Holli und Frik - Welf Szebrowski - E-Book

Holli und Frik E-Book

Welf Szebrowski

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Beschreibung

Holli und Frik sind Geschwister, die auf dem Weg in ihr Heimatdorf in einem dichten Wald von Räubern überfallen und getrennt werden. Dieses Buch handelt nicht nur von ihrer Rettung und Heimkehr. Auf ihrer gefahrvollen und abenteuerlichen Reise nach Hause begegnen sie neuen Freunden, wilden Tieren und einer ganz besonderen Melone ... Ein spannendes Abenteuerbuch für Leser und Zuhörer im Alter von 6-12 über Freundschaft und Liebe, über Freiheit und Gefangenschaft und über das große Glück, zu einer Familie zu gehören.

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Seitenzahl: 67

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Kapitel:

Holli

Knut

Der Bär

Frik

Flucht

Abschied

Zu zweit oder zu dritt?

Die Baumspitzmelone

Nachtlagergeschichten

Pläne

Ein Zirkus!

Zirkuskinder

Bärenkinder

Zirkusleben

Der letzte Abend

Wiedersehen 1

Wiedersehen 2

Wiedersehen 3

01 Holli

Aufgewacht! Holli schlug die Augen auf: Helligkeit. Wolkenfetzen. Wind, der durch Baumwipfel weht. Feuchtes Moos. Waldboden.

Eine Waldlichtung.

Verwirrt setzte sie sich auf. Sie befand sich auf einer Lichtung in einem dichten Wald aus Nadelbäumen. Kein Weg schien in die scheinbar undurchdringliche Dunkelheit der umstehenden Bäume hineinzuführen. Sie stellte fest, dass sie mit einer knöchellangen Jacke aus Leder zugedeckt war. Sie trug auch Mokassins aus Leder, eine grobe, gefilzte Hose und ein schmutziges Hemd aus Leinen. Langsam stand sie auf. Sie fröstelte und zog sich die Jacke über.

Sie war beunruhigt. Denn natürlich beschäftigte sie die Frage, wie sie hierhergekommen war. Sie wusste es nicht. Aber mehr Unbehagen bereitete ihr, dass sie nicht wusste wo sie hingehen sollte. Sie wusste nicht, wo sie hingehörte, wo sie herkam. Panik beschlich sie. Ihr war klar, dass jeder Mensch irgendeinen Ort hatte, zu dem er gehörte, irgendeine Heimat, einen Platz auf der Welt – aber sie wusste nicht wo ihrer war.

Sie versuchte sich zu konzentrieren. Was wusste sie?

Sie war 6 Jahre alt. Sie hieß Holli. Sie saß auf einer Lichtung in einem Wald. Sie war offenbar unverletzt, hatte aber keine Ahnung, wie sie hierhergekommen war und wohin sie sich nun wenden sollte.

Und da war noch was. Sie fühlte sich allein. Und sie spürte, dass diese Einsamkeit für sie nicht richtig war, nicht stimmte. Sie wusste auf einmal, dass irgendetwas oder irgendjemand fehlte. Sie schloss die Augen. Irgendjemand fehlte ihr.

Sie lächelte.

Sie wusste nun, dass sie nicht allein war. Irgendwer gehörte zu ihr. Irgendjemand vermisste sie genau jetzt und genau so, wie sie nun deutlich spürte, dass sie die Nähe eines anderen vermisste. Aber wer? Und wo? Was war geschehen?

Auf einmal wich das Gefühl von Hoffnung wieder der Panik. Sie wusste nur, dass sie allein war. Das Wissen darum, zu irgendjemandem zuzugehören, womöglich geliebt zu werden und zu lieben, jemanden zu haben, dem sie vertrauen konnte, half ihr nicht weiter. Im Gegenteil. Diese Gewissheit verstärkte nun noch das Gefühl von Trennung und Einsamkeit. Wohin sollte sie sich wenden? Was suchte sie? Und wen? Sie wusste nicht, wie sie hierhergekommen war.

Ihre Gewissheit, einen vertrauten Ort und eine vertraute Person verloren zu haben, machte ihr nun mehr Angst als dass sie sie ermutigte.

Sie schaute auf Ihre Hände und zählte laut auf, welcher Dinge sie sich gewiss war: »Ich bin Holli. Ich bin 6 Jahre alt. Ich lebe. Ich bin ganz allein.« Der Klang ihrer Stimme weckte eine vage Erinnerung an ein Gefühl der Geborgenheit in Ihr.

Dann weinte sie.

02 Knut

»Warum immer ich?! Von allen Pechvögeln und Blödnasen der Welt bin ich doch noch der Allergrößte! Immer, wenn es etwas Stumpfsinniges zu tun gibt, muss ich es machen! Alle anderen haben jetzt schön Spaß und ich muss hier alleine durch den Wald streifen! Warum merkt niemand, was ich alles auf dem Kasten habe. Ich bin mutig! Ich bin geschickt! Ich bin ein Krieger...«

RUMMMS!

Holli musste sich beherrschen, nicht laut loszulachen.

Was war geschehen?

