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Spielende Kinder finden einen misshandelten Hund. Mehr tot als lebendig. Doch mithilfe fürsorglicher Menschen erholt er sich wieder. Dann geschieht etwas mit ihm. Seine neuen Besitzer werden mit Ereignissen konfrontiert, die es in der Form eigentlich nicht geben dürfte. Welche Macht steckt hinter diesen rätselhaften Vorgängen? Eine Kraft, die unerwartet auftauchen kann. Die nicht unterscheidet zwischen Mensch und Tier. Außerhalb unserer Zeit. Ein weiterer Schritt in eine Welt des Unerklärlichen. Verpackt in einer romantischen Erzählung.
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Seitenzahl: 105
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Für Jule.
Ohne sie wäre diese Erzählung
nie entstanden.
Der größte Dank gehört meiner Frau Silke.
Durch ihre konstruktive Kritik
bekam die Geschichte
erst ein Gesicht.
DIE SEELE KANN OHNE EINEN LEBENDEN
KÖRPER NICHT EXISTIEREN
ARISTOTELES
Joschi
Bruno Goeth
Uta, seine Frau (†)
Kristin, die Tochter
Thorsten Kessler, Kristins große Liebe
Majbrit Larssen, Brunos Nachbarin in
Klitmøller
Theis Sørensen und seine Frau Astrid
VORGESCHICHTE
Sechzehn Monate früher...
GEGENWART
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Er lag da.
Regungslos.
Es gab eine Zeit, in der sein Körper ein schimmerndes Fell besaß. Wo seine schwarzen, glänzenden Augen neugierig die Welt erkundeten. Wo er gegen Menschen keinen Argwohn hegte, sondern blind vertraute.
Nun befand er sich in einem furchtbaren Zustand. Das ehemals weiche Fell war nur noch an wenigen Stellen vorhanden. Durch die glasige Haut konnte man das Skelett des Brustkorbs erkennen. Schlimm aber waren die Parasiten, mit denen der Körper förmlich übersät war.
Der Tod brauchte nicht mehr lange zu warten.
Spielende Kinder hatten ihn entdeckt. In einer verfallenen Scheune, die in der Feldmark stand. Weggeworfen wie den anderen Abfall, der überall herumlag. Das Schild ‚Betreten verboten’ konnte nicht verhindern, dass sie ihn fanden. Wie Kinder halt so sind. Abenteuer lockten bei allem Unerlaubten.
Zufall.
Anzeichen gab es nicht. Selbst zum Winseln fehlte die Kraft. Aber er lebte. Gab es etwa eine höhere Bestimmung, um den Lebensplan einzuhalten?
Anfänglicher Ekel schlug um in Mitleid, als die Kinder bemerkten, dass dieses übel riechende Wesen noch atmete.
„Ich hole meine Mutter“, sagte einer der älteren Jungen. Dann rannte er aus der Scheune.
Wenig später trugen sie das bemitleidenswerte Geschöpf zum Tierarzt. Die letzten Augusttage waren noch sehr warm. Vermutlich der Grund, warum das Tier überhaupt noch lebte.
Als Mitglied des Tierschutzvereins kannte die Mutter des Jungen den Besitzer der Scheune. Gemeinsam mit dem Veterinär, der den Hund sofort in die Tierklinik überführen ließ, sowie dem Ortspolizisten suchte sie den Landwirt auf. Er galt als starrköpfiger Eigenbrötler. Doch so eine Tat traute ihm niemand zu. Was sich auch bewahrheitete, denn der Mann war völlig ahnungslos. Verwies auf seinen eigenen Hund, den er überaus schätzte.
Als der Tierarzt das Untersuchungsergebnis aus der Klinik bekam, wurde klar, dass es sich offenbar um ein Testobjekt handelte, das für Experimente missbraucht wurde. Weshalb man es nicht unauffälliger entsorgt hatte, blieb vorerst ein Rätsel. Doch weitere Nachforschungen vervollständigten ein weitaus grausigeres Bild. Unter der Haut des Hundes wurden zahlreiche Kunststoffhülsen mit einem flüssigen Stoff festgestellt. Da die Hülsen aber versiegelt waren, überlebte er das Martyrium.
Warum sie ihm injiziert wurden, konnten die Ärzte nicht beantworten. Das sollte der Befund aus dem Labor klären.
