HOTEL MEGALODON - Rick Chesler - E-Book

HOTEL MEGALODON E-Book

Rick Chesler

4,0

Beschreibung

Ein einzigartiges Unterwasser-Luxushotel in der Nähe einer tropischen Insel … wenige Tage vor dem großen Eröffnungswochenende. Die ganze Welt fiebert voller Spannung diesem nur ausgesuchten VIPs vorbehaltenen Megaereignis entgegen und nur zwei Dinge trennen das Hotel noch von seiner glamourösen Eröffnung – ein skrupelloser Geschäftsmann und ein achtzehn Meter langer prähistorischer Hai. Als der Unterwasserkomplex von dem räuberischen Ungeheuer belagert wird, muss die frischgebackene Meeresbiologin Coco Keahi den Kampf gegen das uralte Ungetüm aufnehmen. Doch die Gefahr lauert nicht nur im Wasser, denn auch ein menschliches Ungeheuer setzt alles daran, sie zu einem Opfer der Kreatur werden zu lassen … Ein heißer Syfy-Channel "Sharknado"-Anwärter. [Amazon.com]

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HOTEL MEGALODON

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: HOTEL MEGALODON. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2015. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: HOTEL MEGALODON Copyright Gesamtausgabe © 2019 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Andreas Schiffmann Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2019) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-413-5

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

HOTEL MEGALODON
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Epilog

Prolog

Fidschi-Inseln

Fünf alte Männer, allesamt auf dieser Insel geboren, saßen auf einer bewaldeten Bergspitze und blickten hinab auf eine türkisfarbene Lagune, die mit Korallenformationen gespickt war. Dahinter erstreckte sich der dunkelblaue Pazifik, über allen Maßen erhaben und tiefer, als das Verständnis der meisten Menschen reicht. Als weiße Linie setzte die tosende Brandung das seichte Atoll von der hohen See ab. Die Männer waren mit ihrer natürlichen Umgebung tief vertraut und erkannten jeden Vogel an dem jeweiligen Zwitschern, das sie hörten, alle herumschwirrenden Insekten und auch jedes Tier, das Spuren hinterlassen hatte. Trotz des Tageslichts war eine Fackel angezündet worden, die stinkenden Qualm hochsteigen ließ.

Sie hatten sich um eine große Holzschüssel herum versammelt, die aufwendig mit über Generationen hinweg weitergegebenen Stammesmustern verziert war. In dieses Gefäß tauchten sie nun Kokosnussschalen und füllten sie mit einer zähen, braunen Flüssigkeit namens kava, einem traditionellen Getränk im pazifischen Raum, das aus einer Pflanze mit entspannender Wirkung gewonnen wurde. Sie tranken jetzt reihum, und vor jedem neuen Durchgang spielte ein Mann die lali-Trommel, ein Schlaginstrument aus einem ausgehöhlten Baumstamm. Tock-tock-tocktocktocktock … Der Rhythmus begann langsam, doch das Tempo wurde bald gesteigert, bis die Männer erneut ihre Kokosnussschalen ansetzten, um mithilfe des erdigen Getränks entspannter zu werden.

Normalerweise ließen sie ihre Siedlung nicht so weit hinter sich, um eine kava-Zeremonie abzuhalten, doch ihr heutiges Treffen galt der Diskussion einer Frage, die das ganze Dorf betraf. Der Stammeshäuptling, der verfilzte lange weiße Haare hatte, legte nun seine Trinkschale nieder und starrte in die Lagune hinunter, wo selbst von dieser hohen Warte aus, eine ganze Flotte schwerer Maschinen dahintrieb … Lastkähne mit Baggervorrichtungen, die turmhoch mit Baumaterialien beladen waren. Gelegentlich zerrissen sogar Explosionsgeräusche die Luft, wenn man die unter Wasser liegenden Korallenriffe aus dem Weg sprengte, um Platz für das neue Projekt zu schaffen. Beim Blick in die Lagune machten die Bewohner ernste Gesichter, denn darin bestritten sie den überwiegenden Teil ihres Lebensunterhalts durchs Fischen, so, wie es auch ihre Väter und Großväter vor ihnen getan hatten.

Wenngleich fast die ganze Republik Fidschi schon vor Jahren dem internationalen Touristenstrom nachgegeben hatte, lag ihre kleine Insel weitab vom »Festland«, wie man die Hauptinsel Viti Levu nannte, obwohl auch sie lediglich eine von mehreren Inseln im Südpazifik war und dem Kontinent genauso fern war. Jetzt schien die Zeit jedoch auch diese Menschen eingeholt zu haben, und zwar auf äußerst spektakuläre Weise, denn man baute nun ein Luxushotel unten in der Lagune. Es sollte kein herkömmliches Hotel sein, sondern selbst für westliche Verhältnisse höchst ungewöhnlich, hatten die Dorfleute gemunkelt.

Es sollte nämlich ein Unterwasserhotel werden. Errichtet auf einem lebenden Korallenriff, würde es ein Aquarium im gegenteiligen Sinn werden, in dem Menschen von Wasser umgeben in einer künstlichen, durchsichtigen Luftblase wohnen konnten. Die Einheimischen fanden das äußerst sonderbar. Schließlich konnte man das Riff doch jederzeit sehen, wenn man wollte. Man tauchte einfach hinunter und schaute es sich an, denn der Dorfälteste verbot so etwas nie. Offiziell aber gehörte das Land an der Lagune der Regierung von Fidschi, die eine lukrative Gelegenheit darin sah, einem australischen Bauträger einen langfristigen Pachtvertrag zu gewähren.

Nun hörte man den ganzen Tag lang Lärm im Ausmaß eines geschäftigen Industriegebiets, während die Bauarbeiter das Riff abtrugen und die Landmasse nach ihrem Belieben neu formten. Die Männer schauten einander jetzt durch den Rauch ihrer Fackeln an. Der Stammeshäuptling sprach zuerst: »Es ist nicht gut für die See.«

Die anderen nickten zustimmend, doch einer wandte ein: »Es bringt aber den Leuten in unserem Dorf und in den Nachbarorten Arbeit.«

»Wir können es sowieso nicht aufhalten«, meinte ein Dritter, während er die Betriebsamkeit auf dem Wasser beobachtete.

Nun nickte der Häuptling weise. »Das können wir nicht, nein, doch wir müssen unsere Gepflogenheiten entsprechend anpassen; wir müssen die See höher denn je achten.«

Daraufhin meldete sich ein anderer Stammesältester zu Wort: »Das Fischen ist seitdem nicht mehr so wie früher.«

»Schlechter?«, fragte der Trommler und nahm die lali-Stöcke wieder zur Hand; es war Zeit für einen weiteren Durchgang.

Der Älteste zog seine Schultern hoch und schaute ihn verunsichert an: »Nicht schlechter, sondern einfach … anders. Was wir einmal an einer bestimmten Stelle gefangen haben, finden wir jetzt an einer anderen. Was wir zuvor in niedriger Zahl eingeholt haben, ist jetzt üppiger vorhanden. Fische, die ich seit vielen Monden nicht mehr gesehen habe, kehren nun plötzlich zurück, und Arten, die wir jeden Tag mitgebracht haben, sind auf einmal verschwunden.«

Die Männer nickten erneut, und der Trommler griff seinen Rhythmus wieder auf. Tock-tock-tocktocktocktock … Erneut schöpften sie mit ihren Kokosnussschalen kava aus der Schüssel und tranken. Nun, wo sie gelassener waren, ließen sie schweigend ihre Gedanken schweifen, ohne das Treiben unten aus den Augen zu lassen. Einer der Männer, der sein Leben lang Fischer war und den Stamm mit seiner Arbeit ernährte, sann über die vielen Fahrten nach, die er gemeinsam mit seinem Vater auf einem Auslegerkanu unternommen hatte. Nach einer Weile überkam ihn das Bedürfnis, die Gruppe an seinen Gedanken teilhaben zu lassen.

