Hot as Ice - Heißkalt verliebt - Helena Hunting - E-Book
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Hot as Ice - Heißkalt verliebt E-Book

Helena Hunting

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Beschreibung

Im Gegensatz zu ihren Eltern kann sich Violet Hall wirklich eine bessere Beschäftigung für die Wochenenden vorstellen, als ihren Stiefbruder - erfolgreicher NHL-Spieler und ganzer Stolz der Familie - zu seinen Eishockey-Spielen mit den Black-Hawks zu begleiten. Der Sport langweilt sie ohne Ende, und seinen Teamkollegen, allesamt als Playboys verschrien, kann sie nichts abgewinnen. Doch als sie im Hotel dem legendären Teamcaptain Alex Waters begegnet, ist selbst sie machtlos gegen seinen Charme. Sie verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander, doch Violet ist sicher: Mehr ist da nicht! Aber Alex ruft an. Und schreibt SMS. Und schickt E-Mails. Und sonderbare Geschenke. Für Violet wird es immer schwieriger ihn zu ignorieren und fast unmöglich ihn nicht zu mögen. Doch die Presse macht keinen Hehl daraus, dass Alex nach wie vor ein Player ist - und Violet hat sich geschworen, nicht zum Teil seines Spiels zu werden ... (ca. 480 Seiten)

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Weitere Romane von Helena Hunting bei LYX

Impressum

HELENA HUNTING

Hot As Ice –

Heißkalt verliebt

Ins Deutsche übertragen

von Beate Bauer

Zu diesem Buch

Im Gegensatz zu ihren Eltern kann sich Violet Hall wirklich eine bessere Beschäftigung für die Wochenenden vorstellen, als ihren Stiefbruder – erfolgreicher NHL-Spieler und ganzer Stolz der Familie – zu seinen Eishockey-Spielen mit den Black-Hawks zu begleiten. Der Sport langweilt sie ohne Ende, und seinen Teamkollegen, allesamt als Playboys verschrien, kann sie nichts abgewinnen. Doch als sie im Hotel dem legendären Teamcaptain Alex Waters begegnet, ist selbst sie machtlos gegen seinen Charme. Sie verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander, doch Violet ist sicher: Mehr ist da nicht! Aber Alex ruft an. Und schreibt SMS. Und schickt E-Mails. Und sonderbare Geschenke. Für Violet wird es immer schwieriger ihn zu ignorieren und fast unmöglich ihn nicht zu mögen. Doch die Presse macht keinen Hehl daraus, dass Alex nach wie vor ein Player ist – und Violet hat sich geschworen, nicht zum Teil seines Spiels zu werden …

Alex, du hast mir schon bei einigen Manuskripten beigestanden. Danke, dass du an meine Worte glaubst und mir dabei hilfst, mich durchzuarbeiten, auch wenn es mich in den Wahnsinn treibt.

1

Was zum Teufel macht Gewalt so sexy?

Violet

Es ist sechs Uhr einundfünfzig am Donnerstagmorgen, und ich bin dreißig Sekunden von einem überwältigenden Orgasmus entfernt. Frauen sollten sich überall eine Seite aus einem Männermagazin vornehmen. Nur weil mir im Gegensatz zu einem Mann nichts anzusehen ist, zum Beispiel eine Morgenlatte, heißt das nicht, dass ich mich nicht um meine Bedürfnisse kümmern sollte, bevor ich unter die Dusche gehe. Mein Tag läuft einfach besser, wenn ich ihn mit einem Schluck aus der Orgasmusflasche beginne.

Und genau da bin ich jetzt und balanciere auf der Schwelle zum Himmel. Jedes Nervenende ist auf perfekte Art entflammt. Meine Muskeln sind angespannt, die Finger bewegen sich rasend schnell, der Vibrator – Gott schütze den verdammten Vibrator – berührt den P-p-p-punkt, und gleich wird alles selig weiß werden.

Genau in diesem Moment durchbricht die schrille Stimme meiner Mutter den orgasmischen Zauber und zerstört mein morgendliches Lustkrähen. Wie schon so oft ist sie unaufgefordert reingekommen.

Die Sache ist die: Ich lebe nicht mit meiner Mutter zusammen. Ich bin vor über vier Jahren ausgezogen – in das verdammte Poolhaus. Technisch gesehen befindet es sich auf dem gleichen Grundstück, doch es sollte mein privates Reich sein. Die Zuflucht vor meiner wirklich großartigen und trotzdem völlig durchgedrehten Mutter.

Die Tür zu meinem Schlafzimmer fliegt auf, als ich gerade den Vibrator ausschalte und die Decken hochziehe. Meine Vagina rebelliert. Ich kann es kaum erklären. Es ist das Äquivalent zu dicken Eiern.

»Mom!« Ich rutsche tiefer unter die Daunendecke. »Wie oft soll ich es dir noch sagen!«

»Du solltest längst auf sein! Ich hab etwas für dich!« Sie wedelt in der Luft herum wie der verrückte aufblasbare Ballonmann aus dem Fernsehen. Das ist zu viel für mich, jedenfalls so früh am Morgen.

»Ich bin wirklich gerade erst aufgewacht. Ich brauche fünf Minuten, bevor wir uns unterhalten können, okay?«

Sie lässt die Arme sinken, und ihre Schultern sacken gemeinsam mit ihren Mundwinkeln herunter, was mir ein schlechtes Gewissen machen würde, wäre sie nicht in mein Zuhause eingedrungen und unangekündigt in mein Schlafzimmer geplatzt. So bin ich einfach nur sauer.

»Oh, sicher.« Ihre Niedergeschlagenheit hält zum Glück nicht lange an. »Wie wär’s, wenn ich eine Kanne Kaffee koche?«

Meine Mutter ist gern nützlich, und obwohl ich verärgert bin, will ich trotz des Überfalls ihre Gefühle nicht verletzen. »Das wäre großartig.« Jeder Vorwand, um sie aus meinem Zimmer zu locken, ist mir recht, aber eine Kanne mit frischem Kaffee ist sogar hochwillkommen.

Sie geht rückwärts aus dem Zimmer und schließt die Tür. Ich überlege drei Sekunden lang, das zu beenden, was ich angefangen habe, aber es ist unmöglich zu kommen, während sich meine Mutter in meiner Küche zu schaffen macht. Stattdessen lege ich meinen Vibrator in den Nachttisch und gehe kurz ins Bad, um mir die Hände zu waschen.

Mit zweiundzwanzig sollte ich in der Lage sein, eine gewisse Distanz zu meiner Mutter zu halten. Allerdings hat sie mit dem Konzept der Privatsphäre so ihre Schwierigkeiten. In meinem ersten Collegejahr habe ich die Idee, mir in der Nähe des Campus eine Wohnung zu nehmen, fallen lassen. Meine Mom und Sidney – mein Stiefvater – waren erst kurze Zeit verheiratet. Sie waren schlimmer als keusche Teenager. Mehr als einmal hatte ich das Pech, sie in kompromittierenden Situationen zu ertappen. Beim dritten Mal war das Maß dann voll.

Schuldbeladen und beschämt von dem psychologischen Schaden, den er verursacht hatte, bot mir Sidney an, das Poolhaus zu renovieren. Ich habe nur zugestimmt, weil ich mir so ein paar tausend Mäuse an Miete sparen konnte.

Als ich vor ein paar Monaten einen Job fand, fing ich an, mich nach einer eigenen Wohnung umzusehen, teilweise auch wegen der vielen unangemeldeten Besuche meiner Mutter. Als stets hilfsbereites Elternteil machte sie bei der Suche mit und erzählte mir Horrorgeschichten über Mitbewohner im Stile von Weiblich, ledig, jung sucht … Als ich feststellte, dass ich mir ohnehin nur Wohngemeinschaften leisten konnte, beschloss ich, noch eine Weile im Poolhaus zu bleiben. Doch weil ich keine Studiengebühren mehr zahlen muss, scheint es mir ein guter Plan zu sein, diese Möglichkeit erneut in Betracht zu ziehen.

Ich reibe mir die nicht mehr nach meiner Vagina riechenden Hände am T-Shirt trocken, während ich die Küche betrete. Meine Mutter sitzt am Tisch und blättert eins der Klatschblätter durch, die sie so gern liest, während sie an ihrem Kaffee nippt.

»Ich finde, sie machen Buck viel schlimmer, als er in Wirklichkeit ist, findest du nicht?« Sie dreht das Magazin herum, damit ich die furchtbaren Fotos meines Stiefbruders sehen kann.

Ich nehme mir eine Tasse, fülle sie mit dem himmlischen Gesöff und lasse mich meiner Mutter gegenüber auf den Stuhl fallen. »Ich denke, Buck sorgt schon selbst nach Kräften dafür, schlecht dazustehen, auch ganz ohne Hilfe der Medien.«

Mein Stiefbruder ist ein furchtbarer Frauenaufreißer, und ich bin versucht, das über alle professionellen Eishockeyspieler zu denken. Es ist ein Pauschalurteil, eine übertriebene und wahrscheinlich unzutreffende Verallgemeinerung. Doch aufgrund persönlicher Erfahrungen glaube ich, dass sie es ziemlich genau trifft. Natürlich bezieht sie sich auf den Hockeyspieler, mit dem ich letztes Jahr zusammen war. Für mich ist er eine Art Lord Voldemort: der, dessen Name nicht genannt werden darf.

Die dritte Seite des Unterhaltungsteils von letzter Woche bestätigt meine Hypothese. Der Beweis ist grobkörnig auf einer Doppelseite abgebildet: Buck, dessen Hand unter einem Frauenrock steckt. Auf einer öffentlichen Toilette. Er knutscht mit ihr, während er sie in einer Kabine auszuziehen versucht – bei geöffneter Tür. Wie eklig.