„Biologische Kampfstoffe? Sprenggürtel? Was geht denn hier ab?“
Olaf Kehne ließ den Briefbogen mit den Notizen rasch auf den Schreibtisch gleiten, als sei er ebenfalls kontaminiert.
Der Beamte des Bundeskriminalamtes, der den Einsatz leitete, wirkte ungehalten. Nun wurde sein markantes Gesicht noch finsterer.
„Es ist ihr Bereich“, brummte er. „Der Mann hätte ihnen doch auffallen müssen. Herrgott, dies ist doch keine Großstadt! Da baut ein einschlägig vorbestrafter Typ lebende Bomben und niemand kriegt’s mit!“
Kehne war schon 30 Jahre Ordnungshüter in diesem verschlafenen Nest. Aber das hier überforderte ihn völlig.
Was mit dem Auffinden eines Hundes begann, erwies sich nun als absolutes Desaster. Ziemlich schnell kam heraus, dass ein Mann mittleren Alters der Besitzer war und mit weiteren Hunden in einem baufälligen Haus am Ende des Ortes lebte. Die Dorfbewohner tolerierten ihn, weil er dem Eigentümer der Behausung, ebenfalls einem ansässigen Landwirt, noch eine kleine Miete bescherte.
Der Mann wurde bei der Überprüfung nach der Festnahme durch das Mobile Einsatzkommando des BKA als psychisch abgedrehter Einzeltäter entlarvt. Triebfeder war seine radikale Überzeugung, die sich dann in kriminellen Handlungen äußerte.
„Und was passiert nun?“ fragte Kehne.
Der BKA- Beamte kaute auf der Oberlippe.
„Heute trifft noch ein ABC- Abwehrtrupp aus Bruchsal ein und wird die Umgebung systematisch auf den Kopf stellen. Wir wollen ausschließen, dass dieser Bursche weitere Depots angelegt hat.“
„Wo ist der denn jetzt?“
„Wird grad in Hamburg vernommen. Soviel ist klar: Er gehört keiner terroristischen Gruppe an.“
„Und wie kam er an die Stoffe?“
Der BKA-Beamte drehte sich an der Tür des Dienstzimmers noch einmal um.
„Werden wir bald wissen. Ach, noch was zu diesem armen Hund. Der hatte jede Menge Schutzengel. Außerdem war wohl seine Größe nicht ausreichend für einen Sprengstoffgürtel und wurde deshalb entsorgt. Na, wie auch immer - er ist freigegeben und kommt ins Tierheim. Da päppeln sie ihn sicher wieder auf.“
Donnerstag, 10. Dezember.
Hamburg.
Steffen und Maja Deppe bogen mit ihrem Auto in die Straße zum Tierheim ein. Als ehrenamtliche Gassigeher hatten sie den Nachmittag damit verbracht, ihrem Tierheim-Hund die Welt zu zeigen. Die Möglichkeit, sich auszulaufen, herumzuschnüffeln und mit anderen Artgenossen zu spielen, wurde von Joschi neben dem eintönigen Zwingeralltag dankbar angenommen.
Steffen fuhr in eine der Parkbuchten vor dem Haupteingang. Plötzlich hörten die beiden hinter sich ein knisterndes Geräusch. Begleitet von einem Lichtblitz, der den Innenraum des Wagens für Sekunden aufhellte.
„Was war denn das?“
Erschrocken wandte sich Maja um und schaute zum Kofferraum. Sie konnte jedoch nichts feststellen.
„Das kam doch von hier drinnen, oder?“
Steffen nickte.
„Klar, für `ne Reflektion war`s zu stark“, brummte er und blickte in den Rückspiegel.
„Und dieses merkwürdige Geräusch! Richtig unheimlich. Aber Joschi scheint okay zu sein. Ich kann seinen Kopf sehen.“
Das Pärchen erkannte jedoch nicht, dass er am ganzen Körper zitterte. Der Terrier hatte die Fahrt über nur in der Box gelegen. Bis ihn diese heftigen Empfindungen durchschüttelten und schlagartig seinen Überlebensinstinkt weckten.
Keiner der beiden Insassen hätte deuten können, was da gerade geschehen war.
Der 15. Dezember war ein grauer Dienstag in Lüneburg.
Nasskalt schlich der Winter heran und versetzte die Menschen in einen quälenden Dämmerzustand.
