Bord des Schiffes und mit einem metallischen Geräusch setzte er den Behälter auf das Schiffsdeck ab.

»Zwanzig Fuß, wie der Kapitän der Pilsudski schon vermutete hatte. Scheint unbeschädigt zu sein«, wandte Wolski sich an seinen zweiten Offizier.

»Sollen wir ihn öffnen?«, fragte dieser zurück

»Die Ladung geht uns nichts an. Sollen die in Kolberg den Container untersuchen. Ist vielleicht was für den Zoll«, antwortete Wolski knapp und nahm Kurs auf den Kolberger Hafen.

 

*

 

»Er sieht völlig unversehrt aus«, sagte einer der Dockarbeiter, der zusammen mit ein paar anderen und dem stellvertretenden Hafenmeister um den von der Maria Sklodowska auf dem Pier abgestellten Container herumstanden. Das Schiff der Marine hatte bereits wieder abgelegt und der Mann vom Hafenamt nahm den großen Behälter genauer unter die Lupe. Was ihm sofort ins Auge fiel, war der Umstand, dass die aus Zahlen und Buchstaben bestehende Containernummer völlig fehlte.

»Mit dem Ding stimmt was nicht«, murmelte er, sich an einen der Vorabeiter wendend.

»Sehe ich auch so, Tomek. Fast kommt es mir so vor, als ob er gar nicht bei dem Sturm über Bord gegangen ist, sondern entsorgt wurde. Den hätten sie doch ohne Containernummer nirgendwo löschen können.«

Tomek ließ sich eine Leiter bringen und sah sich die Stelle, an der sich eigentlich die Nummer hätte befinden müssen, genauer an.

»Die wurde weggeflext«, rief er von seinem Standpunkt aus nach unten und stieg die Leiter wieder hinab.

»Dann lass uns das Ding mal aufmachen.«

Gemeinsam mit zwei weiteren Arbeitern lösten sie die schweren Scharniere des Containers und als die Tür aufschwang, strömte den Männern ein großer Schwall von braunem, schmutzigem Wasser, gefolgt von einem bestialischen Gestank entgegen.

Gerade noch seinen Würgereiz unterdrückend leuchtete Tomek mit seiner Stablampe in das Innere des Containers und prallte vor Entsetzen zurück. Im Leuchtkegel der Lampe sah er die Umrisse von menschlichen Körpern, die teilweise übereinander auf dem Boden lagen und von denen der schreckliche Geruch ausging.

»Ruf die Polizei an«, würgte er mit überschnappender Stimme hervor und lief zum Hafenbecken, wo er sich heftig übergab.

 

 

2. Kapitel

 

Oberkommissarin Ewa Stepinska saß vor ihrem Monitor und studierte den Inhalt einer Fallakte, die einen Totschlag im Rotlichtmilieu beinhaltete.

Fast drei Monate waren seit dem tragischen Tod ihrer Mutter Jolanta vergangen und das Weihnachtsfest stand vor der Türe. Aber Ewa war ganz und gar nicht in Festtagsstimmung. Wehmütig dachte sie an das Weihnachtsfest im letzten Jahr zurück, als sie zusammen mit ihrer Mutter und Iga um den festlich geschmückten Weihnachtsbaum gestanden und polnische Weihnachtslieder gesungen hatten. Eine Träne kullerte aus ihrem Auge, die sie rasch mit ihrem Handrücken abwischte, als sie bemerkte, dass Jurek, der ihr gegenübersaß, sie schweigend anschaute.

»Alles gut«, sagte sie mit gepresster Stimme zu ihm und Jurek nickte.

Iga befand sich nun tagsüber bei den Bonks, weil Magda Bonk die Tagesmutterschaft für Ewas Tochter übernommen hatte. Das half sowohl ihr als auch Iga, die ebenfalls unter dem Verlust ihrer geliebten Oma litt. Aber weil Kasia, die Tochter der Bonks, fast in Igas Alter war und sich die beiden Mädchen prächtig verstanden, war es die beste Lösung gewesen. Magda wollte anfangs das Ganze völlig unentgeltlich machen und wies entschieden irgendwelche Barmittel zurück, aber Ewa und Falk hatten darauf bestanden und letztlich hatte sie und Jurek dann doch zugestimmt.

