Hot Dates with the Boss - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

"Eine gute Assistentin sieht in ihrem Chef nur ihren Chef - egal, wie heiß er auch sein mag" - so lautet Cathys Credo. Seit zwei Jahren arbeitet sie für den erfolgreichen und attraktiven Anwalt Lukas, Inhaber einer der größten Kanzleien New Yorks. Stur versucht sie auszublenden, dass Lukas ein sehr anziehender Mann ist, weil sie Komplikationen befürchtet. Doch dann wird ihr ein erotisches Video von Lukas zugespielt, das sie völlig aus der Fassung bringt. Das, was sie lange unterdrückt hat, kann sie nun nicht länger leugnen: Sie fühlt sich von Lukas genauso magisch angezogen wie alle anderen Frauen in der Firma auch. Ihre Neugierde ist geweckt und sie folgt Lukas in einen sehr speziellen Club, wo sie endgültig vergisst, dass er ihr Vorgesetzter ist. Doch Lukas scheint in diesem Club ein völlig anderer Mensch zu sein. Barsch verlangt er von Cathy, dass sie im Büro kein Wort darüber verliert, was nachts zwischen ihnen passiert ist. Cathy ist mit ihren Nerven am Ende.Tatsächlich verhält sich Lukas im Büro so, als habe es die Stunden im Club nie gegeben. Was ist mit ihm los und warum verhält er sich so seltsam? Die Wahrheit bringt ein Familiengeheimnis ans Licht, das Cathys und Lukas' Leben kräftig durcheinander wirbelt - und ebenso das Leben von zwei Menschen, die ihnen nahestehen.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Kapitel 1 - Cathy

„Mir ist unbegreiflich, wie du bei Mr Sexbomb auch nur eine einzige Zeile fehlerfrei tippen kannst. Ich würde Schweißausbrüche und Herzflattern kriegen und sofort alles vergessen.“

Joanna, meine neue Kollegin aus der Buchhaltung, schüttelt den Kopf mit den langen, schwarzen Locken und beißt herzhaft in ihr Sandwich. Joanna arbeitet seit zwei Wochen für unsere Kanzlei und hat meinen Boss vor drei Tagen das erste Mal gesehen. Seitdem redet sie praktisch nur noch davon, wie sexy er ist und was für ein Glückspilz ich bin, weil ich für ihn arbeiten darf. Ich kenne diese Reaktion, denn das sagen so ziemlich alle Frauen, die ihn mal gesehen haben.

Und sie haben recht: Lukas ist der umwerfendste Mann, den man sich vorstellen kann. Er ist wahnsinnig attraktiv, leitet eine der größten Anwaltskanzleien New Yorks und hat eine Ausstrahlung, die jeden in seinen Bann zieht. Wenn er sich in einem Raum befindet, sind alle anderen praktisch unsichtbar. Er ist der absolute Hingucker mit seinen dunklen Haaren und den meeresblauen Augen, in denen man sich echt verlieren kann. Und dann dieser Body … also, da kann jedes Model einpacken. Ich weiß gar nicht, wie er das macht bzw. wann er eigentlich trainiert, denn er wohnt praktisch im Büro. Nachts vielleicht?

Es ist Himmel und Hölle zugleich, für ihn zu arbeiten. Einerseits schwebt man bei seinem Anblick natürlich in höheren Sphären, andererseits kann man sich tatsächlich weitaus weniger konzentrieren, als wenn er nicht so ein schöner Mann wäre.

„Das ist jahrelange Übung“, erwidere ich. „Am Anfang ist mir das auch echt schwergefallen.“

Und das ist noch stark untertrieben. Nach der ersten Woche war ich so fertig, dass ich kündigen wollte, weil ich fest davon überzeugt war, dass mein Gehirn in Lukas‘ Nähe durchschmoren würde. Wenn er mich aus diesen strahlend blauen Augen anlächelte, habe ich alles um mich herum vergessen und erst recht, was er eigentlich von mir wollte. Es war wirklich schlimm mit mir, aber ich glaube, er hatte dafür Verständnis, weil er das einfach nicht anders kennt. Und irgendwann wurde es dann auch besser. Tja, und jetzt habe ich sozusagen alles im Griff. Eine gute Sekretärin ist nur dann eine gute Sekretärin, wenn sie in ihrem Boss wirklich nur den Boss sieht, sonst wird es kompliziert. Das ist jedenfalls mein Credo. Und damit fahre ich ganz gut.

Es ist ein strahlend schöner Tag Anfang Mai, und Joanna und ich verbringen unsere Mittagspause im Central Park. Das tue ich oft, denn Brighton Cooper Stone, die Kanzlei mit mehr als 300 Anwälten und 70 anderen Angestellten, für die wir beide arbeiten, ist nur fünf Minuten weit entfernt.

„Aber dann hast du es offensichtlich hingekriegt.“ Bewundernd schaut Joanna mich an. „Sonst wärst du ja gar nicht mehr hier. Aber es war schon eine gewaltige Umstellung, oder?“

„Naja, einfacher war es tatsächlich, für seinen Vater zu arbeiten“, entgegne ich und tauche mein Salatblatt in das köstliche Dressing.

John Brighton war 70, als er vor zwei Jahren beschloss, sein Leben lieber auf Kreuzfahrten und an karibischen Stränden zu verbringen, als weiterhin in einem Büro in Manhattan zu hocken. Wir waren alle überrascht, denn die Kanzlei, die er vor mehr als 40 Jahren gegründet und zu einer der größten des Landes aufgebaut hatte, schien sein Lebensinhalt zu sein. John war morgens der erste und abends der letzte im Büro, und niemand hat geglaubt, dass er der Firma tatsächlich so ganz den Rücken kehren würde. Aber er hat es wirklich getan, zog nach San Diego und wurde seitdem nicht mehr gesichtet. Manchmal erhalten wir bunte Postkarten mit malerischen Stränden, türkisfarbenem Wasser und fröhlichen Sprüchen. John scheint sein altes Leben nicht sonderlich zu vermissen. Er genießt seinen Ruhestand in vollen Zügen, und wir gönnen es ihm alle. Er hat in seinem Leben wahrlich genug gearbeitet.