Das Foto selbst ist keine Überraschung. Im Internet findet man Hunderte solcher Bilder. Buck hat seinen Schwanz mit der Hälfte der weiblichen Bevölkerung auf dem US-Festland geteilt, und wahrscheinlich mit ein paar weiteren oben in Kanada. Die Frau, mit der er rummacht, ist das Problem. Er befummelt nicht irgendeine Hockeyschlampe, oh nein. Es ist die Nichte seines früheren Coachs. Ihr Name ist Fran. Sie ist entzückend, und dank Buck wirkt sie jetzt wie ein Groupie.

Zu seiner Verteidigung behauptet er, nicht gewusst zu haben, wer sie ist. Er ist nicht besonders intelligent, und er war betrunken, also war es wahrscheinlich ein echtes Versehen – nicht dass das sein Rumvögeln weniger schlimm machen würde. Dieser kleine Zwischenfall ist der eigentliche Grund für seinen Wechsel zu den Hawks. Dass er nach Chicago zurückkommt, bedeutet, dass ich ihn wieder viel öfter sehen werde.

»Na ja, ich denke, sie haben das unverhältnismäßig aufgebauscht. Sidney freut sich jedenfalls, dass er wieder in der Stadt ist. Wie auch immer …« Sie schiebt mir einen Umschlag zu.

Bei näherem Hinsehen stelle ich fest, dass es sich um ein Flugticket handelt.

Ich nehme es und runzle die Stirn. »Was ist das? Warum steht da mein Name drauf? Was ist in Atlanta?«

»Überraschung!«, sagt sie mit ausgestreckten Armen. »Es ist Bucks erstes Auswärtsspiel mit den Hawks.«

»Mom, ich kann nicht …«

»Wir fliegen als Familie, um ihn zu unterstützen. Er hatte ein paar schwere Wochen.«

»Es ist nicht mein Problem, dass Buck seinen Schwanz nicht in der Hose und von der Nichte des Coachs weghalten kann.«

»Violet!« Sie zieht die Brauen hoch und presst die Lippen zusammen, als würde sie eine Zitrone lutschen. »Werd nicht ausfallend! Es geht nicht um Buck …« Sie verstummt und gestikuliert unterm Tisch.

»Doch, tut es. Buck ist es egal, ob ich zu seinen Spielen komme.«

»Er war ziemlich enttäuscht, als du es zu den letzten nicht geschafft hast. Wenn du bei dem hier dabei gewesen wärst …«, sie zeigt auf das Magazin, »hätte er sich vielleicht nicht in solche Schwierigkeiten gebracht.«

»Willst du mich moralisch unter Druck setzen, damit ich hingehe?« Ich starre sie über den Rand meiner Tasse hinweg an.

»Überhaupt nicht. Ich stelle nur Hypotestikeln an.«

Ich unterdrücke ein Lachen. »Du meinst Hypothesen?«

»Das habe ich doch gesagt.«

Sie zu korrigieren ist genauso sinnlos, wie sich gegen sie zu wehren. Sobald meine Mutter einen Entschluss gefasst hat, ist das Vorbringen einer Alternative so, als würde man mit dem Kopf gegen eine Titanwand schlagen – schmerzhaft und sinnlos. Ich sollte das mit der Wohnung noch mal in Betracht ziehen.

Ich unternehme einen letzten, verzweifelten Versuch, mich um das Spiel zu drücken.

»Ich muss dieses Wochenende arbeiten.«

»Nein, musst du nicht.«

»Woher willst du das wissen?«

Sie ignorierte die Frage. »Ein Wagen holt uns um sechs Uhr ab.«

»Ich komme vor fünf nicht weg. Wie sollen wir es überhaupt rechtzeitig zum Spiel schaffen?«

»Der Flug geht erst morgen früh.« Sie tippt auf das Datum auf dem Flugticket, das ich übersehen habe.

»Oh.« So viel dazu, sich zu drücken. Sieht ganz so aus, als würde ich zu noch einem Hockeyspiel gehen. Juhu!

»Es wird bestimmt lustig! Wir können außerdem im Outlet shoppen gehen! Ich muss los, Kleines! Ich will nicht zu spät zum Pilates kommen!« Sie springt auf und macht sich auf den Weg zum nächsten Termin.

Nachdem meine Mutter gegangen ist, schaue ich auf die Uhr. Ich habe eine halbe Stunde, um mich anzuziehen. Ich nehme das Magazin vom Tisch, gehe zum Nachttisch, hole den Vibrator aus der Schublade, marschiere ins Badezimmer – er braucht erst mal eine Wäsche – und blättere bis zu der Milchwerbung. Gegenstand ist ein wahnsinnig scharfer Typ, der seinen Mund verfehlt und sich das Glas Milch über die Brust kippt. Ich weiß nicht, warum das so sexy ist. Ich meine, Milch ist kein besonders tolles Getränk, aber was soll’s.

Ich stelle meinen Fuß auf das Waschbecken und mache mich ans Werk, während ich mir den Milchpornotypen anschaue. Der Orgasmus, zu dem ich vorhin nicht gekommen bin, lässt mich zu Boden sinken, und das Magazin landet auf meinem Gesicht. Macht nichts. Ich bin gekommen, und das fühlt sich gut an.

Die Selbstbefriedigungssession dauert länger, als ich erwartet habe, weshalb ich schneller fahren muss als sonst, um pünktlich im Büro zu sein. Als frisch gekürte Absolventin des Wirtschaftsstudiengangs der University of Illinois habe ich den Job nach einem Praktikum ergattert – das Sidney für mich organisiert hat. Einen Stiefvater zu haben, der als Scout für die NHL, die Nationale Hockey League arbeitet, hat seine Vorteile. Ich bin Wirtschaftsprüferin bei einer PR-Firma, die sich auf – ja, genau – Finanzmanagement im Sport spezialisiert hat. Dazu gehört auch, das Vermögen professioneller Hockeyspieler zu verwalten. Ich bin also die ganze Zeit von Hockey umgeben.

Charlene, meine beste Freundin und Kollegin, sitzt auf der Kante meines Schreibtischs und nippt an ihrem Kaffee, während ich eifrig Dateien ordne.

»Ich kann heute Abend nicht ausgehen. Ich habe mit der Kuntz-Bilanz zu viel zu tun«, sage ich.

»Du willst mich im Stich lassen, um an einem Freitagabend zu arbeiten?«

»Meine Mutter zwingt mich, morgen zu Bucks Spiel in Atlanta zu fliegen. Anscheinend müssen wir als Familie auftreten, damit er seinen Schwanz in der Hose behält.«

Charlene macht ein mitfühlendes Gesicht. »Diesmal hat er es wirklich vermasselt, oder?«

»Hör bloß auf. Er ist ein solcher Idiot. Wir fliegen ganz früh am Morgen, also muss ich für Montagmorgen vorbereitet sein, bevor ich ins Wochenende gehe.«

»Kannst du nicht dort ein bisschen arbeiten?«

»Meine Mutter will shoppen gehen, darum werde ich wahrscheinlich nicht viel Zeit haben. Außerdem muss ich noch hundert Seiten für den Buchclub am Dienstag lesen.«

Charlene rollt mit den Augen. »Verdammte Lydia. Ich bin dafür, dass wir sie aus dem Club ausschließen.«

»Du kannst nicht so einfach jemanden aus dem Buchclub ausschließen.«

»Wer sagt das? Ich war zufrieden mit dem anspruchslosen Schweinkram. Ich kaufe mir die CliffNotes.«

Gar keine so üble Idee. Obwohl ich gern diskutiere, würde ich nur ungern in eine Debatte des Buchclubs geraten, wenn ich nur eine vage Vorstellung von dem Stück Schund habe, das Lydia uns zu lesen gegeben hat. Ich quäle mich hindurch, um ein intelligentes Argument dafür vorbringen zu können, warum es so schrecklich ist.

»Wahrscheinlich nehme ich das Buch zum Spiel mit, falls ich ein bisschen Zeit zum Lesen habe.«

»Ach, komm schon, Vi. Die Hawks sind echte Killer in dieser Saison. Ich wette, das Spiel wird großartig.«

»Ja, ja.« Bestimmt hat sie recht. Trotzdem bringe ich nicht die gleiche Begeisterung für das Spiel oder die Spieler auf wie Charlene.

Sie ist schon ihr Leben lang ein eingefleischter Hawks-Fan. Sie schaut sich jedes Spiel an und macht sogar bei diesen Fangruppen mit, wo man sein eigenes Team bildet. Wie Fantasy Football, nur eben mit Hockey.

»Egal.« Charlene hebt die Hände. »Darum geht es nicht. Es geht darum, dass du hinterher die Spieler triffst, stimmt’s? Was bedeutet, dass du Darren Westinghouse kennenlernen wirst.«

»Wen?«

Charlene verzieht die Lippen und schaut mich von oben herab an. »Er ist der Rechtsaußen bei den Hawks.« Sie beginnt seine Statistik herunterzubeten, und es klingt wie Bla-bla. Ich blende das Meiste aus, bis sie fragt: »Machst du ein Foto von ihm, wenn du die Chance bekommst?«

»Zuerst einmal, Char, ›verkehren‹ Hockeyspieler nicht, sie hängen ab. Zweitens, ich habe vor, dieses After-Party-Ding zu schwänzen. Ich muss Arbeit nachholen.« Dabei tätschle ich die Ordner auf meinem Schreibtisch.