Weihnachten stand vor der Tür. Ein Fest, auf dass sich Bruno Goeth immer freute. Auch mit einundsechzig. Ihm gefiel die Harmonie, die sich in diesen Tagen wieder stärker entwickelte. Alle nahmen sich mehr Zeit für gute Gespräche. Auch wenn viele behaupteten, Weihnachten sei stressiger konnte das nicht bestätigen. Aber dieser Tenor kam hauptsächlich von denen, die mitten im Familientrubel steckten. Seine Tochter war erwachsen und wohnte schon lange nicht mehr zuhause.
Brunos Blick klärte sich. Die Versunkenheit hatte ihn einen Moment vergessen lassen, wo er sich befand. Die Friedhofskapelle war zwar beheizt, doch ein Frösteln ließ ihn schaudern.
"...Aber in unseren Herzen wird sie immer einen Platz behalten."
Die Worte des Pfarrers brannten sich in seinen Verstand. Erinnerten ihn an das furchtbare Geschehen der letzten Wochen. Was anfangs so harmlos wirkte, zerstörte die Zukunftspläne zweier sich liebender Menschen. Verursachte brutal eine Hoffnungslosigkeit, die Bruno bis dahin völlig fremd war.
Nervös nestelte er an seinem Schal herum. Ihm wurde plötzlich komisch zumute. Jäher Schwindel drohte, ihm das Bewusstsein zu rauben. Doch bevor es dazu kam, umfasste die Tochter seine Hand und drückte sie sanft.
Kristin.
Bruno schaute in ihr hübsches Gesicht, dass seiner Frau Uta immer mehr ähnelte. Die Ausstrahlung der beiden Frauen hatte ihn immer mit Stolz erfüllt, wenn sie mal gemeinsam unterwegs waren. Was selten vorkam, seitdem die Tochter aus beruflichen Gründen nach Düsseldorf gezogen war.
Auch damals litt er unter der Trennung. Vergleichen ließ sich die Situation aber nicht, weil die Endgültigkeit fehlte.
Seine Gedanken schweiften ab. Zurück in das Krankenhaus, wo Uta vor knapp einer Woche die Augen für immer schloss.
Die letzten Stunden ihres Lebens hatte sie gekämpft. Für jeden Atemzug in dieser Welt war sie gegen das Unvermeidliche angetreten. Mit geschorenem Kopf hatte sie sich behauptet, um ihren geliebten Mann nicht zu enttäuschen. Wollte bei ihm bleiben, weil sie um sein Seelenheil bangte. Es schien, als sei ihr der eigene Zustand völlig egal.
Als er am vorigen Donnerstag zu ihr kam, war der Kampf verloren. Sie sah schrecklich aus. In der Nacht erlitt sie einen schweren Anfall, der ihr das letzte Quentchen Kraft raubte. Man gab ihr starke Schmerzmittel, deren Auswirkungen aber zu einer völligen Körperentleerung führte. Oft bäumte sie sich auf und schaute ihn wie eine Fremde an.
Ihr Geist war schon sehr weit entfernt.
Die Zeit, die er dann an ihrem Bett verbrachte, war endlos. Ein Wechselbad der Gefühle, in dem er keinen Ausweg mehr sah.
Am späten Nachmittag schien Uta endlich ein wenig Ruhe gefunden zu haben und wirkte sehr entspannt. Plötzlich riss sie die Augen auf. Starrte an das Fußende des Bettes und hob die knochigen Finger der rechten Hand.
"Wer ist das da?" fragte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.
Bruno drehte sich um. Doch da war niemand. Als er sich Uta wieder zuwandte, sank sie in das Kopfkissen zurück. Dann folgten einige tiefe Atemzüge, bevor das Leben den geschundenen Körper verließ.
Ein Arzt und eine Krankenschwester kamen hinzu. Die Schwester löste behutsam Brunos Hand, die sich an Utas Unterarm festklammerte. Er weinte hemmungslos...
Die Gegenwart kehrte zurück. Kristin stupste ihn an und riss ihn aus seinen beklemmenden Gedanken. Dann half sie ihm, von der Holzbank aufzustehen.
Nach dem Vaterunser verließ das Trauergeleit die Kapelle, um am Grab Abschied zu nehmen.
