I am Raven – Die Rache der Königin - Alastair Chisholm - E-Book

I am Raven – Die Rache der Königin E-Book

Alastair Chisholm

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Beschreibung

Packend, faszinierend, originell: Der zweite Band der actiongeladenen Kinderbuchserie über Tierclans und ungewöhnliche Freundschaften. Tierclan-Serie für Kinder ab 10 Jahren Mit der riesigen Tiermaschine Rabebeherrschten Brann und ihre Crew den Himmel, mächtig und furchtlos. Bis Rabe von Drache besiegt wurde. Branns Crew verschwand, und sie blieb alleine zurück. Nun zieht sie zusammen mit ihren Freunden der neuen Crew Welpe Richtung Norden, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen: Warum konnte Rabe besiegt werden, und wo ist ihre Crew? Auf ihrer abenteuerlichen Reise finden Brann, Coll und die anderen Unglaubliches über die Welt heraus. Alle Tierclans sind in höchster Gefahr! Ein mitreißendes Abenteuer in einer faszinierenden, zukünftigen Welt, die von Clans in gigantischen Tiermaschinen beherrscht wird. Tier-Fantasy voller Spannung und Action, in kurzen Kapiteln erzählt: Das perfekte Buch für Wenigleser ab 10 Jahren. Bei Antolin gelistet   Die Tierclan-Serie von Alastair Chisholm: I am Wolf – Der Kampf der Tierclans I am Raven – Die Rache der Königin Weitere Bände in Vorbereitung

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Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alastair Chisholm

I am Raven

Die Rache der Königin

 

Aus dem Englischen von Sabrina Sandmann

 

Über dieses Buch

 

 

Die Bände der Tierclan-Serie:

Band 1: I am Wolf – Der Kampf der Tierclans

Band 2: I am Raven – Die Rache der Königin

Band 3: We are Dragon – Das Versprechen der Freiheit (folgt 2026)

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de

Biografie

 

 

Alastair Chisholm brachte in Großbritannien bereits mehrere Romane für Kinder heraus und schreibt am liebsten futuristische und phantastische Erzählungen. Er lebt mit seiner Familie in Edinburgh.

Impressum

 

 

Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel I am Raven bei Nosy Crow Ltd, London, UK.

Text copyright © Alastair Chisholm, 2025

This translation of I am Raven is published by arrangement with Nosy Crow Limited.

Erschienen bei Fischer Sauerländer E-Book

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2025 Fischer Sauerländer GmbH,

Hedderichstraße 114, 60596 Frankfurt am Main

Timo Grubing wird vertreten von Agentur Brauer

Vignetten: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Covergestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung von Illustrationen von Timo Grubing und Motiven von Shutterstock.

Timo Grubing wird vertreten von Agentur Brauer

Coverabbildung: Timo Grubing und Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock

ISBN 978-3-7336-0880-4

 

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Inhalt

[Widmung]

[Karte]

Prolog

1 Welpe

2 Das Ende von Rabe

3 Rothain

4 Die Vorladung

5 Die Großlande

6 Die Großkonstrukte

7 Der Friedenshof

8 Zugriff

9 Geschichte

10 Die Mission

11 Bär

12 Die Überreste

13 Die Jagd

14 Drache

15 Norden

16 Queenie

17 Kralle

18 Die Wahrheit

19 Glücklich

20 Mutig

21 Frei

22 Stärker

23 Rieka

Anmerkungen des Autors

[Ankündigung Folgeband]

Für Dad, der stets der Angst ins Gesicht gelacht hat

A.C.

Prolog

Brann erinnerte sich noch an das letzte Mal, als sie sich erlaubt hatte, Angst zu spüren.

Sie war sechs Jahre alt gewesen, hatte auf ihrem neuen Bett gesessen, die Arme um die Knie geschlungen, und konnte nicht schlafen. Das Bett war zu groß, die Decke kratzig und das Kissen hart. Brann mochte das alles nicht. Sie wollte wieder zurück ins Nest zu den anderen kleinen Kindern und den netten Tanten und Onkeln, die sich um alle kümmerten. Brann gefiel es, beim Füttern der Babys zu helfen und alberne Spiele mit ihnen zu spielen. Man durfte dabei schmutzig werden. Es machte Spaß.

