Die Rückführung – Ein historischer Fantasy-Roman - Rainer Keip - E-Book

Die Rückführung – Ein historischer Fantasy-Roman E-Book

Rainer Keip

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Beschreibung

Diana Lenz ist eine überaus erfolgreiche Agentin des Militärischen Abwehrdienstes (MAD). Während einer Rückführung, einer routinemäßigen psychologischen Sitzung, kommt es zu einem nicht nachvollziehbaren Zwischenfall, der sie Raum und Zeit überwinden lässt.
Wenig später erwacht sie in der Nähe eines Dorfes und muss feststellen, dass sie sich im Jahre 312 n. Chr., der Herrschaftszeit Constantin des Grossen, befindet. Bald darauf wird sie in die Intrigen am Hof des Kaisers verwickelt und gerät zwischen die Fronten eines erbarmungslosen Krieges.

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Rainer Keip

 

 

Die Rückführung

 

 

 

Ein historischer Fantasy-Roman

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kathrin Peschel nach Motiven, 2023 

Lektorat/Korrektorat: Bärenklau Exklusiv 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Die Rückführung 

Hauptprotagonisten 

Prolog 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

Expergisci 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

Augusta Treverorum 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

Der lange Marsch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

Completionem 

Phönix 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

Glossar 

Der Autor Rainer Keip 

 

Das Buch

 

 

Diana Lenz ist eine überaus erfolgreiche Agentin des Militärischen Abwehrdienstes (MAD). Während einer Rückführung, einer routinemäßigen psychologischen Sitzung, kommt es zu einem nicht nachvollziehbaren Zwischenfall, der sie Raum und Zeit überwinden lässt.

Wenig später erwacht sie in der Nähe eines Dorfes und muss feststellen, dass sie sich im Jahre 312 n. Chr., der Herrschaftszeit Constantin des Grossen, befindet. Bald darauf wird sie in die Intrigen am Hof des Kaisers verwickelt und gerät zwischen die Fronten eines erbarmungslosen Krieges. 

 

 

***

 

 

Die Rückführung

 

 

Ein historische Fantasy-Roman

 

 

Hauptprotagonisten

 

Diana Lenz, fünfundvierzig Jahre alt, einen Meter achtzig groß, schlank, hat blondes, kurzes Haar, blaue Augen und ein scharfgeschnittenes Profil

Diana Lenz ist Agentin des MAD, ledig und hat, bis auf ihren Bruder Georg, keine Verwandten und, aufgrund ihres Wesens, auch keine Freunde. Sie ist leicht soziopathisch und hat wenig Skrupel, ist aber mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet. Liebt klassische Musik und Kunst. Beherrscht Kampfsportarten und ist Nahkampfexperte.

 

Constantin der Grosse, Imperator Roms von 312 bis 336 n.Chr.

Hier streitet sich die Geschichte über seine Persönlichkeit. Ich habe ihn als Machtmensch dargestellt, der jedoch auch gütig und verzeihend gegenüber seinen Widersachern auftritt.

Er hat ein Faible für Diana.

 

Flavia Julia Helena, Kaisermutter.

Meine Helena ist gütig und mit großer Weisheit beschlagen. Diana wird zu ihrer engsten Vertrauten und ihr zur mütterlichen Freundin.

 

Weitere Erklärungen finden Sie im Glossar am Ende dieses Buches.

 

 

***

 

 

Prolog

 

 

1. Kapitel

 

Afghanistan, Provinz Blach, Gegenwart

 

Aufgeregt klingende arabische Wortfetzen drangen an Dianas Ohr. Offensichtlich hatte man die Leiche des Kommandanten der Taliban, Amir Bakhtari entdeckt, den Diana kurz zuvor mit zwei Kopfschüssen getötet hatte.

Hinter ihr kauerten sich zwei völlig verstörte Frauen in eine Ecke und drückten sich an die Wand der Höhle. Ihre Heckler & Koch im Anschlag schaute sie vorsichtig um die Ecke und sah zwei, mit Sturmgewehren bewaffnete Mudschaheddin in ihre Richtung kommen.

»Keinen Ton!«, sagte sie leise zu den beiden verängstigten Frauen, deren Panik in ihren Augen nicht zu übersehen war. Geräuschlos legte sie die leichte Maschinenpistole zur Seite und zog ein Messer mit einer langen Klinge, welches in einem Futteral an ihrem Gürtel steckte. Diana nahm einen kleinen Spiegel und beobachtete, wie sich die beiden Kämpfer ihrer Position näherten. Als die Taliban sie fast erreicht hatten, schnellte sie hoch und stieß einem der Männer ihr Messer tief in den Hals. Der zweite schaute sie überrascht an und brachte sein Gewehr in Anschlag, aber Diana war schneller und durchtrennte ihm mit einem tiefen Schnitt die Kehle. Röchelnd brach der Talibankämpfer zusammen und Diana zog deren Leichen in den Seitengang.

»Vorwärts, wir müssen von hier verschwinden«, raunte sie den beiden Frauen zu, die mit entsetztem Gesichtsausdruck stocksteif dasaßen und sich nicht rührten.

Diana verpasste jeder von ihnen eine leichte Ohrfeige und sie erwachten aus ihrer Starre.

»Ich habe keine Lust, dass ihr beide mir meine Mission versaut«, sprach sie die Frauen mit scharfem Ton an und setzte sich in Bewegung. Sie waren aus ihrer Lethargie erwacht und folgten Diana auf dem Fuße.

 

*

 

Viola Steffen und Nadia Förster waren Angehörige der Organisation »Ärzte ohne Grenzen«.

Als sie zusammen mit einem Afghanischen Führer und zwei bewaffneten Begleitpersonen von Masar i Scharif nach Aybak unterwegs gewesen waren, wurden sie von einer Gruppe Taliban überfallen. Mit ihren Begleitern hatten die Mudschaheddin kurzen Prozess gemacht und die beiden Frauen waren von den Taliban verschleppt worden. Die deutsche Kommandantur in Masar i Scharif befand sich in einem Dilemma. Zwar war die Bundeswehr dort stationiert, durfte aber selbstständig keinerlei Aktivitäten ausüben, die über ihre direkte Selbstverteidigung hinausgingen, obwohl der Kommandant der Truppe, Oberst Görlitz, über den genauen Aufenthaltsort der beiden entführten Frauen informiert war. Diese Information hatte er von einem Mittelsmann erhalten, den die Regierung in Kabul bei den Taliban eingeschleust hatte. Er gab diese Information an den, für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zuständigen MAD, dem Militärischen Abwehrdienst weiter, und als er drei Tage später seine Kommandantur betrat bemerkte er eine ihm unbekannte Frau in seinem Vorzimmer, die ihn freundlich anlächelte.

