NEPTUNS INFERNO - Insel der Schrecken - Rick Chesler - E-Book

NEPTUNS INFERNO - Insel der Schrecken E-Book

Rick Chesler

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Beschreibung

Als Folge eines plötzlichen Vulkanausbruchs steigt eine neue Insel aus dem Südpazifik empor. Sofort beginnen die umliegenden Staaten, Hoheitsansprüche auf das neue Land anzumelden. Eine der Nationen entsendet sogar direkt einen Erkundungstrupp, doch von diesem kehrt niemand zurück. Deshalb stellen die Vereinten Nationen ein Expeditionsteam aus Wissenschaftlern und humanitären Helfern zusammen. Aber als sie auf der Insel eintreffen, müssen sie feststellen, das noch etwas anderes mit der heißen Lava aus dem Erdinneren nach oben gestiegen ist … etwas äußerst Lebendiges. ★★★★★ »Eine schnelle, höllisch unterhaltsame Geschichte. Mit Dinos.« – AMAZON.COM  

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NEPTUNS INFERNO

Insel der Schrecken

Rick Chesler

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: LANDING PARTY. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2016. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

 

Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: LANDING PARTY Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Burkhardt Röder

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-833-1

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

NEPTUNS INFERNO
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Epilog
Über den Autor

Kaufe Land, es wird nicht mehr hergestellt. ~ Mark Twain

Prolog

Gegenwart, Südpazifik

Atama Tokolahi stand auf dem Deck seines alten Fischerbootes und holte das hoffentlich letzte Netz des Tages ein. Der Fang war bisher nicht besonders groß gewesen, und als älterer Mann erinnerte er sich an weitaus bessere Tage … ja, an weitaus bessere Jahre. Früher gab es mehr Fische, da war er sich sicher. Aber die Dinge waren, wie sie eben waren, und er hätte auch nicht gewusst, was er anderes hätte tun sollen, ganz abgesehen davon, dass er auch nichts anderes tun wollte. Früher hatte er ein weitaus größeres Unternehmen geleitet, mit drei Booten und einer Besatzung von jeweils einem halben Dutzend Männern. Jetzt war er allein auf seinem einfachen Holzboot mit seinem rauchenden Motor. Mehr gab der Markt nicht her. Die gesamte tonganische Fischereiflotte war im Laufe der Jahrzehnte geschrumpft, genau wie die Fischbestände.

Trotzdem hatte er meist alles, was er brauchte, für sich und seine Großfamilie. Sie lebten einfach, in einer Hütte am Ufer, und sie aßen gut. Das war alles, was er sich wünschen konnte. Doch als er das Netz einholte, sah Atama, dass er nur noch wenig Fisch an Land zog, sehr wenig, und dass es noch einen weiteren Wurf brauchen würde. Kopfschüttelnd nahm er den einzelnen Thunfisch heraus, den er gefangen hatte, einen »Schoolie«, den man vor zwanzig Jahren noch lebendig zurückgeworfen hätte. Er hatte sich damit abgefunden, noch einmal das Netz auszulegen, als er spürte, dass etwas nicht stimmte.

Zuerst war er sich nicht sicher, was es war. Nur ein vages Gefühl von »Andersartigkeit« oder etwas, das passieren würde. Er hätte es nicht in Worte fassen können, aber irgendetwas ließ ihn aufsehen und über das Wasser blicken. Und da war es: Rauch. Oder war es Asche? Er blinzelte, und seine Augen, die noch nie eine Sonnenbrille bedeckt hatte, konzentrierten sich auf die etwa einhundert Meter entfernte Wasseroberfläche. Dann, viel näher an seinem kleinen Boot, begann das Wasser zu rauchen und um ihn herum zu brodeln. Seine Gesichtszüge nahmen einen seltenen Ausdruck der Verwirrung an.

Er hatte im Laufe der Jahrzehnte alles gesehen, was hier draußen passieren konnte – verrücktes Wetter, Stürme, seltsame Tiere, merkwürdige Boote, noch merkwürdigere Menschen – doch was könnte das sein?

Plötzlich wurde eine große Masse an die Wasseroberfläche gestoßen, und Atama griff nach seinem Außenbordmotor, um Abstand zwischen sich und dem zu schaffen, was da aus den Tiefen des Meeres aufstieg. Riesige Klumpen einer leuchtend orangefarbenen Flüssigkeit spritzten in die Luft, als er sein Schiff wendete und Abstand zwischen sich und der unruhigen See brachte. Die Neugier übermannte ihn jedoch, und als er das Gefühl hatte, in sicherer Entfernung zu sein, stoppte er, um sich das Spektakel anzusehen.

Gewaltige Feuerfontänen stiegen aus dem Wasser empor, und plötzlich wusste Atama Bescheid.

Ein Vulkan!

Sofort kniete er auf dem nassen Deck seines kleinen Bootes nieder und betete zu den alten polynesischen Feuer- und Vulkangöttern. Er hatte schon oft gesehen, wie aktive Vulkane ausbrachen, allerdings an Land, und noch nie einen, der so plötzlich im Meer auftauchte. Es war atemberaubend, majestätisch, furchterregend und unfassbar zugleich.

Als das orangefarbene flüssige Feuer auf die Wasseroberfläche spritzte und mit wütendem Zischen Dampf ausspuckte, färbte sich die schaumige Lava braun und schwarz, während sie abkühlte und sich verfestigte. Immer mehr Material wurde aus den Eingeweiden des Meeres herausgeschleudert und türmte sich auf, als der verblüffte Atama plötzlich begriff, was er da sah: Vor seinen Augen entstand eine neue Insel.