»Das Gleichgewicht könnte durcheinandergebracht worden sein«, fasste er zusammen, was er gerade dachte. Die anderen nickten und nippten weiter an ihren Schalen. Sie wussten, dass er damit die ökologische Balance zwischen Meer und Mensch meinte. Dann schickte er sich an, von einer besonderen Fahrt zu erzählen, die er als kleiner Junge erlebt hatte.

Er hatte als Kind ein lebendiges Tier gesehen, das so unverhältnismäßig groß und so enorm gewesen war, dass er es nicht glauben würde, hätte er es damals nicht mit eigenen Augen bezeugt. Forscher, das wusste er, würden es ihm ohne Beweise niemals glauben, sondern ihm vorwerfen, dass er Geistergeschichten zum Besten gab, nachdem er zu viel kava getrunken hatte. Selbst mancher aus den Nachbardörfern schien seinen Bericht nicht für bare Münze zu nehmen. Er hatte es aber wirklich gesehen – sein Vater auch, der selige Mann – und nun brachte er es erneut zur Sprache. Ein Tier von solchen Ausmaßen lebte wahrscheinlich sehr lange. Es könnte also immer noch da sein, dachte er, irgendwo dort unten, aufgescheucht durch die unnatürlichen Störungen, die die Ausländer verursachten, weil sie Schindluder mit dem Riff betrieben.

»Sollen wir die anderen warnen?«, fragte einer der Männer, nachdem er die Schilderungen des Fischers gehört hatte.

Der Häuptling legte seine Schale hin und schaute seine Gefährten abwechselnd an, während er antwortete: »Es hat seine guten Seiten und auch seine schlechten. Wir nehmen beide, wie sie kommen, und müssen hoffen, dass es genügen wird. Darum brauchen wir nichts zu sagen, doch lasst uns stattdessen beten … beten wir jeden Tag.«

Kapitel 1

Sechs Monate später

Coco Keahi grinste ihr verzogenes Spiegelbild in der Acrylkuppel des Mini-U-Boots an. Ihre Nase sah darin viel breiter und platter aus als in Wirklichkeit … eine übertriebene Betonung ihrer polynesischen Wurzeln. Auch ihre Frisur, das lange, wallende schwarze Haar, war verzerrt. In ihr floss hawaiianisches Blut, und diese nicht ganz alltägliche Abstammung hatte ihr zu einem vollen Stipendium verholfen, mit dem sie an der Universität von Hawaii Meeresbiologie studiert hatte. Dabei hatte sie überragende Leistungen erbracht, vor allem in Kursarbeiten zum Thema Ökologie von Korallenriffen. Nach ihrem Abschluss war sie wie die meisten Studenten am Ende ihrer Universitätszeit auf Jobsuche gegangen. Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage auf Hawaii hatte sie sich schließlich familiäre Beziehungen zunutze gemacht und eine Stelle auf den entlegenen Fidschis gefunden; einer Inselrepublik im Südpazifik, die sechs Flugstunden von ihrer Heimat im Aloha-Staat entfernt lag.

Dort geschah jedoch gerade etwas so Aufregendes, dass die Reiseentfernung in den Hintergrund trat. Ein entfernter Cousin, der in Suva arbeitete, hatte ihr von einem unglaublichen neuen Projekt erzählt, das ein australischer Bauträger finanzierte: ein Unterwasserhotel. So spannend Coco das auch gefunden hatte, hatte sie es sich zunächst nur als Urlaubsort vorstellen können, aber nicht als möglichen Arbeitsplatz. Sie war schließlich Meeresbiologin und keine Hauswirtschafterin oder dergleichen. Zumindest hoffte sie das. Andererseits war ihr auch klar gewesen, dass sie früher oder später jede Stelle annehmen musste, die sich ihr bot. Doch dann hatte ihr Cousin auf einmal gesagt, dass man eine Gruppe von Meeresbiologen anstellen würde, um den Hotelgästen umweltbezogene Besichtigungstouren anzubieten und die ihnen dabei helfen sollten, erklärende Beschilderungen im gesamten Komplex zu gestalten, die Informationen zum Meeresleben bieten würden.

Coco hatte das zuerst als weit hergeholt erachtet, aber auch keinen Grund gefunden, der dagegen sprach, es zu wagen. Denn jeder Meeresbiologe im Pazifischen Raum würde sich um einen solchen Job reißen. Nachdem sie ihre Bewerbung online eingereicht hatte, war sie gar nicht davon ausgegangen, je eine Antwort zu erhalten. Eines Tages jedoch hatte sie einen überraschenden Anruf erhalten und war zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, und ehe sie gewusst hatte, wie ihr geschah, war sie nach Fidschi geflogen – eines der wenigen exotischeren Länder als Hawaii – und das sogar auf Kosten des Unternehmens. Dort geht es noch so zu wie bei uns vor fünfzig Jahren!, hatte eine ihrer Tanten gemeint.

Nach ihrer Ankunft war Coco von einem Gremium der Hotelleitung empfangen worden, das ihr Fragen gestellt hatte, die zunächst, so schien es, überhaupt nichts mit dem Job zu tun hatten. Situationsbezogene Fragen wie »Können Sie uns von einem Moment erzählen, in dem Sie zu etwas aufgefordert worden sind, was Sie nicht tun wollten?« oder »Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie der Meinung wären, ein Aufseher erledige seine Arbeit nicht ordnungsgemäß?«

So war es über eine Stunde lang weitergegangen. Ein halbes Dutzend Personen hatte sie abwechselnd befragt, während die anderen Notizen gemacht hatten, und Coco war die ganze Zeit über bemüht gewesen, sich nicht von der atemberaubenden Aussicht durch das vom Fußboden bis unter die Decke reichende Wandfenster – der unberührten, mit Palmen besprengten Lagune draußen – ablenken zu lassen. Später hatte man dann auch die erwarteten Fragen gestellt, auf die sie bestens vorbereitet gewesen war. »Welche Fische sind das?«, »Benennen Sie diese Korallenart«, »Führen Sie uns durch dieses Unterwasservideo des Riffs, und spielen Sie die virtuelle Fremdenführerin«, »Welche Missstände tun sich an von Menschen gebauten Unterwasseranlagen im Laufe der Zeit auf?«

Damals war es ihr nicht bewusst gewesen, doch was sie von ihren Mitbewerbern unterschieden hatte, waren ihre Antworten auf die erste Reihe von Fragen gewesen. Dank ihrer psychologischen Anlage eignete sie sich perfekt für diesen Job, was sehr wichtig war, aufgrund der Art, wie sie die Öko-Touren mit der wohlhabenden Klientel des Hotels durchziehen sollte. Nämlich in einem Mini-U-Boot. Sie war bereits eine zugelassene Tiefseetauchlehrerin, doch als man ihr den Zuschlag gegeben und ihr mitgeteilt hatte, dass sie die Stelle bekam, verpflichte sie sich zu einer Führerscheinprüfung für U-Boote und war hellauf begeistert gewesen.

Sie hatte sich in ihrem Kopf sofort ihre neuen Visitenkarten ausgemalt: Coco Keahi, Meeresbiologin/U-Boot-Kapitänin. Nicht schlecht! Sie hatte im zarten Alter von dreiundzwanzig ihren Traumjob ergattert: offizielle Meeresbiologin im Triton Undersea Resort.