Während sie sich ihrer Verzweiflung hingab und weinend auf die Knie gesunken war, hatte ein dicker Junge von ungefähr 16 Jahren die Lichtung betreten. Er hatte kurzes schwarzes Haar, ein rundes, rotes Gesicht mit einer auffallend großen Nase. Bekleidet mit einem Lederwams und einem Kettenhemd und bewaffnet mit einem Speer, stapfte der Junge missmutig schimpfend über die Lichtung und knallte mit einem lauten RUMMMS mit dem Kopf gegen den einzigen Baum, der inmitten der Lichtung stand. Ein paar Tannenzapfen fielen herab, ein Eichhörnchen oben im Baum schimpfte und der Junge landete auf seinem Hosenboden. Einen Moment war er sprachlos und rieb sich die Stirn. Dann lamentierte er weiter: »Und natürlich renne ich gegen den einzigen Baum, der hier herumsteht. Ich habe aber auch immer Pech!«

Holli fand, dass der Junge trotz seiner Bewaffnung und seines Kettenhemdes ganz nett aussah. Konnte jemand der so lustig und ungeschickt gegen einen Baum rannte, böse sein? Und was hatte sie überhaupt zu verlieren?

Sie nahm all Ihren Mut zusammen (und ehrlich gesagt auch einiges von ihrer Verzweiflung), atmete tief durch und trat aus der Deckung eines Busches frei auf die Lichtung.

Der Junge sah sie und hörte augenblicklich auf zu reden. Einen Moment lang schwiegen sich beide an. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Holli sah das ganz genau und achtete auf jede Muskelbewegung in der Mimik des Jungen. Einen Moment lang glaubte sie, dass der Junge anfange zu lächeln, dass er ein freudiges Wiedererkennnen zeige. Ihr Herz machte einen Sprung!

Doch dann bemerkte sie, dass es kein freundliches Lächeln war, was der Junge zeigte, sondern ein teuflisches Grinsen. Schlagartig wurde ihr flau im Magen und sie spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern.

Ihre Vertrauensseligkeit war ein Fehler gewesen.

»Halt! Keine Bewegung!«, schrie der Junge, während er auf die Beine sprang. Er kam langsamen Schrittes mit gesenktem Speer auf Holli zu. »Wage es nicht, Dich zu rühren«, herrschte er sie an, »sonst spieße ich Dich auf, wie ... wie ein ... ein... ääh...«.

»…Spanferkel?«

Holli war noch verwunderter als der Junge. Sie hatte keine Ahnung, was sie geritten hatte, ihm ins Wort zu fallen und »Spanferkel« zu sagen. Naja – sie hatte Hunger und offensichtlich hatte der Junge nicht die richtigen Worte gefunden. Obwohl er sie bedrohte, konnte Holli immer noch nicht glauben, dass dieser pausbäckige, knollennasige Junge wirklich böse sein sollte.

Doch das war wohl ein Irrtum, wie sie sich wenig später eingestand, als er sie mit gesenktem Speer vor sich her durch den Wald trieb. Ihre Wange brannte noch schmerzhaft von dem Schlag mit der flachen Hand, mit dem er ihre Bemerkung quittiert hatte. Ihre Hände hatte er ihr auf dem Rücken gefesselt. Er hatte ihre Taschen durchsucht (»Warum habe ich das vorher nicht selber gemacht?«, fragte sich Holli verzweifelt), aber offenbar nur für ihn wertlose Zettel gefunden, die er wieder zurück in ihre Taschen gestopft hatte.

»Du wirst es bereuen, alleine durch den Wald zu laufen! Endlich habe ich auch mal Glück! Ich werde Dich zu meiner Familie bringen! Wir verkaufen Dich an reiche Leute, denen Du den Rest Deines Lebens als Sklavin dienst. Feldarbeit, Küchen- oder Putzdienste wirst du machen müssen! Ha! Du bist so jung – wir werden ein hübsches Sümmchen kassieren für Dich! Dumme Gans!«

Bei den letzten Worten stach er Holli schmerzhaft mit dem Speer in den Rücken. Sie schrie auf, doch ihn schien das zu amüsieren. Er lachte bösartig. »Jetzt lache ich! Haha! Und keiner lacht mehr über mich! Keiner nennt mich mehr Nichtsnutz! Keiner nennt mich mehr einen Tölpel! Ich habe eine Sklavin gefangen! Ich ganz allein!«

Während sie durch den Wald stampften, versank Holli in ihren Gedanken. Sie versuchte wieder, sich zu erinnern. Sie war 6 Jahre alt. Sie hieß Holli. Sie… Sie.. Nichts. Sie konnte sich nicht erinnern, wie sie alleine in den Wald gekommen war; sie wusste nicht, wer sie war. Der Junge, der sie hier durch den Wald schubste, schien sie auch nicht zu kennen.

Sie hatte zwar nicht genau verstanden, was der Junge mit ihr vorhatte und wohin er sie brachte, aber eines war ihr klar: Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit würde sie fliehen.

Wo auch immer sie hingehörte – sicher war ihr Platz nicht gefesselt vor dem spitzen Speer eines offenbar ziemlich dummen und ziemlich bösen Jungen aus dem Wald.

03 Der Bär

Und diese Gelegenheit kam früher, als beide es erwartet hätten. Ein lautes Brummen riss Holli aus ihren Gedanken. Mit einem brutalen Krachen brach plötzlich ein gewaltiger, wild schnaubender Bär aus dem Unterholz hervor und warf den Jungen mit einem lässigen Prankenhieb mehrere Meter zur Seite. Mit einem lauten Schrei fiel Knut auf den Waldboden.