Eine Zeit lang beobachtete er die Entstehung des neuen Landes, bis sein Selbsterhaltungstrieb seine Neugierde überwand und er beschloss, den Hafen anzulaufen. Eine Kamera hatte er nicht dabei, aber er markierte die Position des Naturschauspiels mit seinem GPS-Navigationsgerät. Wenn er später noch einmal hierherkäme, wäre dies vielleicht ein ausgezeichneter neuer Angelplatz.

Er freute sich darauf, seinem Volk von diesem neuen Land in ihren heiligen Gewässern zu erzählen, mit dem die Geister sie gesegnet hatten.

Eines war jedoch sicher, als er die sich auftürmende Lava betrachtete: Heute würde er hier keine Fische mehr fangen können. Aber dafür hatte er eine Wahnsinnsgeschichte zu erzählen.

Kapitel 1

Zwei Monate später Hauptsitz der Vereinten Nationen, New York City

»Meine Damen und Herren, wir wurden heute hierher gerufen, weil sich im Südpazifik ein Problem entwickelt hat.«

Hiroki Fujita, Generalsekretär der Vereinten Nationen, blickte in die ernsten Gesichter der zweiundzwanzig Personen, die sich um den langen Mahagonitisch versammelt hatten. Sie waren zu einer Sondersitzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen einberufen worden, und sie wussten genau, dass es sich bei jeder plötzlichen Sondersitzung selten um gute Nachrichten oder eine einfache Situation handelte. Der heutige Tag bildete da sicher keine Ausnahme.

Ein Bild wurde auf einen Wandschirm projiziert und Fujita fuhr fort. »Dies ist ein Luftbild, das von einem Aufklärungsflug der U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration aufgenommen wurde, der von Amerikanisch-Samoa aus startete, nachdem Berichte über ungewöhnliche vulkanische Aktivitäten in der Region eingegangen waren.«

Ein Chor von Ausrufen und leisen Pfiffen erhob sich um den Tisch, als alle den Anblick eines kegelförmigen Berges in sich aufnahmen, der sich aus dem blauen Meer erhob. Fujita wartete, bis sich der Tumult gelegt hatte, und fuhr fort. »Sie sehen hier das neueste Stück Land, das der Planet Erde zu bieten hat. Dies ist eine brandneue Insel, die durch unterseeische vulkanische Aktivität entstanden ist. Erst vor zwei Monaten durchbrach sie die Meeresoberfläche und hat sich seitdem zu einer Landmasse verfestigt.«

»Hat es einen Namen?«, fragte einer der jüngeren Teilnehmer, ein Absolvent der Politikwissenschaften einer Elite-Universität.

»Offiziell ist die Insel noch nicht benannt, aber vier benachbarte Inselnationen haben ihr jeweils einen Namen in ihrer Muttersprache gegeben. Die Tonganer nennen es Hunga Tonga-Ha'apai, was frei übersetzt so viel wie heiliger Ort des nährenden Feuers bedeutet.«

Eine kleine, gedrungene, dunkelhäutige Frau mit Brille stellte eine Frage, die auch einige der anderen auf dem Herzen hatten. »Was genau ist das Problem? War dieser Ausbruch nur die Spitze des Eisbergs? Ist die Region durch weitere vulkanische Aktivitäten bedroht?«

Fujita schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, allem Anschein nach scheint sich die Lage stabilisiert zu haben, abgesehen von den stark begrenzten Aktivitäten auf der neuen Insel selbst. Aber in der weiteren Region besteht keine besondere Bedrohung für Leben oder Eigentum.«

Die Delegierte hob ihre Hände in einer fragenden Geste. »Wenn es also keine Bedrohung gibt, warum sind wir dann hier?«

Die leise gemurmelten Vermutungen erstarben schnell, als Fujita antwortete. »Das Problem ist, dass die Inselnation Tonga einen Landungstrupp entsandt hat, um die Insel für sich zu beanspruchen, indem sie als Erste dort landet und eine Flagge aufstellt. Von dieser Gruppe hat man jedoch seit ihrer Entsendung vor einer Woche nichts mehr gehört. In der Zwischenzeit behaupten die Nachbarstaaten, darunter die Cook-Inseln, Niue und Westsamoa, dass es sich bei dem Verschwinden um einen Trick oder eine List handelt und dass die Mitglieder des Landungstrupps aus Tonga in Wirklichkeit noch am Leben sind und sich wohlbehalten auf der Insel befinden.«

»Warum sollten sie sich verstecken?«, fragte ein spindeldürrer israelischer Mann.

Fujita antwortete, während er mittels einer Fernbedienung das Dia wechselte. »Es gibt – bisher unbegründete – Anschuldigungen, dass die Tonganer im Geheimen eine Verteidigungsanlage bauen.«

Das nächste Bild zeigte die steilen, felsigen Hänge der Insel, die in Nebel gehüllt waren, aus der Nähe. »Es scheint nicht viel flaches Land zu geben, das sich für solche Zwecke eignet, aber wie Sie sehen können, ist es schwierig, auf diesen Fotos viele Details zu erkennen.« Er klickte durch ein paar weitere Bilder, die die Insel aus verschiedenen Blickwinkeln, aber aus etwa der gleichen Entfernung zeigten. Aufgrund der dichten Dunstglocke auf jedem Bild war es schwierig, etwas zu erkennen.

