Hundert Stunden Nacht - Anna Woltz - E-Book

Hundert Stunden Nacht E-Book

Anna Woltz

0,0
7,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine spannende Coming-of-Age-Geschichte vor der einmaligen Kulisse von New York. Emilia hat sich die Kreditkarte ihres Vaters geschnappt und einen Flug nach New York gebucht. Sie will einfach nur weg. Aber das Apartment, das sie übers Internet gemietet hat, gibt es gar nicht und zu allem Überfluss kündigt sich Wirbelsturm Sandy an. Zum Glück lernt sie Seth, Abby und den ziemlich verrückten Jim kennen. Zusammen finden sie eine Bleibe in SoHo. Inzwischen hat der Sturm die Stadt fest im Griff: das Haus beginnt zu wackeln, dann fällt der Strom aus. Die vier müssen immer enger zusammenrücken, ob sie wollen oder nicht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



CARLSEN-Newsletter: Tolle neue Lesetipps kostenlos per E-Mail!

Unsere Bücher gibt es überall im Buchhandel und auf carlsen.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung,

Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich

verfolgt werden.

 

In diesem E-Book befinden sich eventuell Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Carlsen Verlag GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

 

 

Außerdem von Anna Woltz bei CARLSEN erschienen:

 

Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess

Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte

 

 

Dieses Buch wurde mit Unterstützung desNederlands letterenfonds, Amsterdam, veröffentlicht.

 

Alle deutschen Rechte CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2017

Originalcopyright © 2014 by Anna Woltz, Amsterdam, Em. Querido’s Uitgeverij

Originalverlag: Em. Querido’s Uitgeverij, Amsterdam

Originaltitel: Honderd uur nacht

Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann

Umschlaggestaltung und -typografie: formlabor unter Verwendung eines Bildes von shutterstock © Lavandaart

Lektorat: Katja Maatsch

Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN: 978- 3-646-92789-4

»We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that amongst these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.«

Ist diese widerliche Geschichte im Internet wirklich meine?

Passe ich in das Märchen, das ich dem amerikanischen Zoll gleich auftischen werde?

Oder habe ich eine eigene Geschichte?

Ich weiß es nicht.

Ich bin vierzehn. Mein Vater trägt Cordhosen und sieht sich am liebsten die Sterne an. Und ach, fast hätte ich es vergessen – letzten Dienstag hat er die Welt zerstört. Meine Mutter ist Nora Quinn. Sie wurde in Irland geboren und spricht ab und zu englisch mit mir.

Ich meine: Sie spricht ab und zu mit mir. Immer auf Englisch.

Ihre Bilder hängen in Museen auf der ganzen Welt und wenn sie Lust hat, sich splitterfasernackt auszuziehen und auf unserem Dach ein neues Bild zu malen, dann macht sie das.

Ich bin ihre Tochter. Das war immer meine Geschichte.

1

Ich bin die Einzige, die weiß, was ich heute tun werde. Jedenfalls, wenn ich mich traue.

Meine Stiefel warten reglos auf dem glatten Flughafenboden. Wenn mich jemand ansieht, setzt mein Herz einen Moment aus. Ob sie mich erkennen? Fangen sie jetzt gleich an, mich zu beschimpfen?

Nichts geschieht. Die Leute in der Abflughalle sehen quer durch mich hindurch. Gestern noch haben sie alles über meinen verdorbenen Vater gelesen, aber heute fliegen sie in den Urlaub. Sie schleppen sich mit Koffern und kreischenden Kleinkindern ab und haben ihre Tweets längst vergessen.

Ich habe die Drohungen noch nicht vergessen.

Seit Dienstagabend geht mein Atem flacher. Mein Mund ist trocken. Irgendwo in meinem Kopf klingelt ununterbrochen eine Alarmglocke. Gefahr, sagt sie. Mach, dass du wegkommst. Hau ab.

Ich tue so, als wäre es vollkommen normal, dass ich hier ganz allein auf dem Flughafen stehe. Über meinem Kopf flackern die Anzeigetafeln, ich rieche Männerschweiß, ein Hund, so groß wie ein Kalb, wird in einem Plastikkäfig vorbeigefahren.