»Was für ein Schwachsinn!« Sie schaut sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand sie gehört hat. Jimmy, dessen Bürokabine meiner gegenüber liegt, zieht eine Braue hoch und deutet auf das Telefon an seinem Ohr, weshalb Charlene die Stimme senkt. »Komm schon, Violet, du musst hingehen. Für mich, bitte. Nur bis du das Foto hast. Danach kannst du immer noch ins Hotel gehen und dich mit dir selbst langweilen.«

»Ich würde dich an meiner Stelle hinschicken, wenn ich könnte.«

Ich habe nichts dagegen, Eishockey zu schauen, auch wenn ich die Regeln nicht genau kenne. Ein paar von den Jungs sind heiß, doch damit hat es sich auch. Buck ist das beste Beispiel und dieser eine – und einzige – Hockeyspieler, mit dem ich mal etwas hatte. Er war noch nicht einmal ein NHLer, nur so ein Blödmann aus der Amateurliga, mit dem ich letztes Jahr ausgegangen bin, um ein wenig Spaß zu haben. Leider ist er mir bald vergangen. Er war nicht nur schlecht im Bett – nur weil die Jungs mit Muskeln bepackt sind, heißt das nicht, dass sie auch die entsprechende Ausstattung haben –, er hat mich obendrein auch noch auf eine Weise gedemütigt, die ich nicht so bald vergessen werde.

»Komm schon, Vi. Du kannst wenigstens den Anblick der Jungs genießen, wenn schon sonst nichts.«

»Oh ja, weil schmuddelige Kerle einen ja so antörnen.«

»Darren ist nicht schmuddelig.«

Ich besänftige sie lieber, als mit ihr zu streiten. »Ich kümmere mich um den Schnappschuss. Aber ohne Garantie.« Meistens sind die After-Partys eine Fressorgie für die Spieler, vervollständigt durch Horden von Hockeygroupies, die gern vernascht werden wollen.

Jubelnd klatscht sie in die Hände. »Du bist die Beste!«

Abwehrend hebe ich die Hände. »Ich verspreche nichts, aber ich werd’s versuchen.«

Charlene überredet mich, Mittagspause zu machen, und wir schlemmen am All-you-can-eat-Thaibuffet in der Nähe. Zum Glück macht mich die Menge an Essen, die ich verschlungen habe, am Nachmittag nicht langsamer.

Abends um neun verschwimmt langsam der Computerbildschirm vor meinen Augen, und mein Magen knurrt so laut, dass ich erst einmal nachsehe, ob sich nicht vielleicht ein Bär ins Büro geschlichen hat.

Fastfood vom Drive-in ist das Gift meiner Wahl. Auf der Heimfahrt verputze ich drei Hamburger und eine große Portion Pommes. Widerstrebend verzichte ich auf den Milchshake, weil sich Verdauungsstörungen und Fliegen nicht gut vertragen.

Meine Mutter hat einen Klebezettel mit der schrecklich frühen Uhrzeit, zu der wir zum Flughafen aufbrechen, an meiner Tür hinterlassen – meine Worte, nicht ihre. Es wäre also vernünftig, meine Sachen zu packen und ins Bett zu gehen, damit ich am nächsten Morgen nicht zu müde bin. Stattdessen ziehe ich mir ein T-Shirt und meine Lieblingsboxershorts mit Superhelden drauf an – sie passen perfekt – und zappe durch die Sender. Dabei muss ich eingeschlafen sein, denn als Nächstes bekomme ich mit, wie sich meine Mutter über mich beugt.

»Violet! Du schläfst ja noch! Wir hätten schon vor zehn Minuten aufbrechen sollen! Wir verpassen noch den Flieger.« Ihre schrille Stimme ist wirkungsvoller als jeder Wecker.

Ich versuche mich unter einem Dekokissen zu verstecken, doch sie zieht es weg.

»Steh auf, los jetzt, steh auf!« Sie packt mich am Arm und zieht mich hoch.

Völlig planlos werfe ich ein paar Sachen in meine Reisetasche, während ich meine Jeans anziehe. Ich schnappe mir den erstbesten BH. Er ist besonders geschmackvoll, mit fuchsiafarbenem Leopardenmuster und schwarzem Spitzenbesatz. Ich habe keine Zeit, nach einem anderen zu suchen – nicht während meine Mutter mit ihren Krallen gegen meine Tür tippt und mich wie üblich überwacht. Ich bin so vorausschauend, mein Exemplar von Tom Jones mitzunehmen, um es bis zum Buchclubtermin am Dienstag fertig zu lesen.

Aus Angst, den Flug zu verpassen, zerrt mich meine Mutter zum Auto, während ich den Reißverschluss meiner Tasche zuziehe. Sie reagiert völlig übertrieben. Wir müssen lediglich auf dem Weg zum Gate einen Schritt schneller gehen.

Sidney, der einfach ein toller Kerl ist, hat First Class gebucht. Die Sitze sind geräumig und bequem. Das gibt mir Gelegenheit für ein Nickerchen, bis die Flugbegleiterin kommt, um Getränke anzubieten. Ich bitte um einen Sekt Orange und blättere ein Exemplar von The Hockey News durch, das Sidney mitgebracht hat.

Es ist alles wie immer. Statistiken über Statistiken mit ein paar Fotos von derangierten, sexy Hockeyspielern dazwischen.

Ich lege das Magazin weg und schnappe mir meinen Tom Jones. Vielleicht kann ich darüber wieder einschlafen. Ich bin genervt davon, es bis zum Dienstag lesen zu müssen. Eigentlich lese ich gern, und ich habe sogar zum Spaß ein paar Literaturseminare auf dem College belegt. Vielleicht hätte mir das Buch gefallen, wenn ich davor nicht die unterhaltsamen erotischen Geschichten gelesen hätte.

Nachdem ich denselben Absatz zwanzigmal gelesen habe, gebe ich’s auf und spiele während des restlichen Flugs idiotische Spiele auf meinem Telefon.

Am Flughafen wartet ein Wagen auf uns – so tickt Sidney nun mal –, und in Nullkommanichts sind wir im Hotel. Es ist das gleiche, in dem auch das Team wohnt, also wird es nicht schwer sein, der After-Party zu entkommen, falls die Hawks gewinnen.

Allerdings haben wir eine kleine Diskussion mit dem Hotelconcierge. Sie haben eine Suite für uns gebucht. Das war so nicht vereinbart; ich bin davon ausgegangen, ein eigenes Zimmer zu haben. Ich beiße mir auf die Zunge und tue so, als wäre das völlig in Ordnung, weil ich nicht undankbar erscheinen will – auch wenn ich auf den spontanen Trip gar nicht mitkommen wollte.

Das Gute ist, die Suite ist riesig. Es gibt ein geräumiges Wohnzimmer, und ich habe mein eigenes Schlafzimmer mit Bad, inklusive Jacuzzi. Ich schließe mich für zwei Stunden ein und versinke in der Wanne, wo ich ein wenig weiterzulesen versuche. Aus Versehen mache ich das Cover nass und muss es auf die Heizung legen.

Mich anzuziehen ist ein Abenteuer. Ich habe wirklich schlecht gepackt. Zum Glück habe ich wenigstens eine schwarze Jeans. Leider habe ich nur den einen fuchsiafarbenen BH, den ich unter dem schwarzen Hoodie auf dem Flug getragen habe, und meine Auswahl beschränkt sich auf ein blassrosa T-Shirt oder ein blaues mit Flecken auf der Brust. Also wird das rosafarbene reichen müssen. Ich ziehe das Shirt über und schaue mich im Spiegel an. Oh ja, das Leopardenmuster scheint deutlich durch den dünnen Stoff hindurch. Ich tarne es mit einem leichten Pullover und bin mit meinem Outfit zufrieden.

Brillen beschlagen in Arenen, also setze ich mir die Kontaktlinsen ein. Ohne Brille sehe ich auch nicht ganz so wie ein Nerd aus, und wenn ich bedenke, dass ich heute Abend eine ganze Reihe neuer Teammitglieder kennenlernen soll, sollte ich jede Anti-Nerd-Hilfe nutzen, die ich bekommen kann.

Als meine Kontaktlinsen endlich auf den Augäpfeln sitzen – es kostet mich drei Versuche –, bleibt meiner Mom keine Zeit mehr, mich mit Lidschatten zu verunstalten. Sie ist ein großer Blau-Fan, und ich sehe anschließend immer aus wie jemand aus einer Siebzigerjahre-Sitcom.

Bewaffnet mit meinem Wollmantel und meiner Messenger-Tasche, in der ein Schal, Fäustlinge, ein Hut, mein noch immer feuchtes Exemplar von Tom Jones und mein Telefon sind, bin ich bereit fürs Spiel. Ich schaue nach, ob ich auch meine Zigaretten dabei habe. Eigentlich rauche ich nicht, aber Zigaretten sind meine Krücke, wenn ich mich aus unangenehmen gesellschaftlichen Situationen herausziehen will. Das geschieht häufig. Ich habe gelernt, den Rauch langsam auszustoßen, damit die Leute nicht merken, dass ich nicht inhaliere.

Das Stadion ist voll. Zum Glück haben wir großartige Plätze, und Sidney kennt jeden, also ist es kein Problem, in die erste Reihe zu gelangen. Ich setze mich und würdige den großzügigen Fußraum und die unversperrte Sicht auf das Eis. Sidney bestellt eine Runde Bier, als die Hawks das Eis betreten. Obwohl es ein Auswärtsspiel ist, bricht die Hälfte der Zuschauer in Jubel aus.

Ich bin fasziniert, wie geschmeidig diese Jungs über die gefährlich glatte Oberfläche gleiten. Ich habe totale Angst vor dem Schlittschuhlaufen, so wie manche Menschen Angst vor Schlangen und Spinnen haben. Schlittschuhe an den Füßen zu tragen bedeutet Gefahr. Ich habe schon Mühe gehabt, »Hund mit dem Gesicht nach unten« zu meistern, und ich muss mir keine Arterie aufschlitzen, nur um mein Repertoire an sportlichen Aktivitäten zu erweitern.