Aber sie war jetzt sechs Jahre alt, und die Tanten und Onkel sagten, sie sei nun zu groß, um weiter im Nest zu bleiben. Es sei an der Zeit, flügge zu werden. Eines Tages würde sie ein Crewmitglied sein, und das war der Anfang. Also war sie zusammen mit vier weiteren Kindern in dieses Zimmer gebracht worden, mit seinen zu großen Betten und kratzigen Decken. Sie würden die kommende Nacht hier verbringen, um sich an das Leben außerhalb des Nestes zu gewöhnen. Ab morgen würden sie dann bei den großen Kindern im Schlafsaal schlafen.

Brann mochte die großen Kinder nicht. Sie waren durchtrieben und gefährlich und behandelten die kleineren Kinder wie Schmeißfliegen. Und sie mochte auch diesen Übergangsraum nicht, mit seinem winzigen schummrigen Nachtlicht, das seltsame Schatten an die Wände warf. Draußen toste ein Sturm, sodass der Raum schwankte und schlingerte. Das machte Brann natürlich nichts aus – schließlich war sie auf Rabe geboren worden, und sein Ächzen war ihr so vertraut wie ihr eigener Herzschlag –, aber bei jeder Bewegung kamen ihr die Schatten vor wie Wölfe in der Nacht.

»Brann«, wimmerte Deryn im Bett neben ihr. »Ich hab Angst …«

Brann wollte nicht aufstehen. Aber sie ballte die Hände zu Fäusten, starrte finster in die Dunkelheit und kroch zu ihm hinüber.

»Es ist alles okay«, flüsterte sie und nahm seine Hand. »Das sind nur Schatten.«

Deryn nickte. Doch dann bekam er plötzlich Schluckauf und heulte los: »Brann, ich hab Angst!«

»Schhh«, machte Brann sanft. »Ist ja gut«, gurrte sie und streichelte ihm über den Kopf, aber er hörte nicht auf zu weinen. Die anderen waren ebenfalls wach geworden und spähten nervös zu ihnen herüber. Brann ignorierte sie. »Alles ist gut …«

»Wolf kommt uns holen!«, schluchzte er. »Wolf kommt uns holen!«

Da schwang die Tür auf, und ein Mann trat herein.

Er war der größte Mensch, den Brann je gesehen hatte. Er musste sogar den Kopf einziehen, um durch die Tür zu passen. Als Kleidung trug er eine enge Lederweste und eine Jacke mit schwarzen Federn. Sein Haar war ebenfalls schwarz, aber durchzogen von Silber und stand ihm stachelig vom Kopf ab. Über das Gesicht hatte er einen dicken schwarzen Streifen gemalt, sodass seine Augen weiß und starr wirkten.

»Was ist das für ein Lärm?«, fragte er. Seine Stimme war streng – nicht wütend, aber beinhart. Finster blickte er Deryn an. »Warum kreischst du so rum?«

Deryn wollte antworten, brach jedoch wieder in Tränen aus. Das Gesicht des Mannes verfinsterte sich noch mehr.

»Er hat Angst!«, blaffte Brann. »Lass ihn in Ruhe!« Da schaute der Mann sie an. Brann schluckte schwer, hielt jedoch seinem Blick stand.

»Verstehe«, entgegnete er mit einem Stirnrunzeln. »Und was ist mit dir? Hast du auch Angst?«

Natürlich hatte sie das, aber sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Hmm.« Er neigte sich zu ihr hinunter. »Du heißt Brann, richtig?«

Brann nickte.

»Weißt du, wer ich bin?«

»Kralle«, wisperte sie.

»Ja. Ich bin Kralle, und ihr seid meine Crew. Die Rabe-Crew ist stark. Die Rabe-Crew hat keine Angst. Verstanden?« Nun sah er auch die anderen an. »Ihr alle! Ist Brann die Einzige, die sprechen kann?«

Die anderen starrten ihn lediglich an.

Da wandte sich Kralle wieder Brann zu. »Steh auf, kleines Küken.«

Zitternd erhob sie sich.

»Komm mit mir.« Er schritt davon, und Brann folgte ihm, spürte die Blicke der anderen Kinder im Rücken.

Sie liefen durch die dunklen Gänge des Konstrukts, und die entgegenkommenden Erwachsenen nickten Kralle zu und machten ihm Platz zum Vorbeigehen. Dann gelangten sie zu einer Treppe. Kralle schickte Brann als Erste hinauf. Die Stufen waren unendlich hoch, doch sie kletterte bis ganz nach oben und trat hinaus an Rabes Deck.