»Oberst Görlitz wie ich annehme?«

»Ja. Und sie sind?«, fragte er zurück.

»Mein Name spielt zunächst keine Rolle«, entgegnete sie und warf einen kurzen Blick auf seine Sekretärin, welche die Frau über ihren Brillenrand neugierig musterte.

»Wir wollen nicht gestört werden«, sagte die Unbekannte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und ging an dem verblüfft dreinschauenden Oberst vorbei in dessen Amtszimmer. Sofort eilte Görlitz hinter ihr her und wollte sie zur Rede stellen. Doch sie bedeutete ihm lediglich, dass er die Türe schließen sollte.

»Mein Name ist Diana Lenz und ich soll Ihnen bei der Beseitigung eines Problems behilflich sein«, sagte sie in ruhigem Ton und reichte Görlitz ihren Ausweis über den Tisch.

Er sah ihn sich an und machte ein verblüfftes Gesicht.

»Sie sind für den MAD tätig? Und bei welchem Problem wollen Sie mir helfen?«

»Sie vermissen zwei Ärztinnen, die von den Mudschaheddin entführt worden sind, wenn ich recht unterrichtet wurde.«

»Und man schickt mir eine, verzeihen Sie, Frau, die das Problem lösen soll?«

Görlitz betrachtete Diana nun genauer. Er schätzte ihr Alter auf Mitte vierzig. Sie war recht groß, gertenschlank und besaß blondes, kurzes Haar. Aus ihren hellen, fast wasserblauen Augen schaute sie Görlitz offen, fast sezierend an. Die Frau nahm ihren Ausweis wieder an sich und steckte ihn zurück in ihre Tasche.

»Ich benötige von Ihnen alle Informationen über den genauen Aufenthaltsort der Vermissten und, wenn es möglich ist, einen genauen Lageplan. Ich nehme an, dass Ihr Kontaktmann Ihnen diesen besorgt hat?«, fuhr Diana ungerührt fort.

»Ja. Wir wissen genau wo sich die beiden Ärztinnen befinden, aber uns sind für ihre Befreiung die Hände gebunden.«

»Dafür bin ich ja hier«, lächelte sie.

»Wie groß ist Ihr Team?«

»Welches Team? Ich arbeite immer alleine«, erklärte sie mit einem süffisanten Grinsen.

»Sie wollen alleine …?«

»Das lassen Sie mal meine Sorge sein. Alles was ich von Ihnen verlange ist, dass Sie mich dort einschleusen und da Sie ja über einen Kontaktmann verfügen, dürfte sich dieser Umstand als nicht allzu schwierig gestalten.«

»Aber als Frau haben Sie keine Chance dorthin zu gelangen«, wandte Görlitz ein.

»Auch das ist kein Problem. Beschaffen Sie mir den Kontakt und alles Weitere überlassen Sie bitte mir.«

 

*

 

Diana schaute in den Spiegel und war von dem Ergebnis zufrieden. Ihre blauen Augen hatte sie mit ein paar dunkelbraunen Kontaktlinsen kaschiert. Nun blickte ihr ein jugendlich aussehender Araber entgegen, welcher keinerlei weibliche Züge aufwies.

In einer halben Stunde sollte sie ihren Kontaktmann treffen, der sie mit einer Gruppe von Kämpfern in das Zielgebiet bringen sollte. Sie hatte lediglich telefonischen Kontakt zu ihm aufgenommen und ein Codewort vereinbart. Diana überprüfte ein letztes Mal ihre HK MP5SD in der Kurzversion und rüstete sich zusätzlich zu ihrer Glock 17 mit einem KA Bar Kampfmesser aus, welches sie direkt an ihrem Körper trug. Dann verließ sie ihre Unterkunft in der Altstadt von Masar i Sharif, um sich mit ihrem Kontaktmann zu treffen.

Er hatte mit ihr vereinbart, dass er einen schwarzen Fleck an der rechten Seite in Hüfthöhe seiner Galabija trug und so machte sie ihn rasch ausfindig. Sie raunte ihm im Vorbeigehen das Codewort zu und bemerkte seinen überraschten Gesichtsausdruck.

»Ich wusste nicht, dass ich die Verantwortung für ein halbes Kind tragen würde«, flüsterte er mit geringschätziger Miene Diana zu.

»Und ich mag es nicht, wenn man meine Kompetenz infrage stellt«, raunte sie in fließendem Arabisch zurück. »Und das, was Sie an Ihrer Hüfte spüren, ist nicht etwa eine Nadel, sondern die Spitze meines Messers. Unterschätzen Sie nie jemanden nur aufgrund seines Äußeren. Das könnte tödlich sein«, lächelte sie den Araber nun an.

Nach einer Weile bestiegen die beiden einen Toyota Pick-up und fuhren, zusammen mit einigen weiteren Personen, auf einer staubigen Piste in Richtung Aybak.

 

 

2. Kapitel

 

Etwa zwanzig Kilometer vor Aybak verließ der Pick-up die Schotterpiste und fuhr auf einem unbefestigten Weg in die Richtung eines Höhenzuges, der zirka fünf Kilometer vor ihnen aufragte. Keine Menschenseele war zu sehen, doch Diana war sich darüber im Klaren, dass jede Bewegung im Gelände von unsichtbaren Augen wahrgenommen wurde. Der Jeep verschwand in einem Gewirr von Felsschluchten und plötzlich tauchten vor ihnen ein paar bewaffnete Kämpfer der Taliban auf, die den Fahrer dazu veranlassten, sein Gefährt zu stoppen.

»Neue Kämpfer wie ich sehe«, sagte ein Mann, der sich mit der Waffe im Anschlag der Pritsche des Geländewagens näherte.

»Frisch aus Masar«, rief Dianas Begleiter und winkte dem Mann zu.

Dieser lachte und ließ den SUV passieren. Nach einem weiteren Kilometer erblickte sie den Eingang einer großen Höhle, vor dem sich zwei Wachen postiert hatten.

»Ab hier sind Sie auf sich alleine gestellt. Die beiden Frauen befinden sich im Privatquartier von Amir Bakhtari, dem Kommandanten dieser Taliban Einheit«, flüsterte ihr Begleiter.

Sie nickte ihm kurz zu und sprang von der Pritsche des Fahrzeuges. Zusammen mit den anderen Männern betrat sie das ausgedehnte Höhlensystem, das den Widerstandskämpfern Schutz und Unterschlupf bot.

In einem geeigneten Moment entfernte sie sich unauffällig von der Gruppe der Neuankömmlinge und bewegte sich tiefer in das Labyrinth hinein. Von ihrem Informanten hatte sie erfahren, dass sich momentan nicht viele Kämpfer hier aufhielten. Die meisten waren mit ein paar Kommandounternehmen unterwegs und es gab nur wenige Wachen.

