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Der 2. Weltkrieg ist Geschichte, endlich vorbei. Aber wie geht es weiter in Deutschland? Der Autor beschreibt Frauenschicksale, und gibt Einblick in ganz privates Erleben von 1945 bis 25 Jahre nach der Deutschen Einheit. Die Kurzgeschichten sind sehr nahe an der Wahrheit angesiedelt, sie geben dem persönlichen Empfinden des Betrachters freien Raum. Was natürlich zu Wiedersprüchen mit der offiziellen Lesart der Parteien führen kann. Der Autor will sich auch den Lesern mitteilen, welche noch nie ,oder schon lange kein Buch mehr in die Hand nahmen. Kurz und nachdenklich, aber auch provokant gewährt er Einblicke in Zwischenmenschliche Beziehungen.
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2015
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In steter Erinnerung an meinen besten Freund : Klaus Richter
Du, stammst vielleicht vom Affen ab, sprach der Vater zum Sohn, ich jedenfalls nicht.
Nächtliche Begegnung
Tante Anna
Der Verlierer
Birkwitz
Fassungslos
Kaum zu glauben
Nachgedacht
Beim Friseur
Requiem für eine Trümmerfrau
Frieda
Ironie
Im Wald
Eine Hausbewohnerin
Oma mit dem Telefon
Mein großer Junge
Vor Weihnachten
Der Luftballon
Gute Reise
Zum guten Schluss
Oktobermorgen
Ein Wort an den Leser
Nach einigen Anläufen, war es mir endlich gelungen den längst fälligen Brief, fertig zu stellen. Da er nun geschrieben war, wollte ich nicht wie es so üblich ist, diesen noch lange mit mir herumtragen. Ich würde ihn noch heute zum Briefkasten bringen, und zwar jetzt, sofort.
Beim verlassen des Hauses, stolperte ich fluchend über einen Berg von Pflastersteinen, welcher vor der Treppe zur Haustür lag. Zu allem Überfluss war ich hier im Freien, auch noch in einen Hexenkessel von Regen und Wind geraten. Das war ein Wetter für einen der Vater und Mutter erschlagen hatte, einfach zum Umkehren, grauenvoll. Am hellen Mond peitschten zerfetzte schwarze Wolken dahin, von den riesigen Tannen im Garten, krachte der abrutschende, schwere nasse Schnee auf die Erde. Es war schaurig schön hier draußen. Mir schien, als sei ich plötzlich Teil, einer der gewaltigen Wagner Opern. Die von der Schneelast befreiten Äste der Bäume, begannen im heulenden Wind um sich zu greifen, es war mir als würden sie mit geballter Kraft auf mich zu kommen. Ein Heer von fürchterlichen, mir einen Schreck einflössenden Walküren, begann angefacht durch den Wind, scheinbar einen gewaltigen 1000 stimmigen Chor anzustimmen. Das war kein Chor mehr, das klang schon wie ein fürchterliches erschreckendes Kriegsgeschrei.
Jetzt wurde mir klar, dass Hitlers Seelenverwandtschaft zu Wagner nicht nur im Judenhass, sondern auch in dessen Musik lag. Nur in dem beide sinnlich den Gewalten der Naturkräfte folgten, fanden sie ihr verloren gegangenes, Selbstvertrauen für kurze Zeit zurück. Sie blieben trotzdem ein Leben lang , schwach und unberechenbar. Selbst Wagners Frau v. Bülow, gesellte sich zu den Beiden, vereint in ihrem Judenhass. Ein Problem, die gewaltige Musik Wagners zu lieben, ihn als Mensch jedoch in Zweifel zu ziehen.
Aber meine Wirklichkeit war jetzt eine Andere. Ich schlug angeekelt von dem Wetter, den Mantelkragen hoch, und öffnete nach wenigen Schritten, das quietschende Gartentor, lies es ins Schloss knallen und stand Mutter Seelen allein auf der finsteren Straße, welche ich nun mit eingezogenem Kopf, hinunter lief. Dicht an eine hohe Grundstücksmauer gedrängt, bot mir diese ein wenig Schutz vor dem peitschenden Regen. Was hatte ich nur verbrochen, in dieser Nacht diesen Weg gehen zu müssen. Da gab es noch eine Kreatur, die sich Gleiches zu fragen schien. Vor mir bemerkte ich eine kleine schwarze Katze, welche sich fast unsichtbar in der Dunkelheit, genau wie ich, an die Mauer gedrückt, vor mir langsam in gleicher Richtung bewegte.