Dass sein Sohn Lukas seine Nachfolge antreten würde, hat uns damals mehr als überrascht, denn davon war vorher nie die Rede. Wir hatten Lukas jedenfalls noch nie zu Gesicht bekommen und wussten gar nicht, dass er auch Rechtsanwalt ist.

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als plötzlich ein großer, irre gut gebauter Mann im Türrahmen stand und mich anstrahlte. Ich war sofort hin und weg von seinen blauen Augen, die wie ein Blitz in meine Seele und mein Herz einschlugen. Alles andere nahm ich erst viel später wahr: die breiten Schultern, den gut ausgebildeten Brustkorb, das Sixpack, das sich deutlich unter seinem dünnen, weißen Hemd abzeichnete, den Knackarsch, das markante Gesicht mit den sinnlichen Lippen.

Alles, was ich dachte, war: ‚Das ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Der sexieste, atemberaubendste, verführerischste Mann, dem ich je begegnet bin. Was zum Teufel will der hier? Hat er sich in der Adresse geirrt? Ist er Model und will zu der Casting Agentur im Gebäude nebenan?‘

Als er sich als Lukas Brighton vorstellte, war mir klar, woher ich diese wahnsinnig schönen Augen kannte: Sein Vater John hat die gleichen. Auch er muss in jungen Jahren ein atemberaubend schöner Mann gewesen sein, und auch in seinen Sechzigern war er noch richtig attraktiv. Seine Frau hat lange Zeit als Fotomodell gearbeitet und war 1976 Miss Texas. Da war das gute Aussehen für den Sprössling natürlich vorprogrammiert.

Eine Woche später ließ John uns wissen, dass Lukas seine Nachfolge antreten würde. Wir waren alle baff. Im ersten Moment kapierte ich gar nicht, was das für mich bedeutete. Und als ich es verstand, schlug mein Herz Purzelbäume: Ich würde für diesen faszinierenden Mann arbeiten! Ich würde ihn jeden Tag sehen, jeden Tag mit ihm sprechen, jeden Tag in seiner Nähe sein! Ich war völlig geflashed.

Doch bald kamen die Ernüchterung und die Zweifel. Würde ich in seiner Nähe überhaupt fähig sein, vernünftig zu arbeiten? Oder würde mir der Duft seines After Shaves die Sinne vernebeln und mich sein Anblick völlig aus der Fassung bringen?

In den ersten Tagen war es schlimm, das muss ich zugeben. Sobald ich Lukas sah, bekam ich tatsächlich Herzklopfen und Schweißausbrüche – so, wie Joanna es sich vorstellt. Gab er mir eine Aufgabe, verstand ich sie meistens gar nicht, weil ich so sehr damit beschäftigt war, ihn anzustarren. Mein Gehirn arbeitete deutlich langsamer als üblicherweise. Manchmal kam es mir so vor, als sei ich mit meinen 28 Jahren völlig dement. Es war mir ungeheuer peinlich.

John hatte mich oft gelobt und behauptet, ich sei die beste Sekretärin gewesen, die er in 40 Jahren gehabt hätte. Tatsächlich war ich sehr ehrgeizig, was meinen Job betraf; ich wollte ihn so gut wie möglich erledigen. Ich arbeitete schnell, konzentriert, punktgenau und vor allem gern. Es war mein Ehrgeiz, dass alles perfekt organisiert war, ich meinem Chef den Rücken freihielt und er sich hundertprozentig auf mich verlassen konnte. Für John war ich in den fünf Jahren, die ich für ihn gearbeitet hatte, bald unentbehrlich geworden. Die schlimmsten Tage des Jahres waren für ihn die, wenn ich im Urlaub war und eine Vertretung für mich organisiert werden musste, die mir angeblich nicht das Wasser reichen konnte. John hielt sehr große Stücke auf mich, und das war ein tolles Gefühl. Für ihn war ich unverzichtbar, und ich mochte ihn sehr. Er war immer nett und freundlich zu mir und ein bisschen so etwas wie ein Vater-Ersatz für mich.

Ich war mir sicher, dass John seinem Sohn von mir vorgeschwärmt hatte. In den ersten Tagen konnte Lukas die Lobhudeleien ganz sicher nicht nachvollziehen, denn ich machte Fehler, die ich in fünf Jahren nicht gemacht hatte. Ich schredderte wichtige Unterlagen, verschickte vertrauliche Emails an die falschen Empfänger, stolperte über einen Putzeimer und verwechselte Zucker mit Salz, so dass die Konferenzteilnehmer entsetzt in ihren Kaffee spuckten.

Lukas verzog bei all dem keine Miene und ich fragte mich, ob er ahnte, dass sein Anblick mich total durcheinanderbrachte. Schließlich wusste er, wie er auf Frauen wirkte. Warum sollte ich da eine Ausnahme sein? Selbst die Sekretärinnen jenseits der 50 hübschten sich plötzlich auf, und seine Geschäftspartnerinnen besprachen alles nur noch persönlich mit ihm, anstatt telefonisch, so wie mit seinem Vater. Alle Frauen sind einfach verrückt nach ihm. Es gibt solche Männer. Man sieht sie, und man verfällt ihnen. Doch im Grunde hat man keine Chance, denn so ein Mann wählt natürlich eine entsprechende Frau. Aber die hat Lukas offenbar noch nicht gefunden, so dass sich fast alle Frauen in der Firma Hoffnungen machen, dass sie eines Tages die Auserwählte sein werden.