Als sie sich dem Quartier des Kommandanten näherte, sah sie zwei Männer, die mit Sturmgewehren bewaffnet vor der Türe auf Posten standen. Sie zog ihr Halstuch weit nach oben, sodass ihr Gesicht von der Nase abwärts bedeckt war und näherte sich langsamen Schrittes den beiden Wachen.

»Sind die beiden Kuffar Frauen bei Bakhtari?«, fragte sie einen der beiden Wachen.

Die beiden Männer waren sich ihrer Lage so sicher, dass ihnen die fremde Person gar nicht weiter auffiel. Der von Diana angesprochene Afghane grinste sie an.

»Ja, er zeigt ihnen gerade was ein echter afghanischer Schwanz ist«, erwiderte er und quittierte seinen Spruch zusammen mit seinem Kameraden mit lautem Gelächter.

»Mehr wollte ich nicht wissen«, murmelte Diana und zog mit fließender Bewegung ihre schallgedämpfte Glock. Die beiden Männer schauten sie mit entsetzten Augen an und im nächsten Moment hatten beide ein Loch in ihrer Nasenwurzel. Dumpf fielen ihre Körper zu Boden und Diana betätigte leise die Türklinke. Als sie die Türe halb geöffnet hatte, hörte sie ein leises Wimmern, das aus dem Inneren des Raumes kam. Vorsichtig öffnete sie die Türe und sah eine männliche Person, die auf einer nackten Frau lag, von der sie das Wimmern vernommen hatte. Auf einer zweiten Pritsche lag ebenfalls eine unbekleidete Frau, die teilnahmslos und mit leeren Augen zu ihr herüberschaute. Mit zwei schnellen Schritten näherte sich Diana dem vor Lust stöhnenden Mann und jagte ihm ihr Messer in den Nacken.

»Keine Fragen! Ich bringe Sie hier raus und in Sicherheit«, sprach sie die beiden Frauen nun auf Deutsch an, die völlig konsterniert auf den Leichnam ihres Peinigers starrten.

Diana warf den beiden einen Umhang zu, den sie hektisch über ihren nackten Körper warfen und hastig schlüpften sie in ein paar Sandalen. Zusammen mit den Geiseln verließ Diana die Kommandozentrale, wobei sie genau wusste, dass sie den Mudschaheddin noch nicht entkommen waren.

 

*

 

Die beiden Ärztinnen folgten Diana auf dem Fuße. Mittlerweile hatten die beiden ihren Überlebenswillen zurückgewonnen und sie schlichen zusammen durch die Gänge der unterirdischen Höhle.

»Wer sind Sie?«, fragte eine der beiden Diana schüchtern.

»Derjenige der Sie hier herausschafft und in Sicherheit bringt. Aber das schwerste Stück steht uns noch bevor. Das ist der Teil, um von hier wegzukommen. Machen Sie sich auf einen längeren Fußmarsch gefasst.«

Dianas Informant hatte recht behalten und die kleine Gruppe traf auf keinerlei Wachen mehr. Anscheinend rechnet niemand damit, dass es jemand wagen würde, eines der Hauptquartiere der örtlichen Taliban zu infiltrieren und schon gar nicht einen Befreiungsversuch zu starten.

Als sie um eine Biegung kamen, sah Diana von Weitem den Eingang des Höhlensystems. Dort standen immer noch wie bei ihrer Ankunft die beiden Wachen und richteten ihre Blicke zu ihrem Glück in die andere Richtung.

Diana schlich mit den beiden Frauen weiter und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass sie sich in eine Nische der Wand kauern sollten. Sie zog ihr Messer und schlich sich geräuschlos von hinten an die beiden Posten an. Blitzschnell rammte sie einem der beiden ihr Messer in seinen Rücken und mit einer fließenden Bewegung durchschnitt sie dem anderen die Kehle. Hinter sich hörte sie einen leichten Aufschrei und sofort lief Diana zu den beiden Ärztinnen zurück, die sie mit entsetztem Blick anstarrten.

»Ich konnte sie leider nicht höflich bitten uns den Weg frei zu geben«, sagte sie mit leicht ironischem Unterton und forderte die beiden auf, ihr zu folgen.

Diana hatte sich vor ihrem Einsatz das Gelände genau eingeprägt. Ihr Ziel war die Straße nach Aybak, die ungefähr fünf Kilometer Luftlinie entfernt war. Unter Berücksichtigung des unwegsamen Geländes schätzte sie, dass sie für den Fußmarsch mindestens zwei Stunden benötigten. Zudem musste sie davon ausgehen, dass das Verschwinden der beiden Frauen nicht unbemerkt bleiben würde und daher nahm sie sofort nach Verlassen der Höhle Kontakt mit Görlitz auf.

»Die Zielpersonen sind in Sicherheit; vorerst. Aber ich brauche Luftunterstützung, da wir damit rechnen müssen, verfolgt zu werden.«

»Ich schicke Ihnen eine bewaffnete Drohne. Ihre GPS-Koordinaten habe ich ja. Halten Sie durch. Und viel Glück«, meldete sich Görlitz aus Masar.

 

*

 

So rasch wie sie nur konnten rannten die drei durch das unwegsame Gelände, wobei Diana darauf achtete, dass sie jederzeit Deckung hatten. Das kostete zwar Zeit, war aber für ihre Sicherheit vonnöten. Schon bald hörten sie das aufgeregte Schreien einiger Männerstimmen. Ihre Flucht war bemerkt worden und die drei liefen um ihr Leben.

Derartige Missionen stellten immer ein gewisses Risiko dar. Wäre Diana alleine unterwegs gewesen, hätte sie weniger Probleme gehabt, sich von ihren Verfolgern abzusetzen.

Aber hier hatte sie die Verantwortung für zwei Geiseln zu tragen, die sich zwar alle Mühe gaben, mit ihr Schritt zu halten, jedoch durch ihren zwangsweisen Aufenthalt derart geschwächt waren, dass Diana sich ihrem Rhythmus anpassen musste.

Die ersten Kugeln, abgefeuert aus den Sturmgewehren der Rebellen, flogen ihnen um die Ohren und Dianas Blick ging sehnsüchtig gen Himmel, wo sie das Auftauchen der Drohne erwartete, die Görlitz ihr avisiert hatte. Die Verfolger kamen ihnen immer näher und die Flüchtenden verbargen sich hinter einem großen Felsen.

»Ich werde versuchen, sie auf Distanz zu halten«, raunte sie ihren Schützlingen zu, die sich in die äußerste Ecke des Felsens drückten.