Als ich sie einholte und stehen blieb, begrüßte sie mich mit einem kaum hörbaren, Herz zerreisenden „Miau“ und bekann, als ich stehen blieb, wie verrückt durch meine Beine zu laufen . Wobei sie immer wieder eine acht beschrieb. Schließlich begann sie sich genüsslich an meinen Beinen zu reiben. Was kam jetzt noch alles auf mich zu? Trotz alledem, mir gefiel der kleine Kobold, es tat gut, endlich wieder einmal etwas Zuneigung zu spüren.
Seit meiner schweren Krankheit war es mir verboten, jegliche sexuelle Annäherung ohne den entsprechenden Schutz in Betracht zu ziehen. Schon allein die Tatsache an der Krankheit zu leiden, würde nicht nur Familie, und Freunde auf Abstand gehen lassen. Zu groß war die Angst vor Ansteckung. Aber oftmals gleichgroß war die Unwissenheit bei dem Krankenhaus und Pflegepersonal. Sollte Liebe, menschliche Wärme und Geborgenheit für mich für immer Tabu sein? Aber noch konnte ich das Geheimnis hüten. Zunehmend merkte, dass mir die Medizin, welche die Krankheit zwar in Schach hielt, mir aber mit ihren vielfältigen Nebenwirkungen sehr zu schaffen machte. Ich litt am meisten daran, mit niemanden darüber offen sprechen zu können. Und dann immer noch die quälende Frage, warum gerade ich. Eines Tages würde ich Hilfe brauchen, nur wusste ich nicht von wem. Sollte ich mich meinen Eltern, Freunden, oder gar Gott offenbaren? Sie alle wären überfordert. Eltern wollen Enkel. Freunde wollen ihr Leben genießen, und können keinen Kranken auf Dauer gebrauchen. Die Kirche hat mit sich selbst, und ihren Sexskandalen zu tun. So bleibt ihr nur die Flucht nach vorn, indem sie diese, auch meine Krankheit, als Lustseuche verunglimpfte.
Aber was machte ich mir heute bei diesem Wetter Gedanken um Dinge, welche sowieso anders kamen als gedacht.
Noch hatte ich Arbeit, noch konnte ich mir selbst helfen, aber ich bemerkte schon immer öfter wie die Angst vor der Zukunft in mir hoch kroch, und das es schon depressive Phasen gab, gegen die ich allein bald nicht mehr an kam. Ich erreichte so in Gedanken verstrickt, mit meiner neuen kleinen Liebe total durchnässt den Briefkasten.
Dieses kleine Vieh machte mich irgendwie glücklich, ich sprach auf sie ein, sie rannte davon, kam wieder um zu schmusen, sie machte mit mir ein Katze und Maus Spiel. Manchmal hatte ich Angst, ich könnte sie in der Dunkelheit verlieren.
Schließlich konnte ich meinen zum Glück trocken gebliebenen Brief einwerfen. Plötzlich hatte ich es eilig, ich wollte zügig nach Hause. Die nasse Kälte hatte mich eingenommen. Ich war müde, der Weg war noch lang, und das Wetter verschlechterte sich zunehmend.
Immer wieder begann ich meinen Weg im Laufschritt fort zu setzen, und stolperte auch noch verärgert über die kleine Katze. An der Stelle, an der wir uns begegnet waren ermahnte ich das Tierchen, mich nun endlich zu verlassen. Nach meinem dafür halten, sollten sich hier unsere Wege trennen. Das war aber nicht der Wunsch der Kleinen. “Wieso läufst Du mir noch hinterher? Ich kann keine Katze gebrauchen, “ herrschte ich sie an. Wütend warf ich das Gartentor zu, aber der kleine Teufel stand schon an der Treppe zur Haustür.
Ich brannte das Hauslicht an, sah wie dieses zwei funkelnde, vor mir stehende gelbe Diamanten, beleuchtete.
Wie wahnsinnig geworden, bückte ich mich langsam, nahm einen der vor der Treppe herum liegenden Steine auf , und schleuderte ihn wie verrückt, mit voller Kraft in Richtung der erwartungsvoll auf mich gerichteten Augen, des keinen Koboldes.