Falk! Ein schwaches Lächeln zog über ihr Gesicht, als sie die Gestalt des großen Manns und Lebenspartners vor ihren Augen hatte. Er gab ihr den nötigen Halt in dieser schweren Zeit ihres Lebens und für sie war er das Beste, was ihr überhaupt hätte passieren können. Sie spürte seine grenzenlose Zuneigung und das nicht nur für sich, sondern auch für ihre Tochter, die er mittlerweile als seine eigene betrachtete. Dabei waren sie noch nicht einmal ein Jahr zusammen, aber alles an ihm kam ihr so vertraut vor, als wenn sie ihn schon ein ganzes Leben lang kennen würde.

Wenn sie da an das Exemplar dachte, das sich einmal ihren Ehemann geschimpft hatte, wurde ihr schlecht. Ihr Ex-Mann Antek hatte sie gedemütigt, ihren Stolz verletzt und ihre Ehre durch den Schmutz gezogen. Aber das gehörte Gott sei Dank der Vergangenheit an.

Und noch etwas hatte sich entscheidend geändert. Jedes Mal, wenn sie ihre Wohnung betrat, hatte sie das schreckliche Ereignis vor Augen und daher waren Falk und sie auf Haussuche gegangen. Fündig wurden sie schließlich in Sianozety, einer kleinen Ortschaft etwa fünfzehn Kilometer außerhalb von Kolberg, wo sie zusammen mit Falk ein kleines Haus gekauft hatte und welches zudem nur einen Steinwurf vom Haus der Bonks entfernt lag.

Dort herrschte, im Gegensatz zu der doch recht belebten Stadt Kolberg, eine beschauliche Ruhe, die nur in den Sommermonaten von ein paar Touristen gestört wurde, da die Ortschaft direkt an der Ostsee lag.

Ewa schaute gedankenverloren aus dem Fenster, wo gerade die Dämmerung einsetzte, als Kaminski, der Leiter der Mordkommission und Ewas Vorgesetzter, ihr und Jureks Büro betrat.

»Ihr beide habt einen Fall. Im Hafen steht ein Container, der voller Leichen ist.«

»Ein Container voller Leichen?«, schaute Jurek ihn ungläubig an. »Hier? In Kolberg?«

»Die Meldung über den Container kam von der Josef Pilsudski, die ihn im Wasser hat treiben sehen und fast mit ihm kollidiert wäre. Ein Bergungsschiff der Marine hat ihn dann aus dem Wasser gefischt und hier auf Pier 8 abgeladen. Als man ihn öffnete, hat man die Leichen entdeckt. Mehr weiß ich im Moment auch nicht. Macht euch auf die Socken und sondiert die Lage vor Ort. Die Spurensicherung ist unterwegs und Gosia Kaczmarek ist ebenfalls informiert. Ich brauch euch beiden ja nicht zu sagen, dass das eine große Sache ist, die viel Staub aufwirbeln wird.«

»Weiß man schon, wie viele Leichen es sind?«, fragte Ewa, während sie und Jurek ihre Jacken überwarfen.

»Nein. Ich sagte ja. Mehr als das, was ich euch eben gesagt habe, weiß ich auch nicht. Fahrt zum Hafen und haltet mich auf dem Laufenden. Das wird landesweite Aufmerksamkeit erregen. Wenn ihr zusätzlich Leute braucht, könnt ihr jederzeit in Absprache mit mir welche anfordern. Der Fall hat oberste Priorität.«

 

*

 

»Scheint ein langer Abend zu werden«, grummelte Jurek, als Kaminiski das Büro verlassen hatte.

Er griff zu seinem Mobiltelefon und rief Magda an, dass es später werden würde.

»Wir sind euch so dankbar, dass Magda auf Iga aufpasst«, sagte Ewa, als sie das Gebäude des Präsidiums verließen.

»Wir werden dafür ja auch fürstlich entlohnt«, grinste er sie an und knuffte Ewa in die Seite »Machen wir doch gerne und so ist es für alle das Beste. Kasia hat ihre Freundin bei sich, du und Falk seid unsere besten Freunde und wir wohnen nahe beieinander. Ist doch fast wie eine Patchworkfamilie.«

Ewa lächelt ihn an und beide machten sich zum Hafengelände von Kolberg auf. Mittlerweile hatte die Dunkelheit eingesetzt und schon von Weitem sahen sie die Scheinwerfer, welche die Kriminaltechniker bereits rund um den Container aufgebaut hatten. Das Areal war durch die Halogenlampen in ein surreales Licht getaucht, als Ewa und Jurek ihr Fahrzeug außerhalb der Absperrung abstellten.