Als sie nun ihren Blick schärfte, um durch die Scheibe die Wasserlandschaft außerhalb ihres kleinen Fahrzeugs zu sehen, brachte sie das Bild, welches sich ihr vor der gewölbten Scheibe bot, dazu ihren Überschwang zügeln zu müssen. Zu ihrer Linken lag das neuerrichtete Unterwasserhotel. Wenige Fuß über dem prachtvoll strahlenden Korallenriff verband ein mittig verlaufendes Rohr mehrere nierenförmige Bauten miteinander. Mittlerweile wusste Coco, dass es fünfzehn Stück zu beiden Seiten waren. In allen befand sich eine Luxussuite mit drei Zimmern; jede dieser Wohnungen verfügte über einen Aussichtsbereich mit Fenstern aus einem speziellen Kunststoff, einem der Kuppel ihres U-Boots nicht unähnlichen Material, das weite Blicke ins Meer zuließ. Die Seitenwände dieser Zellen, die nur wenige Fuß nebeneinanderlagen, waren die einzigen blickdichten Teile, um die Privatsphäre der Bewohner gegenüber ihren Nachbarn zu wahren.

Momentan waren die Suiten noch unbesetzt, doch morgen sollte die große Eröffnungsfeier des Ressorts stattfinden. Coco war bereit, wollte aber mit dem U-Boot noch einmal zur anderen Seite der Lagune fahren, um die Steilansicht zu üben. Sie hatte nämlich vor, ihre Passagiere zum äußersten Rand der Formation zu bringen, wo sich ein Riss in dem kreisrunden Atoll befand, der direkt in einen Unterwassercanyon führte. Im Grunde war es ein schmaler Meeresgraben, der zu einem viele Meilen tiefen Abgrund wurde. Natürlich würde sie dort nicht eintauchen, denn ihr kleines Fahrzeug war ungeeignet für solche Tiefen, zumal sich der durchschnittliche Hotelgast viel zu sehr fürchten würde. Dort unten war es nämlich extrem finster und man stieß auch nur auf wenig Leben im Vergleich zu den bunten Farben des Korallenriffs in der Lagune.

Coco konnte jedoch bis dicht an den Rand des Abgrunds fahren und die Passagiere anschließend ein paar Sekunden lang in den tatsächlichen Ozean schauen lassen – hinunter in seinen gähnenden Schlund – während sie interessante und leicht verdauliche Fakten auftischen würde … dass die Tiefsee noch lange nicht so gründlich erkundet worden war wie der Mond, obwohl sie unter allen Lebensräumen auf unserem Planeten den größten Prozentsatz ausmachte … und so weiter und so fort … Für eine Meeresbiologin war das sehr unterhaltsames Zeug.

Coco scherte nun langsam mit dem U-Boot aus, bis sie über das ringförmige Riff hinwegfuhr, das den Großteil der seichten Lagune ausmachte und sich vom Hotel entfernte. In diesem von den Turbulenzen des offenen Meeres geschützten Gewässer lag in vierzig Fuß Tiefe der Unterwasserkomplex. Dies bedeutete, dass er tagsüber durchweg gut ausgeleuchtet war, wenn das verführerische himmelblaue Licht in die aquatischen Räume fiel; selbst nachts bei Vollmond konnte man von den Suiten aus dabei zusehen, wie die Strahlen den Garten unter der Oberfläche zum Funkeln brachten. Coco war insgeheim ein bisschen neidisch darauf, nicht selbst in einer der Suiten wohnen zu dürfen. Selbstverständlich hatte sie im Rahmen einer Führung schon darin gestanden, um nachvollziehen zu können, wie die Gäste das Ganze erleben würden, doch bei den Dienstquartieren handelte es sich um eine langweilige Reihe von Bungalows beziehungsweise bures, wie man sie auf den Fidschis nannte. Diese standen gemeinsam mit den übrigen Funktionsgebäuden des Unterwasserhotels an Land.

Geschickt steuerte sie nun das U-Boot unter überhängenden Korallen hindurch und kam schließlich zu einer ebenen Sandfläche, die kurz darauf zu einem felsigen Hang abfiel. Nachdem sie das Fahrzeug zwischen die Korallenwände bugsiert hatte, betätigte sie den Schubknopf und drückte den Knüppel nach vorne, um vorwärts abtauchen zu können.

Sie folgte dem Gefälle ungefähr zehn Fuß weit, bis es abrupt aufhörte. Dies war die Kante des Canyons. Sand rieselte in den tunnelartigen Schlund wie ein Wasserfall aus glitzernden Körnern.

Genau hier … das war perfekt!

Sie schaute zur Seite auf die beiden leeren Plätze neben sich, wo bald schon zahlende Gäste sitzen würden. Das ist so aufregend! Hier und nirgendwo anders musste sie den Blick in den Abgrund gewähren. Nun übte sie die wortreiche Rede, die sie halten würde, wobei ihre Stimme ein wenig in der fast leeren Kabine des U-Boots widerhallte.

»Hier bietet sich ein einzigartiger Blick in …« Sie hielt inne und dachte über die richtigen Worte nach, ehe sie fortfuhr, ohne die Position des U-Boots dicht am Rand des Grabens zu verändern: »Hier schauen wir in einen Unterwassercanyon, der senkrecht in den tiefsten Bereich des Ozeans führt. Dort – Tausende Meilen unter dem Meeresspiegel, wo es kalt und fortwährend dunkel ist – existiert eine ganz andere Welt, die sich drastisch von dem Korallenriff unterscheidet, auf dem unser Hotel steht …«

Genau, das ist schon ziemlich gut! Noch etwas mehr, dann sollte es für die Gäste reichen …

»Keine Sorge, heute tauchen wir nicht hinein! Lehnen Sie sich also zurück, entspannen Sie sich und …«

Plötzlich begann der rieselnde Sand vor ihr, nach oben zu strudeln, als habe ihn ein Wirbel in Bewegung gesetzt. Lehnen Sie sich also zurück, entspannen Sie sich und …

Zuerst hielt Coco es nur für einen vorübergehenden Auftrieb – eine Strömung aus der Tiefe, die durch den Graben jagte – doch je länger es dauerte, desto mehr Sand stob auf, bis sich das Wasser schließlich sogar eintrübte, sodass sie Schwierigkeiten bekam, durch die Scheibe etwas zu erkennen. Was ist denn da los?

Sie war sich nicht sicher, was es war, aber als sie hörte und spürte, wie das U-Boot seitwärts gegen die Korallenwand stieß, wurde ihr klar, dass sie sich jetzt besser entfernen sollte. Demnächst nicht mehr soweit den Hang hinunterfahren!

Doch es war schon zu spät. Sie schwebte am Rand des sandigen Gefälles, das steil in den eigentlichen Graben führte, und trudelte danach in der kraftvollen Strömung auf der Stelle. Um wieder hoch auf das Riff zu gelangen, müsste sie die Drehung irgendwie unterbrechen und die Kontrolle über das U-Boot wiedergewinnen. Um das zu schaffen, legte sie den Steuerknüppel nach links um und hielt ihn dort fest, während sie nur das linke Triebwerk betätigte, um der Rotation entgegenzuwirken.