»Deshalb«, sagte er und legte die Fernbedienung beiseite, »werden wir eine Expedition zusammenstellen, die als neutrale Fraktion die Situation beurteilen soll. Sie wird offiziell als Gaia-Expedition bezeichnet werden, wobei sich Gaia auf die griechische Göttin bezieht, welche die Erde gebar. Zu ihren Aufgaben gehört zum einen die Beurteilung, ob das Land tatsächlich bewohnbar ist – und es sich überhaupt lohnt, darum zu kämpfen. Zum anderen soll das Schicksal des tonganischen Landetrupps geklärt und der Welt berichtet werden. Falls militärische Aktivitäten entdeckt werden, sollen wir sie nur beobachten und dokumentieren. Unsere Vertreter werden lediglich mit den üblichen Werkzeugen wie Messern und Äxten bewaffnet sein. Auch hier gilt: Wir sind nur da, um als neutrale Partei zu berichten und zu dokumentieren, was passiert.«

Ein Mitarbeiter flüsterte etwas in Fujitas Ohr, woraufhin der UN-Leiter aufhorchte und nickte. Dann fügte er hinzu: »Davon abgesehen haben wir grünes Licht für eine besondere Notfalloption erhalten.«

»Grünes Licht von wem?«, wollte ein Vertreter Indiens wissen.

»In Abstimmung mit dem Militär der Vereinigten Staaten, das von Amerikanisch-Samoa aus operiert, steht uns eine Code-Red-Option zur Verfügung.« Er hielt inne und schaute sich am Tisch um. Als er sah, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, fuhr Fujita fort: »Um zu verhindern, dass ein zukünftiger Konflikt zu einem möglichen Krieg eskaliert, oder falls sich die Insel selbst als so instabil erweisen sollte, dass sie eine Gefahr für die umliegenden Länder darstellt, sind wir befugt, die Insel so weit zu bombardieren, bis sie keine zusammenhängende Landmasse mehr darstellt.«

Erstauntes Gemurmel machte sich am Tisch breit.

»Dies ist nur eine extreme Maßnahme für den Fall unvorhergesehener Umstände. Nach allem, was wir bisher wissen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie umgesetzt werden muss, aber unsere Expeditionsmitglieder werden trotzdem auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Und damit kommen wir zu unserem nächsten Thema«, fügte Fujita hinzu. »Das Expeditionsteam selbst.«

»Wie viele Personen nehmen an dieser Expedition teil?« Diese Frage stammte von einem langjährigen japanischen Delegierten.

Fujita nickte und freute sich, dass das Gesprächsthema von der explosiven Option abwich. »Acht gut ausgewählte Personen sollten genügend Fachwissen und Präsenz bieten.«

»Wer sind sie?«, fragte der venezolanische Vertreter.

Fujita holte tief Luft. »Wir haben einen großen Pool an potenziellen Teilnehmern zu sichten.« Er nickte einem Assistenten zu, der ein paar Tasten auf einem Laptop drückte.

»Machen wir uns also besser an die Arbeit und finden wir heraus, wer die Glücklichen sein werden.«

Kapitel 2

Nuku'alofa, Tonga

Der CIA-Spezialagent Valea Esau stieg in der belebten Innenstadt der Hauptstadt aus dem öffentlichen Bus. Sein offizieller Einsatzort war die amerikanische Botschaft in Suva auf den Fidschi-Inseln, die einen großen Teil des Südpazifiks abdeckte, aber er lebte schon seit zwei Jahren in Tonga. Die Einheimischen kannten ihn als Automechaniker. Das war sein Beruf und die Art, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt, denn er hatte keine Familie. Ein alleinstehender Pazifikinsulaner, der sich amüsierte, wenn er nicht arbeitete – beim Fischen, Tauchen, in den örtlichen Bars. Niemand dachte sich etwas dabei.

Valea blieb stehen und tat so, als würde er das Haltestellenschild studieren, während er hinter seiner polarisierten Sonnenbrille die Umgebung sondierte. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand gefolgt war, begann er, in die Stadt zu gehen. Er bewegte sich zügig, aber nicht so schnell, um aufzufallen. Dies war nicht New York City, und das Leben im Südpazifik verlief im Allgemeinen etwas langsamer. Nach fast einer Stunde Fußmarsch, den er über Umwege zurücklegte und dabei immer wieder anhielt, um sich zu vergewissern, dass ihm niemand folgte, erreichte Valea den Königspalast von Tonga.

Das rot-weiße Holzgebäude aus den 1800er-Jahren war eines von vielen Häusern, in denen der König gelegentlich wohnte. Valea wusste, dass der tonganische Herrscher heute hier sein würde. Er erreichte das Tor und wurde von zwei Wachen in gestärkten und gebügelten weißen Uniformen begrüßt. Er nannte seinen Namen und gab an, einen Termin zu haben, und einer der Wächter begleitete Valea in den Palast.

Für einen Ort der politischen Führung war das Gebäude nur spärlich bevölkert, und Valea erblickte nur wenige Menschen, als er über eine breite Treppe in den zweiten Stock der Residenz geführt wurde. Von dort aus ging es einen langen, holzgetäfelten Flur entlang bis zu einer geschlossenen Tür an dessen Ende. Der Wachmann klopfte einmal und hörte eine weibliche Stimme, die ihm sagte, er solle die Tür öffnen. Er führte Valea in einen Raum, wo eine Empfangsdame diesem mitteilte, dass König Malo Nau bereit sei, ihn zu empfangen. Die junge, hübsche Frau stellte lange genug Augenkontakt mit Valea her, den dieser gerade lange genug erwiderte, um nicht unhöflich zu wirken, und dann betrat er die Privatsuite des Königs, während die Wache im Empfangsbereich blieb.