Alle dreißig Sekunden stecke ich die Hand in meine Tasche, weil ich nach meinem Telefon greifen will – aber jedes Mal macht mein Arm auf halber Strecke halt. Ich habe mein Telefon ausgeschaltet, zum ersten Mal in meinem Leben.

Ich hole meinen Reisepass hervor und blättere durch das Heftchen ohne Stempel. Bei meinem Foto halte ich inne. Ich sehe mir nicht gerne Fotos von mir selbst an. Meine Haare sind zu glatt, meine Augen zu groß, mein Gesicht zu blass. Ich sehe aus, als würde ich mich jeden Moment in nichts auflösen.

Aber das Foto in meinem Reisepass ist anders: Es wurde vor drei Jahren gemacht, als ich Fünftklässlerin war. Ich schaue forsch in die Kamera und sehe aus, als hätte ich megaviel Lust auf den Rest meines Lebens. Ich war elf und züchtete Kresse in leeren Eierkartons.

Dieses Mädchen bin ich also nicht mehr.

Neben dem Passfoto steht mein Name. Emilia Dezember de Wit. Im Ernst, so heiße ich.

Mein zweiter Name ist ein Einfall meiner Mutter, und auch, als ich zu spät kam und erst am 2. Januar geboren wurde, fand sie es eine großartige Idee, mich Dezember zu nennen.

Natürlich hätte mein Vater sagen können: »Vielleicht passt Sanne besser zu ihr. Oder Margriet.« Er hätte auch sagen können: »Komm, wir nennen sie Cosinus stumpfer Winkel de Wit.«

Dann hätte meine Mutter vielleicht kapiert, dass es keine gute Idee ist, die eigene Verrücktheit im Namen seines Kindes zu verwursten.

Aber mein Vater hielt den Mund. Der Mann war vor vierzehn Jahren nämlich auch schon ein total egoistischer Sack. Es war ihm einfach schnurzpiepegal, wie sein einziges Kind heißen würde.

Endlich bin ich an der Reihe. Ich lege meinen Reisepass auf den Tresen und versuche verzweifelt, ein wenig Spucke in meinen Mund zu befördern.

»Wohin fliegst du?«, fragt die Stewardess im sonnengelben Kostüm.

»Nach New York.«

Ich stelle mich aufrecht hin. Ich habe Angst. Und gleichzeitig spüre ich, wie etwas Neues in mir kribbelt, als ich den Namen dieser Stadt ausspreche. Ich fliege nach New York. Alle meine Freundinnen haben über ihren Betten Poster von Jungen, die sie noch nie in Wirklichkeit gesehen haben. Über meinem Bett hängt die Skyline von New York. Ich bin noch nie da gewesen, und trotzdem bin ich verliebt.

»Fliegst du allein?«, fragt die Stewardess.

Ich nicke. Atemlos beantworte ich ihre Fragen.

Ja, ich habe meinen Koffer selbst gepackt.

Nein, in meinem Handgepäck befinden sich keine gefährlichen Stoffe.

Ich nehme nur diese Umhängetasche mit an Bord.

Die Frau sieht mich an, aber sie erkennt mich nicht.

Und Gott sei Dank fällt ihr auch nicht ein, dass sie gestern in den Nachrichten einen widerlichen Mann gesehen hat, der denselben Nachnamen trägt wie ich.

Mein überfüllter Koffer wird mit einem Aufkleber versehen und verschwindet außer Sichtweite.

Und ich bekomme meine Bordkarte. In anderthalb Stunden muss ich am Gate sein.

Ganz allein stelle ich mich in die Reihe für die Passkontrolle.

Ich gehöre zu niemandem und fühle mich ohne Koffer wundersam leicht. Mein Blut kribbelt. Eigentlich kann ich es noch immer nicht glauben: Ich tue es wirklich. Vor zwei Tagen war es nicht mehr als ein Gedanke. Etwa so: Wäre ich ein völlig anderes Mädchen, würde ich der Welt den Mittelfinger zeigen und nach New York fliegen.

Heute ist Freitag, der 26. Oktober. In zehneinhalb Stunden bin ich da.