Sidney steht auf und stößt mehrfach die Faust in die Luft, als Buck aufs Eis gleitet. Er ist riesig wie ein Yeti. Eine gigantische, perverse, haarige Yeti-Hure. Die Sportkommentatoren halten ihn für einen ausgezeichneten Hockeyspieler. Ich stimme zu, aber nur aufgrund seines Jahresgehalts. Niemand bekommt so viel Geld fürs Lutschen, nicht mal extrem versierte Nutten.

Eine Schar Mädchen hinter mir – deren Röcke auch als Stirnbänder taugen würden – kichert unerträglich über einen Typen namens Alex Waters. Der Name kommt mir bekannt vor. Sie erwähnen einen Hattrick. Er muss ein herausragender Spieler sein, wenn er so was zustande bringt.

Ihr Gespräch nimmt eine interessante Wendung, als eines der Mädchen die Penisgröße bestimmter Teammitglieder anspricht. Vermutlich beruht ihre Statistik auf persönlicher Erfahrung.

Als der Puck aufs Eis fällt, wird das Penisgespräch unterbrochen. Die Hawks schießen in den ersten drei Minuten ein Tor. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der sich so schnell bewegt wie ihr Center. Wie ein roter Blitz schießt er übers Eis. Die Hawks halten in der ersten Halbzeit problemlos die Führung. Sekunden bevor die Sirene ertönt, gehe ich die Treppe hinauf und suche mir die nächste Toilette, um dem Ansturm zuvorzukommen. Dank des vielen Biers, das ich getrunken habe, platzt mir gleich die Blase.

Leider gibt es eine Schlange Frauen, die in der gleichen Zwangslage sind, also beiße ich die Zähne zusammen und mache Beckenbodenübungen, bis eine Kabine frei wird. Die ganze Pinkelpause dauert viel länger, als ich vorhergesehen habe, und die zweite Halbzeit hat schon angefangen, als ich ins Stadion zurückkehre.

Auf dem Weg zu meinem Platz bemerke ich, dass auf dem Eis irgendetwas passiert, und zwar direkt vor meiner Nase. Ich erschrecke, als ein Spieler einen anderen gegen die Plexiglaswand stößt, wo er mit dem Kopf zuerst auftrifft. Der Gitterhelm schützt sein Gesicht.

Leuchtend grünbraune Augen – die Farbe von Laubmoos mit einem Schuss Bourbon – schauen mich an. Es dauert nur eine Sekunde, dann ist es schon wieder vorbei. Er und der Atlanta-Spieler versuchen ihre Handschuhe auszuziehen, während sie sich gegenseitig an ihren Trikots festhalten. Helme fliegen aufs Eis.

Die Aufregung des Publikums ist ansteckend. Alle johlen, und ich bin versucht mitzumachen, doch es handelt sich um eine Schlägerei, und es wäre nicht richtig, sich darüber zu freuen, also halte ich den Mund.

Der Typ mit den hübschen Augen ist im Vorteil. Waters prangt in großen schwarzen Lettern quer über seinen Schultern. Er ist die Nummer elf. Ist das etwa der tolle Typ? Sein Gesicht wird von einer fliegenden Faust verdeckt, und ich bewundere seine Zähigkeit. Er teilt genauso aus, wie er einstecken muss.

Die Schiedsrichter gehen dazwischen, machen dem Kampf ein Ende und stacheln die Menge auf, indem sie Strafen verhängen. Waters sieht aus, als wäre er sauer, und zwar nicht nur ein bisschen – er ist stinksauer. Er gleitet über das Eis zur Strafbank und schleudert seinen Helm durch das Kabuff, nur um ihn wieder aufzuheben und es gleich noch einmal zu tun. Ein Schiedsrichter verwarnt ihn, und er lässt sich frustriert auf die Bank fallen.

Waters ist ziemlich aufgebracht, als ihn der Schiedsrichter zusammenstaucht. Sein Gesicht ist hochrot, die Lippen sind ein schmaler Strich. Er ist mir vage bekannt. Selbst verschwitzt und wütend sieht er gut aus. Ich kann verstehen, warum die Mädchen hinter mir angezogen sind wie für die Schicht an der Ecke.

Sidney war so nett, noch eine Runde Bier zu organisieren, und ich nippe an meinem, während ich zu Waters hinüberschaue. Er beobachtet, wie die Sekunden seiner fünf Strafminuten vergehen, lässt den Blick durch die Arena schweifen und blickt dabei in meine Richtung … zumindest glaube ich das. Die Kontaktlinsen machen meine Augen trocken, weshalb ich es nicht genau erkennen kann. Die Mädchen hinter mir denken, er schaut sie an, und gackern wie Zwölfjährige. Ich rolle mit den Augen. Waters zieht eine Braue hoch. Oh nein, er muss denken, dass er gemeint war. Das Gute daran ist, dass das Augenrollen meine Sehfähigkeit geschärft hat, jedenfalls irgendwie.

Ich wühle absichtlich lange in meiner Tasche nach Augentropfen. Als ich sie schließlich finde, ist er wieder auf das Spiel konzentriert.

Die Aufregung scheint sich vorerst gelegt zu haben, also nehme ich mein Buch heraus. Nach zwei Absätzen ertönt die Sirene und lenkt meine Aufmerksamkeit von dem Buch ab, in dem ich ohnehin nur halbherzig lese. Waters stürmt, Helm und Handschuhe bereits an, wieder aufs Eis. Ich bin ziemlich beeindruckt von der Aktion. Ich könnte das nicht mal in Jogginghose und T-Shirt, geschweige denn mit vollem Körperschutz.

Ein unscharfer schwarzer Punkt stoppt, als Waters seinen Schläger aufs Eis donnert. Er kreiselt in einer sowohl eleganten als auch aggressiven Bewegung und rast auf den Atlanta-Torwart zu, wobei er den Puck tanzen lässt. Dann holt er aus und schlägt den Puck wie einen Gummimeteor übers Eis. Er saust direkt zwischen den Füßen des Torhüters hindurch und prallt vom Netz zurück.

Waters ist gerade mal fünfzehn Sekunden auf dem Eis.

Die Hockeyschlampen hinter mir drehen durch und schreien wie am Spieß. Der Rest der Menge springt auf und brüllt mit ihnen. So wie ich auch. Es scheint angebracht, mehr jedenfalls, als sich über eine Schlägerei zu freuen. Das Spiel ist schnell, und die Körper der Spieler flitzen vorbei. Ich bin wie eine dieser Katzen, die einem Laserpunkt folgt. Plötzlich kracht ein Arm gegen das Plexiglas vor mir. Ich erschrecke und schütte mir Bier über den Mantel.

Die Aussicht auf eine weitere Schlägerei erregt mich über die Maßen, doch stattdessen begegne ich wieder diesen atemberaubenden Augen. Während ich mir das Bier von der Brust wische, könnte ich schwören, dass Waters grinst. Ich mache ein finsteres Gesicht und zwicke mir in die Brust, ohne dass ich selbst wüsste, wieso. Ich bezweifle, dass er es mitbekommen hat. Wie ein Katapult ist er auf und davon, hinter dem Puck her.

Bucks Team schlägt Atlanta vernichtend mit 6:1. Ich klatsche und johle voller Begeisterung, was ich teilweise dem Bier zuschreibe. Sobald die Spieler das Eis verlassen haben, machen wir uns auf den Weg hinaus. Menschenmengen machen mich nervös, weshalb ich lieber warten würde, bis die meisten Leute das Stadion verlassen haben, aber Sidney will unbedingt zu Buck.

»Komm schon, Vi.« Er legt einen Arm um meine Schultern, um mich vor der Menschenmasse zu schützen.

Meine Mom hakt sich bei mir unter, und so klemmen sie mich zwischen sich ein. »Hat es dir gefallen?«

»Es war okay«, sage ich, während Sidney uns einen Weg durch die Menge bahnt.

»Nur okay? Du hast schließlich mitgejubelt.« Sidney drückt meine Schulter.

»Ich glaube, ihr hat die Schlägerei gefallen!«, ruft meine Mutter über den Lärm hinweg.

»Es war nicht bloß die Schlägerei«, antworte ich.

Sidney grinst. »Wir machen doch noch einen Hockeyfan aus dir.« Als Scout und Coach für eins der besten Teams der Minor League wird er von der Hockeygemeinschaft hochgeschätzt. Es verschafft ihm besondere Privilegien und ein paar tolle Boni wie etwa Plätze in der ersten Reihe.

Der Gang zu den Umkleidekabinen riecht nach Schweiß und muffigem Equipment. Ich vermute, der Geruch drinnen ist noch viel schlimmer, mit den ganzen nackten, schwitzenden Jungs, die sich gegenseitig mit den Handtüchern eins auf den Hintern geben.

Buck kommt mit einem Handtuch über den nackten Schultern und Gott sei Dank in Hockeyhosen aus der Kabine geschlendert. Mit dem Pelz, den er trägt, ähnelt er einem verfilzten Yeti.

Ich halte mich dicht am Rand der Menge, um nicht auf irgendwelchen Fotos zu erscheinen. Die Paparazzi schießen Bilder von Buck in seinem Pelz-Shirt, während Sidney stolz und männlich nach rechts blickt. Sie stellen Buck ein paar aufdringliche Fragen. Seine Antworten sind routiniert – wahrscheinlich von seinem Agenten vorgegeben. Bei den ganzen Affären von Buck muss der Typ eine Menge Geld verdienen.

Als Buck wieder in der Umkleide verschwindet, um zu duschen, machen wir uns auf den Weg. Zwischen Stadion und Hotel herrscht furchtbarer Verkehr. Sobald wir in der Kneipe sind, bestellt Sidney eine Runde Bier. Ich nehme den Drink gern, weil mein leichter Schwips während der langen Fahrt nachgelassen hat.