Es war eisig kalt. Der Sturm wütete um sie herum, und der Wind peitschte ihr ins Gesicht. Oben stand Revna, Kralles stellvertretende Anführerin. Sie wirkte zunächst überrascht über Branns Anwesenheit, doch dann bemerkte sie den Rabe-Anführer und salutierte. Anschließend zog sie ihren Umhang aus und legte ihn Brann um die Schultern.

»Damit du warm bleibst«, sagte sie sanft. Dann befestigte sie ein Deckhalteseil um Branns Taille und zog es fest. »Und sicher.«

»Hier entlang«, befahl Kralle. Er führte sie weiter, noch mehr Stufen hinauf, an noch mehr Crewmitgliedern vorbei. Der Wind drohte sie umzuwehen, und das Deck schwankte unter ihren Füßen. Sie zog das Halteseil hinter sich her. Brann war schon öfter an Deck gewesen, aber immer nur bei Tag und zusammen mit den Tanten und Onkeln. Niemals so wie jetzt.

»Hierher«, sagte Kralle. Er hob er sie hoch und stellte sie auf einen Stapel Kisten. »Sieh dir das an!«

Rabe flog.

Seine gewaltigen Flügel schlugen mit kolossalen Schwüngen, trugen sie durch die Luft. Beide Flügel waren aus Tausenden überlappenden, schwarz schimmernden Federn aus Plastik und Metall gefertigt, die bei jeder Bewegung in der Nacht funkelten. Sie konnte sie auch hören: wumm, wumm, wumm. Vor ihnen starrte Rabes schwarzer Kopf dem Sturm entgegen. Sein unbarmherziger Schnabel war länger als ein erwachsener Mensch, jedes Auge pechschwarz und so groß wie Brann selbst.

»Du hast geredet, als die anderen geschwiegen haben«, sagte Kralle. »Sie hatten Angst. Aber du nicht, oder?«

Branns Herz raste. Der Wind schimpfte sie aus, der Regen spuckte sie an, und Blitze zuckten umher. Hinter ihr rannte die Crew vor und zurück, befestigte Drahtseile und rückte Kisten. Die Flügel schlugen auf und nieder. Der Sturm heulte. Kralle hielt sie am Gurt fest.

»Was fühlst du jetzt?«, wollte er wissen. Er drängte sie noch weiter nach vorne, sodass sie mit den Zehen auf der Reling stand. Unter ihr erstreckte sich der leere Himmel, und weit weg – so weit weg! – breitete sich der Erdboden aus wie eine bleiche Decke. »JETZT?«, rief er.

Angst ließ Branns Herz zu Eis gefrieren. Die Ränder der Welt ergrauten, so als würde sie durch einen Tunnel in eine große Leere blicken.

»Hör genau hin!«, brüllte Kralle. »Hör mit deinen Füßen!«

Brann wusste nicht, was er meinte, aber einen Augenblick lang spürte sie tatsächlich etwas: wie ein Flüstern oder ein Pulsieren oder ein Lied. Ein Lied …

Sie hörte Rabes Ruf. Es war, als würde sie einen Traum mit allen anderen Crewmitgliedern teilen – eine Vorstellung davon, was es bedeutete, Teil von Rabe zu sein, ein Lied über Kohlefaserflügel und Stahlklauen, über die Freude am Fliegen, über Luftströmungen, die sie in die Höhe hoben, sie alle gemeinsam …

Kralle zog sie wieder zurück und drehte sie zu sich herum.

»Hast du es gespürt?«, wollte er wissen. Irgendwie, trotz ihrer großen Furcht, nickte sie, und er grinste. »Hör mir mal zu, kleines Küken. Wir sind Rabe, und Rabe ist stark. Du darfst keine Angst haben. Angst ist Schwäche. Rabe hat keine Angst, verstanden? Nimm deine Angst, und wirf sie über Bord. Jetzt sofort!«

Brann starrte ihn an. Er war Kralle, ihr Anführer. Das war ein Befehl. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie ihre Angst fortwarf, in den Sturm hinein. Doch die Angst klammerte sich an ihr fest und wollte ihren Körper nicht verlassen. Also stellte Brann sich die Angst stattdessen als Flüssigkeit vor, die sie mit einem Behältnis auffangen und darin verbergen konnte.