„Mein Puls wäre nonstop auf 300.“ Joanna verdreht die Augen. „Ich glaube, ich würde das nervlich keine zwei Tage durchhalten.“

„Tja, das hat schon eine Weile gedauert, bis ich mich so richtig auf meinen Job konzentrieren konnte“, muss ich zugeben.

Aber irgendwann hat meine Professionalität gesiegt. Ich wollte einfach wieder einen guten Job machen und die First Class Assistentin sein, die ich immer war. Das war mein Ehrgeiz. Ich wollte nicht länger eine sabbernde, unqualifizierte Tippse sein, die ihren Chef anhimmelte und zu nichts mehr fähig war. Aber ich musste mich echt zusammenreißen, um dieses Ziel zu erreichen. Und auch heute fällt es mir in bestimmten Situationen immer noch schwer, wenn es sich auch merklich gebessert hat. Ich habe mich tatsächlich im Griff. Lukas ist mein Boss, das halte ich mir immer wieder vor Augen. Ich bin dazu da, um für ihn zu arbeiten, dafür bekomme ich mein Geld. Er braucht mich als Assistentin, die ihn entlastet und ihm den Rücken freihält, nicht als kicherndes Girlie, das bis über beide Ohren in ihn verknallt ist.

Meistens funktioniert es.

„Wie machst du das, wenn er so dicht neben dir steht?“ Joanna seufzt sehnsuchtsvoll.

„Wenn er sich zu dir beugt, wenn du ihn riechst, wenn du seine samtene Stimme hörst … Oh Gott, bei mir kribbelt es jetzt schon zwischen den Beinen, wenn ich nur daran denke.“

„Ich sage mir eben immer wieder, dass er mein Boss ist, der von mir eine gewisse Leistung verlangt“, gebe ich bekannt.

„Und der mir ohne weiteres kündigen kann, wenn ich diese Leistung nicht erbringe. Ich möchte meinen Job nicht verlieren, deshalb reiße ich mich zusammen.“

„Alle Achtung“, lobt Joanna mich. „Du klingst sehr vernünftig. Ich könnte das trotzdem nicht. Wenn dieser geile Typ neben mir stehen würde, würde ich glatt vergessen, dass er mein Boss ist.“

„Das würde dir spätestens dann wieder einfallen, wenn du die erste Abmahnung von diesem ‚geilen Typen‘ kassiert hast“, hole ich sie auf den Boden der Tatsachen zurück.

Wobei Joanna schon irgendwie recht hat. Wenn Lukas an seinem Schreibtisch sitzt, die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt hat, in irgendwelche Akten vertieft ist und hochkonzentriert aussieht, ist er einfach unwiderstehlich. Dann würde ich auch gern ganz andere Dinge mit ihm tun, als ihm einen Kaffee zu bringen oder die nächste Akte zu reichen. Aber ich verbiete mir diese Gedanken, denn sie sind unangemessen. Er ist mein Vorgesetzter und damit tabu. Ich würde nie auf die Idee kommen, ihn irgendwie anzumachen. Das gehört sich einfach nicht.

Joanna findet mich in dieser Hinsicht total spießig. Sie behauptet, sie hätte sich schon längst quer über seinen Schreibtisch gelegt, und zwar nackt. Na, das mache ich ganz bestimmt nicht. Ich will schließlich meinen sehr gut bezahlten und äußerst angenehmen Job nicht riskieren.

„Du bist einfach viel zu brav“, findet Joanna und stupst mich lachend an. „Andere in deiner Situation wären schon längst unter seinen Schreibtisch gekrochen, hätten seine Hose geöffnet und ihm einen Blow Job verpasst. Glaubst du wirklich, er hätte was dagegen? So eine kleine Entspannung zwischendurch tut doch ganz gut.“

„Ich glaube, du hast völlig falsche Vorstellungen davon, was zwischen einem Chef und seiner Sekretärin abgeht.“ Ich schüttele pikiert den Kopf.

„Man arbeitet zusammen. Das ist doch nur ein Klischee, dass der Chef es mit seiner Sekretärin treibt. In tausend Fällen kommt das vielleicht ein einziges Mal vor.“

„Na, irgendwoher muss dieses Klischee aber kommen“, findet Joanna. „Jedenfalls wüsste ich, was ich täte, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich würde es zumindest mal probieren. Niemand ist so dicht an ihm dran wie du.“

„Nein“, sage ich fest. „Niemals. Ich werde meinen Job ganz bestimmt nicht riskieren. Das wäre es nicht wert. Womöglich würde Lukas mich wegen sexueller Belästigung verklagen.“

„Ganz sicher nicht“, grinst Joanna. „Vielleicht wartet er nur darauf und traut sich selber nicht.“

Na, das glaube ich nun nicht. So ein schöner Mann ist ganz sicher nicht auf mich angewiesen. Der hat ganz andere Angebote. Er müsste sich auf eine Straßenkreuzung stellen und wäre nach fünf Minuten von einer Traube williger Frauen umringt. Und die Hälfte davon würde sich wahrscheinlich splitternackt ausziehen. Die schönste würde er sich dann aussuchen. Und die bin ich ganz sicher nicht.

Als ich nach meiner Mittagspause ins Büro zurückkehre, sitzt Lukas stirnrunzelnd an seinem Schreibtisch. Er sieht mal wieder anbetungswürdig aus und ist so vertieft in seine Unterlagen, dass er zusammenzuckt, als er mich bemerkt.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Ich stelle die Papiertasche von seinem Lieblings-Inder auf den Besuchertisch.

Lukas schüttelt den Kopf. „Das hast du nicht, keine Sorge.“

Dann sieht er die Tüte und strahlt.