»Guten Tag, Esau, ich hoffe, es geht Ihnen gut?«

Der König, ein korpulenter Mann Anfang sechzig, hatte einen weißen Bart und Schnurrbart, auch wenn sein lockiges Haar noch dunkel war. Valea hatte nie den Mut aufgebracht, ihn zu fragen, ob er sein Haar färbte. In der Öffentlichkeit trug der König prächtige Gewänder und Insignien, aber heute, wie immer, wenn er sich im Palast aufhielt, trug er ein legeres Inseloutfit bestehend aus einem Leinenhemd, Hosen und Ledersandalen.

»Danke, Eure Majestät, mir persönlich geht es gut. Aber Ihr wisst, dass ich nicht um ein Treffen mit Euch bitte, wenn …«

»… es dringliche Umstände nicht erfordern, ja, dessen bin ich mir wohl bewusst.« König Nau bewegte sich zu einer Bar und deute mit der Hand auf eine Reihe von Kristallkaraffen.

»Egal, wie dringlich unsere Geschäfte auch sein mögen, muss Zeit dafür bleiben, kultiviert zu bleiben. Möchten Sie einen guten Rum?«

Esau nahm die Einladung an, wohl wissend, dass er als Agent der Vereinigten Staaten auf fremdem Boden tätig war, aber sich auch bewusst, dass die Pflege guter diplomatischer Beziehungen ein wichtiger Teil seiner Arbeit war. Der König reichte ihm ein gedrungenes Kristallglas, und die beiden Männer setzten sich in zwei Plüschsessel, die um einen Kaffeetisch angeordnet waren, der aussah, als sei er aus Elfenbein gefertigt.

»Nun sagen Sie mir, Valea, was haben Sie auf dem Herzen? Seien Sie offen zu mir, seien Sie ehrlich.« Die Augen des Königs bohrten sich über ihren Getränken in die von Valea.

»Es geht um die neue Insel, Eure Majestät.«

Der König nickte. »Wie neue Nationen – zu denen Tonga gehört, denn wie Sie wissen, haben wir erst 1970 die volle Unabhängigkeit von den Briten erlangt – brauchen neue Inseln Zeit; sie werden aus dem Feuer geboren und kühlen langsam ab, bis sie nutzbar und bewohnbar sind. Was ist also mit Hunga Tonga-Ha'apai? Was beunruhigt Sie?«

Valea nahm noch einen Schluck von seinem Getränk und stellte das Glas dann auf dem Tisch ab, um sich ganz auf seine Antwort zu konzentrieren. »Eure Majestät, wie Ihr wisst, ist der Landungstrupp, den Ihr auf die Insel geschickt habt, nicht zurückgekehrt.«

Der König zuckte mit den Schultern. »Woher wissen wir, dass sie nicht mehr dort sind?«

Valea zeigte sich skeptisch und hob die Hände. »Satellitenfotos und als Wetterpatrouillen getarnte Aufklärungsflüge haben keine Anzeichen von ihnen entdecken können. Ihre Aufgabe war es, eine tonganische Präsenz zu schaffen und diese Präsenz in der Welt bekannt zu machen, damit die Insel unbestreitbar zu Tonga gehört.«

Die Augen des Königs verengten sich etwas. »Hunga Tonga-Ha'apai ist ein sehr wohl ein Teil von Tonga. Der neueste Teil!« Er lächelte, als er den letzten Satz sagte.

Aber Valea konnte die Heiterkeit nicht erwidern. »Nicht jeder wird die Insel so nennen, wie Ihr sie genannt habt, Eure Majestät. Die Samoaner haben bereits ihren eigenen Namen, ebenso wie Niue und die Cookinseln. Ohne eine unangefochtene tonganische Präsenz …«

»… werden die Amerikaner die neue Insel nicht für ihre militärischen Operationen nutzen können, ich weiß. Das ist doch Ihre Befürchtung, nicht wahr?«

»Ihr wisst, für wen ich arbeite, König Malo. Was unsere Vereinbarung beinhaltet. Damit Ihr Land die versprochenen Einnahmen dafür erhält, dass unsere Basis auf der neuen Insel im Geheimen operieren kann, müsst Ihr zuerst den eindeutigen und unbestrittenen Besitz dieser Insel nachweisen.«

»Ich habe einen Landungstrupp geschickt!«

»Ich weiß, dass Ihr das getan habt, König Malo, aber die Männer sind nicht zurückgekehrt. Es ist also Zeit für die nächsten Schritte. Deshalb stehe ich heute vor Ihnen.«

»Wollen Sie damit sagen, dass ich meinen Teil der Abmachung nicht eingehalten habe?« Der König stand auf und seine Augen funkelten.

»Bitte, Eure Majestät, nehmt wieder Platz. Ich versuche nur, Ihnen die Einnahmequelle zu verschaffen, die Ihr Euch gewünscht habt, und die, wie ich hinzufügen möchte«, Valea blickte zum Fenster hinaus, »Ihr Land dringend benötigt. Die Fischbestände sind geschrumpft, Ihr Land hat keine nennenswerte Industrie außer etwas Tourismus. Wir bieten Ihnen echte Einnahmen, damit Ihr nicht auf die verrückten Ideen zurückgreifen müsst, die in der Vergangenheit bereits gescheitert sind. Erinnert Ihr Euch, als Ihr vorschlugt, einen Teil von Tonga zu einem Endlager für Atommüll zu machen?«

Der König errötete, offenbar in Verlegenheit gebracht. »Das war eine beiläufige Bemerkung über eines unserer abgelegenen Atolle – eines von Hunderten. Es handelte sich nie um einen offiziellen Vorschlag. Jetzt hören Sie mir zu: Ich habe einen Landungstrupp geschickt, als Sie darum gebeten haben! Also müssen Sie sich auch an Ihren Teil der Abmachung halten!«

»Wie Ihr wisst, König Nau, haben wir das Erdbeben ausgelöst, welches den Vulkanausbruch verursacht hat.«

»Ja, Projekt … wie nannten Sie es noch gleich? Neptuns Inferno!« Der König lächelte, als würde er den Namen äußerst unterhaltsam finden.