Als Erstes fiel ihnen auf, dass sich nur wenige Streifenbeamte am Container aufhielten, aber je näher sie sich dem großen Stahlbehälter, dessen Türen weit offen standen, näherten, wussten beide warum. Wortlos reichte einer der Kriminaltechniker ihnen einen Mundschutz und eine Salbe, die normalerweise nur in der Pathologie bei Obduktionen eingesetzt wurde. Diese sollte sie vor dem fürchterlichen Geruch schützen, der über diesen Teil der Kaianlage wehte. Ewa bemerkte Gosia Kaczmarek, die sich über einen toten Körper beugte, den man aus dem Behälter geborgen hatte und sich aufrichtete, als sie Ewa und Jurek auf sich zukommen sah.

»So etwas habe ich auch noch nicht gesehen«, sagte sie halblaut zur Begrüßung und nickte den beiden zu.

»Wie viele sind es?«, fragte Ewa, deren Blick die im Container am Boden liegenden Leichen streifte und sich unwillkürlich leicht schüttelte.

»Sechzehn. Scheinen dem ersten Anschein nach alles Männer zu sein. Mehr kann ich im Moment noch nicht sagen.«

»Sechzehn? Auf solch einem engen Raum zusammengepfercht?«, fragte Ewa Gosia mit fassungsloser Miene.

»Ist nicht ungewöhnlich«, antwortete sie lapidar. »Auf der Ladefläche eines Lkws ist auch nicht mehr Platz. Du erinnerst dich bestimmt an die Toten in den Kühllastern.«

»Ja, aber man macht sich irgendwie keine Vorstellung, wenn man das nicht selbst sieht. Mein Gott«, stieß Ewa aus. »Todeszeitpunkt?«

»Die Verwesung ist schon eingetreten, wobei man natürlich die Örtlichkeit berücksichtigen muss. Der Container hat einen Inhalt von etwa dreißig Kubikmetern. Geschlossener Raum. Ich würde grob vier Tage schätzen, aber natürlich alles unter Vorbehalt.«

»Nicht zwei oder drei Tage?«

»Auf keinen Fall. Sie waren schon Tod, als der Sturm getobt hat, wenn du das meinst.«

»Wenn das stimmt, dann ist der Container wohl nicht durch die Naturgewalten über Bord gespült worden. Das wäre ein zu großer Zufall gewesen. Wann obduzierst du sie?«

»So schnell wie möglich. Ich hab zwar noch drei Tote auf dem Tisch liegen aber die schiebe ich wieder ins Kühlfach. Das hier sprengt alle Dimensionen.«

Ewa wandte sich nun wieder ihrem Tatort zu, wo Jurek neben einer der Leichen in die Knie gegangen war, die in der Nähe der Luke des Containers lag.

»Scheinen alles Nordafrikaner oder Männer aus dem Vorderen Orient zu sein«, sagte er zu Ewa, die sich nun ebenfalls neben ihn kniete.

»Sie sollten sich mal den Container näher anschauen«, hörten sie die Stimme eines Mannes, der mit sichtlichem Ekel in seinem Gesicht neben sie getreten war.

»Tomek Zyla, stellvertretender Hafenmeister«, stellte er sich vor. »Mit dem Teil stimmt was nicht.«

»Und was?«, fragte Jurek ihn.

»Er hat keine Kennnummer. Ohne diese wird er nirgends gelöscht werden. Man hat die Nummer weggeflext, wohl, um seine Herkunft zu verschleiern.«

Ewa kletterte auf eine bereitstehende Leiter und sah sich die Stelle an, an der die Nummer normalerweise auf den Container gepinselt war. Sie erkannte Schleifspuren, die augenscheinlich ziemlich frisch aussahen.

»Man kann also nicht feststellen, woher der Container stammt?«, rief sie von oben.

»Nein. Die anderen Zahlen beziehen sich lediglich auf Masse und technische Daten.«

»Das würde bedeuten, dass man den Behälter absichtlich über Bord geworfen hat«, murmelte sie leise zu sich selbst. »Hier oben sind mehrere Öffnungen zu sehen. Ist das normal?«, wandte sie sich wieder an Zyla.