Das Team kommt dicht gefolgt von einer Horde Groupies. Ich bin umgeben von spärlich bedeckten Körpern, zu warmer Haut und durchdringendem Geschnatter. Während Buck Sidney mit den Einzelheiten des Spiels unterhält – als wäre er nicht dabei gewesen –, halte ich nach dem roten EXIT-Schild Ausschau. Ich wühle in meiner Tasche, finde meine Zigaretten und gehe erleichtert auf das Leuchtzeichen zu, das mir eine Atempause von den anderen verschafft. Buck bemerkt meinen Fluchtversuch und packt mich am Arm.

»Wohin gehst du?«, ruft er.

Ich halte die Packung Zigaretten hoch. Ich müsste schreien, um mich verständlich zu machen.

Missbilligend rümpft er die Nase. »Du solltest wirklich nicht rauchen. Das ist ungesund.«

Ich bin von der Aufmerksamkeit, die er auf uns und meine angebliche schlechte Gewohnheit zieht, genervt, also werfe ich ihm an den Kopf: »Geschlechtskrankheiten sind das auch. Ich belehre dich schließlich auch nicht über deinen Frauenverschleiß.«

Er ignoriert die Bemerkung und zerrt mich zum Tisch seines Teams. Er ist mit Tellern vollgestellt, beladen mit Essen, das von den Jungs in beispiellosem Tempo verputzt wird. Spärlich bekleidete Frauen schwirren umher wie Fruchtfliegen in der Nähe eines Obstkorbs.

Da ich nun schon mal hier bin, versuche ich Charlenes Bitte zu erfüllen. Ich muss nur herausfinden, welches Gesicht zu Westinghouse gehört, um ein Foto zu schießen, Kopfschmerzen vorzutäuschen und hier zu verschwinden.

Ich setze mich auf einen leeren Platz. Die Stühle zu beiden Seiten von mir sind leer, bis auf eine Jacke, die achtlos über dem rechten hängt.

Ein Mädchen belegt Buck mit Beschlag, bevor ich ihn nach Charlenes Schwarm fragen kann. Das Lächeln auf seinem Gesicht mag freundlich sein, aber ich kenne ihn lange genug, um es besser zu wissen. Ich genieße seinen wachsenden Unmut, während sie ein Selfie nach dem anderen schießt. Als sie ihn an seinem Schwanz packt, bekomme ich Mitleid mit ihm.

»He, Muskelprotz, genug mit dem Softporno-Shooting. Schnapp dir einen Stuhl!«

Sowohl sein Kopf als auch der des Mädchens schnellen zu mir herum, und die Köpfe des halben Teams ebenfalls. Vielleicht habe ich meine Stimme zu laut erhoben. So wie Buck lächelt, muss ich rot sein wie eine Tomate. Seine Erleichterung und die Ungläubigkeit des Mädchens sind mein Unbehagen wert. Die dumme Schlampe murmelt irgendwas, und Buck macht ein finsteres Gesicht. »Das ist meine Schwester.«

Sie ist peinlich berührt, entschuldigt sich und stakst auf ihren unfassbar hohen Absätzen davon.

Buck lässt sich neben mir auf den Stuhl sinken und legt den Arm auf meine Lehne. »Danke für die Rettung. Ich dachte schon, sie holt gleich meinen Schwanz raus.«

Ich schnaube. »Und wenn schon. Dein Winzling ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Und ich wollte mir auch kein Gejammer über wieder ausgebrochenen Herpes anhören.«

Eine Bewegung am Rand zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, als sich einer von Bucks Teamkollegen neben mich setzt. Ich hoffe, er hat nicht mitbekommen, wie ich Bucks Pimmel verhöhne.

Ich blicke rechtzeitig zu ihm hinüber, um ein Paar Brüste regelrecht ins Gesicht geklatscht zu bekommen, als ihm eine Kellnerin ein Getränk hinstellt. Sieht aus wie Milch. Als sie geht, werfe ich ihm einen Seitenblick zu. Der Typ, der rechts daneben sitzt, fragt ihn etwas, und er wendet sich von mir ab.

Es ist der von der Strafbank: Waters. Heilige Scheiße, ist der scharf. Sein dunkles Haar ist kurz geschnitten, und er hat einen kräftigen Nacken. Trotz des Bartwuchses weiß ich, dass er mit einer kantigen Kinnlinie gesegnet ist.

Nerven, Verlegenheit und Waters’ Attraktivität haben eine geballte Wirkung auf mich und bringen mich ins Schwitzen. Ich ziehe mir den Pullover über den Kopf, rechne aber nicht mit der statischen Aufladung, und mein T-Shirt bleibt an der oberen Wollschicht kleben. Das Gesicht vom Stoff verdeckt, versuche ich, das T-Shirt zurechtzuziehen. Die Stille am Tisch spricht Bände. Sobald ich mich aus dem Pullover herausgewunden habe, sehe ich eine Reihe aufgerissener Augen, die auf meine Brust starren. Ich blicke hinab. Richtig. Mein BH ist durch die blassrosa Baumwolle hindurch sichtbar, und jetzt hat ihn jeder einschließlich Buck ungefiltert vom Pullover gesehen.

Buck beugt sich vor und flüstert: »Zieh den Pulli wieder an.«

Ich stelle mich dumm. »Wieso?«

»Alle sehen …« Er macht eine Bewegung in Richtung meiner Brust, ohne hinzusehen.

Ich winke ab. »So schlimm ist es nicht.« Ist es doch.

Er wirft mir einen seiner wütenden Blicke zu. Er soll bedrohlich wirken, sieht aber aus, als hätte er Verstopfung. Ich lasse den Pullover aus, um ihn zu ärgern. Das wirkt. Sein Gesicht nimmt einen interessanten Rotton an.

»Ich brauche noch ein Bier.« Er knallt seinen Krug auf den Tisch und schaut mich strafend an, als er aufsteht und zur Bar geht, obwohl der Krug auf dem Tisch noch immer voll ist.

Ich will gerade den Pullover wieder anziehen, als sich Waters an mich wendet.

»Hi, ich bin Alex.« Er zeigt ein strahlendes Lächeln und weiße Zähne. Wahrscheinlich sind sie falsch. Diese Augen sind allerdings etwas anderes, auch wenn er die Ansätze zu einem blauen Auge hat. Ich bemühe mich, ihn nicht direkt anzuschauen, aus Angst, sein attraktives, kantiges Gesicht könnte mir gefallen.

»Ich bin Violet.«

»Ich wusste gar nicht, dass Butterson eine Schwester hat.«

Selbst seine Stimme klingt vertraut, satinweich und tief. Er nimmt einen Schluck aus seinem Glas, der einen Milchbart hinterlässt, den er rasch wegwischt. Da weiß ich auf einmal wieder, woher ich ihn kenne: aus der Milchwerbung. Gütiger Himmel, ich bin zu ihm gekommen. Meine Schmach erreicht neue Dimensionen und bringt mich dazu, etwas Verrückteres als üblich zu sagen.

»Ich bin seine Stiefschwester. Er würde mich am liebsten geheim halten, weil er auf meine Kosten zu Ophelia wird.« Meine Augen weiten sich angesichts meines schrecklichen Witzes. Doch wenn er wie Buck ist, kapiert er die Anspielung gar nicht.

»Butterson würde eine schlechte Nonne abgeben, was?«

Er hat tatsächlich eine passende Anspielung auf Shakespeare gemacht. Erstaunt blicke ich ihn an. Oder versuche es wenigstens. Seine Augen springen noch immer zwischen meiner Brust und meinem Gesicht hin und her, also ist das eine Herausforderung.

Normalerweise würde mich sein unverblümtes Glotzen ärgern, aber mit dem Shirt und dem auffallenden BH habe ich geradezu darum gebettelt.

Ich verschlimmere mein und sein Unbehagen nur noch, als ich meine Brüste umfasste und drücke. »Sie sind hübsch, dafür, dass sie echt sind, was?«

Sein Blick schnellt zu meinem hoch. Ertappt.

»Ich äh … ich wollte nicht … ich habe nicht …«

Das ist der lustigste Schlagabtausch, den ich seit Ewigkeiten mit jemandem vom anderen Geschlecht hatte. Ich grunze amüsiert und blicke weg.

Buck lehnt an der Bar und spricht mit einem Mädchen, deren kurzer Rock verrät, dass sie eindeutig keine Unterwäsche trägt. Ich stoße Alex mit dem Ellbogen an. Sein Arm ist hart wie Stein. »Sieh dir mal Bucks Freundin an.«

Das Timing könnte nicht besser sein. Die Exhibitionistin beugt sich vor und gewährt unserem Tisch einen noch besseren Blick.

»Ist das – sehe ich etwa ihren Biber?«

Prustend verschlucke ich mich an meinem Bier. Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, frage ich scherzhaft: »›Biber‹? Bist du etwa Kanadier?«

Mit leuchtenden Augen erwidert er meinen Blick. Gott, er ist umwerfend hübsch. Und so nah. Er ist wirklich nah. Nur Zentimeter entfernt, und sein harter Arm berührt meinen ganz leicht. Ich kann sogar sein Eau de Cologne oder Deo riechen – was es auch ist, es riecht wunderbar.

Er sagt eine Ewigkeit nichts. Vielleicht liegt es daran, dass ich starre. Oder vielleicht hat ihn die Frage verwirrt.

Meine Erfahrung mit Buck – und dem einen Hockeyspieler, mit dem ich mal etwas hatte – haben mich zu der These verleitet, dass Hockeyspieler nicht gerade berühmt für ihre Intelligenz sind. Mir ist bewusst, dass das keine allgemeingültige Wahrheit ist. Doch Buck verstärkt diese Wahrnehmung; ein Raketentechniker ist er bestimmt nicht. Nicht einmal der Assistent eines Raketentechnikers.