Rabe hat keine Angst, dachte sie. Dann schloss sie den Deckel des Behältnisses und vergrub es tief in ihrem Inneren. Schob es ganz weit nach unten.

»Keine Angst«, flüsterte sie.

Kralle lachte schallend vor Anerkennung. »Genau! Angst ist Schwäche. Rabe ist stark.«

Angst ist Schwäche. Rabe ist stark. Brann nickte.

»Gut gemacht, kleines Küken«, lobte Kralle. »Wirklich gut gemacht.«

Trotz der kalten Luft und des eisigen Regens spürte Brann, wie sich Wärme in ihr ausbreitete. Sie war Rabe. Kralle hatte sie gelobt. Sie lächelte, und Kralle lächelte zurück.

Er hob sie herunter und brachte sie zu ihrem Schlafraum zurück. Die anderen waren noch wach, und als Kralle erneut eintrat, verstummten sie.

Kralle zeigte auf Brann. »Sie ist Rabe«, verkündete er. »Seid wie sie.«

Dann ging er.

Deryn starrte Brann ehrfürchtig an. Die anderen beobachteten sie still, so als wäre etwas an ihr nun anders. Brann hatte das Gefühl, dass das sogar stimmte.

Angst ist Schwäche, sagte sie zu sich selbst.

Deryn wimmerte noch immer leise, aber Brann ignorierte ihn und kletterte zurück in ihr eigenes Bett. Sie glaubte, das kleine Behältnis mit der Angst in ihrem Herzen spüren zu können. Sie stellte sich vor, dass es fest verschlossen war, mit Seilen verschnürt und nach unten geschoben.

Ich bin Rabe, dachte sie. Rabe hat keine Angst.

Dann schlief sie ein.

1Welpe

»Brann! Brann, wach auf!«

Brann fuhr hoch und schüttelte den Kopf.

»Was ist?« Sie spähte hinauf und sah Fillan grinsend über sich stehen.

»Du hast geschlafen«, sagte er.

Brann blickte finster. »Hab ich nicht«, murmelte sie. »Ich hab mich nur an was erinnert.«

»Du hast so was von geschlafen«, neckte Fillan. »Du hast geschnarcht und –«

»Ich hab nicht geschlafen!«, blaffte Brann. Dann sah sie sich um. »Wo sind die anderen?«

»Am Boden«, sagte Fillan fröhlich. Fillan war klein und rundgesichtig, hatte einen Schopf dunkelblonder Haare und rötlich sonnenverbrannte Haut. Er mochte einfach jeden, und es war schwer, ihm lange böse zu sein. Nun hielt er Brann eine Feldflasche mit Wasser hin, von dem sie dankbar einen Schluck nahm. Dann stand sie auf, streckte sich und blickte hinaus.

Sie befanden sich am Rand des Glaslands, im südlichen Teil ihrer Welt. Niemand wusste, was passiert war, aber irgendeine Katastrophe hatte vor langer Zeit alles vernichtet und den Erdboden verseucht, sodass hier nur noch kränklich aussehende Dornenbüsche wuchsen. Rostige Metallspieße ragten wie eingefrorene Bäume auf, und sandige Bereiche waren zu dunklem Glas verschmolzen.

Brann und die anderen aus der Welpe-Crew hatten das Glasland bereits einmal durchquert. Nun kehrten sie dorthin zurück, und es sah genauso trostlos aus wie eh und je. Die Sonne schien unerbittlich, und Brann schirmte die Augen ab. Auf dem Boden entdeckte sie die übrigen Mitglieder der Welpe-Crew, Coll und Rieka, die auf ein Gerät in Riekas Hand spähten.

Brann gab Fillan die Flasche zurück. »Danke«, sagte sie. »Tut mir leid, dass ich so mürrisch war.«

Fillan grinste. »Kein Problem. Coll ist kurz nach dem Aufwachen auch immer mürrisch.«

»Ich habe nicht geschlafen!«, protestierte sie erneut, aber Fillan schnaubte nur. Brann scheuchte ihn fort wie eine nervige Fliege und kletterte zu den anderen hinunter.

»Wie sieht’s aus?«, fragte sie.