»Nein. Container sind normalerweise dicht«, antwortete er.

Ewa krabbelte auf das Containerdach und schaute sich die merkwürdigen Öffnungen näher an.

»Alles klar. Da sind eine Art Ventilatoren auf der Oberseite«, rief sie Jurek zu. »Das Ding soll sich die Spurensicherung nochmal genauer anschauen.«

Ewa stieg wieder die Leiter hinunter und gesellte sich zu ihrem Kollegen, während die Leichen der Männer nach und nach abtransportiert und in die Pathologie verbracht wurden.

»Was geschieht jetzt mit dem Container?«, wollte Zyla wissen.

»Der bleibt erst mal hier stehen. Morgen früh werden die Kollegen ihn näher unter die Lupe nehmen. So lange müssen wir den Bereich des Hafens absperren.«

Ewa ordnete an, dass der Container durch die Besatzung eines Streifenwagens bewacht wurde und telefonierte mit Kaminski, um ihn über den neuesten Stand in Kenntnis zu setzen.

»Sechzehn Männer?«, echote er ins Telefon. »Mein Gott. Das mag jetzt herzlos klingen, aber hätte der Container nicht untergehen können? Ja. Ich weiß was Sie sagen wollen, aber in Kürze wird hier in Kolberg der Teufel los sein. Ich telefoniere sofort mit Gosia Kaczmarek, dass sie alles stehen- und liegenlassen soll, um die armen Teufel zu obduzieren. Und der Spurensicherung werde ich auch Dampf machen. Wir brauchen alles, was wir kriegen können und sei es auch nur der kleinste Hinweis auf die Identität der Leute. Sie beide fahren jetzt erst mal nach Hause, schlafen ein paar Stunden und morgen früh stellen Sie eine SOKO zusammen.«

»Schreckliche Geschichte. Und es sieht danach aus, dass der Container einfach über Bord geworfen wurde«, sagte Jurek, als sich die beiden auf dem Weg nach Sianozety befanden.

»Hoffentlich findet die Kriminaltechnische etwas bei den Toten, das uns weiterhilft. Mit dem Container selbst kommen wir nicht weiter und vielleicht ergibt sich bei der Untersuchung der Leichen etwas über deren Herkunft und Identität. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine mehrwöchige Schiffsreise in einem Container verbracht haben.«

»Was meinst du, wo sie hinwollten?«

»Ich tippe auf Dänemark. Die Dänen haben die Grenzen relativ dichtgemacht und der Landweg ist mittlerweile problematisch für die Schleuser geworden. Ich denke, dass sie sich schon eine geraume Zeit in Deutschland oder den benachbarten Staaten aufgehalten haben. Die Einreise nach Deutschland geht ja ohne Probleme. Aber dann wird es schwieriger. Man packt sie in einen Container, baut zwei Ventilatoren ein, etwas Nahrung und nach ein bis zwei Tagen sind sie dann in Skandinavien. Aber irgendetwas ist hier gewaltig schiefgelaufen und deshalb hat man sie wohl einfach entsorgt. Und dann ist der Behälter nicht einfach untergegangen, wie sie es wahrscheinlich gehofft haben, sondern dümpelte auf der Meeresoberfläche. Die See hatte sich beruhigt und durch die Ventilatoren trat nicht genug Wasser ein.«

»Klingt schlüssig«, murmelte Ewa.

»Ist nur meine Vermutung, aber so kann es gewesen sein.«

 

*

 

Es war spät am Abend, als die beiden zu Jureks Haus kamen, wo Ewa die schlafende Iga in eine Wolldecke packte.

»Danke, Magda. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte.«

»Alles gut. Ich hab die beiden um acht ins Bett gesteckt. Willst du hier schlafen?«.

»Ach wo. Sind ja nur ein paar Minuten bis nach Hause. Bis morgen.«

Ewa verabschiedete sich von Magda und Jurek und trug Iga zu ihrem Zuhause.

Das Haus war nicht besonders groß, verfügte über drei Zimmer, wobei es eine große Wohnküche gab, in der sich meistens ihr eigentliches Leben abspielte.

---ENDE DER LESEPROBE---