Trotzdem bin ich mir fast sicher, dass Alex gerade eine literarische Anspielung gemacht hat. Waters könnte tatsächlich eine unerwartete Ausnahme sein. Ich bin fasziniert.

»Oh ja. Ich bin Kanadier.«

»Nennen alle Kanadier Mösen Biber? Wie die Briten sie Fotze nennen?« Ich kann nicht fassen, dass ich ihn das frage. Ich bin nicht einmal angeheitert, sonst hätte ich es dem Alkohol zugeschrieben.

Er blinzelt ein paar Mal. »Hast du ›Möse‹ gesagt?«

Kann sein, dass sein Helm nicht den Vorschriften entsprochen und er während des Spiels eine Kopfverletzung erlitten hat. An seinem gemeißelten Kinn ist eine hübsche Schwellung zu erkennen. Seine Nase ist leicht gekrümmt und hat eine Delle, als wäre sie mehrfach gebrochen gewesen. Es ist nicht unansehnlich. Es ist auf eine Ich-mach-andere-fertig-Art sexy.

»Nein, ich habe ›Mösen‹ gesagt, Plural.« Ich mache mich selbst lächerlich.

Um nicht noch etwas Schlimmeres zu sagen, entschuldige ich mich unter dem Vorwand, rauchen zu wollen. Ich schnappe mir meine Tasche und den Pullover und lasse das Bier stehen. Bei dem Schwachsinn, den ich von mir gebe, muss ich das nicht noch befeuern.

Buck packt mich am Arm, als ich an ihm vorbeigehe. »He, was läuft da mit dir und Waters?«

Alex zieht seine Jacke über. Vielleicht geht er ja. Schade – es hat Spaß gemacht, mit ihm zu reden, und er war hübsch anzusehen.

Ich seufze verärgert. »Es gebietet die Höflichkeit, mit dem Tischnachbarn ein Gespräch zu führen, oder hast du die Verhaltensregeln im Kindergarten nicht mitbekommen?«

»Welche Regeln?«

»Schon gut. Was soll ich denn tun? Ihn ignorieren? Ich war nur höflich.« Außerdem ist Alex witzig.

»Na schön, ich kenne die Jungs noch nicht so gut, aber er hat einen Ruf. Pass auf, zu wem du nett bist.«

»Ich hab ihm keinen runtergeholt unterm Tisch. Wir haben uns bloß unterhalten. Ich geh eine rauchen.«

Ich lasse ihn mit dem Biber stehen und gehe Richtung Tür. Die Temperaturen sind in der letzten Stunde gefallen, also ziehe ich meinen Pullover an. Ich stecke mir eine Zigarette zwischen die Lippen und suche nach meinem Feuerzeug. Ich kann es nirgends finden.

»Brauchst du Feuer?«

Ich ziehe den Kopf aus meiner Handtasche und sehe Waters, der eine Packung Streichhölzer in der Hand hält.

»Bist du mir gefolgt?«

Er zuckt die Achseln und setzt ein Grinsen auf, das meinen Slip unbrauchbar machen könnte. Wenn ich so dumm wäre, mich davon beeindrucken zu lassen. Bin ich aber nicht. Meistens jedenfalls.

»Ich dachte, du willst vielleicht ein bisschen Gesellschaft.« Er öffnet die Schachtel und zieht ein Streichholz heraus.

Ich klemme die Zigarette zwischen meine Lippen. Alex macht das Streichholz an und wölbt die Handfläche, um die Flamme zu schützen. Er sieht mir dabei zu, wie ich einen schwachen Zug nehme, während die Glut orange aufleuchtet und ich husten muss.

»Shit!« Tränen schießen mir in ein Auge, als mir der Rauch hineinzieht. Ich fluche wie ein Seemann und bedecke das Auge mit der Hand.

»Du hast ein ganz schönes Schandmaul, was?«

»Nur wenn ich mit meinem Augapfel zu rauchen versuche«, sage ich hustend.

Alex wirft die Streichhölzer auf einen Tisch und klopft mir auf den Rücken, bis ich mir nicht mehr die Lunge aus dem Hals huste. »Butterson sieht nicht besonders glücklich aus.«

Durch das Fenster entdecke ich Buck und den Biber. Sie versucht nicht die Selfie-Nummer, weshalb es ihm nichts auszumachen scheint, dass sie an seinem Arm hängt, während er in unsere Richtung starrt. Er benimmt sich heute Abend wirklich wie ein Vollidiot.

»Vergiss Buck.« Ich nehme einen weiteren Zug, ohne zu inhalieren.

In Alex’ Wangen tauchen Grübchen auf, als ich eine Rauchwolke ausstoße und ein erneutes Husten unterdrücke.

»Rauchst du überhaupt?«

Ich überlege, ob ich lügen soll, und entscheide mich dagegen. »Eigentlich nicht. Ich mach das, um mich unangenehmen Situationen zu entziehen.«

»Du bist also rausgegangen, um dich mir zu entziehen?«

»Nicht dir speziell.«

Seine Zungenspitze kommt zum Vorschein. Er hat einen hübschen Mund, selbst mit dem Riss im Mundwinkel. Als ich daran denke, wie er den Spieler von Atlanta fertiggemacht hat, wird mir ganz heiß. Solche Gedanken bringen mich zwangsläufig in Schwierigkeiten. Hockeyspieler machen Probleme. Vor allem, wenn sie so sexy sind wie dieser hier.

Er schaut mich erwartungsvoll an. Verdammt. Er hat wohl eine Frage gestellt. Mein Verstand rast wie ein Eichhörnchen auf Red Bull.

»Sorry, was?« Ich schnippe die Asche meiner Zigarette ab.

»Du hast während des Spiels gelesen – welches Buch?« Er klingt neugierig und ein wenig beleidigt.

»Tom Jones. Ich muss es für meinen Buchclub am Dienstag lesen.«

Wow. Klingt das nicht cool? Er muss mich beobachtet haben, als er auf der Strafbank saß.

»Fielding bei einem Hockeyspiel? Ein bisschen intellektuell zusammen mit Bier und Gewalt, nicht?«

Ich blinzle, als hätte ich in ein Blitzlicht geschaut. Alex weiß, wer Tom Jones geschrieben hat, und er hat das Wort intellektuell im richtigen Kontext benutzt. Ich hatte recht – er hat meine Anspielung auf Shakespeare kapiert. Alex Waters hat meine Einschätzung, dass Hockeyspieler intellektuell unterbelichtet sind, zunichtegemacht – ganz allein und mit einem Satz. Damit ist er noch viel heißer, als er es vor fünf Sekunden war.

»Hast du Fielding gelesen?« Ich trete einen Schritt näher. Meine Stimme ist so tief, als hätte ich auf Telefonsexbetreiberin umgeschaltet.

»I-i-ich …«

Einfach hinreißend. Er hat einen Gesichtsausdruck, der mir vertraut vorkommt: Panik, gemischt mit Angst. Ich habe ihn ebenfalls immer aufgesetzt, wenn ich unbewusst meine seltsamen Gewohnheiten offenbart habe. Die meisten Abende bin ich am liebsten zu Hause, zusammengerollt mit einem Buch oder Solitaire spielend, statt in eine Kneipe zu gehen. Deshalb der extreme Bierkonsum und die vorgetäuschte Lust auf eine Zigarette.

»Ich finde Literatur sexy«, flüstere ich.

»Ich auch.« Seine Grübchen kommen zum Vorschein.

Ich habe einen dieser seltenen Momente, in denen mein Gehirn abschaltet und ich etwas völlig Ungewohntes tue. Es ist so jenseits meines persönlichen Verhaltensmusters, dass ich den Augenblick wahrscheinlich wieder und wieder durchleben werde, um herauszufinden, was den Schalter umgelegt hat. Vorläufig mache ich das Bier, den Jetlag und seine literarischen Anspielungen dafür verantwortlich.

Ich packe Waters am T-Shirt und ziehe sein Gesicht zu mir herab.

Sein Mund ist weich und warm. Die Stoppeln an seinem Kinn kratzen mir über die Haut, und das mag ich. Ich schiebe ihm die Zunge in den Mund. Na ja, nicht ganz. Ich lasse sie über seine Unterlippe gleiten, berühre den kaum verheilten Riss, und er öffnet seine Lippen für mich. Weich, warm und feucht trifft auf noch mehr weich, warm und feucht. Er schmeckt wie Schokolade und ganz schwach nach Kaffeelikör.

Er lässt seine Hand über meine Seite gleiten und zieht mich fest an sich. Er ist Ecken und Kanten und Wärme, und ich spüre … ach du Heiliger … eine riesige Ausbuchtung an meinem Bauch.

Nach viel zu kurzer Zeit beendet er den Kuss und lässt seine Lippen über meine Wange zu meinem Ohr gleiten. »Willst du von hier weg?«

»Buck wird dich umbringen.«

»Ich komme klar mit ihm.«

2

Ich wünschte, ich könnte es auf den Alkohol schieben

Violet

Ich höre meinen Namen in der Ferne und beschließe, es zu ignorieren.

Stattdessen knabbere ich an Alex’ Lippe, noch angeturnter, als ich angesichts seiner Bereitschaft, es mit Buck aufzunehmen, sein sollte. Alex nimmt den Hinweis zur Kenntnis und küsst mich erneut. Unter Berücksichtigung seines Verhaltens auf dem Eis erwarte ich, dass er aggressiv und leidenschaftlich ist, doch wie seine Zunge meine umspielt, kann man nur als sinnlich beschreiben. Das ist wirklich der beste aller Küsse, was bedauerlich ist, weil er wahrscheinlich eine Hockeyhure ist – wenn auch eine belesene.