„Woher hast du gewusst, dass ich kurz vorm Verhungern bin? Danke für das Essen, du bist ein Schatz.“

Er zwinkert mir zu und ich merke, dass mein Herz auf einmal sehr viel schneller klopft. Egal, wie professionell ich normalerweise bin oder was ich Joanna gesagt habe: Wenn Lukas mir mit seinen leuchtenden Augen zuzwinkert und mich „Schatz“ nennt, geht das auch an mir nicht spurlos vorbei. Innerlich seufze ich auf. Wie kann ein Mann nur so schön und so verführerisch sein! Und dann auch noch so klug. Alles zusammen trifft man nicht oft in einer einzigen Person an.

„Sag mal, Cathy …“ Lukas packt die Tüte aus und strahlt noch mehr, als er feststellt, dass ich ihm sein Lieblingsmenü mitgebracht habe. Tja, ich bin eben eine umsichtige, aufmerksame Sekretärin.

„Ich habe ein paar Probleme mit dem Ordner von Baker Inc. Da ist alles total durcheinander. Ich muss ewig suchen, bis ich was finde. Das bin ich eigentlich gar nicht gewohnt. Sonst ist doch immer alles perfekt sortiert.“

Er blickt mich fragend an, ohne jeden Vorwurf in der Stimme. Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Mist, jetzt werde ich rot wie ein Schulmädchen, und das mit 30. Ich erinnere mich daran, dass ich diesen Ordner angelegt habe, als Lukas gerade mal zwei Tage hier war. Ich war dermaßen durch den Wind, dass ich offenbar alles falsch abgeheftet habe. Das hätte ich natürlich längst korrigieren sollen. Aber in der ersten Zeit war so viel los, dass ich nicht dazu gekommen bin, und dann habe ich es total vergessen.

„Ich bringe das in Ordnung“, verspreche ich ihm. „Wenn du von deinem Meeting zurück bist, ist alles an seinem richtigen Platz abgeheftet.“

Lukas nickt und verkneift sich zum Glück die Frage, warum die Unterlagen so entsetzlich durcheinander sind.

„Danke“, erwidert er und lächelt. Dann beginnt er zu essen. Sogar die Art, wie er isst, ist sexy – langsam, genussvoll, irgendwie sinnlich.

Heißt es nicht, dass jemand so isst, wie er auch im Bett ist? Oder war das Tanzen? Verwechsele ich da etwas?

Egal, was es war, ich sollte solche Gedanken nicht haben. Ich bin ganz klar chronisch untervögelt.

Ich schnappe mir den Ordner, wünsche Lukas guten Appetit und setze mich an meinen Schreibtisch.

Oh mein Gott, ich muss aber wirklich sehr neben der Spur gewesen sein. Alles ist kreuz und quer ohne jeden Sinn und Verstand abgeheftet, und eine Übersicht gibt es gar nicht. Wirklich sehr peinlich.

Ich lege alle Unterlagen auf den Schreibtisch, sortiere und ordne sie, fertige ein Inhaltsverzeichnis an, drucke es aus und hefte die Unterlagen fein säuberlich ab. Das Telefon klingelt wie üblich alle paar Minuten und ich vertröste die Anrufer, denn Lukas ist inzwischen in einem Meeting und ich darf ihn nicht stören.

„Brighton Cooper Stone, Cathy Simmons, was kann ich für Sie tun?“, melde ich mich zum gefühlten fünfhundertsten Mal an diesem Tag.

Eine Weile bleibt es still in der Leitung.

„Hallo?“, frage ich nach. „Wer ist denn da, bitte?“

„Hi, Cathy“, erklingt eine rauchige Stimme, von der ich nicht sagen könnte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehört.

„Bin ich da im Vorzimmer von Lukas Brighton?“

„Ja, das sind Sie“, erwidere ich. „Lukas ist allerdings gerade in einer Besprechung. Kann ich ihm etwas ausrichten?“

„Nein, das ist nicht nötig. Ich möchte dir gern etwas ausrichten.“ Die Stimme atmet schwerer.

„Weißt du eigentlich, was dein Chef nach Feierabend treibt?“

Ich zucke zusammen. Das ist offenbar ein Geisteskranker oder jemand, der sich einen Scherz erlaubt.

„Nein, und es interessiert mich auch nicht“, erwidere ich.

„Wenn Sie keine Nachricht für Lukas hinterlassen möchten, werde ich jetzt auflegen.“

„Natürlich interessiert es dich.“ Der Anrufer lacht.

„Alles andere ist eine Lüge. Selbstverständlich willst du wissen, was dein Chef treibt, wenn er seinen schicken Anzug ablegt. Und es interessiert dich brennend, wie er darunter aussieht.“

„Auf Wiederhören“, sage ich und lege meinen Finger auf die Taste, die die Verbindung trennt.

„Lukas geht heute um Mitternacht ins Hot Fire, wie jeden Freitag. Weißt du, was das Hot Fire ist? Das ist ein sehr spezieller Club, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Es ist mir egal, wohin Lukas heute oder sonstwann geht“, sage ich sehr bestimmt. „Was Lukas privat unternimmt, geht mich nichts an.“

„Das mag ja sein, aber es interessiert dich trotzdem“, gurrt die Stimme unbeirrt weiter.

„Nein, tut es nicht.“ Damit lege ich endlich auf. Ich habe mir diesen Schwachsinn schon viel zu lange angehört. Es gibt so viele Irre auf der Welt.

Ich bringe den Ordner weiterhin auf Vordermann und vergesse den Anruf wieder. Naja, fast.

Nach einer Weile kommt Lukas vom Meeting zurück, stolziert in mein Büro, greift nach einer Mappe und blättert sie gedankenverloren durch. Das Telefon klingelt erneut, und ich hebe ab.