Das Ganze schien tatsächlich zu funktionieren. Das Fahrzeug raste jetzt den Hang hinauf ins Wasser oberhalb des Canyons. Das Riff befand sich direkt hinter ihr und sie setzte sich vom Graben ab. Nachdem sie sich umgesehen und neu orientiert hatte, stieg sie nach rechts auf, womit sie sich wieder der Formation näherte. Sie beschloss angesichts all der Turbulenzen, es nicht durch den Spalt zu versuchen, sondern in freier Umgebung nach oben zu fahren, bis sie den höchsten Punkt des Riffs hinter sich gelassen hatte, und dann geradeaus zu fahren, um darüber hinwegzukommen.

Doch auf einmal sah sie es, am Rande ihres Blickfelds. Die Kuppel des U-Boots war auch am Boden durchsichtig, um eine Aussicht nach allen Seiten zu ermöglichen. Deshalb sah sie, als sie zwischen ihren Füßen hindurchschaute, das dunkle Wasser des Tiefseegrabens.

Sie hätte schwören können, dass gerade etwas unter ihr vorbeigeschwommen war, doch da war nichts. Seltsam, dachte sie, als sie weiter in die Düsternis spähte. Als ich vor Kurzem hier war und die Idee für den Blick in den Abgrund als Programmpunkt bekommen habe, hatte ich auch schon das Gefühl, etwas gesehen zu haben. Einen schattenhaften Umriss … ist er das jetzt schon wieder?

Nun drängte sich ihr ein Gefühl auf, das sie dazu bewog, rasch den Kopf in den Nacken zu legen und nach oben zu schauen.

Doch was sie da sah, war nicht nur ein Umriss, sondern sehr real. Worum auch immer es sich handelte … aufgrund seiner enormen Größe konnte Coco keinen konkreten Bezug herstellen, aber es war gewaltig und es bewegte sich schnell – und zwar genau auf ihr U-Boot zu. Während sie mit der Steuerung des Fahrzeugs haderte, tat sich ihr Verstand schwer damit, eine Antwort auf die Frage zu finden, was dies für ein Geschöpf sein könnte. Ein Hai kam nicht infrage. Sicher, hier gab es eine ganze Menge davon, Schwarzspitzen-Riffhaie und ähnliche, aber egal was dieses Wesen war … es ließ ihr U-Boot im Vergleich klein erscheinen, und kein ihr bekanntes Tier hatte auch nur annähernd solche Maße.

Ein Wal vielleicht? Dass sich ein Buckelwal auf der Jagd nach einem Schwarm kleiner Fische zu nah ans Riff gewagt hatte, hielt Coco durchaus für denkbar. Vielleicht war auch ein Teil des Riffs vom Schelf abgebrochen und gesunken. Sie glaubte allerdings nicht, dass es in diesen Gefilden häufig zu Seebeben kam. Die geologische Festigkeit dieser Korallenformation zählte sogar zu den wichtigsten Argumenten, die dafürgesprochen hatten, das Hotel genau hier und nicht an all den anderen Orten auf der Welt zu bauen, die man dafür hätte wählen können, darunter Dubai und verschiedene Orte in der Karibik. Hawaii war zum Beispiel gerade wegen seiner vulkanischen Instabilität ausgeschieden.

Coco hatte gerade den Bogen beschrieben, um das Riff anzusteuern, als sie das Wesen erneut auf das U-Boot zukommen sah. Eine Wand aus … irgendetwas … etwas Dunklem … stieß nun gegen die linke Bordwand. Sie hatte nur einen Sekundenbruchteil, um es wahrzunehmen, doch etwas schwarz Glänzendes huschte kurz an ihrem Gesichtsfeld vorbei.

War das etwa ein Auge?

Sie wusste es nicht und hatte im Moment eigentlich auch keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, denn das U-Boot kollidierte gerade mit der rechten Kante des Schelfs, einer festen Wand aus Korallen. Beim Aufprall wurde Coco in ihrem Schalensitz durchgeschüttelt, dann folgte ein lauter Knall und ein markerschütterndes Knirschen, als die Aufhängung des Steuerbordtriebwerks des Fahrzeugs – ein Propeller in einem runden Käfiggehäuse – über die Korallen schrammte.

Kurz danach erlebte sie etwas, worauf sie sich einfach keinen Reim machen konnte … das Riesending rutschte vorn über ihre Sichtkuppel. Die blinkenden Lichter der Instrumente und der näselnde Systemalarm, der auf Probleme mit der Maschine hinwies, lenkten Coco zwar ab, doch sie sah definitiv etwas Weißes, Dreieckiges. Sie hörte es nun knacken, als das unbekannte Geschöpf gegen die Acryloberfläche stieß … doch dann, einfach so, war es verschwunden.

Bestürzt aktivierte sie die entsprechenden Steuerelemente für den Rückwärtsgang des U-Boots, doch statt sich wie vorgesehen geradeaus nach hinten zu bewegen, hatte es einen leichten Drall nach rechts und rammte die Korallenwand erneut.

Verdammt!

Coco versuchte das ganze Manöver erneut, allerdings mit dem gleichen Ergebnis: Das Fahrzeug setzte zurück, aber nach rechts und wieder gegen das Schelf. Sie fluchte leise weiter. Das war nicht gut, ganz und gar nicht. Der linke Propeller ist im Eimer.

Jetzt keimte zum ersten Mal, seit sie begonnen hatte, U-Boote zu fahren, was ja noch nicht allzu lange her war, Angst in ihr auf. Was, wenn ich es nicht zurück nach oben schaffe? Sie konnte in dieser Tiefe unmöglich ohne Weiteres die Kuppel aufklappen, denn der Wasserdruck war zu hoch. Zwar bestand eine Funkverbindung zu den Betriebszentren im Hotel und in der Anlage an Land, aber um Gottes willen, sie sollte morgen damit anfangen, Gäste zu befördern!

Außerdem schwang in ihren Bedenken noch etwas Dunkleres mit: Was war dieses Ding, das dies verursacht hat? Was, wenn es meinetwegen zurückkehrt?

Coco zwang sich, gelassen Luft zu holen, bevor sie wieder versuchte, die Steuerung in den Griff zu bekommen. Als sie hinten durch die Kuppel schaute, sah sie wegen des Sandes nichts, der noch als Wolke im Wasser schwebte. Indem sie nur das rechte Triebwerk einsetzte, nahm sie Abstand von der Korallenwand und fuhr in offenes Gewässer. Von dort aus schaute sie zum Riff hinüber, doch es war nach wie vor zu trüb, um etwas erkennen zu können. Danach warf sie einen Blick auf den Kompass am Armaturenbrett. Westen, das war gut.Denn das Hotel lag in dieser Richtung.

Da ein Propeller ausgefallen war, kam sie nur im Zickzackkurs voran – abwechselnd links, dann rechts. Das funktionierte, und es dauerte auch nicht lange, bis sie zwischen den vertrauten Korallenformationen des Riffs hin und her schlingerte, auf dem das Hotel stand. Sie schaute sich nun noch einmal über die Rückenlehnen nach hinten um, doch nichts folgte ihr. Schließlich gerieten die Umrisse des Schwimmdocks für das U-Boot in Sicht, und Coco verdrängte, was sie gesehen hatte, um sich aufs Steuern zu konzentrieren. Mit nur einem Triebwerk anzulegen würde garantiert nicht leicht werden. Sie ging es deshalb geruhsam an und führte das Fahrzeug durch die Unterwasserschleuse, die sie so leitete, dass sie genau in der Mitte des Beckens auftauchte.