Mit dem kleinen Spiegel schaute sie um die Ecke und erkannte drei Mudschaheddin, die in ihre Richtung stürmten. Als sie auf Schussweite herangekommen waren, feuert Diana eine Salve aus ihrer HK in deren Richtung und erwischte zwei der Angreifer mitten in die Brust, während der dritte sich in Deckung warf.

Wo bleibt die verdammte Drohne?, dachte Diana, als sie ein leises Summen hörte, das sich ihrem Standort näherte. Diana warf einen Blick nach oben und es knackte in ihrem Ohrlautsprecher.

»Wir haben drei Ihrer Verfolger im Visier. Insgesamt sehen wir von hier aus acht Männer, die Ihnen gefolgt sind«, drang Görlitz’ Stimme an ihr Ohr.

»Dann habe ich ja nur noch fünf Mann zu erledigen«, folgte ihre Antwort in sarkastischem Ton.

»Die sind weiter zurück. Versuchen Sie sich zur Straße durchzuschlagen. Dort erwartet Sie ein gepanzerter »Fuchs«, der Sie und die beiden Geiseln aufnehmen wird.«

Im selben Augenblick feuerte die MQ-1 Predator Drohne eine Hellfire Rakete ab, die fünfzig Meter von Dianas Standort entfernt einschlug und das Gebiet in ein Inferno verwandelte.

»Das zum Thema, die Bundeswehr hat nur Aufklärungsdrohnen in ihrer Ausrüstung«, nuschelte sie in das Mikro.

»Sie wurde uns leihweise von unseren amerikanischen Freunden zur Verfügung gestellt«, hörte sie Görlitz’ Stimme und konnte sein Grinsen am anderen Ende der Leitung förmlich spüren.

»Wir sind unterwegs«, gab sie zurück und die drei machten sich weiter auf den Weg. Niemand befand sich nun unmittelbar hinter ihnen und nach einer Stunde strammen Marsches sahen sie in der Ferne ein großes Fahrzeug, das auf der Straße nach Aybak stand und offensichtlich auf sie wartete.

»Wir haben es gleich geschafft«, rief sie den beiden Ärztinnen zu, die am Ende ihrer Kräfte waren. Sie mobilisierten ihre letzten Reserven, da ihre Verfolger sich ihnen auf Schussdistanz genähert hatten und rannten zu dem gepanzerten Fahrzeug. Eine Luke wurde geöffnet und die drei sprangen ins Innere des Fahrzeuges. Unmittelbar danach hörten sie die Kugeln, die von der Außenhülle des »Fuchses« abprallten und der Panzerwagen startete sofort durch. Zwei Sanitäter kümmerten sich augenblicklich um die beiden Geiseln während Diana sich von ihrer Maske befreite.

»Ich komme unter dem ganzen Latex um«, stöhnte sie und entfernte die restlichen Fetzen des gummiartigen Gewebes aus ihrem Gesicht. Eine der beiden Frauen schaute mit offenem Mund zu ihr herüber als sie sich demaskierte.

»Sie sind kein Araber. Sie sind eine Frau«, flüsterte sie erstaunt.

»Das kann ich nicht leugnen«, lächelte Diana ihr zu und setzte sich neben sie auf die Pritsche. »Es tut mir leid, dass ich Ihr Martyrium nicht schon früher habe beenden können«, flüsterte sie ihr leise zu.

Diana bemerkte, wie die Tränen in die Augen der Ärztin schossen.

»Uns ist schon bewusst in welche Gefahr wir uns begeben, wenn wir hier vor Ort tätig sind, aber das verdrängt man so gut wie es geht, bis man selbst davon betroffen ist. Aber es ändert nichts an unserer Einstellung und ich denke, dass Nadia derselben Ansicht ist. Hier geschieht so viel Leid und wir werden schon darüber hinwegkommen«, sagte sie leise.

Viola lächelte ihr zu und ergriff Dianas Hand.

»Vielen Dank dafür, dass Sie Ihr Leben für uns aufs Spiel gesetzt haben.«

»Das ist mein Job, genau wie Sie den Ihren haben. Und den führe ich so professionell wie möglich aus, so wie Sie Ihre Arbeit hier machen. Dafür bewundere ich Sie.«

Mittlerweile waren sie in den Außenbezirken von Masar i Sharif angelangt und Diana bedeutete dem Fahrer, dass er sie hinauslassen sollte. Sie verabschiedete sich von den beiden Ärztinnen und begab sich in ihr Quartier. Dort packte sie rasch ihre Sachen zusammen und verließ es nach ein paar Minuten in Richtung des Flughafens, wo eine Transportmaschine der Luftwaffe auf sie wartete.

 

 

3. Kapitel

 

»Saubere Arbeit, wie immer eigentlich«, lächelte Generalmajor Werner Blankenstein seine Besucherin an, die in einem beigen Chanel-Kostüm sein Büro betreten hatte.

»Es lief eigentlich einfacher ab, als ich mir das vorgestellt hatte. Nur bei unserem Rückzug hatten wir ein paar Probleme«, lächelte Diana zurück, setzte sich in einen schweren Ledersessel und steckte sich eine Davidoff an. Blankenstein war selbst starker Raucher und hier in diesem Büro galten die strengen Vorschriften über das Rauchen in Gebäuden nicht, jedenfalls nicht offiziell.

»Nun gut, im Moment liegt eigentlich nichts mehr an, sodass Sie sich ein paar Tage freinehmen können. Allerdings steht bei Ihnen noch die psychologische Betreuung an.«

Diana verzog ihr Gesicht.

»Muss das sein?«, sagte sie mit einem schiefen Grinsen.

»Zweimal haben Sie schon geschwänzt und Sie wissen genau, dass darauf großer Wert gelegt wird. Ich habe schon einen Termin mit Dr. Rech für Sie vereinbart damit ich auch sicher sein kann, dass Sie ihn wahrnehmen«, grinste er sie an.

Diana stöhnte auf.

»Sie lassen aber auch nichts unversucht, mir die gute Laune zu verderben«, entgegnete sie scheinbar ärgerlich, aber mit einem Anflug von einem Lächeln auf ihren Lippen. »Wann ist der Termin?«

»Morgen früh um zehn. Aber er wird sich noch mit Ihnen in Verbindung setzen. Dr. Rech hat von einer neuen Methode gesprochen, die er gerne mit Ihnen ausprobieren möchte.«

»Als Versuchskaninchen bin ich ja gerade die Richtige«, seufzte Diana. »Aber na schön. Wenn ich ihn damit glücklich machen kann.«

Blankenstein ließ sich von ihr noch ein paar Einzelheiten des Einsatzes schildern.

Nach ihrem Gespräch fuhr Diana in ihre Penthouse-Wohnung im Süden von München.