Bruno nahm die Prozedur wie durch einen Dunstschleier auf. Mit versteinerter Miene ließ er es geschehen. Er hatte keine Tränen mehr, die er vergießen konnte. Alles in ihm schien verloren.
Abgerufen in die Ewigkeit.
Dieser Zustand sollte Bruno noch über Tage begleiten.
Kristin hatte sich während der Zusammenkunft nach der Beisetzung entschuldigt. Eine wichtige Geschäftsreise nach Hamburg stand in ihrem Terminkalender. Es ging um sehr viel Geld. Da ihr Chef fest mit ihr rechnete, bekam sie nur für die Beerdigung ein paar Stunden frei.
Als die letzten Gäste das Haus verlassen hatten, sank Bruno in den Ohrensessel vor dem Kamin und vergrub das Gesicht in den Händen. Seine Augen brannten, als habe er zu lange in der Sonne gesessen.
Die Melancholie schleuderte ihn zurück in eine Zeit, in der alles in Ordnung war. Als seine Uta noch Lebensfreude in sich trug und ihn förmlich mitriss. Es konnte noch so schlecht laufen - Uta baute ihn in Sekunden wieder auf. Ihr Wesen war einfach hinreißend.
Wie war das damals, wo er als leitender Konstrukteur in der Autoindustrie einen Burnout bekam? Die Depressionen bis an den Rand seiner Existenz krochen und ihn mit achtundfünfzig in den Vorruhestand katapultierten? Wo sein Selbstwertgefühl buchstäblich den Bach herunterging? Stabil blieb nur die Bindung zu Uta. Auch wenn es nicht einfach war, schenkte sie ihm neuen Mut.
Unglaubliche Kraft ging von ihr aus. Übertrug sich und sorgte dafür, dass die kleine Familie unbeschadet aus der Sache herausfand. Nie aufgeben! Der Leitsatz einer Frau, mit der jeder Tag ein Geschenk war.
Das spürte er schon intuitiv, als er sie kennenlernte. Es passte einfach. Bei beiden waren Eigenschaften wie Treue, Zuversicht und absolute Ehrlichkeit hoch angesiedelt.
Wesenszüge, die sich auch auf Kristin übertrugen. Schon als Baby teilte sie das ihrem Vater mit. Ohne Worte. Allein durch Gefühle.
Bruno nickte unmerklich. Sein emphatischer Spürsinn hatte ihn aber auch schon oft in heikle Situationen geführt. Er nahm jeder Lüge die Fähigkeit, zu wirken. Grundlage war das Wirkliche, das sich in den Augen spiegelte.
Die Fenster der Seele.
In ihnen zu lesen wie in einem Buch, veranlassten viele seiner Bekannten, ihm mit Distanz zu begegnen. Wohl, weil sie sich ertappt fühlten. Oder spürten, ihm beim Rollenspiel des Lebens nichts vormachen zu können.
Von Heimlichkeiten hielt er überhaupt nichts. Sie waren etwas für Menschen, die an der Oberfläche schwammen. Je tiefer jedoch das Vertrauen zwischen sich liebenden Partnern entwickelt war, desto offener gingen sie miteinander um. Das hatte nun wahrlich nichts mit Kontrolle zu tun, wie viele meinten. Diese diente ausschließlich dem Misstrauen. Vertrauen dagegen hieß, alles, wirklich alles miteinander zu teilen. Ohne, dass der andere etwas befürchten musste. Deshalb hatten wahre Lebenspartner einzigartige, sehr persönliche Erlebnisse, die nur sie beide kannten.
Die Quelle des Glücks.
Es dämmerte. Die Tage waren kurz und dieser Umstand zermürbte zusätzlich.
Bruno machte das nichts. Im Gegenteil. Ein Gefühl der Abschirmung durch die Dunkelheit tauchte auf. Ließ ihn beschließen, seine Zukunft neu zu gestalten.
Sich zurückziehen. Von allen gesellschaftlichen Pflichten befreien.
Die schwermütigen Gedanken fraßen sich wieder in sein Bewusstsein, bis nur noch einer Platz fand:
Uta zu folgen.
Der Gong der antiken Barock- Standuhr ertönte elfmal.
Bruno ruckte hoch. Noch immer saß er im Dunklen. Hatte er geschlafen? Stunden waren mittlerweile vergangen. Dann bemerkte er, dass es nicht nur die Uhr war, die ihn weckte.
Das Telefon klingelte.