„Willst du wissen, was dein Boss im Hot Fire macht?“

Wieder ist es dieselbe heisere, rauchige Stimme. Ich platziere meinen Finger über der Trennungstaste, aber ich drücke sie nicht. Ich presse den Hörer an mein Ohr und mein Herz klopft mir bis zum Hals. Warum lege ich nicht auf, verdammt noch mal?

„Lukas fickt sich die Seele aus dem Leib.“

Die Stimme ist jetzt noch heiserer.

„Er fickt schnell und hart. Sehr schnell und sehr hart. Die Frauen sind verrückt nach ihm. Kannst du dir das vorstellen, wenn du ihn jetzt ansiehst? Kannst du ihn dir ohne seinen Anzug vorstellen? Nackt, mit hartem Schwanz?“

Meine Kehle wird trocken. Was soll das? Was will der perverse Anrufer damit bezwecken?

Ich starre Lukas an. Nein, ich will mir das nicht vorstellen. Das ist absolut tabu.

„Schau ihn an“, sagt die Stimme jetzt schmeichelnd.

„Ist er nicht ein schöner Mann? Du kannst mir nicht erzählen, dass du dir nicht schon mal vorgestellt hast, ihn zu reiten. Du bist eine sehr attraktive Frau, und er ist ein umwerfender Mann. Da kommen diese Gedanken ganz automatisch.“

Lukas‘ Armmuskeln spannen sich an, als er einen dicken Ordner aus dem Regal nimmt. Er hat kein Gramm Fett am Körper und ist durchtrainiert, ohne aufgepumpt zu sein. Kraftvoll, stark, männlich. Ja, natürlich kann so ein sportlicher Mann stundenlang … nein, das habe ich jetzt nicht gedacht!

„Kannst du dir vorstellen, wie er dabei aussieht?“, fährt die Stimme fort, und ich kann es nicht verhindern, dass plötzlich Ameisen zwischen meinen Beinen herumlaufen.

„Wie sein Rücken vor lauter Anstrengung schweißnass glänzt? Wie sein Gesicht vor Lust verzerrt ist? Wie seine Backen sich bei jedem Stoß zusammenkneifen? Wie er stöhnt? Wie er völlig außer sich ist? Wie er komplett abhebt und in einer ganz anderen Dimension ist?“

Ich will dem Anrufer sagen, dass er seinen perversen Mund halten soll, aber ich bringe keinen Ton heraus. Wie hypnotisiert umklammere ich den Hörer und schlucke und schlucke. Wie gut, dass Lukas so vertieft in seine Unterlagen ist und gar nicht mitkriegt, was hier passiert. Ich schließe die Augen.

„Wie er seinen Schwanz tief hineinstößt? Immer und immer wieder, bis die Frau nur noch wimmert? Kannst du dir deinen Boss, den du nur in Anzug und Krawatte kennst, vorstellen wie ein wildes, hungriges Tier? Und wie er dann explodiert und es heiß aus ihm herausschießt?“

Die Ameisen laufen inzwischen über meinen ganzen Körper, und mein Gesicht ist garantiert tomatenrot. Warum schaffe ich es nicht, das Gespräch zu trennen? Warum höre ich mir diesen Mist an?

„Du würdest ihn mal von einer ganz anderen Seite kennenlernen.“ Die Stimme lacht. „Es wäre sicher sehr prickelnd. Komm heute um Mitternacht, da erlebst du ihn in action. Wäre das nicht ein geiler Anblick? Das würdest du nie vergessen.“

Endlich drücke ich mit zitternden Fingern auf die Taste. Viel zu spät. Wie konnte ich mir das nur so lange anhören! Ich schäme mich und fühle mich, als hätte ich Lukas verraten.

Lukas blickt von seiner Mappe auf und runzelt die Stirn.

„Alles okay, Cathy? Du siehst aus, als würdest du jeden Moment einen Herzinfarkt kriegen.“ Er wirkt richtig besorgt.

„Alles in Ordnung.“ Ich suche nach Worten. „Das war ein … äh … etwas merkwürdiger Anrufer. Irgendein Spinner.“

Ich wage kaum, Lukas anzusehen, so peinlich ist mir das alles.

Lukas grinst. „Na, davon gibt es hier in New York ja massig. Hat er irgendwas Obszönes gesagt?“

Mir wird noch heißer.

Ja, er hat gesagt, dass du außer Rand und Band bist, wenn du fickst. Hart und schnell. Und dass ich mir das mal ansehen soll.

Oh Mann, ich kriege gleich wirklich einen Herzinfarkt. Warum bringt mich so ein bescheuerter Anrufer dermaßen aus der Bahn? Kurz überlege ich, ob ich Lukas fragen soll, ob er das Hot Fire kennt. Doch dann entscheide ich mich dagegen, denn was soll das bringen? Kennt er es nicht, kann er nichts dazu sagen. Kennt er es, will er nichts dazu sagen. Denn wenn der Anrufer womöglich die Wahrheit gesagt hat, schämt sich mein Chef in Grund und Boden. Und ich mich gleich mit. Das möchte ich uns wirklich ersparen.

„Also ja“, erkennt Lukas an meiner feuerroten Birne. „Nimm dir das nicht so zu Herzen, Cathy. Diese Vollidioten brauchen einfach irgendein Ventil.“

Ich frage mich gerade, woher dieser Irre eigentlich meine Durchwahl hatte, denn er wurde nicht von der Zentrale zu mir durchgestellt.

Er fickt schnell und hart. Sehr schnell und sehr hart. Die Frauen sind verrückt nach ihm.

Die Worte hallen in meinem Ohr nach. Nein. Ich will mir das nicht bildlich vorstellen. Es geht mich überhaupt nichts an, wen Lucas wann und wo und wie …

Ich stehe auf und gehe in die Küche. Dabei merke ich, dass meine Knie zittern. Völlig verrückt. Ein Irrer ruft mich an und erzählt irgendwelchen Mist, und ich bin völlig aufgelöst.