Ein unvergesslicher greller Schrei wurde vom Wind in die Nacht hinaus getragen. Wie versteinert saß ich im dunklen Treppenhaus, unfähig mich zu bewegen. Hatte diese elende Krankheit, die man sich selbst holt aber nicht bekommt, mein Wesen schon so verändert.
Jetzt wünschte ich mir, damals ein Kondom benutzt zu haben, dann wäre ich heute nicht an HIV erkrankt, und hätte ihnen eine schönere Geschichte erzählen können. Schade.
Sie war meine Lieblingstante, meckerte nicht an mir herum, sie nahm mich wie ich war, aber nicht ohne mir ab und an, einige Benimmregeln unter zu jubeln. Zwar bemerkte ich ihre Weiberschläue. Da sie alles liebevoll verpackte merkte ich natürlich nichts. Bei Ihr lernte ich so alte, heute längst vergessene Reime wie:
In Leipzig da ist es lustig,
da gibt es ne Pferdebahn,
das eine Pferd das läuft nicht,
das andere das ist lahm.
Der Kutscher der ist bucklig,
die Räder die sind krumm,
und aller fünf Minuten,
da kippt die Kutsche um.
So etwas merkt man sich als Kind sofort, und vergisst es nie im Leben.
Am schönsten fand ich das Spiel, bei welchem ich meine Hand auf den Tisch legen musste, und sie dann ihre verschrumpelte, weiche warme Hand auf die Meine legte. Dann wieder ich, dann wieder sie. Dann zog immer der unten liegende vorsichtig seine Hand aus dem Stapel hervor. Dieses Spiel war für sie und mich wunderbar. Diese innige Berührung tat uns Beiden gut. Leider habe ich den Spruch vergessen den sie dazu sagte, manchmal verfitzten sich unsere Hände regelrecht, da sie den Spruch immer schneller auf sagte. Bei Ihr verging die Zeit wie im Flug. Wollte sie uns etwas Kochen, dann musste sie erst einen Groschen in die Gasuhr werfen. Das Gaswerk ging auf Sicherheit, oft konnten die armen Leute Ihre Gasrechnung nicht bezahlen.
Als ich älter, und ihr Rheuma immer schlimmer, und fast unerträglicher wurde, besuchte ich sie öfter um ihr zu helfen, wobei auch immer. Dabei erzählte sie mir auch manchmal aus der Zeit, als Deutschland noch einen Kaiser hatte. Die Mädchen arbeiteten alle in einem Pflichtjahr auf dem Lande, und lernten neben der Hauswirtschaft, auch Dinge des täglichen Lebens, welche sie befleißigen sollten, gute Deutsche Ehefrauen zu werden.
Natürlich hatten die jungen Leute auch schon damals ihren Spaß am Leben.
Anna und ihre Freundin, eine andere Magd, teilten sich ein Schlafzimmer. Während Anna nicht auf jeden Dreck der Knechte herein fiel, war die Andere etwas schwer von Begriff, was die Kerle natürlich ausnutzten.
So auch eines Abends. Anna hatte der anderen Magd eingeschärft, egal was heute Nacht passiert, auf keinen Fall wird die Tür geöffnet. Die andere Magd hatte verstanden.
Friedlich schliefen die Mädchen ein, alles blieb ruhig, bis es auf der Holztreppe leise knarrte, Anna war sofort gewarnt, aber nichts passierte. Auch gut. Dann klopfte es heftig an der Tür, der Name der anderen wurde laut gerufen: „Komm schnell die Kuh Rosa kalbt, schnell, schnell, mach auf, komm wir müssen in den Stall.“ Mit einem Satz war die Gerufene an der Tür, entriegelte diese, und die Knechte stürzten in die Kammer und über die Weiber her.
Bei dieser Geschichte konnte sie sich ausschütten vor lachen.
In den 20iger Jahren nach dem ersten Weltkrieg, war es üblich in der Wohnung einen Schlafburchen zu beherbergen. Das war ganz einfach, wenn Alfred ihr Mann zur Arbeit ging, wurde das noch warme Bett vom Schlafburschen benutzt. Der zahlte ein kleines Geld und konnte sich ausschlafen. Ich hatte bedenken im Hinblick auf die Hygiene, und gab zu bedenken, das es doch ein Glücksspiel war, an welchen Kerl man da vermietete. Wer weiß was der für Flöhe, Läuse und Krankheiten, mit ins Bett brachte.