Als sie ihre großzügig geschnittene Wohnung betrat, deaktivierte sie die Alarmanlage, ging ins Wohnzimmer und goss sich einen Gin Fizz ein.

Ein Blick auf ihren Anrufbeantworter zeigte ihr, dass niemand während ihrer Abwesenheit angerufen hatte. Wer sollte sie auch schon kontaktieren. Diana Lenz lebte allein, hatte keine engen Freunde und auch keine Verwandten, die ihr besonders nahestanden.

Das Erstere ergab sich aus ihrem Job, den sie nun schon seit fast zwanzig Jahren ausführte und der sie überall auf der Welt hinführte. Den einzigen Verwandten, den sie hatte, war ihr Bruder Georg, aber auch zu ihm hatte sie schon lange keinen Kontakt mehr gehabt. Er wusste, dass seine Schwester oft in der Weltgeschichte unterwegs war, aber von ihrer eigentlichen Tätigkeit hatte er keinen blassen Schimmer. Er dachte, dass sie für einen großen Pharmakonzern tätig war, da Dianas Legende darauf aufgebaut war.

Im Alter von achtzehn Jahren hatte sie ein Studium für Modedesign begonnen, welches sie aber bereits nach fünf Semestern abbrach. Danach war sie in den Polizeidienst eingetreten und nach ein paar Jahren praktischer Erfahrung hatte sie die Chance, die man ihr bot genutzt, um zum MAD zu wechseln. Natürlich war sie verpflichtet gewesen, absolutes Stillschweigen darüber zu bewahren und so baute sie die Legende der Pharmareferentin auf, die sie dann später ganz in ihr Leben übernahm.

Anfangs im Innendienst beschäftigt glänzte sie durch hervorragende Ergebnisse am Schießstand und nach und nach wechselte sie in den aktiven Auslandsdienst. Selbst ihren Ausbildern jagte sie manches Mal einen Schauer über den Rücken, mit welcher Kaltblütigkeit sie ihre Eignungstests erledigte und im Nahkampf mit dem Messer erwies sie sich als nahezu unschlagbar. Diana war die ideale Besetzung für heikle Aufgaben. Keine Familie, die Existenz ihres Bruders hatte sie schlichtweg einfach unterschlagen und wenige private Bindungen prädestinierte sie für ihre zukünftige Tätigkeit innerhalb des MAD.

Mit der Zeit sprach sie mehrere Sprachen, die ihr bei ihren Einsätzen von Nutzen waren. Neben Englisch und Französisch, die sie fließend beherrschte, sprach sie Arabisch und Chinesisch und leidlich Russisch.

Im Grunde genommen war Diana fast ein klassischer Soziopath, allerdings trennte sie sehr genau das Dienstliche von ihrem Privatleben. Und gleichzeitig besaß sie trotzdem eine Emphatische Ader. Zu ihren Gegnern gnadenlos; jedoch gleichzeitig mit einem ausgeprägten Beschützerinstinkt ausgerüstet und mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet.

 

*

 

Diana legte eine Klassik-CD in den Player und genoss auf ihrer Couch liegend die warme Musik von Bedrich Smetanas »Moldau«. Sie war eine Liebhaberin der alten klassischen Werke und wann immer ihr es möglich war, besuchte sie die großen Theater der Welt, um die Aufführung klassischer Stücke zu genießen. Zufrieden mit sich selbst schaute sie sich in ihrem Wohnzimmer um und betrachtete die antiken Stücke, die sie auf ihren Reisen rund um die Welt erstanden hatte.

Sie als übermäßig vermögend zu bezeichnen wäre übertrieben gewesen, aber es reichte, um sich einen gewissen Wohlstand zu gönnen.

Ein Grummeln in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück im Flugzeug nichts mehr gegessen hatte. Sie schnappte sich ihr Telefon, als sie im selben Moment einen Anruf bekam.

»Guten Abend Frau Lenz«, hörte sie die Stimme von Dr. Rech und sie verzog ihren Mundwinkel. »Ich störe Sie doch nicht zu dieser Stunde?«

»Guten Abend Doc. Nein, Sie stören keineswegs. Sie rufen wegen des morgigen Termins an?«

»Ja. General Blankenstein hat mich darum gebeten, Sie heute noch zu kontaktieren, und er kann sehr eindringlich sein, wie Sie wissen.«

»So kennen wir ihn«, lachte Diana. »Ich bin also um zehn Uhr bei Ihnen. Sie wollen mich als Versuchskaninchen missbrauchen?«

»Natürlich nicht. Die Methode der Rückführung existiert schon lange, und ich habe mir gedacht, dass ich ein paar Spannungen aus Ihrem Unterbewusstsein zum Vorschein bringen und lösen kann.«

»Sie sind der Fachmann, Doc. Wenn Sie davon überzeugt sind, bitte, ich habe nichts dagegen.«

»Also dann morgen in meiner Praxis um zehn.«

»Ich werde pünktlich sein«, erwiderte Diana und wünschte Dr. Rech eine gute Nacht.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, bestellte sie sich bei ihrem Stammitaliener ein Kalbsrisotto und eine Flasche Barolo. Anschließend legte sie sich wieder auf ihre Couch und genoss den Schlussakkord der Symphonie.

 

*

 

Am nächsten Morgen war Diana pünktlich zu ihrem Termin bei Dr. Rech erschienen.

Sie mochte die ruhige und ausgeglichene Art des großgewachsenen Arztes, der sie mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen begrüßte.

»Guten Morgen, Frau Lenz. Ich freue mich, dass Sie den Weg in meine Praxis gefunden haben«, sagte er.

»Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich am liebsten davor gedrückt, aber Sie kennen ja Blankenstein«, schmunzelte sie.

»Wie ich Ihnen bereits am Telefon gesagt habe, möchte ich gerne mit Ihnen eine Rückführung durchführen. Es handelt sich dabei nicht um eine Hypnose sondern mehr um eine Tiefenentspannung des Geistes durch Atemtechnik. Sie werden alles bewusst wahrnehmen und doch werden sich wahrscheinlich einige Schubladen in Ihrem Gedächtnis öffnen. Ich verspreche mir davon, dass diese zu Ihrer seelischen Entspannung beiträgt.«

»Ich vertraue Ihnen voll und ganz, dass wissen Sie doch Doc.«

»Dann lassen Sie uns gleich beginnen.«

Diana legte sich auf die Liege und lauschte auf Dr. Rechs beruhigende Stimme.

»Bitte versuchen Sie, sich zu entspannen und über Ihr Zwerchfell Ihre Atmung zu kontrollieren. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig aus und wieder ein, aus und wieder ein, aus und wieder ein.«

Diana spürte, wie sich ihr Körper entspannte und befolgte die Anweisungen des Arztes.

