Hymnen an die Nacht. - Novalis - E-Book

Hymnen an die Nacht. E-Book

Novalis

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Beschreibung

Mit einer Novalis-Biographie von Ludwig Tieck. Mit einer Nachbemerkung des Herausgebers. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Hast auch du/ Ein menschliches Herz/ Dunkle Nacht?/ Was hältst du/ Unter deinem Mantel/ Das mir unsichtbar kräftig/ An die Seele geht?« – Die ›Hymnen an die Nacht‹ schrieb Novalis, nachdem seine Verlobte und sein Bruder im Abstand von nur wenigen Wochen gestorben waren. Doch trotz dieses doppelten Schicksalsschlags stimmt Novalis in seinen Hymnen kein Lamento an, sondern schöpft aus der Erfahrung des Todes und der Nacht einen neuen poetischen Ton, der die Romantik mitbegründete und in seiner Radikalität bis heute trägt.

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Novalis

Hymnen an die Nacht

Herausgegeben von Hans Jürgen Balmes

Fischer e-books

Mit einer Novalis-Biographie von Ludwig Tieck.

Mit einer Nachbemerkung des Herausgebers.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Hymnen an die Nacht

[In der Fassung der Handschrift]

Welcher Lebendige,

Sinnbegabte,

Liebt nicht vor allen

Wundererscheinungen

Des verbreiteten Raums um ihn

Das allerfreuliche Licht –

Mit seinen Strahlen und Wogen

Seinen Farben,

Seiner milden Allgegenwart

Im Tage.

Wie des Lebens

Innerste Seele

Atmet es die Riesenwelt

Der rastlosen Gestirne

Die in seinem blauen Meere schwimmen,

Atmet es der funkelnde Stein,

Die ruhige Pflanze

Und der Tiere

Vielgestaltete,

Immerbewegte Kraft –

Atmen es vielfarbige

Wolken u[nd] Lüfte

Und vor allen

Die herrlichen Fremdlinge

Mit den sinnvollen Augen

Dem schwebenden Gange

Und dem tönenden Munde.

Wie ein König

Der irdischen Natur

Ruft es jede Kraft

Zu zahllosen Verwandlungen

Und seine Gegenwart allein

Offenbart die Wunderherrlichkeit

Des irdischen Reichs.

Abwärts wend ich mich

Zu der heiligen, unaussprechlichen

Geheimnisvollen Nacht –

Fernab liegt die Welt,

Wie versenkt in eine tiefe Gruft

Wie wüst und einsam

Ihre Stelle!

Tiefe Wehmut

Weht in den Saiten der Brust

Fernen der Erinnerung

Wünsche der Jugend

Der Kindheit Träume

Des ganzen, langen Lebens

Kurze Freuden

Und vergebliche Hoffnungen

Kommen in grauen Kleidern

Wie Abendnebel

Nach der Sonne,

Untergang.

Fernab liegt die Welt

Mit ihren bunten Genüssen.

In andern Räumen

Schlug das Licht auf

Die lustigen Gezelte.

Sollt es nie wiederkommen

Zu seinen treuen Kindern,

Seinen Gärten

In sein herrliches Haus?

Doch was quillt

So kühl u[nd] erquicklich

So ahndungsvoll

Unterm Herzen

Und verschluckt

Der Wehmut weiche Luft,

Hast auch du

Ein menschliches Herz

Dunkle Macht?

Was hältst du

Unter deinem Mantel

Das mir unsichtbar kräftig

An die Seele geht?

Du scheinst nur furchtbar –

Köstlicher Balsam

Träuft aus deiner Hand

Aus dem Bündel Mohn

In süßer Trunkenheit

Entfaltest du die schweren Flügel des Gemüts.

Und schenkst uns Freuden

Dunkel und unaussprechlich

Heimlich, wie du selbst, bist

Freuden, die uns

Einen Himmel ahnden lassen.

Wie arm und kindisch

Dünkt mir das Licht,

Mit seinen bunten Dingen

Wie erfreulich und gesegnet

Des Tages Abschied.

Also nur darum

Weil die Nacht dir

Abwendig macht die Dienenden

Säetest du

In des Raums Weiten

Die leuchtenden Kugeln

Zu verkünden deine Allmacht

Deine Wiederkehr

In den Zeiten deiner Entfernung

Himmlischer als jene blitzenden Sterne

In jenen Weiten

Dünken uns die unendlichen Augen

Die die Nacht

In uns geöffnet.