Sie stieg anschließend senkrecht nach oben, bis Wasser von der Spitze der Kuppel hinabströmte und gleißendes Sonnenlicht in die Kabine fiel. Wie üblich war Mick Wright sofort zur Stelle und begrüßte sie mit einem Grinsen im Gesicht, das von strubbeligen Haaren umrahmt wurde. Er vertäute das U-Boot, entsicherte den Einstieg der Kuppel und klappte ihn dann auf. Coco atmete tief die frische Luft ein, was sie nach dem aufbereiteten und muffig verbrauchten Sauerstoff im U-Boot immer als unheimlich befreiend empfand.

»Hey, was ist passiert? Der linke Propeller ist ja vollkommen verbogen! Und eine tiefe Beule im Fahrwerk hast du dir auch noch eingehandelt!«

Coco stieg aus und lächelte ihn verlegen an. Doch als sie sich rechtfertigen wollte, hielt Mick eine Hand hoch.

»Spar’s dir, hier kommt der Big Boss. Ihm musst du es auf jeden Fall erklären.«

Sie erschauderte, als sie zum Pier hinüberschaute und den Mann sah, der sich zügigen Schrittes näherte. Er war nicht bloß ihr Vorgesetzter, sondern hatte sie alle unter seiner Fuchtel, da ihm die Gesellschaft Triton Undersea Resort LLC gehörte.

»Na toll. Wie lange, schätzt du, wird die Reparatur dauern?«

Mick betrachtete den ruinierten Propeller und schüttelte den Kopf. »Mindestens bis morgen.«

Der Hotelbesitzer kam nun freudestrahlend auf seine beiden Angestellten zu.

»Also dann, wie sieht es aus für morgen?«

Kapitel 2

Coco Keahi lächelte James White an, den australischen Bauherrn, der das Unterwasserressort entworfen und aus der Taufe gehoben hatte – den Big Boss, wie Mick ihn nannte. Unhöflichkeit war hier fehl am Platz. Sie hatte kurz in Betracht gezogen den Schaden zu verschweigen, außer Mr. White würde darauf zu sprechen kommen, doch Micks Prognose zur Dauer der Reparatur war diesem Wunschgedanken zuwidergelaufen. Morgen würden bereits die Gäste eintreffen und das U-Boot würde dann nicht einsatzbereit sein … und das alles nur ihretwegen. Großartig, jetzt werde ich bestimmt gleich zu Beginn gefeuert.

James White hatte graues Haar, trug aber immer einen weißen Hut mit breiter Krempe, wenn er ins Freie ging. Der Rest seiner Kleidung entsprach der eines typischen Touristen: kurze Hose, Sandalen und ein Hemd im Südsee-Stil mit dem Hotellogo TUR, wobei der erste Buchstabe zu einem Dreizack stilisiert war. Er nahm seine Designersonnenbrille ab, um Coco anzusprechen, was darauf hindeutete, dass er ernst genommen werden wollte.

»Coco? Sind wir bereit? Muss ich Sie daran erinnern, dass ein großer Teil der hohen Riege Hollywoods schon auf dem Weg zu uns ist, nicht zu vergessen Staatsoberhäupter, Athletikstars, Präsidenten von Sportmannschaften … alles Menschen, bei denen wir einen bleibenden Eindruck hinterlassen müssen? Wie stehen die Dinge?« Er schaute hinunter auf das U-Boot und war sichtlich begeistert. »Die werden es lieben, mit diesem Gerät chauffiert zu werden!«

Sie hatte den Blick zur Maschine und dann zu Mick schweifen lassen, um sich zu vergewissern, dass er nicht vielleicht doch in letzter Sekunde einlenken würde, etwa mit einem »Ach, wir haben ein kleines Problemchen mit den Triebwerken, aber keine Sorge, Sir, das ist im Handumdrehen gelöst, höchstens ein paar Stunden.« Doch er zuckte nur mit den Achseln und schaute ihr tief in die Augen.

Deshalb räusperte sich Coco, während Mick so tat, als sei er schwer damit beschäftigt, das U-Boot an den Pollern des Docks festzumachen. »Ich bin bereit, Mr. White, doch einer der Propeller des Fahrzeugs bedarf leider einer Reparatur. Mick sagte mir …«

Whites Miene verfinsterte sich sofort. »Was? Kann man das nicht aufschieben? Das ist jetzt ein ganz schlechter Zeitpunkt für Wartungsarbeiten. Wir müssen uns morgen von unserer besten Seite zeigen!«

Coco holte tief Luft. »Das ist mir durchaus bewusst, Mr. White, doch bedauerlicherweise handelt es sich hierbei nicht um eine Routinemaßnahme, sondern um unerlässliche Schadensbehebung, die Micks Einschätzungen nach …« Sie drehte den Kopf in seine Richtung und ließ die Worte verklingen.

»Ich glaube, ich kann es bis morgen um diese Zeit wieder zum Laufen bringen.« Weder seine Stimme noch seine Haltung zeugten allerdings von großer Zuversicht.

White Gesicht rötete sich. »Morgen um diese Zeit?«

Er schaute auf seine Rolex, ehe er Coco mit einem düsteren Blick strafte. »Eigentlich sollen wir morgen früh in allen Belangen betriebsbereit sein! Dies bezieht jegliche Fahrzeuge und insbesondere das U-Boot mit ein, weil wir dort nicht auf Ersatz zurückgreifen können. Was bitteschön ist passiert?«

Sie schilderte ihm nun die Geschehnisse im Verlauf ihres Tauchgangs. Dabei wurde Whites Gesicht noch röter und er kniff die Augen zusammen. »Das hört sich für mich ganz nach menschlichem Versagen an. Es ist Ihre Schuld!«

Coco fühlte sich angegriffen von diesem derart direkten Vorwurf aus dem Mund einer Person, die sie noch gar nicht lange kannte. Es stimmt zwar, aber trotzdem …

»Wie ich schon sagte, Sir: Dort unten war etwas, das dem U-Boot in den Weg kam.«

»Was denn bitteschön, der Boden des Riffs? Sie selbst haben den Propeller demoliert, richtig?« Er begutachtete die beschädigte Aufhängung, bevor er hinzufügte: »Sie sind gestern Nacht lange auf der Personalfeier gewesen, nicht wahr? Haben Sie da einen über den Durst getrunken?«

»Nein, Sir, ich bin nicht auf Grund gelaufen und habe gestern Nacht auch nicht zu viel getrunken.« Sie klang jetzt gereizter als beabsichtigt. White starrte sie an, während sie weitersprach: »Ich habe etwas gesehen, und dieses Etwas ist gegen das U-Boot gestoßen.«

Einen Moment lang hörte man nur die Seevögel und Stimmen aus der Ferne, während White und Mick sie anschauten.

»Was haben Sie denn gesehen?«, fragte der Big Boss nun.

So etwas wie … ein Auge … aber war es das tatsächlich gewesen?, schoss es ihr kurz durch den Kopf. »Ich … ich bin mir nicht ganz sicher.«

»Herrgott im Himmel!« White brachte eindeutig kein Verständnis für sie auf.

»Nein, wirklich, ich … ich habe etwas Großes gesehen, das sich dort unten bewegt hat.«

»Nun ja, Sie sind die Meeresbiologin. Was zum Teufel war es denn?«

Sie zögerte peinlich berührt, während ihr Arbeitgeber die Arme vor der Brust verschränkte.