Warum hat er mich angerufen? Was bezweckt er damit? Will er Lukas schaden? Weshalb? Soll ich Lukas von dem Anruf erzählen? Aber was soll das bringen? Es war ein Wahnsinniger, nichts weiter. Davon gibt es Tausende, und viele davon in einer Stadt wie New York. Ich sollte den Anruf einfach vergessen und nicht weiter darüber nachdenken. Er hat absolut keine Bedeutung.

Kapitel 2 - Cathy

Am Samstag tobe ich mich mit meinen Freundinnen Julie und Dee in einem Club aus, in dem wir allen Stress einfach wegtanzen. Das machen wir oft, und es tut uns irre gut.

Julie ist schon lange mit Tom zusammen, aber der ist eher ein Stubenhocker und hält so gar nichts von Discos. Eigentlich sind wir alle überrascht, dass Julies und Toms Beziehung schon seit fünf Jahren hält, denn sie sind total verschieden, aber jeder lässt dem anderen seinen Freiraum. Julie sagt ja auch nichts, wenn Tom stundenlang gegen seinen Computer Schach spielt.

Dee ist vor einem halben Jahr völlig überraschend von ihrem Freund verlassen worden, weil der sich spontan in eine zwanzig Jahre ältere Frau verschossen hat. Naja, er hat sich wohl eher in ihr Geld verschossen, denn er geht plötzlich nicht mehr arbeiten und fährt einen teuren Wagen, den er sich selbst niemals leisten könnte.

Dee war am Boden zerstört, und wir mussten ihr klarmachen, dass sie um so einen miesen Charakter wirklich nicht trauern muss, was sie aber natürlich trotzdem tut. Immerhin war sie drei Jahre mit diesem Arsch zusammen.

Meine letzte Beziehung liegt gute anderthalb Jahre zurück. Er hieß Nathan und war ein lieber Kerl, aber irgendwann wurde uns beiden klar, dass wir Freundschaft mit Liebe verwechselt hatten. Das zeigte sich vor allem daran, dass sexuell zwischen uns von Anfang an nicht besonders viel lief. Wir dachten wohl beide, dass sich das noch entwickeln würde, was es dann auch tat, nur leider in die falsche Richtung. Am Ende hatten wir schon drei Monate lang gar nicht mehr miteinander geschlafen – und was das Schlimmste war: Wir vermissten es nicht mal.

Also trennten wir uns und sind nun das, was wir im Grunde schon immer waren: gute Freunde. Es gab keinen großartigen Trennungsschmerz, denn wir haben uns nicht verloren und sehen uns regelmäßig. Wir sind nur eben kein Paar mehr.

Als ich nach einer Weile etwas außer Puste ein paar Schritte vor die Tür gehe, um mich abzukühlen, klingelt mein Handy. Es wird keine Nummer angezeigt, und als ich den Anruf annehmen will, meldet sich niemand. Dafür stelle ich fest, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Der Absender sagt mir nichts.

Es scheint ein Video zu sein. Unschlüssig starre ich darauf. Ein Video von einer unbekannten Nummer? Was soll das sein? Sollte ich es nicht lieber ungesehen löschen?

Doch natürlich siegt meine Neugierde, und ich klicke das Video an.

Und dann erstarre ich. Es ist total surreal.

Ich sehe eine Frau mit langen, blonden Haaren auf allen Vieren. Hinter ihr kniet ein muskulöser Mann, der ihre Pobacken umfasst und sie kräftig stößt. Hart und schnell. Man kann deutlich sehen, wie sehr die Frau jeden einzelnen Stoß genießt.

Der Mann ist Lukas, das kann ich selbst auf diesem kleinen Display erkennen. Lukas, der eine Frau fickt, die sich ihm begierig entgegenstreckt.

Lukas, mein Boss.

Das Video verschwimmt vor meinen Augen. Ich darf das nicht sehen. Ich will das nicht sehen. Jeder hat Sex, auch mein Chef. Aber ich will ihm dabei nicht zugucken.

Ich stoppe das Video und entdecke eine neue Nachricht.

Na, gefällt es dir, deinen Boss so zu sehen? Du kannst das live haben, jeden Freitag. Schau ihm zu. Er wird es genießen. Er mag es, wenn man ihm dabei zusieht.

Ich sollte das Video löschen. Natürlich sollte ich das. Es geht mich überhaupt nichts an, mit wem mein Chef es treibt. Das ist seine Privatsache.

Ich schlucke. Ich kann es nicht. Ich kann dieses im wahrsten Sinne des Wortes verfickte Video nicht löschen. Schlimmer noch: Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich es mir nochmal ansehen will. Und zwar in groß.

Mein Herz hämmert hart gegen meine Brust.

Es ist, als würde dieses Video mit aller Gewalt das nach oben spülen, was ich immer zu verdrängen versuche: nämlich, dass Lukas nicht nur mein Chef ist, sondern auch ein verdammt attraktiver und erotischer Mann. Ich will mir ja nicht mal eingestehen, dass ich ihn heiß finde. Sobald auch nur der Hauch eines Gedankens auftaucht, der in diese Richtung geht, schiebe ich dem einen Riegel vor, indem ich mir wie ein Mantra vorbete, dass er mein Boss ist. Das hat bisher auch mehr oder weniger gut funktioniert.

Aber auf dem Video ist er nicht mehr mein Chef. Da ist er einfach nur ein unglaublich verführerischer Kerl, der gnadenlos geil ist und eine ebenso geile Frau vögelt.

Wer hat dieses Video gemacht? Und warum hat derjenige es mir geschickt? Woher hat er überhaupt meine Handynummer? Was will er damit erreichen?