Weiter sehn sie

Als die blässesten

Jener zahllosen Heere

Unbedürftig des Lichts

Durchschaun sie die Tiefen

Eines liebenden Gemüts,

Was einen höhern Raum

Mit unsäglicher Wollust füllt.

Preis der Weltkönigin,

Der hohen Verkündigerin

Heiliger Welt,

Der Pflegerin

Seliger Liebe

Du kommst, Geliebte –

Die Nacht, ist da –

Entzückt ist meine Seele –

Vorüber ist der irdische Tag

Und du bist wieder Mein.

Ich schaue dir ins tiefe dunkle Auge,

Sehe nichts als Lieb u[nd] Seligkeit.

Wir sinken auf der Nacht Altar

Aufs weiche Lager –

Die Hülle fällt

Und angezündet von dem warmen Druck

Entglüht des süßen Opfers

Reine Glut.

***

Muss immer der Morgen wiederkommen?

Endet nie des Irdischen Gewalt?

Unselige Geschäftigkeit verzehrt

den himmlischen Anflug der Nacht?

Wird nie der Liebe geheimes Opfer

Ewig brennen?

Zugemessen ward

Dem Lichte Seine Zeit

Und dem Wachen –

Aber zeitlos ist der Nacht Herrschaft,

Ewig ist die Dauer des Schlafs.

Heiliger Schlaf!

Beglücke zu selten nicht

Der Nacht Geweihte –

In diesem irdischen Tagwerk.

Nur die Toren verkennen dich

Und wissen von keinem Schlafe

Als den Schatten

Den du mitleidig auf uns wirfst

In jener Dämmrung

Der wahrhaften Nacht.

Sie fühlen dich nicht

In der goldnen Flut der Trauben

In des Mandelbaums

Wunderöl

Und dem braunen Safte des Mohns.

Sie wissen nicht

Dass du es bist

Der des zarten Mädchens

Busen umschwebt

Und zum Himmel den Schoß macht –

Ahnden nicht

Dass aus alten Geschichten

Du himmelöffnend entgegentrittst

Und den Schlüssel trägst

Zu den Wohnungen der Seligen,

Unendlicher Geheimnisse

Schweigender Bote.

Einst, da ich bittre Tränen vergoss –

 Da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann

und ich einsam stand an dem dürren Hügel, der in engen

dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens begrub, Einsam,

wie noch kein Einsamer war, von unsäglicher Angst ge-

trieben, Kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch, –

Wie ich da nach Hülfe umherschaute, Vorwärts nicht könnte

und rückwärts nicht – und am fliehenden, verlöschten Leben

mit unendlicher Sehnsucht hing – da kam aus blauen Fernen,

Von den Höhen meiner alten Seligkeit ein Dämmrungs Schauer –

Und mit einemmale riss das Band der Geburt, des

Lichtes Fessel – Hin floh die irdische Herrlichkeit und

meine Trauer mit ihr. Zusammen floss die Wehmut

in eine neue unergründliche Welt – Du Nachtbegei-

sterung, Schlummer des Himmels kamst über mich.

Die Gegend hob sich sacht empor – über der Gegend

schwebte mein entbundner neugeborner Geist. Zur Staubwolke

wurde der Hügel und durch die Wolke sah ich die

verklärten Züge der Geliebten – In Ihren Augen

ruhte die Ewigkeit – ich fasste ihre Hände und die

Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches

Band. Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne,

wie Ungewitter – An ihrem Halse weint ich dem

neuen Leben entzückende Tränen. Das war der

Erste Traum in dir. Er zog vorüber aber sein Abglanz

blieb der ewige unerschütterliche Glaube an den

Nachthimmel und seine Sonne, die Geliebte.

4. Sehnsucht nach dem Tode. Er saugt an mir. 5. Xstus. Er hebt den Stein v[om] Grabe.

Nun weiß ich wenn der letzte Morgen sein wird – wenn

das Licht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht, wenn

der Schlummer ewig und nur Ein unerschöpflicher Traum sein

wird. Himmlische Müdigkeit verlässt mich nun nicht wieder.