»Gehen wir fünf Jahre zurück. Was sehen Sie?«

Ein Lächeln umspielte Dianas Lippen.

»Ich liege am Strand von Miami und lasse es mir gutgehen. Herrliches Wetter und die Drinks schmecken prima«, sagte sie mit leiser Stimme.

»Gehen wir wieder fünf Jahre zurück.«

Dianas Gesichtsausdruck wurde ernster.

»Ich bin im Hafenviertel von Schanghai und verberge mich hinter einem Stapel Kisten. Wir beobachten zusammen mit den chinesischen Zollbehörden einen Waffenschmuggel der Triaden. Es kommt zum Gefecht. Wir überwältigen die Gangmitglieder. Alles ist gut.«

Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich etwas.

»Wieder fünf Jahre zurück«, hörte sie Dr. Rechs Stimme.

»Ich bin in einem großen Gebäude, einer Villa. Es ist heiß und ich bewege mich langsam durch die Räume des Hauses. Dort ist ein langer Korridor und meine Zielperson befindet sich im vorletzten Zimmer. Ich bewege mich noch langsamer und halte meine HK im Anschlag. Es ist still, zu still. Eine Tür geht auf und eine Gestalt kommt aus einem der Zimmer. Sie hat mich entdeckt. Ich muss reagieren. Ich werfe ein Messer, das sie in die Brust trifft. Die Gestalt geht zu Boden; ich schaue in ihr Gesicht … es ist noch ein Kind … mein Gott, was habe ich …«

Dr. Rech sah, wie sich Dianas Körper in konvulsivischen Zuckungen wand und griff hinter sich, um ihr ein Beruhigungsmittel zu verabreichen. Gleichzeitig rief er seine Helferin, da er Mühe hatte, die tobende Diana zu fixieren.

»Was ist passiert Herr Doktor?«, fragte ihn Monika, seine Angestellte, in panischem Ton.

»Ich habe so etwas noch nie erlebt«, murmelte er, während Dianas Körper langsam zur Ruhe kam, da das verabreichte Beruhigungsmittel seine Wirkung zeigte. Ihr Körper bäumte sich noch einmal auf und fiel dann erschlafft zurück. Dr. Rech legte sein Stethoskop auf ihr Herz und hörte ihre verlangsamten, aber ruhigen Herztöne.

»Wir müssen Sie sofort in ein Krankenhaus schaffen. Bitte verlassen Sie den Raum«, wandte er sich an seine Gehilfin. »Ich muss ein vertrauliches Gespräch führen.«

Monika war über das Verhalten ihres Chefs nicht besonders erstaunt. Sie war schon lange Jahre bei ihm beschäftigt und wusste über die speziellen Patienten des Arztes Bescheid.

»General Blankenstein, hier spricht Doktor Rech. Wir haben ein Problem«, meldete er sich bei Dianas Vorgesetzten und schilderte ihm die Lage. Fünf Minuten später erschien ein Krankenwagen der Bundeswehr, dessen Besatzung Dianas scheinbar lebloser Körper per Helikopter in das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm transportieren ließ.

 

*

 

»Können Sie mir das erklären, Doc?«, fragte Blankenstein an die Adresse von Dr. Rech, der ziemlich ratlos am Bett von Diana stand und die medizinischen Geräte beobachtete.

»Nicht wirklich. Ausgelöst wurde der Schock wohl durch die Erinnerung an ein Ereignis, welches Frau Lenz tief in ihrem Innersten verdrängt hatte.«

Er schilderte Blankenstein von ihrer letzten Erinnerung und der General nickte.

»Ich kann mich an den Einsatz erinnern aber davon, dass sie ein Kind getötet hat, hat mir Diana nie erzählt. Allerdings war sie nach dem Einsatz ungewöhnlich einsilbig und in sich gekehrt gewesen. Den Grund dafür kennen wir jetzt. Wie lange dauert so ein Zustand an und ist er lebensbedrohlich?«

»Lebensbedrohlich wohl nicht, da es nichts Körperliches ist und wir über ihren Zustand wachen. Aber wie lange es dauert, bis sie wieder aus dem katatonischen Zustand erwacht, kann ich nicht sagen. Hier heißt es nur abwarten.«

Betroffen schaute Blankenstein noch einmal auf Dianas leblosen Körper und wandte sich leise ab, um den Raum zu verlassen.

 

 

 

Expergisci

(Erwachen)

 

 

1. Kapitel

 

Diana schlug ihre Augen auf und das Erste was sie wahrnahm, war der kühle Luftzug, der über ihren Körper strich und sie leicht frösteln ließ. Langsam richtete sie sich auf und tat einen tiefen Atemzug. Fast augenblicklich bemerkte sie die ungewohnt reine Luft, die durch ihre Lungen strömte. Sie blickte an sich hinunter und stellte fest, dass sie nackt war. Ein weiterer Umstand verwunderte und erschreckte sie zugleich. Ihr Körper war nicht der einer fünfundvierzigjährigen Frau. Sie schaute auf ihren Busen, der immer noch klein aber nun fester wirkte, so wie der Rest ihres Körpers. Diana ging in die Hocke und schaute sich ihre Umgebung an. Sie befand sich auf einer Wiese, deren Bewuchs hoch genug war um sich darin zu verbergen. In unmittelbarer Entfernung sah sie einen dichten Wald, der aus lauter Eichen bestand und sie hörte das Gezwitscher der Vögel, welche die Äste der mächtigen Bäume bevölkerten.

Das muss ein surrealer Traum sein, aus dem ich sicher gleich erwachen werde, dachte sie und blieb erst einmal in ihrer Position. Aber sie wachte nicht auf; im Gegenteil.

Ihre Sinne nahmen die Umwelt, in der sie sich befand, wahr. Es herrschte absolute Stille und sie vernahm keinerlei Zivilisationsgeräusche. Die Gerüche die sie registrierte waren ihr völlig unbekannt, so rein und klar wie die Luft, die sie mit jedem Atemzug aufsaugte. Allmählich begann ihr scharfer, analytischer Verstand zu arbeiten.

Was war passiert? Was war mit ihr passiert? Diana nahm eine Yogastellung ein und ihr Geist begann sich zu entspannen. Auf diese Weise konzentriert versuchte sie, die surreale Situation zu analysieren. Ihre Gedanken schweiften zu dem zurück, was sie bewusst als Letztes wahrgenommen hatte.

Die Geschehnisse in Venedig hatte sie vollkommen aus ihrem Gedächtnis verdrängt und anscheinend in die unterste Schublade ihres Unterbewusstseins geschoben. Durch die Rückführung und die Halbtrance war sie förmlich von den Ereignissen von damals überrollt worden. Irgendetwas war mit ihr geschehen, das sie sich nicht erklären konnte. Zweifellos befand sie sich nicht in der Praxis von Dr. Rech, nein, noch nicht einmal in deren Nähe, wenn sie sich die Umgebung betrachtete in der sie aufgewacht war.