2

Alles sieht anders aus, wenn man allein ist. Die Farben sind greller, Geräusche klingen schriller, Pläne können jeden Augenblick misslingen. Ich gehe durch die lärmende Halle hinter der Zollkontrolle und sage mir selbst, dass ich jetzt hart sein muss. Ein Mädchen, das nachts die Kreditkarte des eigenen Vaters klaut, um ein Ticket zu buchen, setzt sich nicht auf eine Flughafentoilette und heult. So ein Mädchen fängt nicht plötzlich an rumzuschreien und schaltet auch nicht das Handy ein, um seine Mutter anzurufen.

Ich kaufe einen Cappuccino, obwohl ich überhaupt keinen Kaffee mag, aber ich muss wachsam sein. Der Schnitt in meiner linken Hand tut noch immer weh. Allmählich sickert Blut durch das Pflaster, aber da kann man nichts machen. Lieber verblute ich, als in einer öffentlichen Toilette das Pflaster zu wechseln.

Und dann bleibe ich plötzlich wie angewurzelt stehen.

Ich starre zu dem Mädchen in dem Laden mit den unbezahlbaren Taschen. Sie hat blonde Locken, trägt eine enge Jeans und Uggs. Es ist Juno – das kann gar nicht anders sein. Sie steht mit dem Rücken zu mir, also kann ich ihr Gesicht nicht sehen. Mit fieberhaft pochendem Herzen warte ich, bis sie sich umdreht.

Sie ist es nicht.

Schwankend stolpere ich zur nächsten Stuhlreihe. Ich setze mich, knete meine Hände, höre aber sofort wieder damit auf, als ich den Schnitt spüre. Wie konnte ich nur glauben, ich sei mutig genug?

Mit zittrigen Fingern ziehe ich die Mappe mit den Papieren aus der Tasche.

Alles, wirklich alles habe ich ausgedruckt. Meinen Flugplan. Die Nummer von dem Bus, den ich in New York nehmen muss. Den Dollar-Wechselkurs. Wie viel Trinkgeld man geben sollte. In welchem Museum die meisten Impressionisten hängen. Ich lese immer weiter, bis mein Atem sich beruhigt hat, und dann traue ich mich endlich, wieder aufzuschauen.

Draußen, hinter den Glaswänden, sehe ich siebzehn Flugzeuge stehen. Sie lassen die Motoren brüllen, steigen auf und verwandeln sich hoch am Himmel in Schwäne.

Es ist vorbei, sage ich zu mir selbst. Ich werde Juno in den Gängen nicht mehr begegnen. Ihre Freunde werden mir auf dem Schulhof nichts mehr hinterherrufen. Meine Sporttasche ist sicher vor ihren Feuerzeugen und mein zerkratztes Schließfach gehört mir sowieso nicht mehr.

Ich gehe nie mehr zurück in diese Schule.

In der Wartehalle am Gate schalte ich mein Handy ein. Gespannt schaue ich, ob ich Nachrichten habe, aber es bleibt still. Meine Eltern glauben, ich sei in der Schule, meine Mitschüler denken natürlich, ich läge heulend im Bett. Jetzt ist es an der Zeit, der Welt den Mittelfinger zu zeigen – oder auf jeden Fall meinen Eltern. Seit heute Nacht steht die Mail ganz oben zum Verschicken bereit:

An die Loser, die mich gezeugt haben,

ich dachte, wir hätten einen Deal. Ich mache meine Hausaufgaben, decke den Tisch und lasse mir kein Nabelpiercing stechen.

Ihr gebt mir zu essen und macht keine Sachen, für die ihr ins Gefängnis kommen könnt.

Diesen Deal gibt es nicht mehr. So viel steht ja wohl fest.

Ihr glaubt, ich schreibe gerade einen schwierigen Physiktest, aber zufällig sitze ich im Zug nach Deutschland. Ich besuche Käthe. Hier werde ich verrückt, also fahre ich dorthin, wo mein Vater nicht die Meldung des Tages ist. Ihr könnt euch überhaupt nicht vorstellen, wie es in der Schule ist und auf Facebook und Twitter und so.

Ihr könnt euch sowieso nicht vorstellen, wie es ist, ich zu sein.

Holt mich nicht zurück. Und ruft mich auch nicht an – ich gehe sowieso nicht ran.

Käthe auch nicht, sie hat längst eine andere Nummer.

Ich maile morgen wieder, um kurz zu sagen, dass ich noch lebe.