»Ich weiß es nicht genau.«

»Was meinen Sie damit?«

Coco blendete die starrenden Blicke der beiden Männer aus, schloss ihre Augen und ließ die Eindrücke des Tauchgangs im Geiste noch einmal Revue passieren. Das schwarze Rund … die gewaltige Masse des Körpers … wie schnell und gewandt das Geschöpf gewesen war … auf einmal verdrängte eine alte Erinnerung all diese Bilder. Sie rührte aus ihrer Studienzeit her – ein Biologielehrbuch mit Illustrationen ausgestorbener Meerestiere, unter anderem einen prähistorischen Hai. Natürlich war es nicht das, was sie gesehen hatte, doch dann schaute sie auf den Kratzer in der Kuppel des U-Boots, hinterlassen von einem … Zahn des Wesens? Sie wollte bestimmt nicht auf weitere Schäden an der Maschine aufmerksam machen, hielt es aber für besser, glaubwürdig zu wirken, anstatt als unfähige Fahrerin abgekanzelt zu werden.

»Ich kann nicht genau sagen, um welche Art es sich gehandelt hat, Sir, aber ich bin überzeugt davon, dass es eine Art Hai war.« Vielleicht nimmt er das einfach so hin, dann brauche ich ihm den Kratzer an der Kuppel gar nicht zu zeigen.

»Inwieweit können diese kleinen Riffhaie, die es hier gibt, denn einem drei Tonnen schweren U-Boot zusetzen?« Er betrachtete das Fahrzeug misstrauisch. Coco trat deshalb doch auf den Rumpf zu.

»Hier, ich zeige es Ihnen.« Sie stellte sich auf einen der Pontons der Maschine und ging dann vor der Kuppel auf die Knie. White machte einen äußerst verärgerten Eindruck. Er warf einen kurzen Blick auf sein Handy, während er sie ansah, blieb aber auf dem Pier stehen. Sie fuhr nun mit einem Zeigefinger über das glatte Acryl, bis sie die Unebenheit spürte, die nach dem Zusammenstoß mit dem Wesen zurückgeblieben war.

»Hier, sehen Sie sich das an.«

White runzelte die Stirn, trat jedoch auf das schaukelnde Fahrzeug und kniete neben Coco nieder. Er musterte die transparente Kuppel angestrengt, wohingegen Mick auf dem Dock verharrte. Eine dreieckige Einkerbung zeichnete die ansonsten schadlose Oberfläche.

»Das darf doch nicht wahr sein!«, brauste der Boss nun auf. »Mitten im Sichtfeld! Die ganze Kuppel muss ausgetauscht werden – aber erst nach dem Einweihungswochenende«, schob er hinterher und sah Mick streng an. Dieser nickte nur zur Antwort.

»Da.« Coco hielt einen ihrer gefeilten Fingernägel an den Kratzer. »Sehen Sie den weißen Splitter darin?«

Ihr Arbeitgeber reckte seinen Hals, um es sich genauer anschauen zu können. »Was soll das sein?«

»Ein Stück Zahn!«

»Erzählen Sie das jemand anderem!«

»Es stimmt aber.«

White drehte sich wieder zu Mick um. »Diese kleinen Riffhaie haben tatsächlich so viel Kraft, dass sie ihre Zähne in ein Viertelzoll Acryl bohren und diese dabei abbrechen können? Im Ernst?« Er starrte ihn erstaunt an, als erwarte er von Mick, das Gleiche zu tun. Der Schiffsmechaniker lächelte, sagte aber nichts.

»Es ist ein Zahnsplitter, Sir.« Coco drückte den Fingernagel in die Scharte und zog das knochenweiße Stück heraus. »Sehen Sie? Bloß die Spitze.«

White beugte sich zu ihr, um den entnommenen Splitter genauer zu untersuchen, und richtete sich dann ruckartig wieder auf. »Das ist einfach lächerlich. Sollte dies tatsächlich nur die Spitze sein, dann müsste der Zahn insgesamt sechs Zoll lang sein. Wollen Sie mich hier gerade zum Narren halten?«

Nun wurde Coco rot, denn dieser Rüffel hatte gesessen. »Keineswegs, Sir, ich tue nichts weiter …«

»Ich werde Ihnen sagen, was Sie ab sofort tun«, unterbrach sie White aufgebracht. »Sie achten verdammt noch mal darauf, dass so etwas nie wieder mit meinem U-Boot geschieht, ist das klar?«

»Jawohl, Sir.«

»Ich werde Ihnen jeden Tag vom Lohn abziehen, an dem diese Maschine nicht im Einsatz ist. Und Sie …« Er zeigte auf Mick. »Sie tun gut daran, das Ding bis morgen wieder vollkommen in Schuss zu bringen. Falls Sie dafür extra zahlen müssen, um Teile noch heute auf dem Luftweg zu besorgen, dann tun Sie es. Verstanden?«

»Klar und deutlich, Sir. Keine Sorge, ich werde es flicken.«

White lachte in sich hinein, während er den Pier hinunterstolzierte. »Keine Sorge … die ganze elende Welt wird ab morgen auf diesen Ort schauen, und ich soll mir keine Sorgen machen.« Er erhob seine Stimme, als er vom Dock an den Strand trat und sich noch einmal umdrehte. »Sie machen sich besser Sorgen! Denn genau dafür bezahle ich Sie!« Schließlich schritt er auf die beieinanderstehenden Funktionsgebäude zu.

Coco seufzte gequält. »Na, das lief ja prima.«

Mick lächelte wieder. »Tut mir leid, dass ich mich nicht deutlicher auf deine Seite schlagen konnte, aber offen gestanden habe ich keine Ahnung, wie ich das bis morgen Abend, geschweige denn bis morgen früh hinbekommen soll.« Er betrachtete das U-Boot erneut argwöhnisch. »Am besten erkundige ich mich sofort, wie ich die nötigen Teile beschaffen kann. Sehen wir uns morgen Abend zum Essen?«

»Ja, warum nicht?«, antwortete Coco geistesabwesend, als Mick bereits vom Pier zum Bürokomplex ging.

Sie blieb stehen und spielte mit der Zahnspitze zwischen ihren Fingern. Erneut blätterte sie in Gedanken in jenem Lehrbuch und betrachtete die Zeichnung des ausgestorbenen Hais. Dessen Name kam ihr allmählich auch wieder in den Sinn, als steige das Tier selbst aus den Tiefen empor – aus dem unermesslichen Strudel der geologischen Zeit, deren Spannen so lang waren, dass kein Mensch sie je begreifen konnte. Die Buchstaben drangen in ihr Bewusstsein und jagten ihr einen Schauer über den Rücken, als rolle eine Welle über ihren Körper, aufgeworfen von etwas sehr Großem …

Carcharodon megalodon.

Coco rieb mit ihrem Zeigefinger an dem Zahnsplitter, um herauszufinden, wie spitz er war, woraufhin ein Tröpfchen Blut aus ihrer Kuppe quoll.

Kapitel 3

James White biss sich auf die Zähne, während er über den von Palmen flankierten Fußweg ging, der sich am weißen Sandstrand entlangschlängelte. Die verglasten Zellen des Unterwasserhotels schimmerten durch die Oberfläche der ruhigen Lagune. Die friedliche Szene trug jedoch nur wenig zur Beruhigung seiner Nerven bei, als er hinausschaute auf das, was er geschaffen hatte … das luxuriöseste Meereshotel der gesamten Welt. Es handelte sich dabei nicht um einen bloßen Tank oder ein Biotop am Ozeangrund, den man nur erreichte und verlassen konnte, wenn man sich in einer dieser Astronautenmonturen aufs Tiefseetauchen einließ, sondern um ein Gastgewerbe im vollen Umfang mit mehreren Suiten und Gemeinschaftsräumen, angefangen beim Empfang über eine Sporthalle bis hin zu einem Restaurant und es besaß sogar einen Nachtklub. Das alles war über einen unterirdischen Bahntunnel zugänglich, ohne dass die Kundschaft auch nur einen Tropfen Wasser an ihren Körpern spüren musste.