»Ja, aber jetzt gibt es eine neue Entwicklung, und ich bin hier, um Euch darüber zu informieren.«

Der König setzte sich und trank den Rest seines Rums aus. »Fahren Sie fort, ich höre zu.«

»Unglücklicherweise entsenden die Vereinten Nationen eine gut ausgerüstete Expedition mit erfahrenen Forschern und Wissenschaftlern, die auf der Insel landen und das Schicksal Ihres Landetrupps herausfinden sollen.«

Der König zuckte mit den Schultern und wollte etwas erwidern, aber Valea schnitt ihm das Wort ab. »Wenn sie feststellen sollten, dass es keine tonganische Präsenz auf der Insel gibt, könnte dies das Land für die Kolonisierung durch die benachbarten Staaten öffnen, die ich bereits erwähnte.«

»Ja, und das beunruhigt Sie, weil die USA keine Abkommen mit diesen Ländern haben, nicht wahr?«

»Das ist richtig, König Malo. Wir haben mit Ihnen verhandelt, weil unsere Analysten eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit festgestellt haben, dass Tonga die Insel für sich beanspruchen kann. Aber die Dinge sind nicht reibungslos verlaufen.«

»Was schlagen Sie also vor? Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«

Valea breitete seine Hände in einer beruhigenden Geste aus.

»Ihr braucht nur zuzuhören und mitzuspielen. Es wird kein wirkliches Handeln von Ihnen verlangt werden.«

»Erklären Sie mir das.« Der König beugte sich vor.

»Wir, die CIA, haben einen Maulwurf in der UN-Expedition platziert.«

»Sie meinen, einen Spion?« Die Augen des Königs weiteten sich wie bei einem Kind, das begeistert einen Spionagefilm ansieht.

Valea machte eine missbilligende Miene. »Wir bevorzugen den Begriff Informant. Nur ein Mann, der auf unserer Seite ist, König Malo, und den Auftrag hat, es so aussehen zu lassen, als wäre Tonga zuerst auf der Insel gewesen. Für den Fall, dass …« Valea zögerte, als wüsste er nicht, wie er erklären sollte, was ihm durch den Kopf ging.

»Für den Fall, dass was?«

»Für den Fall, dass keiner Ihrer Landungstrupps jemals auf der Insel angekommen ist.«

König Naus Augen weiteten sich und an seiner Schläfe zeichnete sich eine Ader ab. »Was? Wollen Sie mir vorwerfen, überhaupt keinen Landungstrupp entsendet zu haben?«

Valea schüttelte hastig den Kopf. »Nein, nein, nein, natürlich nicht.«

»Und was wollen Sie damit andeuten?«

Valea holte tief Luft. »Es ist möglich, dass sie es nie bis zur Insel geschafft haben, Malo. Kurz nachdem sie losgefahren waren, gab es einen Sturm, sie könnten vom Kurs abgekommen, abgetrieben, gesunken sein …«

König Nau warf den Kopf zurück und lachte herzhaft. »Das ist es, was Ihnen Sorgen bereitet? Dass meine tonganischen Seeleute – Männer, die einer langen Reihe von Seefahrern in einer ozeanischen Nation entstammen – es nicht geschafft haben, einen Ort zu erreichen, der nur eine Tagesreise entfernt ist? Ein Ort, der mir von unseren eigenen einheimischen Fischern gemeldet wurde?«

»Es ist eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen können, König Malo, das ist alles. Deshalb haben wir uns auch die Mühe gemacht, einen Maulwurf in die UN-Expedition einzuschleusen.«

Nau zuckte mit den Schultern. »In Ordnung. Ich könnte einen weiteren Landetrupp schicken …«

»Nein. Das würde zu aggressiv wirken und könnte die Dinge erschweren. Die U.N. ist unter anderem deshalb beteiligt, weil sie als Friedenswächter fungiert. Der Streit um die Besitzansprüche der neuen Insel hat international für Schlagzeilen gesorgt. Ihr hattet bereits Eure Chance. Eine weitere könnte als Kriegsgrund wahrgenommen werden.«

»Okay, ich verstehe. Und was soll Ihr Mann auf dieser Expedition genau erreichen?«

»Er kann es so aussehen lassen, als wäre Ihre Gruppe zuerst dort gewesen, König Malo, auch wenn sie es nicht gewesen sein sollte. Alles, was Sie dafür tun müssten, wäre, es zu bestätigen – tut nicht überrascht, wenn Ihr von den Medien danach gefragt werdet, und gebt keine Einzelheiten bekannt, ohne sich vorher mit mir zu beraten. Habt Ihr das verstanden?«

»Und unsere Abmachung gilt nach wie vor, richtig?«

Valea nickte. »Ja.«

König Nau lächelte und stand auf. »Dann verstehe ich … und werde unsere Gläser auffüllen.«

Kapitel 3

Zwei Tage später Montreal, Kanada

Skylar Hanson war sich nicht sicher, wann ihr die Idee zum ersten Mal gekommen war, nur dass es eine gute Idee war. Nun, vielleicht war gut nicht das richtige Wort. Ach, es war doch das richtige Wort, und dabei wollte sie es belassen. Als Vulkanologin im Auftrag der kanadischen Regierung hatte Skylar ihren Lebensunterhalt mit der Erforschung von Vulkanen verdient. Dass sie im Alter von 25 Jahren ihren Doktortitel erworben hatte, bedeutete, dass sie ein akademischer Star war, dass sie sehr viel über geologische Prozesse gelesen hatte und darüber, wie die Erde geformt wurde und weiterhin geformt wird.