Jedenfalls, wenn das so ist.

E.

Mein Daumen schwebt über der Versenden-Taste. Noch kann ich zurück. Ich kann einfach aufstehen und zurück in die Ankunftshalle gehen, wo niemand auf mich wartet, vorbei an den Gepäckbändern, auf denen die Koffer kreiselnd ihre Runden drehen. Ich kann den Zug zurück nach Hause nehmen, als hätte ich niemals vorgehabt zu fliehen.

Und dann denke ich wieder an Dienstagabend.

Ich saß im warmen, stillen Wohnzimmer und machte meine Hausaufgaben für Geschichte, über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.

Das ist zweifelsohne einer der besten Texte, die jemals geschrieben worden sind, aber darum geht es jetzt nicht.

Meine Mutter war im Atelier bei der Arbeit – sie hatte nicht mal gegessen – und mein Vater saß oben in seinem Zimmer und schaute sich durch sein Sternenfernrohr den Himmel an.

In der Dämmerung sah ich Leute an unserem Fenster vorbeigehen. Ich schaute zu den unbekannten Schatten, während die ersten Zeilen der DECLARATION OF INDEPENDENCE strahlend durch meinen Kopf marschierten, und ich war glücklich. Einen Augenblick lang stimmte alles.

Und dann klingelte das Telefon. Nicht mein Handy, sondern unser Festnetzanschluss. Ich ging zu dem Apparat, zog mir den Ärmel über die Hand und nahm ab.

Am anderen Ende der Leitung hörte ich eine hysterische Frau, die halb weinte und halb zu ersticken schien.

Sie sagte, sie sei die Mutter von Juno.

Sie wolle meinen Vater sprechen.

Ich drücke auf Versenden und meine Mail fliegt davon. Ich will nicht zurück.

3

Im Straßenverkehr sterben mehr Menschen als bei Flugzeugunglücken. Das sage ich mir selbst, während ich durch den grauen Schlauch zum Flugzeug gehe. Die Alarmklingel in meinem Kopf rasselt laut, aber ich versuche, nicht darauf zu achten.

In meiner Tasche steckt ein Artikel, den ich heute Nacht auswendig gelernt habe. Die Klima-Anlage eines Flugzeugs filtert nicht weniger als 99,97 Prozent aller Bakterien und Viren aus der Luft. Wenn man sich strikt an die Zehn Goldenen Regeln für Flugreisen hält, ist alles in bester Ordnung.

Sobald ich meinen Sitz am Fenster erreicht habe, befolge ich die Goldene Regel Nummer eins. Ich ziehe ein Päckchen Desinfektionstücher aus der Tasche und fange an zu wischen. Das Klapptischchen vor mir, meine Stuhllehnen und die Schnalle meines Sicherheitsgurts müssen sauber gemacht werden. Die Leute um mich herum haben zum Glück alle Hände voll zu tun mit Zeitschriften und Ohrhörern und damit, das Gepäck anderer Leute flach zu drücken, indem sie ihre eigene Tasche so fest wie möglich in das Fach über ihrem Kopf stopfen. Sie sehen mich kaum an.

Während des Startens starre ich auf das Pflaster an meiner linken Hand. Ich spüre, wie das Flugzeug im Wind ruckelt. Wie die Motoren toben, damit wir nicht abstürzen.

Aber eigentlich, wenn ich ehrlich bin, geht es schon über eine Stunde gut mit der Boeing.

Leider komme ich auf die Idee, die Stewardess zu fragen, wie viele Leute denn an Bord sind.

»Dreihundert«, sagt sie munter, während sie mir ein Glas Apfelsaft reicht.

Ich schaue mich um. Ich hänge hier mit dreihundert Leuten in einer wackelnden Blechdose über dem Ozean. Dreihundert Menschen, die röchelnd husten und schleimig niesen und die ganze Zeit atmen. Ein dicker Mann drückt gerade die Tür der Toilette hinter sich zu und plötzlich frage ich mich, wie viele Menschen wohl so verrückt sind, elf Kilometer über der Erde kacken zu wollen. Überhaupt niemand, sollte man meinen. Aber ich bin mir nicht sicher. Es gibt ja auch Leute, die das in der Schule tun, oder auf der Kirmes, oder wenn sie irgendwo zu Besuch sind.