Und warum war sie nackt? Und welche Transformation hatte ihr Körper erfahren?

Sie blickte wieder ungläubig an sich hinunter und sah den Körper einer jüngeren Frau. Langsam setzte sie sich in Bewegung und schlich in der Deckung des hohen Grases in die Richtung einer Senke. Nach kurzer Zeit erblickte sie einen Fluss, dessen klares Wasser langsam dahinfloss. Vorsichtig näherte sie sich der Uferböschung und schaute auf die Oberfläche des kristallklaren Wassers, das von der hochstehenden Sonne beschienen wurde und auf dessen Oberfläche sich ihr Antlitz spiegelte.

Es traf Diana wie ein Schock, als sie ihr Gesicht betrachtete. Sie sah das Gesicht einer etwa dreißigjährigen Frau … ihr Gesicht. Diana wurde schwindelig und sie setzte sich an den Rand des von Gras umsäumten Ufers. Irritiert beugte sie sich vor und erkannte, dass sie keiner Halluzination zum Opfer gefallen war.

Plötzlich vernahm sie, nicht weit entfernt, Stimmen. Irgendwo in der Nähe waren Menschen und sie folgte der Unterhaltung, die immer deutlicher zu hören war.

Es waren hohe Frauenstimmen, die zuweilen von einem Kichern unterbrochen wurden. Die Sprache hörte sich fremdartig aber doch irgendwie bekannt an. Allerdings konnte Diana noch kein Wort von dem verstehen, was die Frauen plapperten. Vorsichtig spähte sie aus der Deckung eines Strauches und sah drei junge Frauen, die am Ufer des Flusses auf ein paar Steinen ihre Wäsche walkten und dazu bis zu ihren Waden im klaren Wasser standen. Diana schaute ihnen zu und musterte deren Äußeres.

Ihre Kleidung bestand aus einer Art Tunika, die einfarbig grau, wohl aus grober Wolle, gefertigt war. Ihr Haar trugen die Frauen offen und an keiner von ihnen konnte sie ein Schuhwerk erkennen. Diana schloss aus deren Anwesenheit, dass zumindest ein Dorf in der Nähe sein musste. Gleichzeitig wurde ihr schlagartig klar, dass sie sich nicht in ihrer Zeit befand. Niemand trug im 21. Jahrhundert solche Kleidung und diese Befürchtung hatte sie schon unmittelbar nach ihrem Aufwachen gehabt, als sie die reine Luft eingeatmet und die fehlenden Zivilisationsgeräusche vermisst hatte.

Diana wog ihr weiteres Vorgehen ab. Zunächst einmal benötigte sie dringend Kleidung und diese wollte sie sich von den Frauen besorgen. Sie glitt in das kalte Wasser des Flusses und bewegte sich in Richtung der Wäscherinnen. Dann tauchte sie unter, schwamm in deren Richtung und kam unmittelbar vor ihnen an die Wasseroberfläche. Langsam schob sie sich aus dem Wasser und schritt auf die kleine Gruppe zu. Eine der Frauen bemerkte die Bewegung an der Wasseroberfläche, hob den Kopf und ein schriller Schrei entfuhr ihrer Kehle, wobei sie mit ihrem Arm auf Diana zeigte, die nackt aus dem nassen Element stieg. Nun nahmen auch die beiden anderen Frauen ihre Erscheinung wahr und kreischend liefen sie davon.

Trotz ihrer prekären Lage konnte sich Diana ein Schmunzeln nicht verkneifen. Den Frauen musste sie wie eine Wassernymphe vorgekommen sein, die den Fluten des Flusses entstiegen war. Rasch nahm sie eine der frisch gewaschenen Tuniken auf und mit ihrer Beute schwamm sie auf die andere Seite des Flusses. Dort zog sie sich das Gewand über und verbarg sich in der Uferböschung. Mit Sicherheit würde in Kürze das gegenüberliegende Ufer von Menschen bevölkert sein, welche die seltsame Erscheinung ebenfalls betrachten wollten.

 

*

 

Es dauerte nicht lange und die Frauen kamen mit der Unterstützung einiger Männer zurück, die mit Äxten und Mistgabeln bewaffnet waren und auf die Fluten des Flusses starrten. Diana vernahm aufgeregte Stimmen sowie lautes Rufen und zu ihrer Überraschung konnte sie die Worte relativ gut verstehen. Es war Latein und da sie das große Latinum besaß, war ihr diese Sprache halbwegs geläufig. Jedoch unterschied sich die Aussprache der Wörter erheblich von der, wie sie ihr gelehrt wurde. Latein war eine tote Sprache und niemand in der für sie gültigen Gegenwart wusste, wie man sie richtig artikulierte.

Diana bemerkte, dass die anfänglich aufgeregte Stimmung sich langsam wandelte und hörte vereinzelt ein lautes Lachen, das ein paar der Männer ausstießen. Umso aufgeregter wurden die drei Frauen, die sich wortstark wehrten. Es hörte sich so an, als ob die Männer sich über sie lustig machten und unter eifrigem Geschnatter der Weiber kehrten sie dem Ort des Geschehens den Rücken und gingen zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Diana konnte dies nur recht sein und nachdem die Dorfgemeinschaft verschwunden war, kam sie aus ihrer Deckung und schwamm wieder über den Fluss. In der Ferne sah sie die Menschen und folgte ihnen langsam. Das Aufblitzen eines kleinen Gegenstandes, der sich im Sonnenlicht spiegelte, erregte ihre Aufmerksamkeit.

Diana bückte sich und nahm eine kleine Bronzemünze auf, die wohl einer der Dorfbewohner verloren hatte. Sie blickte auf das Konterfei einer männlichen Person, dessen Kopf mit einer Art Perlenkranz umsäumt war. Sie las die Umschrift und es wurde ihr fast schwarz vor den Augen. Sie sank auf ihre Knie und schaute ungläubig auf die Schrift.

C O N S T A N T I N U S A U G

Diana schloss die Augen und hyperventilierte leicht. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie war in einer Zeit gestrandet, die so unendlich weit von der Ihren entfernt war wie die Sterne der Milchstraße der Erde. Im Grunde genommen befand sie sich auf einem fernen, fremden Planeten.

Diana setzte sich in den Lotossitz und meditierte. Allmählich beruhigten sich ihr Geist und ihr Körper und ihr nüchternes Kalkül setzte wieder ein. Sie war es gewohnt, mit außergewöhnlichen Umständen umzugehen, während andere Menschen in ihrer Lage Gefahr liefen, den Verstand zu verlieren.