Und irgendwann auf dem Weg dorthin prägten dieselben Prozesse auch sie selbst. Skylar war sich im Alter von dreiunddreißig Jahren darüber im Klaren, dass sie zwar ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft war, dem es wahrscheinlich nie an Jobangeboten mangeln würde und sie daher für den Rest ihres Lebens finanziell abgesichert war, solange sie nichts wirklich Törichtes tat, aber sie war trotzdem nicht wirklich glücklich. Zum einen tat sie nichts anderes, als zu arbeiten. Tagaus, tagein enträtselte sie die Geheimnisse des Erdinneren, um sie politischen Entscheidungsträgern zu erklären – Menschen, die zumeist viel mehr Geld verdienten als sie, die sie aber für weit weniger intelligent hielt.

Skylar war noch relativ jung für eine derart trostlose Weltsicht, andererseits war sie den meisten immer voraus gewesen, hatte in der Schule eine Klasse übersprungen und war von einer Auszeichnung zur nächsten gesprungen. Gut gemacht, Mädchen, mach weiter so, war alles, was sie je hörte. Jetzt, nach nur acht Jahren Vollzeitbeschäftigung in ihrem Job, hatte sie beschlossen, dass sie genug hatte … oder zumindest, dass sie genug wusste.

Zumindest genug, um da rauszukommen.

Ein dünnes Lächeln formte sich auf Skylars Lippen, als sie die Luftaufnahmen einer neuen Vulkaninsel im Südpazifik betrachtete. Die Fotos waren von der NOAA aufgenommen und noch nicht veröffentlicht worden; sie hatte sie nur bekommen, weil sie von den Vereinten Nationen zu einer Expedition auf die neu entstandene Insel eingeladen war. Sie konnte es ihnen nicht verübeln, sich an sie gewandt zu haben. Sie war einer von wahrscheinlich nur einem Dutzend Menschen auf dem Planeten, die am besten in der Lage waren, die geologischen Kräfte zu beschreiben, die bei der Entstehung dieses neuen Landes am Werk waren.

Aber was sie nicht wissen konnten, war, dass sie, je intensiver sie die Insel studierte, immer mehr zu der Überzeugung gelangte, dass sich ihr eine einmalige Gelegenheit bot – ein perfektes Zusammentreffen physischer, politischer und finanzieller Faktoren, die sich ihr wahrscheinlich nie wieder bieten würden. Sie war bereit, den Schritt zu wagen, aber zuerst musste sie ganz sicher sein.

Skylar stand von ihrem Laptop auf und ging zu einem Bücherregal, das vom Boden bis zur Decke mit Bänden vollgestopft war, allesamt Sachbücher, einschließlich der Lehrbücher, die sie im Laufe ihrer schulischen Laufbahn angeschafft hatte. Sie hatte kein Bedürfnis nach Belletristik, wollte keine Zeit für etwas verschwenden, das nicht völlig real war und ihr erklären konnte, wie die natürliche Welt funktionierte. Sie fand das Regalfach, welches sie für Bücher über Edelsteine und die physikalischen und chemischen Prozesse, die sie hervorbringen, angelegt hatte.

Einige Zeit später ging sie zu einem anderen Regal, in dem sich ein Band nach dem anderen über vulkanische Prozesse befand. Sie wusste, wonach sie suchte, und es dauerte nicht lange, bis sie fündig wurde. Im Gegensatz zu den meisten Gleichaltrigen ihrer Generation bemühte sie in ihrem Fachgebiet nur selten das Internet, sondern zog es vor, Bücher zu konsultieren, von denen viele bereits Jahrzehnte vor ihrer Geburt geschrieben worden waren. In geologischer Hinsicht war das ja nicht einmal ein Wimpernschlag, wie viel konnte sich also geändert haben? Insgeheim schaute sie auf ihre Kollegen herab, die sich an das Internet klammerten, als sei es die einzige Bastion zuverlässiger Informationen, und jeden neuen Zeitschriftenartikel sofort lasen, wenn er erschien. Skylar wusste, wie sich das anfühlte, war sie doch ebenfalls durch jeden Reifen gesprungen, der ihr während ihres Aufstiegs zur professionellen Wissenschaftlerin vor die Nase gesetzt wurde, aber sie hatte das alles so satt. Sie wusste schon genug, genug, um … wie hieß das noch gleich in diesem amerikanischen Country-Song? Take This Job and Shove It.

Skylar ging zurück zu ihrem Laptop und las noch einmal die E-Mail von der U.N. wieder, der Teil mit der Beschreibung der neuen Insel. Sie war aus Augenzeugenberichten von Pazifikinsulanern und Meteorologen zusammengeschustert worden und daher eher ein Bericht Laien, aber dennoch ausreichend genug für Dr. Skylar Hanson, um zu dem Schluss zu kommen, dass es in diesem neuen Land Einschlüsse von Edelsteinen geben musste. Sehr viele. Vor allem Diamanten. Sie schloss das E-Mail-Fenster und rief noch einmal die Bilder der neuen Insel auf.

Ja … definitiv … kein Zweifel … Aber diese Gewissheit weckte neue Bedenken, neue Ängste. Es hatte bereits einen Landungstrupp gegeben. Es würde nicht lange dauern, bis auch andere landen würden, von denen jeder versuchen würde, der Insel auf irgendeine Weise seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Und selbst Skylars eigene Gelegenheit, die neueste Insel der Erde zu besuchen, bot sich nur als Teil einer Gruppe – einer ganzen Expedition unter der Schirmherrschaft der U.N. zum Zwecke der Friedenssicherung.