Coll nickte ihr zu. »Hey. Ganz gut, glauben wir. Wir überprüfen nur gerade das Navigationssystem.« Er hob das Gerät in die Höhe. »Es spinnt im Moment ein bisschen.«

»Das Gerät ist völlig in Ordnung«, korrigierte Rieka. »Irgendjemand hat an der Kalibrierung rumgespielt. Es funktioniert einwandfrei, wenn es nicht von Dummköpfen bedient wird.«

Coll warf Brann einen Blick zu, und sie grinste nur.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der Riekas Kommentar Coll wütend gemacht hätte, aber in den letzten Monaten war er viel reifer geworden. Er war der Größte von ihnen, mit starken, breiten Schultern, einem kantigen Gesicht und dichten schwarzen Augenbrauen, durch die er ziemlich grimmig wirken konnte. Sein linker Arm endete kurz unter dem Ellbogen, und das linke Bein fehlte ab dem Knie abwärts, sodass er an beiden Gliedmaßen Prothesen trug.

Rieka neben ihm war dünn und mit an einer Seite stachelig abstehenden Haaren, das Gesicht zu einem missmutigen Ausdruck verzogen. Das war ihre typische Miene, wenn sie die Dummheit von allen anderen nicht fassen konnte. Man könnte also sagen, dass das ihr normaler Gesichtsausdruck war. Aber sie war auch wirklich genial, das musste Brann zugeben. Und sie war eine Tock, eine der wenigen Menschen, die wussten, wie man Maschinen wie Welpe zum Laufen brachte.

»Meinst du, das hier ist ein geeigneter Abflugplatz?«, fragte Rieka und sah dabei Brann an. Brann überlegte und schaute zurück zu Welpe, ihrem Konstrukt.

Teils Maschine, teils Gefährt, teils Zuhause. Welpe war fünf Meter hoch und geschaffen aus Stahl, Kohlefaserplatten und Plastik, allesamt zusammengehalten und angetrieben durch Anthrylen, das erstaunliche Material, das Konstrukten ihre Stärke und ihr Aussehen gab. Seine Beine bestanden aus Kolben, seine Schultern besaßen Metallgelenke, seine Augen waren aus Glas. Eigentlich sollte er einen Wolf darstellen, aber er sah vielmehr wie ein Wolfswelpe aus, mit einem rundlichen Körper und einem kurzen, wedelnden Schwanz. Brann glaubte, dass das Fillans Werk war. Konstrukte erhielten ihre Form durch die Gedanken der Crew. Wenn jeder »Wolf« denken würde, so wie Coll es gerne hätte, dann würde Welpe auch wirklich wie ein Wolf aussehen. Aber Fillans heitere Hundebaby-Art war ansteckend, und Welpe war das Ergebnis.

Coll stammte ursprünglich von Wolf. Brann hatte früher auf Rabe gelebt und Fillan auf Keiler. Und so etwas wie sie hatte es noch nie gegeben – denn normalerweise kämpften die Crews von verschiedenen Konstrukten gegeneinander und arbeiteten niemals mit anderen zusammen. Aber Rieka hatte sie irgendwie überzeugt. Und genau deshalb war Welpe nicht wie andere Konstrukte …

Brann nickte. »Ja, das sollte passen.«

Coll blickte Richtung Himmel. »Na, dann mal los.«

Sie kletterten an Bord und schnallten sich fest. Neben Brann saß Fillan mit Kevin, dem Emsenkonstrukt. Emsen lebten normalerweise mit ihresgleichen in Kolonien zusammen, doch Kevin war beschädigt worden und hatte sich Fillan angeschlossen. Die Emse folgte ihm nun wie ein Haustier überallhin und zirpte zufrieden, indem sie ihre Antennen aneinanderrieb – »Chick chick!«. Kevin war klein für eine Emse, und nun saß er auf Fillans Schoß.

Brann nickte Fillan zu. »Bereit?«

Fillans Augen strahlten. »Bereit!«, bestätigte er und umschloss Kevin fest mit den Armen.

»Du führst uns«, sagte Coll zu Brann, woraufhin sie nickte und sich konzentrierte. Sie ließ ihre Gedanken hinuntergleiten, ins Deck sinken, spürte die Kolben und Motoren und Drahtseile, als wären sie ein Teil von ihr. Spürte den Ruf. Und dann war sie Welpe, und als sie sich bewegte, trampelte auch Welpe vorwärts, wurde immer schneller. Und schließlich …

Und schließlich dachte Brann an eine andere Form, ein anderes Konstrukt, und Welpe veränderte sich. Mit einer fließenden Bewegung hoben seine Vorderbeine vom Boden ab und spreizten sich breit, streckten sich als Flügel aus und fanden die Luftströmungen unter ihm. Sein fassförmiger Körper wurde dünner, seine Hinterbeine drückten sich noch ein letztes Mal kräftig ab und schrumpften dann zusammen … und Welpe flog.