Weit und mühsam war der Weg zum heiligen Grabe und das

Kreuz war schwer. Wessen Mund einmal die kristallene

Woge netzte, die gemeinen Sinnen unsichtbar, quillt

in des Hügels dunkeln Schoße, an dessen Fuß die irdische

Flut bricht, wer oben stand auf diesem Grenzgebürge der Welt und

hinüber sah, in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz,

Wahrlich der kehrt nicht in das Treiben der Welt zurück,

in das Land, wo das Licht regiert und

ewige Unruh haust. Oben baut er sich Hütten

Hütten des Friedens, sehnt sich und liebt, schaut hinüber,

bis die willkommenste aller Stunden hinunter ihn

In den Brunnen der Quelle zieht. Alles Irdische

schwimmt obenauf und wird von

der Höhe hinabgespült, aber was Heilig ward durch

Der Liebe Berührung rinnt aufgelößt in verborg-

nen Gängen auf das jenseitige Gebiet, wo es, wie

Wolken sich Mit entschlummerten Lieben mischt.

Noch weckst du,

Muntres Licht,

Den Müden zur Arbeit –

Flößest fröhliches Leben mir ein.

Aber du lockst mich

Von der Erinnerung

Moosigen Denkmal nicht.

Gern will ich

Die fleißigen Hände rühren

Überall umschauen

Wo du mich brauchst,

Rühmen deines Glanzes

Volle Pracht

Unverdrossen verfolgen

Den schönen Zusammenhang

Deines künstlichen Werks

Gern betrachten

Den sinnvollen Gang

Deiner gewaltigen

Leuchtenden Uhr,

Ergründen der Kräfte

Ebenmaß

Und die Regeln

Des Wunderspiels

Unzähliger Räume

Und ihrer Zeiten.

Aber getreu der Nacht

Bleibt mein geheimes Herz

Und ihrer Tochter

Der schaffenden Liebe.

Kannst du mir zeigen

Ein ewigtreues Herz?

Hat deine Sonne

Freundliche Augen

Die mich erkennen?

Fassen deine Sterne

Meine verlangende Hand?

Geben mir wieder

Den zärtlichen Druck?

Hast du mit Farben

Und leichten Umriss

Sie geschmückt?

Oder war Sie es

Die Deinem Schmuck

Höhere, liebere Bedeutung gab?

Welche Wollust,

Welchen Genuss

Bietet dein Leben

Die aufwögen

Des Todes Entzückungen.

Trägt nicht alles

Was uns begeistert

Die Farbe der Nacht –

Sie trägt dich mütterlich

Und ihr verdankst du

All deine Herrlichkeit.

Du verflögst

In dir selbst

In endlosen Raum

Zergingst du,

Wenn sie dich nicht hielte –

Dich nicht bände

Dass du warm würdest

Und flammend

Die Welt zeugtest.

Wahrlich ich war eh du warst,

Mit meinem Geschlecht

Schickte die Mutter mich

Zu bewohnen deine Welt

Und zu heiligen sie

Mit Liebe.

Zu geben

Menschlichen Sinn

Deinen Schöpfungen.

Noch reiften sie nicht

Diese göttlichen Gedanken.

Noch sind der Spuren

Unsrer Gegenwart

Wenig.

Einst zeigt deine Uhr

Das Ende der Zeit

Wenn du wirst,

Wie unser Einer

Und voll Sehnsucht

Auslöschest u[nd] stirbst.

In mir fühl ich

Der Geschäftigkeit Ende

Himmlische Freiheit,

Selige Rückkehr.

In wilden Schmerzen

Erkenn ich deine Entfernung

Von unsrer Heimat

Deinen Widerstand

Gegen den alten,

Herrlichen Himmel.

Umsonst ist deine Wut

Dein Toben.

Unverbrennlich

Steht das Kreuz,

Eine Siegesfahne

Unsres Geschlechts.

Hinüber wall ich

Und jede Pein

Wird einst ein Stachel

Der Wollust sein.

Noch wenig Zeiten

So bin ich los

Und liege trunken

Der Lieb im Schoß.

Unendliches Leben

Kommt über mich

Ich sehe von oben

Herunter auf Dich.

An jenem Hügel

Verlischt dein Glanz

Ein Schatten bringet

Den kühlen Kranz

O! sauge Geliebter

Gewaltig mich an,

Dass ich bald ewig

Entschlummern kann.