Jetzt schmunzelte Tante Anna verwegen in sich hinein:“ Na hör mal, die Kerle suchte ich doch selbst aus, nicht mein Alfred. Diese Jungs standen alle gut im Futter, und waren schmucke Kerle, gut an zu schauen. Man konnte sie nicht von der Bettkante werfen. Glaube mir.“
Wenn ich heute, nach vielen Jahren, mal wieder an ihrem Haus vorbei komme, schaue ich voller Wehmut nach oben und sage, mich vergessend, manchmal sogar laut: „War schon richtig altes Mädchen, Du hast nichts anbrennen lassen, heute fragt keiner mehr danach.
Na und leicht hattet ihr es damals wirklich nicht.“ Ich grüße dann nach oben, da wo sie, und wir einst so glücklich waren. Tschüss altes Mädchen.
Als ich 14 Jahre alt war, sagte meine Mutter zu mir: “Du lernst Stahlformenbauer, in der Spritze in Heidenau, ich kenne da einen Pförtner, der regelt das.“ Als ich fragte: “Stahlformenbauer, was ist denn das?“ War die Antwort: „Das weis ich auch nicht, das wirst du schon sehen.“ Ende der Berufswahl.
So stand ich dann mit einigen dürren jungen Kerlen am 15. September 1951 auf dem Fabrikhof einer SDAG. Was das wohl war? Ganz einfach, eine Sowjetisch – Deutsche - Aktiengesellschaft, mit einem Sowjet und einem Deutschen Direktor an der Spitze. Die Hälfte der anspruchsvollen Produktion ging in die SU, als Reparation. Schließlich hatten wir ja den Krieg verloren. Wir im Osten zahlten auch die Kriegsschulden des Westens, an die Russen. Schlappe 800 Milliarden. Damals muss wohl der Witz entstanden sein, in welchem der Sowjet zum Deutschen sagt :„Jawohl, das Geschäft machen wir, und dann teilen wir brüderlich.“ „ Ne ne,“ sagte der Sachse: “Wir machen Halbe, Halbe. “
Im dritten Lehrjahr, am 17. Juni 1954, geschah etwas für uns alle Unerwartetes. Wir Lehrlinge fuhren mit der Straßenbahn Richtung Stadtzentrum. Unsere Berufsschule begann 13 Uhr. Sie wurde wegen der großen Zerstörung, ganztägig genutzt. Am damaligen Fucikplatz, da wo heute die gläserne Automanufaktur von Volkswagen steht, verließen wir wie immer, die Straßenbahn, um den Weg zur Schule, immer noch zwischen Bergen von Trümmerschutt, gemeinsam fort zu setzen. Doch daraus wurde nichts. Es war kurz nach 12 Uhr Mittags, als uns Lautsprecher aufforderten auseinander zu gehen, bei einer Personenansammlung von mehr als drei Personen, wird geschossen. Und das die Sowjets nicht mit heißem Käse herum ballerten war uns sofort klar, also einzeln zurück in die Straßenbahn.
Was mich heute noch fasziniert, mir manchmal sogar Angst macht, ist die Tatsache, dass sich auf der Fahrt in die Innenstadt, die Straßenbahn an jeder Haltestelle im rasantem Tempo füllte. Erst stiegen die vom Operettentheater zu, dann die Kollegen der Dresdner Gardinenmanufaktur, und überall sah man Marschkolonnen von Menschen, sogar mit Transparenten. Das war unheimlich, dieses Tempo, diese potentielle Gewalt, plötzlich war sie da. Wie aus dem Nichts, entstand in kürzester Zeit, ein gewaltiger Aufstand im Lande der Arbeiter und Bauern. In unserem Betrieb dauerten die Auseinandersetzungen drei Tage, bis endlich alle Demonstranten wieder frei waren, solange hatten wir im Formenbau die Arbeit verweigert.
Eine Ungeheuerlichkeit, und undenkbar, im eigenen Arbeiter und Bauern Staat. Das war der erste und sofort gescheiterte Versuch etwas von dem Druck des Sozialismus ab zu schütteln. An die, welche damals ihr Leben gaben, denkt heute kein Mensch mehr, längst Geschichte, aus und vorbei. Natürlich wurden die Zügel jetzt straffer angezogen, Jeder bewachte jetzt Jeden. Die Arbeitsnormen stiegen ständig.