Ihre Augen verengten sich, als sie auf das Bild eines aktiven Lavastroms starrte, um den herum die Meereswellen explodierten. Noch schlimmer als die Tatsache, Teil eines achtköpfigen Teams zu sein, war die Tatsache, dass eines der anderen Mitglieder ebenfalls Geologe sein würde. Skylar schloss die Bilddatei. Sie hatte genügend Nachforschungen angestellt. Sie wusste alles, was sie über die Insel wissen musste. Soweit sie es aus dieser Entfernung beurteilen konnte, sollte sie geradezu vollgestopft sein mit Edelsteinen, insbesondere mit Diamanten.

Das Einzige, was noch blieb, war ihre Entscheidung. Wollte sie daran teilnehmen? Für einen kurzen Moment erwog sie verschiedene Alternativen zur Teilnahme an der offiziellen Expedition, die es ihr dennoch ermöglichen würden, sich mit einem Haufen Diamanten davonzumachen.

Sie könnte ein privates Wasserflugzeug von Samoa oder Tonga aus chartern und darum bitten, selbst auf die Insel gebracht zu werden, überlegte sie. Aber das würde zweifellos zu viel Verdacht erregen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie kürzlich eine Einladung zur Teilnahme an der UN-Expedition abgelehnt hatte. Nein, das würde viel zu viele Fragen aufwerfen. Aber wenn sie an der Expedition teilnehmen und ein paar Souvenirs mit nach Hause nehmen würde … Diamanten müssen ja nicht sehr groß sein, um viel wert zu sein …

Könnte sie nicht einfach ein paar Steine einstecken und reich nach Hause kommen, ihren Regierungsposten in aller Stille verlassen und sich an einem warmen und tropischen Ort zur Ruhe setzen, anstatt für den Rest ihres Lebens an Schnee und Eis gebunden zu sein? Skylar grinste, während ihr Blick auf einem aufgeschlagenen Buch verweilte, das eine Abbildung eines tief im Inneren der Erde geformten Diamanten zeigte …

Natürlich kannst du das. Diese Diamanten werden dort sein und auf dich warten. Du musst sie nur holen. Du hast sie dein ganzes Leben lang studiert, also gehören sie dir … nimm sie dir …

Aber was dann? Wie sollte sie einen Haufen roher, ungeschliffener Edelsteine verkaufen? Sie erinnerte sich an die verschiedenen Einsatzorte, an denen sie im Laufe der Jahre gearbeitet hatte, bis zurück zu ihrer Studienzeit. Ihr fielen zumindest ein paar Orte ein, weit weg von ihrem Zuhause, an denen nicht allzu viele Fragen gestellt werden würden. Außerdem, überlegte sie und öffnete die E-Mail der Vereinten Nationen, um sie zu bejahen, war es ja nicht so, dass sie die Steine aus einem Juweliergeschäft stehlen würde oder so etwas. Sie würde einfach nur Steine vom Boden aufsammeln – und zwar von einem Land, das noch keiner Nation angehörte – und sie dann gegen Geld eintauschen.

Das würde zweifellos beruflichen Selbstmord bedeuten. Einem Wissenschaftler, der dafür bezahlt wird, eine Stätte als Teil einer gesponserten, neutralen Organisation zu untersuchen, wäre es verboten, irgendeine Art von natürlichen Ressourcen von diesem Ort für den persönlichen Gewinn zu entwenden. Gleichzeitig wusste Skylar aber auch, dass sich ihr genug Möglichkeiten bieten würden. Niemand würde einen Grund haben, sie genauer zu beobachten, und es war völlig in Ordnung, eine kleine Menge an Proben zu sammeln und für Laboruntersuchungen mitzubringen …

Überzeugt nickte sich selbst zu, und verfasste die E-Mail, die sie zu einem Teil der U.N. Expedition Gaia machen würde.

London, England

Richard Eavesley schnitt mit einem Zigarrenschneider das Ende einer kubanischen Zigarre ab und hielt dann die Flamme seines vergoldeten Butanfeuerzeugs dicht an die Spitze. Er inhalierte, paffte, bis Rauch aus der Spitze aufstieg und lehnte sich dann in seinem ledergepolsterten Stuhl zurück, um zu warten. Den Zigarrenschneider und das Feuerzeug legte er auf einem kleinen Tisch neben einem perfekt zubereiteten Mojito ab. Er war gerade von einer Art »Expedition« nach Kuba zurückgekehrt, die von einem Reiseunternehmen gesponsert wurde, dessen Ziel es war, die reisetauglichsten Ziele und »abenteuerlichsten« Pakete für amerikanische Touristen zu finden, nun, da sich die kubanisch-amerikanischen Beziehungen endlich etwas entspannt hatten.

Die Reise war für Eavesley zwar lukrativ gewesen, aber er wäre der Erste, der zugeben würde, dass es sich dabei nicht vielmehr noch um echte Abenteuer handelte, um Heldentaten auf Leben und Tod, die ihn zu einem Mitglied des angesehenen British Explorers Club gemacht hatten, ganz zu schweigen von einem hier wohnhaften Forscher für den National Geographic.