Ich sollte mich wirklich nicht darauf einlassen, mit ihm von hier wegzugehen. Meine letzte Erfahrung mit einem Hockeyspieler sagt mir das klar und deutlich.

Der Unterschied ist nur: Das hier ist eine Affäre. Er bittet mich nicht um ein Date, und ich erhoffe mir auch keins. Der Song »Let’s Make Out« dudelt in meinem Kopf. Ich will, dass er meine Hymne wird.

»Was zum Teufel tust du da?«, brüllt Buck in mein Ohr.

Ich zucke vor dem Lärm zurück und löse meine Lippen von Alex. Buck ist ein echter Spielverderber. Die wenigen Leute auf dem Hof haben angesichts des unnötigen Lärms aufgehört zu reden. Ich hatte vergessen, dass wir an einem öffentlichen Ort sind. Ich schreibe es dem Bier und meiner fehlenden geistigen Klarheit dank Alex’ Zunge in meinem Mund zu.

»Was ist hier los?«, fragt Buck genauso laut und gestikuliert unkontrolliert mit seinen riesigen, haarigen Pranken.

»Ich lutsche ihm den Schwanz«, erkläre ich sarkastisch. Manchmal wünschte ich, mein Mund hätte keine fehlerhafte Verbindung zu meinem Gehirn, das zulässt, dass alles einfach ungefiltert herauskommt.

Alex hustet, und seine Finger auf meinen Hüften zucken, während Bucks Gesicht eine unnatürliche Röte annimmt. Das ist wirklich eine seltsame Situation. Mein Unbehagen bringt mich dazu, weiter dummes Zeug zu reden.

»Na schön, du hast mich erwischt. Ich habe seinen Schwanz nicht gelutscht. Man nennt das sonst küssen, aber Mundficken klingt schmutziger, also bin ich dabei.«

Buck bläht die Nüstern. Ich bin ein echtes Schwein. Wahrscheinlich wird er es Alex anlasten.

Buck gibt es auf, mit mir zu diskutieren, und wendet sich an Alex. »Nimm deine verdammten Finger von meiner Schwester.«

»Stiefschwester.« Ich kann es nicht lassen, den Yeti zu ärgern.

»Das ist genau das Gleiche!«

»Wag es nicht!« Ich versuche es mit Fingerschelte und schüttle den Kopf. »Du hast kein Mitspracherecht bei dem, was ich tue, oder dabei, wohin Alex seine Hände legt.«

»Ich sage es Skye«, droht Buck, als wäre ich vier und hätte sein Lieblingsspielzeug gestohlen.

»Als ob sie das kümmert.«

Buck hebt eine Braue. »Machst du Scherze? Sie wird’s ihren ganzen Freunden erzählen.«

Shit. Er hat recht. Meine Mutter kann einfach ihre Klappe nicht halten. Sie wird mir unpassende Fragen stellen. Das halte ich nicht aus.

Ich packe Buck an seinen Jackenaufschlägen und versuche, mich daran hochzuziehen, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Es ist, als würde man an einer Felswand hochklettern – einer großen, haarigen Felswand –, also gebe ich auf und ziehe so lange an seinem Hemd, bis er sich zu mir herunterbeugt.

»Hör mir zu, du Arschloch. Wenn du auch nur ein Sterbenswörtchen von dem hier zu meiner Mutter sagst, werde ich öffentlich darüber sprechen, wie wir uns betrunken haben und du mich zu begrapschen versucht hast, verstanden? Ich meine es ernst. Ich werde es tun.« Buck hat nie versucht, mich zu begrapschen – jedenfalls nicht vorsätzlich.

»Das würdest du nicht«, faucht Buck leise.

Ich habe ihn an den kurzen Haaren – im übertragenen Sinne natürlich. Ich würde sie nie anfassen. »Willst du mich herausfordern? Versuch’s nur, ich habe nichts zu verlieren.«

»Okay, okay. Ich werde nichts sagen … nur … können wir uns unter vier Augen unterhalten? Bitte.« Mit erhobenen Händen blickt er sichtlich panisch zwischen Alex und mir hin und her.

Nur wir beide wissen von diesem Vorfall. Wenn ich ehrlich zu ihm wäre, müsste er sich überhaupt keine Sorgen machen. Er war zu der Zeit sinnlos betrunken. Ihn in dem Glauben zu lassen, er hätte mich begrapscht, selbst aus Versehen, gibt mir in solchen Situationen ein Druckmittel.

Ich lasse seine Aufschläge los. »Du hast es geschafft, mir den Abend zu versauen. Ich verschwinde.«

Ich würde Alex ja bitten mitzukommen, um Buck noch mehr zu ärgern und vielleicht noch ein bisschen mit Alex herumzuknutschen, aber ich teile mir eine Suite mit meinen Eltern. Heute Abend sind überall Spielverderber, um mich an falschen Entscheidungen zu hindern.

Alex flüstert mir etwas ins Ohr. Es klingt wie »Bleib«. Schon gut, vielleicht atmet er auch durch die Nase aus und macht dabei ein pfeifendes Geräusch, das wie ein Wort klingt.

»Wie du möchtest«, sagt Buck versöhnlich.

Verärgert und unfähig, zurückzurudern, drehe ich mich zu Alex um. »Willst du meine Telefonnummer?«

»Sicher.« Er zieht sein Telefon aus der Gesäßtasche, ruft seine Kontakte auf und reicht es mir.

»Gibt ihm deine Nummer nicht!«

Bucks Einmischung hebt meine Stimmung nicht gerade.

Ich ignoriere ihn und tippe meine Nummer in Waters’ kleines Adressbuch, zufrieden damit, Buck irgendwie zu ärgern. So viel Spaß es auch gemacht hat, mit Alex zu knutschen, wird er mich wahrscheinlich nicht anrufen.

»Danke für den Kuss«, flüstere ich, als ich ihm das Handy zurückgebe.

Er zwinkert. »Gern geschehen.«

Ich stoße gegen Bucks Schulter, als ich vorbeigehe – er hat nicht einmal den Anstand, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen – und bahne mir meinen Weg durch die Bar zu den Aufzügen. Weil ich so enttäuscht darüber bin, dass Buck mir den Spaß verdorben hat, ist es besser so. Alex ist viel zu scharf und ein viel zu guter Küsser, um keine Gefahr zu sein.

Meine Eltern sind in ihrem Zimmer, also muss ich keinen sinnlosen Smalltalk machen. Manchmal läuft Sidney in Unterwäsche herum. Ich bin an sein Übermaß an Brusthaaren gewöhnt, doch die weißen Herrenunterhosen sind zu viel. Ich habe eine feste Vorstellung davon – Wortspiel eingeschlossen –, warum meine Mutter ihn geheiratet hat, abgesehen von seiner herausragenden Persönlichkeit.

Ich durchquere die Suite auf Zehenspitzen und schließe mich in meinem Zimmer ein. Mein erster Halt ist bei meinem Koffer. Es ist Biberzeit. Ich kichere, weil ich den Begriff für weibliche Geschlechtsteile einfach witzig finde.

Nachdem ich den Inhalt meiner Tasche auf den Fußboden gekippt habe, stellt sich heraus, dass ich meinen Reisedildo vergessen habe, gemeinsam mit allen anderen wichtigen Dingen. Dafür habe ich einen Haufen Strümpfe und den einen tollen BH mitgenommen.

Das Knutschen mit Alex hat mich völlig scharf gemacht, weshalb ich mich gezwungen sehe, meine Finger zu benutzen, um es mir zu besorgen. Ich habe nicht mal das Magazin mit der Milchwerbung dabei – von der ich jetzt weiß, dass es Alex ist –, um mir mit einem Bild zu helfen.

Aus Angst davor, gehört zu werden, kümmere ich mich im Bad und mit eingeschaltetem Ventilator um mich. Ich brauche fünfzehn Minuten, um zu kommen. Das lahme Handgelenk und die Fingerkrämpfe nehmen dem Ganzen die entspannende Wirkung. Nachdem ich auf dem Masturbationsexpress gefahren bin, durchsuche ich den Stapel auf dem Boden nach meinem Schlafanzug und muss lachen, als ich ihn entdecke. Den habe ich seit der Highschool nicht mehr gesehen. Ich wusste gar nicht, dass ich ihn überhaupt noch habe.

Er passt nicht richtig, muss aber genügen. Das Oberteil liegt eng wie ein elastischer Verband an meiner Brust an. Die Hose mit Eingriff ist jetzt eine Caprihose. Der Bund sitzt so tief, dass er kaum meinen Hintern bedeckt. Egal. Mich sieht ja niemand.

Die übliche Routine zur Schlafenszeit läuft folgendermaßen ab: Gesicht waschen, Zähne putzen, Kontaktlinsen rausnehmen und nach der Brille suchen, weil ich nicht schlau genug bin, sie auf jeden Fall dabei zu haben. Ich finde sie auf dem Boden zwischen sauberen Strümpfen und meinem einzigen sauberen Slip, den ich für morgen aufheben muss. Das gedämpfte Klingeln meines Telefons dringt unter dem Haufen achtlos hingeworfener Sachen hervor. Wahrscheinlich Buck, der sichergehen will, dass ich auf dem Weg ins Hotel nicht entführt worden bin.

»Was willst du, Blödmann? Hast du mir den Abend nicht schon genug verdorben, indem du mich beim Mundficken mit deinem wahnsinnsheißen Teamkollegen gestört hast? Musst du mich jetzt auch noch beim Masturbieren stören?«

Ich bedecke das Mikro, um mein Lachen zu unterdrücken. Buck findet Gespräche über Masturbation peinlich. Wahrscheinlich weil er glaubt, mich einst gefragt zu haben, ob es Inzucht sei, wenn er mir dabei zuschaut. Es handelt sich um den gleichen Zwischenfall, von dem er glaubt, mich begrapscht zu haben. Kann sein, dass ich ein paar Dinge nicht ganz korrekt dargestellt habe.