Ich bin so durcheinander, dass ich stolpere und fast hinfalle. Irgendjemand fängt mich im letzten Moment auf und ich registriere wie durch einen Nebel, dass es ein ziemlich attraktiver Mann ist. Aber ich habe jetzt keinen Blick für einen Mann. Ich meine, für einen anderen Mann.

Wie gerne würde ich Julie und Dee von dem Video erzählen, aber das käme mir wie ein Verrat gegenüber Lukas vor. Das Video ist garantiert nicht mit seinem Einverständnis gefilmt worden und er fände es sicher alles andere als lustig, wenn sich seine Sekretärin samt ihren Freundinnen daran ergötzen würden.

In meinem Kopf summt es wie in einem Bienenhaus.

Lukas vögelt also jeden Freitag in einem Sexclub irgendwelche Frauen, die er sicher nicht mal mit Namen kennt.

Schockt mich das? Habe ich ihm das nicht zugetraut? Er hat doch gar keine Zeit für eine Beziehung, und Sex braucht er trotzdem. Warum sollte er da nicht in einen Club gehen?

Oh mein Gott, wie er ausgesehen hat … Seine Brust glänzte vor Schweiß, seine Bewegungen waren so unglaublich kraftvoll, sein Gesicht vor Lust verzerrt. Scheiße, wie soll ich diese Bilder jemals wieder aus meinem Kopf kriegen? Und wie soll ich ihm übermorgen bloß in die Augen sehen können, ohne dass ich vor Scham im Boden versinke?

„Was ist denn mit dir passiert?“

Wie aus dem Boden gewachsen stehen meine beiden Freundinnen plötzlich vor mir.

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Ich lächele schwach.

„So ungefähr könnte man das nennen.“

Ich höre die wummernden Bässe, die sich mit den heftigen Schlägen meines Herzens vermischen. Diese Bilder werde ich nie wieder aus meinem Kopf kriegen. Und besonders deutlich werde ich sie vor mir sehen, wenn ich Lukas übermorgen im Büro begegne.

„Was ist los?“ Dee legt ihren Arm um mich und blickt mich besorgt an.

„Ist dir nicht gut? Hängt es mit dem Typen zusammen, der dich gerade aufgefangen hat?“

„Nein.“

Ich schüttele den Kopf. Ich will Lukas nicht verraten, aber ich platze, wenn ich dieses schräge Ereignis nicht mit jemandem teilen kann.

Ich hole tief Luft.

„Ich hatte gestern im Büro einen total merkwürdigen Anruf. Jemand hat mich gefragt, ob ich weiß, was Lukas in seiner Freizeit so treibt.“

„Vor allem, mit wem er es treibt.“ Julie fängt an zu kichern. „Das würde mich auch mal brennend interessieren.“

„Und dann?“, forscht Dee ungeduldig weiter. „Was hat er noch gesagt? Das war doch nicht alles, oder?“

„Nein.“

Ich hole tief Luft. Dee und Julie hängen gebannt an meinen Lippen und vergessen vorübergehend zu atmen. Ich habe sie mal mit zu einer Firmenfeier genommen, wo sie Lukas live gesehen haben, und natürlich sind sie voll auf ihn abgefahren.

„Er hat gesagt, Lukas würde jeden Freitag in einen Club namens Hot Fire gehen und es da mit irgendwelchen Frauen treiben.“

Ich schlucke.

„Und jetzt wurde mir gerade ein Video zugeschickt, auf dem genau das zu sehen ist.“

„Du hast ein Video von deinem Boss beim Sex?“ Dees Stimme überschlägt sich fast.

„Auf deinem Handy? Oh mein Gott!“ Sie fängt an, unnatürlich zu quietschen. „Du musst es uns sofort zeigen!“

„Nein, das kann ich nicht.“ Wieder schüttele ich den Kopf.

„Ich kann Lukas doch nicht dermaßen blamieren.“

„Wieso blamieren?“ Julies Wangen haben sich rot gefärbt.

„Ich glaube kaum, dass er sich beim Sex blamiert. Er wird weder vergeblich den Eingang suchen noch nach zwei Stößen zusammenbrechen – so durchtrainiert, wie dieser Hammertyp ist.“

„Und überhaupt – wenn wir in diesen Club gehen würden, würden wir ihn sogar live und in Farbe dort sehen.“

Dee schließt überwältigt die Augen.

„Das machen wir!“ Julie bekommt einen irren Blick. „Wie war das noch gleich? Freitags im Hot Fire? Wir sind dabei.“

„Das sind wir nicht.“ Mir wird kurzfristig schwarz vor Augen.

„Seid ihr verrückt geworden? Was, wenn er uns entdeckt? Und überhaupt: Wie peinlich ist das denn, meinen Boss beim Sex zu beobachten?“

„Ich finde das überhaupt nicht peinlich.“ Dee leckt sich die Lippen.

„Ich glaube sogar, es gibt nichts, das ich weniger peinlich finde. Ich fände es einfach nur mega antörnend.“

„Falls ihr es vergessen haben solltet: Ich bin seine Sekretärin“, zische ich.

„So was kann ich nicht bringen, dann bin ich sofort meinen Job los.“

„Wieso das denn? Du könntest doch zufällig dort sein“, argumentiert Julie.

„Niemand kann dir verbieten, in einen privaten Club zu gehen. Wenn ganz zufällig an diesem Abend auch dein Chef da sein sollte, kannst du doch nichts dafür.“

„Niemals und auf gar keinen Fall“, widerspreche ich. „Außerdem habe ich euch ganz bestimmt nicht davon erzählt, damit ihr schnurstracks dort hinlauft.“

„Ach, Cathy, jetzt hör doch endlich mal damit auf, ständig die Vorzeige-Sekretärin zu spielen.“ Dee verdreht die Augen.