Richard sah sich in dem Club um, betrachtete die kunstvolle Einrichtung, die taxidermischen Trophäen an der Wand, die alten Fotos von weißen Männern in fremden Ländern, die Tiere töteten, Flüsse durchquerten und mit alten Jeeps über unwegsames Gelände fuhren. Von der Decke hing ein massives, altes, von Stammesangehörigen im Amazonasgebiet gebautes Holzkanu. Wie üblich war der Club nicht überfüllt, da er nur Mitgliedern vorbehalten war. Ein paar andere von seiner letzten Kuba-Reise waren ebenfalls zugegen, um ihren erfolgreichen Ausflug zu feiern und bei einem Lachen und einem Drink Anekdoten auszutauschen. Es handelte sich um ein Netzwerk alter Männer, und Richard gehörte zu den am meisten darin verankerten Mitgliedern. Aber während die meisten der Anwesenden über die Kuba-Reise diskutierten oder über zukünftige Abenteuer fantasierten, schweiften Richards Gedanken zu einem Angebot, das er zuvor am Tag erhalten hatte. Er war hier hergekommen, um zu sehen, ob auch alle darüber reden würden – ob man den ganzen Club eingeladen hatte –, aber da das Thema überhaupt nicht zur Sprache kam, schien er der Einzige zu sein, was es natürlich umso interessanter machte.

Ein echtes Abenteuer. Das war es für ihn – eine dieser seltenen, überlebensgroßen Entdeckungen, die aus einer Karriere voller weltumspannender Entdeckungsreisen hervorstechen würden. Er hatte noch nicht geantwortet – die E-Mail war gerade über sein Handy hereingekommen, und er wollte nicht zu eifrig erscheinen – aber er hatte vor, seine Teilnahme zu bestätigen, sobald er vom Club nach Hause kam. Als er den größten Teil seines Getränks ausgetrunken und noch ein wenig mit den anderen Mitgliedern geplaudert hatte, wollte er gerade gehen, als ein gut gekleideter Herr, den Richard noch nie zuvor gesehen hatte, sich einen Stuhl nahm und ihn in ein Gespräch verwickelte.

Da es sich um einen exklusiven Club handelte, kam es selten genug vor, dass Richard jemanden hier nicht erkannte – immerhin war er schon seit Jahrzehnten Mitglied. Daher hörte er mit echtem Interesse zu, was der Mann zu sagen hatte.

»Guten Tag, Mr. Eavesley. Oder Sir Eavesley, zu gegebener Zeit, wie ich annehme, ja?«

Richard lachte wohlwollend über den Verweis, eines Tages für seine Dienste für die Königin bei der Erkundung neuer Länder zum Ritter geschlagen zu werden. »Das wird sich zeigen, Mr …?«

Der Mann streckte eine Hand aus, die aus einem mit goldenen Manschettenknöpfen verzierten Seidenjackenärmel ragte. Eine passende goldene Rolex-Uhr schmückte sein Handgelenk.

»Nennen Sie mich einfach Baxter, Mr. Eavesley.«

Richards Gesichts nahm einen verwirrten Ausdruck an. »In Ordnung, Baxter. Ist das Ihr Vor- oder Ihr Nachname?«

»Das ist wirklich nicht wichtig. Macht es Ihnen etwas aus?« Der Besucher nahm eine Zigarre vom Tisch, schnitt sie an und zündete sie mit seinem eigenen Feuerzeug an.

»Nur zu … Apropos, ich glaube nicht, dass ich Sie hier schon einmal gesehen habe. Sind Sie ein neues Mitglied?«

Baxter lächelte schwach. »Ich bin kein Mitglied, Mr. Eavesley.«

»Ah, und wessen Gast sind Sie dann?« Richard schaute sich um, als ob er jemanden entdecken könnte, der in der Nähe lauerte und sich vielleicht in das Gespräch einschalten wollte, aber es war niemand zu sehen.

»Ich bin auch kein Gast, Richard.«

Richard lachte laut auf und stieß eine bläuliche Rauchwolke aus. »Ach, wirklich? Dann sind Sie also einfach an den Sicherheitsleuten vorbeimarschiert? Oder – nein, lassen Sie mich raten – Sie sind die Backsteinmauer zum vierten Stock hochgeklettert und haben die schmiedeeisernen Gitterstäbe mit einem Schweißbrenner durchtrennt. Geben Sie es zu, dann spendiere ich Ihnen einen Drink, denn das wäre ziemlich beeindruckend …«

»Das hier hat mir den Zutritt verschafft, Richard.« Baxter hielt einen Mitgliedsausweis hoch, das Wappen des Clubs mit Baxters Bild. Unter seinem Bild war der Schriftzug NOVICE EXPLORER abgebildet, was bedeutete, dass er seit weniger als einem Jahr Mitglied war. Auf Richards eigenem Ausweis stand ULTIMATE ADVENTURER.

»Ich dachte, Sie sagten, Sie wären kein Mitglied?«

Baxter legte einen anderen Ausweis vor, auf dem das Siegel der amerikanischen Central Intelligence Agency prangte. »Das bin ich auch nicht. Ich bin Agent bei der CIA, Mr. Eavesley, und ich würde gerne mit Ihnen über das Angebot sprechen, das Sie heute Morgen erhalten haben, die Teilnahme an der Gaia-Expedition der Vereinten Nationen betreffend. Hören Sie mich an, und ich versichere Ihnen, dass es sich für Sie lohnen wird.«

Kapitel 4

Vier Tage später Südpazifik

Die unendliche Weite des blauen Wassers wich einem Fleck, einem Pickel auf dem Gesicht des Ozeans. Die acht Mitglieder der UN-Expedition saßen auf den hinteren Sitzen des Bell 412-Hubschraubers, als der Pilot, ein pensionierter US-Marineflieger, der von den Vereinten Nationen für diese Expedition als Auftragnehmer angeheuert wurde, aus dem Fenster deutete.

»Da könnt ihr schon mal einen ersten Blick riskieren.«