Ein zischendes Geräusch ist zu hören, das an Darth Vader erinnert, gefolgt von einem »Heilige Scheiße«.

Das ist nicht Buck.

»Hallo?«

»Violet?«

»Wer ist da?«

»Hier ist Alex, der wahnsinnsscharfe Teamkollege.«

Ich kann mir sein Schmunzeln vorstellen.

»Oh. Hallo.« Das ist wirklich unerwartet und peinlich. Auch wenn er bestimmt selbst weiß, wie scharf er ist. Das Knutschen vorhin ist jedenfalls ein klares Zeichen dafür, dass mir gefällt, wie er aussieht.

Stille folgt. Drei Sekunden zu spät habe ich sechs geistreiche Erwiderungen. Leider ist der Augenblick dafür schon vorbei.

»Masturbierst du gerade wirklich?« Wieder dieses Luftgeräusch.

»Nein, ich hab bereits … meinen Biber gestreichelt.« Ich kichere. Wie kindisch ich bin. »Masturbierst du?« So wie er ins Telefon atmet, ist das durchaus möglich. Ich genieße die Vorstellung, und ich wette, dass er wirklich darauf abfährt.

»Was? Nein«, sagt er eilig. Fast zu eilig.

»Bist du sicher? Ich meine, du hast nicht einmal gezögert. Du hast ja kaum gewartet, bis ich die Frage zu Ende gestellt hatte.« Das stimmt gar nicht. »Vielleicht lügst du ja und hast deine Hand in der Hose.«

»Was? Nein, hab ich nicht. Ich schwör’s. Warte einen Moment – hast du es getan?« Seine Stimme sinkt ein paar Oktaven tiefer. Er klingt eindringlich.

Ich versuche mir den entsprechenden Gesichtsausdruck vorzustellen.

»Was getan?«

»Das, was du über deine Muschi gesagt hast, ist das wahr?«

Es klingt so lächerlich, ich lache unkontrolliert.

»Mach’s mir«, murmelt Alex.

Ich höre auf zu lachen. Erstens, weil ich das für eine echte Bitte halte. Zweitens, weil ich dieses großartige Bild von mir unter ihm vor Augen habe.

»Es stimmt«, hauche ich leise dem Porno geschuldet, der in meinem Kopf abläuft.

»Im Ernst?« Er klingt erregt. So richtig erregt.

»Das mit meinem Biber? Nein. Biber sind gefährlich. Man sollte sie nicht streicheln.«

»Kannst du bitte aufhören, ›Biber‹ zu sagen? Was machst du gerade?«

»Bier trinken und einen Porno schauen, wieso?« Morgen werde ich mich ganz sicher für den unangemessenen Inhalt dieses Gesprächs schämen. Im Moment amüsiere ich mich köstlich.

»Weil ich vor deiner Suite stehe. Willst du ein bisschen Gesellschaft?«

Ich setze mich so schnell auf, dass sich der Raum um mich dreht. »Tust du nicht.«

»Doch. Suite sechshundertneun. Soll ich klopfen?«

»Nein! Nicht! Warte.«

Ich sprinte durchs Zimmer und reiße die Schlafzimmertür auf. Das gemeinsame Wohnzimmer ist leer. Ich denke kurz an eine verborgene Waffe und rolle spaßeshalber über den Boden, doch meine Koordination ist mies, also laufe ich lieber weiter. Als ich die Tür aufreiße, steht Alex mit der Jacke überm Arm und dem Telefon am Ohr vor mir.

Ich trete in den Flur. »Du hast keinen Spaß gemacht.«

»Hübsch.«

Ich folge seinem Blick. Oh ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich trage einen Spiderman-Pyjama, der für Jungs vor der Pubertät entworfen wurde. Es ist kalt im Gang, und ich habe keinen BH an, was die Aufmerksamkeit auf meine Brüste lenkt. Meine Nippel grüßen ihn durch den verwaschenen Stoff.

»Ich habe meinen Spitzenbody zu Hause vergessen.« Beinahe wünschte ich mir, ich besäße einen, obwohl Spitze unbequem und unpraktisch ist. »Was tust du hier?« Ich bedecke meine Brüste vor weiterer Belästigung durch Blicke.

Für den Bruchteil einer Sekunde senkt er den Blick, als hätten meine Nippel ihr eigenes Gravitationsfeld, und hebt ihn dann wieder zu meinem Gesicht. »Ich, äh … hast du Lust, ein bisschen abzuhängen?«

Ich winde mich. »Ich bin mit meinen Eltern hier.«

»Du könntest in meine Suite raufkommen.«

»Ich wollte gerade ins Bett.« Wie lahm.

»Das dachte ich mir.«

Da ist wieder das Lächeln. Er bringt diese verdammten Grübchen zum Vorschein. Das zerschundene Gesicht und die Prellungen scheinen seine Attraktivität noch zu steigern.

»Ich werde nicht mit dir schlafen.« Gütiger Himmel, mein Mund braucht einen Zensor.

Er zuckt nicht mal. »Das ist in Ordnung. Ich war nicht auf Sex aus.«

»Wirklich?« Abhängen habe ich innerlich auf jeden Fall mit Ausziehen verknüpft.

»Wirklich. Versprochen.« Er legt eine Hand aufs Herz, und sein Blick wird ganz sanft, während er tatsächlich errötet. Es ist irgendwie süß.

»Oh. Na dann. Ich – ich zieh mir was anderes an.« Offenbar bin ich damit einverstanden, mitten in der Nacht zu einem höllisch heißen Hockeyspieler aufs Zimmer zu gehen, um keinen Sex zu haben.

Ich greife nach der Tür und drehe den Knauf. Sie ist verschlossen. Ich versuche es noch einmal, obwohl ich weiß, dass es nicht funktioniert. Mit Klopfen wecke ich nur meine Eltern, und dann werde ich ganz bestimmt nicht mit Alex abhängen. Ich will es aber, auch wenn es eine dumme Idee ist. Daraus kann nichts Gutes werden. Außer einer weiteren Knutschrunde.

»Du hast deine Schlüsselkarte nicht.«

»Nein. Nein, hab ich nicht.«

»Du musst dich meinetwegen nicht umziehen. Mir gefällt dein Outfit. Spiderman ist mein Liebling.«

Er hat noch immer ein Lächeln im Gesicht. Es ist beinahe so verwirrend wie sexy.

»Wir könnten zur Rezeption gehen und nach einer Schlüsselkarte fragen, wenn du dich umziehen willst.«

»Machst du Witze? Wie bitte? Nein. Ich kann so nicht da runtergehen. Sowohl die Freud’sche Hose als auch die Vorstellung, im Spiderman-Schlafanzug die Haupthalle zu betreten, sind gruselig.

»Warum kommst du nicht mit auf mein Zimmer? Wir können ein Weilchen chillen. Bis du wieder zurück auf dein Zimmer willst, habe ich eine Karte raufschicken lassen.« Er reicht mir seine Hand.

Ich schaue zwischen ihr und seinem Gesicht hin und her. Es könnte der Restalkohol sein, der noch immer in meinem Körper zirkuliert – und der Mangel an Befriedigung während meiner Entspannungszeit –, doch ich lege meine Hand in seine und lasse mich zum Aufzug führen. Er drückt den Knopf und legt mir sein Jackett um die Schultern. Ich will nicht darüber nachdenken, wie oft er das wohl macht. Oder dass ich wahrscheinlich nur eine von Hunderten bin.

Die Tür geht auf, und er lässt mich vorgehen. Der gesamte Aufzug besteht aus Spiegeln und bietet einen großartigen Blick aus allen möglichen Winkeln auf Alex. Ich hingegen sehe wirklich furchtbar aus. Meine Haare müssten mal gekämmt werden, ich habe kein Make-up aufgelegt und trage eine Brille. Verstohlen versuche ich, mein Haar glatt zu streichen.

»Hey.« Sein Blick ist liebevoll, als er mir über meine Wangen streicht. Seine Finger sind rau und schwielig, doch seine Berührung ist sanft, sogar intim. »Ich will nur ein bisschen abhängen. Ich versprech’s.«

Ich möchte ihm gern glauben.

»Es ist zwei Uhr morgens, Alex. In den frühen Morgenstunden vor meinem Hotelzimmer aufzutauchen spricht für einen One-Night-Stand.«

Er lässt die Hand sinken. »Die ganze Kneipenszene wird langsam langweilig, und ich bin vom Spiel irgendwie aufgeputscht. Ich hab gedacht, du hast mir deine Nummer gegeben, und wir könnten ein bisschen Spaß haben, oder nicht? Es ist schön, mit jemandem zu sprechen, der sich nichts aus dem Hype macht.«

»Richtig.« Egal. Er wird mich schon nicht als Geisel nehmen. Ich kann jederzeit gehen.

»Ich war mir nicht sicher, wann du abreisen würdest. Ich wollte versuchen …«

Der Aufzug macht Ping!. Alex verschränkt seine Finger mit meinen, und wir gehen den Gang entlang zu seinem Zimmer. Der Raum ist beinahe genauso aufgeteilt wie die Suite meiner Eltern, bis auf die einzelne Tür, die wahrscheinlich zum Schlafzimmer führt.

»Wir teilen normalerweise unsere Zimmer, doch ich habe letzte Woche eine Wette gewonnen, also musste mich mein Kumpel Darren hier unterbringen.«

»Darren?«

»Ja. Westinghouse. Nummer sechsundzwanzig. Er ist der Rechtsaußen.«