Als wir ausgelernt hatten, gingen die meisten der jungen Gesellen in die aus dem Boden gestampfte Flugzeugindustrie. Eine riesige Chance in Dresden, oder Pirna, direkt vor der Haustür. Ich wurde als Einziger nicht genommen, ich hatte Großeltern in Westberlin, durch sie galt ich als nicht zuverlässig. Ich war zu unsicher, man traute mir nicht über den Weg. Der Aufbau des Sozialismus verlangte linientreue, aber mit Verbindung zum Klassenfeind, unmöglich. Dieser Umstand machte mir in meiner ganzen beruflichen Laufbahn zu schaffen, selbst als meine Großeltern längst Tot waren, musste ich sie noch in jedem Fragebogen angeben. Deutsche Gründlichkeit.
Meine Kumpels gingen also weg, in den Flugzeugbau, ich fand einen neuen Freund im Nachbarhaus, er ging auf die Oberschule, und war katholisch. Ich war Arbeiter und aus der Kirche ausgetreten.
Obwohl wir auf den ersten Blick, gar nicht zusammen passten, verstanden wir uns prächtig. Sein Vater war auch gefallen, er musste mit seiner Mutter aus Ostpreußen fliehen, und waren froh ihr Leben gerettet zu haben. Sie hausten in einem Loch über einem Schuppen, was man heute gar nicht mehr für möglich hält. Aber gemütlich hatten sie es, trotz der unvorstellbaren Armut. Seine Mutter war eine ganz liebe Frau. Sie arbeitete wie ein Pferd, nur um ihrem Jungen etwas bieten zu können.
Wir fuhren im Sommer einige Tage gemeinsam in die Gegend von Bautzen. Hier bewirtschafteten von meinem Freund, Verwandte einen Neubauernhof. Wir arbeiteten gern mit, und halfen wo wir konnten, und genossen das Landleben. Es entwickelte sich zwischen uns, nicht zuletzt durch die gemeinsame Arbeit, eine echte Kameradschaft, worüber wir beide recht glücklich waren.
Eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause, und wunderte mich über das üppige Abendbrot, welches meine Mutter, in der Stube bereit gestellt hatte. Natürlich machte ich mich sofort darüber her. Zuerst das gekochte Ei. Diese waren damals ja auch Mangelware. Herrlich so ein schönes Abendbrot. Na ja ich zahlte ja an meine Mutter auch wöchentlich ein gutes Kostgeld. Aber meine Freude sollte nicht lange währen, meine liebe Mama betrat die Bühne, schrie herum, wollte wissen, wer den Teller leer gefressen hat, sie benahm sich wie eine Irre. Nichts Neues. Natürlich gab ich ihr zu verstehen, das ich der Hungrige war. Ich lies sie toben und zahlte für das Ei fünfzig Pfennige. Wie von ihr hysterisch gefordert. Ich war ja einiges gewöhnt, und fragte meine vier Jahre jüngere Schwester was der Zirkus soll. Diese gab mir zu verstehen, das ich den Teller, der für Dietmar, meinen Freund, bestimmt war, abgeräumt hatte.
„Wie bitte“, sagte ich wie von der Tarantel gestochen. War ich wieder mal im falschen Film?
Einige Tage später fad ich einen Liebesbrief, aus welchem hervor ging, das mein Freund mit meiner Mutter ein mehr als inniges Verhältnis unterhielt. Er war wenigstens noch so Anständig, und machte sich im Brief Gedanken, was ich wohl zu dieser Liebe sagen würde. Ich sagte nichts. Ich zog aus, ich nahm nur eine Tasche mit dem Nötigsten mit.
Meine Schwester musste zurück bleiben, sie erlebte die Hölle bei dem ungleichen Liebespaar.
Als ich dann nach dem Tot meiner Mutter, es waren inzwischen viele Jahre vergangen, die Wohnung ausräumte, fand ich ein Bild von meinem damaligen Freund Dietmar, den ich nie wieder gesehen habe. Er ist jetzt in Leipzig ansässig, das Foto zeigt einen jungen, netten Kerl. Manchmal kämpfe ich mit mir, ob ich dem jetzt ja auch schon alten Knacker, das Bild einfach mal so, zurück schicken sollte. Sehen möchte ich ihn nicht.
Nach meinem Weggang aus dem Elternhaus, wurde meine Mutter natürlich von den Nachbarn gefragt, weshalb ich nicht mehr nach Hause käme. Ihre Antwort: „ Der traut sich nicht mehr heim, er hat doch dem Dietmar seinem besten Freund, die Brieftasche geklaut.“