Weit über ein Jahrzehnt lang hatten ihm Lästerer vorgeworfen, nichts weiter als ein unverbesserlicher Träumer zu sein, der fremde Subventionsgelder verschleudere, um seine persönlichen Luftschlösser zu bauen. Morgen früh jedoch, also in wenigen Stunden, würden die ersten Gäste eintreffen! Die scheinbar endlosen Jahre der Planung und Beseitigung bürokratischer Hürden, um das Projekt umsetzen zu können, würden dann endlich Früchte tragen – die unaufhörlichen Anpreisungen gegenüber vermögenden Investoren, die allesamt bezweifelt hatten, dass White ein so ausgefallenes architektonisches Werk vollbringen könnte. Zu guter Letzt war es ihm sogar gelungen, sie zur Bezuschussung horrender Summen breitzuschlagen, die er ohne sie nie und nimmer hätte aufbringen können.

Alles lief auf dieses groß angelegte Eröffnungswochenende hinaus. Falls die renommierten Namen auf der Gästeliste voll des Lobes über ihre neue Erfahrung von hier aufbrachen, würde White bald schwarze Zahlen schreiben und seine engelsgleichen Gönner rückvergüten können. Dann wäre auch endlich sein Ruf als einer der führenden Bauunternehmer der Welt in Stein gemeißelt.

Darum musste unbedingt alles laufen wie geschmiert. Das Terrain der Insel befand sich in einem makellosen Zustand, die Verkehrsanbindung zum Flughafen stand, und der Pier war bereit für diejenigen, die in Großjachten anreisten, genauso wie das Hotel selbst. Alle Betriebsmittel waren vollständig aufgestockt worden, das Personal hockte ebenfalls schon in den Startlöchern. Das U-Boot schied zwar vorübergehend aus, war letzten Endes aber lediglich ein Zubrot und nichts, worauf sich die meisten Gäste unmittelbar nach ihrer Ankunft gestürzt hätten. Vielmehr würden sie die schiere Pracht und die Einzigartigkeit des Ganzen auf sich wirken lassen. Dennoch nagte etwas an seiner Laune.

Während er darüber nachdachte, schlenderte er weiter, denn seit jeher kamen ihm die besten Einfälle immer beim Gehen. Am Ende des Strandes führte der mäandernde Weg in eine opulente Gartenanlage, die wie ein wild wachsender Regenwald aussehen sollte, aber selbstverständlich gezielt angelegt worden war. Er passierte Brotfruchtbäume, Farne und einen bunten Reigen anderer blühender Pflanzen, aber Cocos Worte ließen ihn einfach nicht los: »Ich habe etwas Großes gesehen, das sich bewegt hat.«

Er hatte sie eine Lügnerin genannt, doch was, falls es stimmte? Ein handgefertigtes Holzschild verwies geradeaus auf die Delfin-Lagune des Resorts, wohingegen das Hauptgebäude rechts lag. White bog allerdings nicht ab. Delfine … Welches Problem gab es dort noch mal? Ach ja, fiel ihm ein, als er eine Paradiesvogelblume aus seinem Gesicht schob. Einerwirdvermisst. Er hatte angeordnet, die Schleusen und die Umzäunung der Lagune zu überprüfen. Am besten schaute er jetzt gleich dort vorbei und hakte noch einmal nach. Schwimmen mit Delfinen zählte noch vor den U-Boot-Touren zu den bevorzugten Aktivitäten von Urlaubern. White ging weiter, bis er zu einer ruhigen, natürlichen Lagune kam, die vor einem felsigen Abschnitt der Küste lag.

Dort kniete auf einem Schwimmdock eine schlanke Trainerin im einteiligen Schwimmanzug mit einer Pfeife um den Hals. Vor ihr streckten gerade vier Delfine der Reihe nach, ihre Köpfe aus dem Wasser wie Soldaten beim Appell. Die Frau stand auf, als sie White näherkommen sah. Sobald sie den Tieren ein Handzeichen gab, schwammen diese auseinander und flitzten hinaus in die Lagune, um dort unbeschwert miteinander spielen zu können. Er ging hinaus auf das Dock, gerade als sie sich eine lange Strähne ihres blonden Haars aus dem Gesicht strich.

»Einen angenehmen Nachmittag, Clarissa. Morgen ist unser großer Tag! Wie läuft es denn?«

Er erkannte nun, dass ihr Lächeln nur aufgesetzt war. »Der Ablauf der Show ist klar, die Delfine, die wir haben, sind gut abgerichtet, aber genau das ist der Punkt …«

»Der eine fehlt immer noch?«

»Ja, Calusa, doch jetzt sind noch zwei weitere verschwunden, CJ und Max!«

White blickte zu dem Zaun hinüber, der die Lagune umgab und andere Meeresbewohner fernhalten sollte. Er wusste, dass sich die Delfine nicht wirklich davon aufhalten lassen würden, denn sie konnten ihn einfach überspringen, wenn sie es wirklich darauf anlegten, doch hier war ihre Familie, und sie wurden gefüttert, also blieben sie. Bei Unwettern wie einem Wirbelsturm würde man die Delfine sogar freizulassen, damit sie nicht hier festsaßen, wenn die Flutwellen hereinbrachen. Entspannte sich die Lage danach wieder, würden sie zurückkehren, denn das hatten sie bisher immer getan.

»Wie lange sind sie denn schon weg?«

»Calusa mittlerweile drei Tage, CJ und Max seit gestern.«

»Können Sie sich das irgendwie erklären? Was ist geschehen?«

Clarissa schüttelte den Kopf, wobei ihr zartes Gesicht einen betretenen Ausdruck annahm. Sie stand in der Verantwortung, die Delfine zu kennen. Es waren ihre Schützlinge, ja sogar ihre Freunde. Deshalb fühlte sie sich momentan schrecklich. »Bisher weiß ich noch nichts, aber meine Mitarbeiter forschen nach. Tommy und Matt sind gerade mit dem Schlauchboot draußen und suchen nach ihnen.«

»Aber was ist die Ursache, Clarissa? Dass sie andauernd entwischen, darf nicht sein. Sie wissen, wie diese Tierrechtsorganisationen sind. Sie werden behaupten, den Delfinen gefalle es hier nicht, und sie sollen in Freiheit leben …« Er wies mit einem Arm auf den offenen Ozean.

»Ich habe keine Ahnung, ich …« Ihre Worte verloren sich, während sie hinaus auf das Meer starrte.

»Was ist?«

»Es ist mir wirklich schleierhaft, warum sie weggeschwommen sind, aber ich habe bemerkt, dass alle Delfine, nicht nur diese drei, seit einiger Zeit ein wenig launisch sind. Oh …« Clarissa drehte sich zum hinteren Winkel der Lagune um. »Dort drüben war der Zaun eingerissen, aber die Männer haben ihn vorhin schon repariert.«

»Glauben Sie, dass die vermissten Tiere durch diese Öffnung entwischt sind, um einen Ausflug zu machen?«

Sie schien unschlüssig zu sein. »Sie könnten jederzeit hinüberspringen, wenn sie wollten.«

White schaute flüchtig auf seine Rolex. »Sie können die Shows aber trotzdem abhalten und mit den übrigen Viechern schwimmen, oder?«

Clarissa schmerzte die Wahl des Wortes Viecher offenbar ein wenig, weil es andeutete, ihre geliebten Delfine seien nichts Besonderes. »Ja, das kann ich schon, aber …«

»Mehr brauche ich nicht zu wissen!« Er drehte sich auf dem Absatz um und wollte gerade gehen, wandte sich ihr dann aber doch wieder zu, als sei ihm unvermittelt noch etwas eingefallen. »Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?« Er redete weiter, ohne auf ihre Antwort zu warten. »Erwähnen Sie die verschollenen Tiere den Gästen gegenüber nicht. Keine öffentlichen Bekanntmachungen während der Shows, wie viele Delfine wir normalerweise haben oder etwas anderes in diese Richtung, ja?« Er zog seine Augenbrauen hoch, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen.