Diana fasste ein nüchternes Fazit: So Mädchen, du bist also fast zweitausend Jahre in der Vergangenheit gelandet. Aber das ist nur eine astrale Erscheinung. Dein Körper befindet sich nach wie vor im 21. Jahrhundert. Trotzdem brauchst du einen Plan, um hier zu überleben. Du hast alle Fähigkeiten dazu und bist vielen Menschen hier grenzenlos überlegen. Es wird einen Ausweg geben und du wirst in deine Zeit zurückkehren. 

Diana stand auf und sah, dass die Bauern am Horizont verschwunden waren. Unwillkürlich blickte sie auf ihr linkes Handgelenk und musste im gleichen Augenblick darüber schmunzeln. Muss ich mich eben auf den Stand der Sonne verlassen, dachte sie amüsiert. Sie schaute nach oben und schätzte die Zeit auf den frühen Nachmittag.

Du musst etwas zu essen finden, erinnerte sie ihr Magen. Diana ging in die Richtung, in der sie das Dorf vermutete und zu dem die Leute am Fluss gehörten. Bald sah sie in der Ferne ein paar Hütten auftauchen.

»Na dann, auf ins Abenteuer«, murmelte sie zu sich selbst und näherte sich den ersten Behausungen.

 

*

 

Es waren einfache, kleine, mit Stroh gedeckte Holzhäuser die, den Ausmaßen nach, höchstens über zwei Räume verfügen konnten. Hühner liefen gackernd über den Weg, der die Hütten miteinander verband. An einigen Häusern standen die hölzernen Fensterbeschläge offen und sie hörte Stimmen aus den dahinter liegenden Räumen.

Als sie die erste Hütte erreichte, schaute der Kopf eines Kindes aus dem Fenster und rief etwas in den Raum hinter ihm.

Sofort erschien eine Frau, die sie aus der Entfernung misstrauisch musterte. Das Kind wurde zurückgezogen und der Laden wurde hastig geschlossen. Langsam ging Diana weiter und hörte am Ende des Dorfes ein metallisches Hämmern.

Sieh an, eine Schmiede, dachte Diana und folgte dem Klang.

Als sie an den anderen Häusern vorbeikam, erfuhr sie jedes Mal dieselbe Reaktion. Anscheinend waren die Männer auf dem Feld beschäftigt und als sie die letzten Häuser der kleinen Siedlung passiert hatte, sah sie die Schmiede, wo sie einen großen, rothaarigen Mann erblickte, der mit einem Hammer ein Metallstück bearbeitete. Neugierig schaute Diana sich um. Die Schmiede war ziemlich einfach und der Mann entfachte immer wieder die Glut mit einem Blasebalg. Dabei bearbeitete er das Werkstück mit seinem Hammer und tauchte das glühende Metall regelmäßig in einen neben ihm stehenden hölzernen Wasserbottich.

Diana sah ihm eine Weile zu, bis der Mann auf sie aufmerksam wurde. Er stutzte, musterte sie von oben nach unten und sprach sie an.

»Wer bist du? Ich hab dich hier noch nie gesehen.«

Er sprach, wie sie es erwartet hatte, Latein und Diana kramte ihre lateinischen Sprachkenntnisse zusammen.

»Ich bin auf dem Weg zu meinen Verwandten und schon etliche Tagesreisen unterwegs. Das ist das erste Dorf, das ich seit gestern zu Gesicht bekomme«, radebrechte sie.

»Du sprichst auch nicht wie eine, die von hier kommt. Kommst du aus Germanien von den Usipetern?«

»Ja«, antwortete sie geistesgegenwärtig, obwohl sie keine Ahnung hatte, wer oder was die Usipeter waren. Aber es musste sich um einen germanischen Stamm handeln, wie der Schmied gesagt hatte. Ergo musste sie sich im heutigen Deutschland, beziehungsweise in Gallien befinden.

»Ihr Germanen werdet auch noch richtiges Latein lernen«, lachte er und legte den Hammer zur Seite.

Er schritt auf Diana zu und reichte ihr seine schwielige Hand.

»Ich bin Tullius, der Schmied des Dorfes.«

»Hätte ich nicht vermutet«, grinste Diana ihn an und reichte ihm ebenfalls ihre Hand.

»Mein Name ist Diana«, sagte sie und biss sich fast auf die Zunge, da sie nicht wusste, ob ihr Name in dieser Zeit überhaupt geläufig war.

Der Schmied stutzte und stieß ein lautes Lachen aus.

»Du gefällst mir«, grinste er. »Wo hast du dein Bündel?«

»Das hat man mir gestohlen. Ich habe nur das, was ich am Leib trage.«

»Das ist ja nicht gerade viel«, meinte er, als sein Blick auf ihre bloße Tunika fiel.

»Hast du Hunger?«

»Und wie. Ich habe ja nichts mehr bis auf diese Münze.«

Diana zeigte Tullius die kleine Bronzemünze, welche sie auf der Wiese gefunden hatte.

»Dafür bekommst du noch nicht mal ein Ei«, grinste er. »Aber wenn du willst, kannst du heute Nacht im Stall schlafen. Und ein Teller Puls haben wir auch für dich.«

Diana bedankte sich bei Tullius für das angebotene Essen, was immer auch »Puls« war, und für die Übernachtungsmöglichkeit.

»Meine Frau wird sich auch über etwas weibliche Gesellschaft freuen. Hier kommt selten jemand vorbei und wir sind neugierig, was sich so außerhalb des Dorfes tut.«

Dafür bin ich ja genau die Richtige, seufzte Diana innerlich aber andererseits kam sie so an nützliche Informationen heran, die sie dringend benötigte.

Sie sah in der Schmiede um und entdeckte neben geschmiedeten Arbeitsgeräten auch einige kleine Blankwaffen, die an einer Seite der Schmiede hingen.

»Schneide dich nicht«, sagte Tullius, als sie die Klinge eines Messers mit breitem Blatt wiegend in ihrer Hand hielt.

»Keine Sorge. Mit so etwas kenne ich mich ein bisschen aus«, antwortete sie gedankenverloren. Es war ein Pugio, der Dolch der römischen Legionäre.

»Du stellst auch Waffen her?«

»Natürlich nicht«, grinste Tullius sie an. »Das ist doch streng verboten und kann mich den Kopf kosten.«

»Dann benutzt du den Pugio wohl zum Schneiden von Leder«, sagte Diana mit einem Anflug von Spott in ihrer Stimme.

»Die Zeiten sind alles andere als sicher. Constantins Legionen sichern zwar so gut es geht die Grenze, aber es kommen immer wieder Barbaren über den Rhenus und plündern die Dörfer.

---ENDE DER LESEPROBE---