„Dauernd dieser blöde Spruch, eine gute Sekretärin sei nur dann eine gute Sekretärin, wenn sie in ihrem Chef wirklich nur den Chef sehen würde. So ein Quatsch! Es ist erwiesen, dass man bereits in den ersten drei Sekunden abcheckt, ob man mit seinem Gegenüber ins Bett gehen würde. Und wie die Antwort bei Lovely Lukas ausfällt, ist ja wohl klar.“

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie daran gedacht hast, wie es wohl ist, mit ihm Sex zu haben“, fällt mir nun auch Julie in den Rücken. Diese Gespräche kenne ich zur Genüge, denn wir führen sie nicht zum ersten Mal. Und meine Antwort ist immer dieselbe.

„Ja, wenn Lukas nicht mein Boss wäre, hätte ich sicher mal daran gedacht“, gebe ich zu.

„Aber so verbieten sich diese Gedanken ganz von selbst.“

„Ach, Cathy, so tugendhaft bist nicht mal du“, grinst Dee.

„Jetzt zeig uns endlich dieses Video.“ Julie zerrt an meinem Arm.

„Wer hat es dir denn überhaupt geschickt?“

Ich zucke mit den Achseln.

„Das war eine Nummer, die ich nicht kenne. Nein, ich kann euch das Video nicht zeigen.“

„Das ist doch Quatsch.“ Julie ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

„Wie schon gesagt – wenn wir in diesen Club gehen würden, würden wir ihn doch auch in dieser Situation sehen.“

„Wir gehen aber nicht in diesen Club“, bestimme ich.

„Das werden wir noch sehen“, murmelt Julie, und ich ahne Schreckliches.

„Außerdem: Es ist ja wohl viel peinlicher, wenn du als seine Sekretärin dieses Video siehst, als wenn es zwei völlig Unbeteiligte anschauen“, versucht es Dee nun mit Logik.

„Ehrlich – wir sehen Lukas doch im täglichen Leben gar nicht, während du ihm jeden Tag gegenübersitzt. Für dich muss es viel peinlicher sein. Also, Cathy, zück schon dein Handy und zeige uns Lukas in action. Das Display ist sowieso total klein, wir sehen praktisch nichts.“

„Dann müsst ihr es euch ja gar nicht erst anschauen“, wehre ich immer noch ab, denn ich will Lukas irgendwie schützen. Das bin ich einfach so gewohnt. Ich verleugne ihn am Telefon, wenn er mit bestimmten Leuten nicht sprechen will; ich vertröste die Mandanten, wenn er gerade keine Zeit für sie hat; ich verbiete meinen Freundinnen, ein Video von ihm beim Sex anzusehen.

„Wenn es dir wirklich so peinlich für ihn ist, dann darfst du dir das Video aber auch nicht noch mal angucken.“ Dee zieht ihre Augenbrauen drohend zusammen.

„Das will ich ja auch gar nicht“, behaupte ich, doch ich bin eine schlechte Lügnerin.

„Okay, dann lösch es, hier und jetzt. Das ist ja wohl nur konsequent.“

Triumphierend blicken meine Freundinnen mich an.

Mist. Jetzt haben sie mich erwischt. Wenn ich Lukas wirklich schützen wollte, würde ich das Video tatsächlich löschen. Auf der Stelle.

„Das kann ich ja immer noch zu Hause machen“, sage ich lahm.

„Ja, klar, nachdem du es dir zwanzigmal auf deinem riesigen Fernseher angeguckt hast, damit du auch bloß jedes einzelne Detail erkennst“, spottet Julie.

„Und nachdem du es auf einen Stick kopiert hast“, fügt Dee gehässig hinzu. „Dann kannst du dich großartig vor uns hinstellen und verkünden, dass du es gelöscht hast. Ganz große Klasse! Für wie bescheuert hältst du uns eigentlich?“

„Ich würde vorschlagen, wir gehen jetzt alle zu Cathy und schauen uns das Video in Großaufnahme auf einer riesigen Leinwand an.“ Julie grinst diabolisch.

Ich gebe mich geschlagen. Auf dem winzigen Display sieht man wirklich nicht viel. Vielleicht ist es nicht mal Lukas, sondern nur jemand, der ihm zufällig ähnlich sieht.

Julie und Dee kriechen fast in mein Handy, als ich das Video mit zitternden Fingern starte.

Er ist es. Unverkennbar. Und doch so völlig anders. So ganz anders.

Der Lukas, den ich kenne, erscheint jeden Morgen in einem sündhaft teuren Designer Anzug mit weißem Hemd und modischer Krawatte im Büro, lächelt mir zu und vergräbt sich dann in seinen Akten.

Der Lukas, den ich kenne, ist ein taffer Anwalt, der so gut wie jeden Prozess gewinnt. Sein Stundensatz fängt bei tausend Dollar an, und ich habe schon oft gehört, dass er jeden einzelnen Cent wert ist. Er arbeitet effektiv, hochkonzentriert und produktiv. Wenn die Mandanten den Besten haben wollen, wählen sie ihn. Und ich bin verdammt stolz, für ihn arbeiten zu dürfen.

Der Lukas, den wir auf diesem kleinen Display sehen, ist ein völlig anderer. Er trägt keinen Anzug. Er trägt überhaupt nichts.

Seine Arme sind muskulös, sein Brustkorb definiert, sein Bauch natürlich ebenfalls, die Schenkel fest und straff. Er ist ein göttlicher Anblick.

Das Video ist von vorn aufgenommen worden, so dass die blonde Frau, die niemanden interessiert, seine Körpermitte verdeckt. Doch man sieht seine kräftigen Bewegungen, sein vor Erregung verzerrtes Gesicht, seine Ekstase.

---ENDE DER LESEPROBE---