»Natürlich.«

White ließ Clarissa nun am Schwimmdock zurück und ging auf das Gebäude zu, in dem er sein Büro hatte. Er ließ sich Zeit, während er zu verarbeiten versuchte, was er gerade erfahren hatte. Nicht nur ein Delfin fehlte, sondern noch zwei weitere waren ausgebüxt. Das verhieß nichts Gutes, und zog man Cocos Unfall mit dem U-Boot noch hinzu … Er blieb abrupt stehen, ergriffen von einem erschreckenden Gedanken, den er vergeblich abzuschütteln versuchte.

Was sollte er tun, falls Sie wirklich recht hatte? Wenn sie nicht betrunken, bekifft oder auf welcher Droge auch immer gewesen war, mit der sich die Jugend von heute berauschte, und dort unten tatsächlich Bekanntschaft mit einem großen Hai gemacht hatte? Da würden auch launische Delfine ins Bild passen. Er ging weiter.

Wegen alledem konnte er nur wenig unternehmen, außer er war gewillt, die Einweihung des Hotels zu vertagen, bis das U-Boot wieder funktionierte und die Delfine gefunden worden waren, gemeinsam mit dem Grund, warum sie sich überhaupt erschreckt hatten. Allerdings wollte er die Geschäftseröffnung auf keinen Fall hinausschieben. Diese Anlage würde der Öffentlichkeit am morgigen Tag zugänglich sein, es musste nur noch alles glattgehen. Falls all diese betuchten Gäste, bei ihrer Abreise, nicht in höchsten Tönen von einem unfassbaren und beispiellosen Erlebnis sprachen, würde man dies garantiert als internationale Bloßstellung schwersten Grades ansehen. Jedwede weniger begeisterten Resonanzen oder Absagen – wegen innerbetrieblicher Komplikationen inbegriffen – würden seine Investoren nicht zufriedenstellen, und er war definitiv außerstande, seine Schuld bei ihnen zu begleichen, falls sich das Hotel nicht als reine Goldgrube erweisen sollte.

Coco und Mick würden sich wegen des U-Boots wohl oder übel auf den Hosenboden setzen müssen, während Clarissa die Sache mit den Delfinen klärte. Vor White standen nun wichtigere Aufgaben, wie zum Beispiel die Begrüßung der prominenten Gäste.

Kapitel 4

Am darauffolgenden Morgen

James White strahlte, als er mit ausgestreckten Armen auf der Veranda einer großen Hütte im bure-Stil stand, und ein Inseltaxi mit den ersten Hotelgästen vorfuhr. Zwei Personen saßen im Wagen, reisemüde nach einem langen Flug vom US-amerikanischen Festland auf die Fidschi-Hauptinsel Viti Levu beziehungsweise den internationalen Flughafen Nandi. Von dort aus hatten sie eine kleine Chartermaschine, einen sogenannten Puddle Jumper bestiegen, um zu Whites abgelegener Privatinsel und dem Urlaubsparadies gelangen zu können. Von diesem Flugplatz aus war es nur noch eine kurze Fahrt mit dem Taxi gewesen.

Während nun zwei einheimische Träger vortraten, um sich des Gepäcks anzunehmen, öffnete der Fahrer eine Hintertür, und ein großgewachsener Amerikaner stieg aus, den James vom Cover einer aktuellen Ausgabe von SportsIllustrated kannte. Es war John Rudd, der Quarterback-Star der New England Patriots. Die ansehnlichen Beine hingegen, die gerade auf der anderen Seite aus dem Auto geschwungen wurden, gehörten keiner Geringerem als seiner von der Klatschpresse gebeutelten Freundin Staci Lincoln, einem Model für Abenteuersportkleidung. Sie trug eine Patriots-Schirmmütze auf dem modisch kurz geschnittenen blonden Haar und eine zu große Markensonnenbrille. James ging hinunter und begrüßte die beiden überschwänglich.

»Mr. Rudd, Ms. Lincoln: Willkommen im Triton Undersea Resort! Sie sind die allerersten Gäste vor Ort. Bitte lassen Sie sich von mir in unsere Empfangs-bure führen, um eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen, bevor wir Sie hinunter zu Ihrer Suite bringen.«

Der Footballspieler und seine Freundin gingen hinauf und betraten die offene, strohgedeckte Hütte, in der das Personal bereits mit Getränken in aufgeschnittenen Kokosnüssen auf sie wartete und eine kleine Kapelle Inselmusik spielte.

Kaum, dass das Paar im Gebäude verschwunden war, fuhr noch ein Taxi vor und setzte sechs weitere Gäste ab. Der saudische Staatsführer Abdullah bin Antoun stieg zuerst aus, seine Frau hinterher. Beide trugen traditionelle arabische Gewänder und Kopfbedeckungen. Sie lächelten und fassten ihre neue Umgebung neugierig ins Auge, während ihre Nanny drei kleine Kinder von der Rückbank hob. Erneut war James zugegen, um ihnen persönlich die Hand zu reichen.

So ging es ungefähr eine Stunde lang weiter … Wagen kamen und ließen reiche Gäste zurück … einen Franchisegeber der NBA, den milliardenschweren Besitzer eines Internetkonzerns, einen US-Senator, ein Supermodel … und nachdem man ihnen genügend Zeit gegeben hatte, um sich bei einem stärkenden Umtrunk in der Empfangs-bure einzufinden und an die neue Umgebung zu gewöhnen, stellte sich White an den Eingang des Gebäudes und klatschte in die Hände. Er vergaß zu keiner Sekunde, dass Reporter aus aller Welt auf dem Gelände herumliefen, Kameras laufenließen oder ausgiebig fotografierten und sich Notizen machten.

Sie waren ermahnt worden, die Gäste nicht zu belästigen, weil ausgesuchtes Personal und nicht zuletzt auch White selbst fortwährend zur Verfügung standen, um Fragen zu beantworten. Die Journaille war eine echte Plage, daran bestand kein Zweifel. Es schien so, als müsse man sich zu allen Zeiten selbst im eigenen Haus mustergültig benehmen, aber er wusste, dass ihm als Belohnung dafür, sich diese Unannehmlichkeit aufzubürden, kostenlose Werbung winkte. Davon einmal abgesehen stand fest, dass sich die gesamte Belegschaft so oder so mustergültig benehmen musste. Dies war schließlich das Einweihungswochenende. Das Ganze würde entweder durch die Decke gehen oder den Bach hinunter. Eine weitere Gelegenheit würde sich nicht mehr auftun. Eigentlich, dachte er, während er beobachtete, wie sich ein Rockmusiker zwei bittere Fidschi-Biere von einem vorbeigehenden Kellner geben ließ und eines seiner japanischen Gespielin überreichte, war es ein Wunder, dass er es überhaupt so weit gebracht hatte.

Bisher schienen sich zumindest alle gepflegt zu amüsieren. Das Wetter spielte auch mit. Die strahlende südpazifische Sonne flutete die offene bure