Ich spüre, wie es schiefgeht.

Manchmal, wenn ich ganz bewusst über meine Geheimzahl nachdenke, weiß ich sie plötzlich nicht mehr. Und so ist es auch mit dem Atmen. Sobald ich auf meine Atmung achte, weiß meine Lunge nicht mehr, was sie normalerweise tut.

Himmel, ist das peinlich.

Ich fange an, zu hyperventilieren.

Erst merkt es keiner, weil ich versuche, ganz still zu ersticken.

Aber nach ein paar Minuten kann ich es nicht mehr verbergen.

Meine Brust geht immer schneller auf und ab. Ich spüre den Schweiß auf meiner Stirn und mein Hals brennt. Ich muss würgen und mache aus Versehen ein winselndes Geräusch.

Das ganze Flugzeug schaut zu mir. Fünf Leute drücken auf ihre Klingel. Ein kleines Mädchen fängt an zu weinen.

Eine Sekunde später stehen drei Stewardessen neben meiner Reihe und beratschlagen sich flüsternd. Einen Moment darauf schallt eine Stimme durchs Flugzeug, die fragt, ob ein Arzt an Bord ist.

Es dringt nur halb zu mir durch, weil ich gerade sterbe, aber aus der Businessclass taucht ein russischer Arzt auf. In gebrochenem Englisch bespricht er sich mit den Stewardessen und ungefähr fünfzehn Passagieren, die sich alle einmischen. Während die Besprechung noch im vollen Gange ist, lässt mich eine Frau, die eindeutig zur Mutter ausgebildet ist, in eine Plastiktüte atmen. Und danach gibt der russische Arzt mir etwas zur Beruhigung.

Es dauert eine ganze Weile, bis mich niemand mehr anschaut.

Leise rollen mir die Tränen in den Ausschnitt, weil ich mich so vollkommen getäuscht habe. Nicht ich zeige der Welt den Mittelfinger – die Welt zeigt ihn mir.

Noch immer. Schon wieder.

Benommen starre ich durch das Fenster nach draußen. Die sonnigen Wolken unter dem Flugzeug sehen aus wie steif geschlagener Eischnee. Eine gefrorene Welt ohne Menschen. Ohne Pläne und Enttäuschungen.

Und dann träume ich von dem mechanischen Planetarium meines Vaters.

Das altmodische Teil steht mitten in seinem Zimmer.

Wenn man an der Kupferkurbel dreht, bewegen sich die Planeten knirschend um die Sonne. Ich war sechs Jahre alt, als ich das zum ersten Mal tun durfte. Es war magisch.

Mit einer Hand ließ ich die Planeten kreisen. Während ich langsam kurbelte, erklärte mir mein Vater, warum es tagsüber hell ist und nachts dunkel. Und warum es nicht überall auf der Welt gleichzeitig dunkel ist.

In meinem Traum stehe ich im Dunkeln vor seiner Zimmertür.

Drinnen höre ich, wie sich die Planeten leise knirschend bewegen. Ich zögere einen Moment und öffne dann die Tür. Das Licht einer Straßenlaterne fällt in den Raum. Die Instrumente glänzen: die große Elektrisiermaschine am Fenster, die Barometer an der Wand, die Mikroskope unter ihren Glasglocken.

In der Mitte steht das Planetarium mit seiner Kupferkurbel.

Aber es ist nicht mein Vater, der sie betätigt.

Es ist Juno.

Ihre blonden Locken funkeln stärker als alle Instrumente zusammen. Sie schaut zu mir.

Und dann lacht sie.

4

Als die Räder des Flugzeugs den Boden berühren, habe ich einen Kloß im Hals.

Ich bin Kolumbus. Zum ersten Mal in meinem Leben in Amerika.

Sobald ich das Flughafengebäude vom Newark Airport betreten habe, schaue ich mich begierig um. Aber ich sehe nur einen grauen Gang mit einem schmuddeligen Teppich auf dem Boden und bedrohliche Schilder mit rot durchgestrichenen Handys an den Wänden.

Insgeheim hatte ich gedacht, Amerika würde glänzen. Dass alles quietschsauber und modern wäre. Das stellte ich mir gerade so großartig vor.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!