»Wooohooo!«, schrie Fillan. Brann spürte die anderen in Welpes Lied, wie sie alle an dasselbe glaubten, nämlich dass Welpe, der ein paar Sekunden zuvor noch ein Wolfswelpe gewesen war, jetzt auf wundersame Art und Weise fliegen konnte wie ein Rabe. Es war unmöglich – aber es funktionierte.

Welpe flatterte mit seinen neu gewachsenen Flügeln, und Brann ließ ihn vorsichtig weiter abheben, woraufhin er emporstieg, mit den Flügeln durch die Luft schlug und die Welt mit den Spitzen seiner Federn kostete. Fillan lachte begeistert. Welpe schwebte umher, wuchtete sich hoch, fand eine Luftströmung, gewann an Höhe und wandte sich dann in Richtung des Glaslands.

Plötzlich war die Luft stickig und stank nach Schwefel und Rost. Bei ihrer letzten Durchquerung hatten sie einen mühseligen, tagelangen Fußmarsch hinter sich bringen müssen, allerdings konnten sie damals auch noch nicht fliegen. Diesmal segelte Welpe über das zerstörte Land hinweg. Brann und die anderen konzentrierten sich, um ihre Fluggestalt aufrechtzuerhalten, und suchten die Erde ab. Kurz vor Sonnenuntergang deutete Coll nach unten.

»Sind sie das?«

Unter ihnen krabbelte eine winzige schwarze Gestalt vorsichtig durch die Landschaft.

»Ja!«, rief Brann.

Coll grinste. »Dann sagen wir mal Hallo.«

Brann passte ihren Kurs an, und bald konnten sie das andere Konstrukt klar erkennen – ein flacher Kopf, ein langer ovaler Rumpf, sechs Beine … und obendrauf zwei winzige Personen, die zu ihnen heraufstarrten. Brann brachte Welpe in einem eleganten Bogen herum und richtete sich ein paar Meter entfernt auf die Landung ein.

»Bereit?«, rief sie. »Jetzt!«

Sie kamen auf dem Boden auf. Mit einer fließenden Bewegung stabilisierten die Flügel das Konstrukt, senkten sich herab und verwandelten sich schließlich wieder in Welpes Vorderpfoten. Seine Hinterbeine streckten sich aus, und Welpes Kopf nahm erneut seine ursprüngliche Form an. Und dann war Welpe wieder ein auf dem Boden stehender Wolfswelpe.

Die Welpe-Crew kletterte herunter, und die beiden anderen Personen verließen ihr eigenes Konstrukt und kamen auf sie zu.

Es waren ein Mann und eine Frau. Das Gesicht des Mannes war von unendlich vielen Falten gezeichnet, die sich beim Lächeln bewegten, und er hatte dichtes, weißes, zotteliges Haar. Die Frau neben ihm war groß und so reglos wie Stahl, und sie war in ein braunes Umhängetuch gehüllt.

Der Name des Mannes war Dolen, die Frau hieß Namir, und das Konstrukt hinter ihnen war Käfer.

Dolen winkte. »Hallöchen, ihr jungen Leute!«, rief er. »Schön, euch wiederzusehen!« Sein Blick wanderte zu Welpe hinter ihnen. »Da habt ihr ja ein tolles Kunststück gelernt! Ein fliegender Wolf, was?« Er grinste. »Ich schätze mal, ihr habt ’ne spannende Geschichte zu erzählen.«

 

Bei ihrem letzten Zusammentreffen mit den Käfern waren sie auf dem Weg nach Süden gewesen und hatten versucht, Wolf und Drache einzuholen. Drache, ein rätselhaftes, sehr mächtiges und bösartiges Konstrukt aus dem Norden, hatte Wolf und Rabe angegriffen. Es hatte Rabe zerstört und Wolf Richtung Süden getrieben, sodass Coll, Fillan und Brann am Boden gestrandet waren. Aber Rieka hatte ihnen gezeigt, wie sie Rabe zu einem neuen Konstrukt – Welpe – umbauen konnten, und dann waren sie gemeinsam Wolf hinterhergejagt.

Beim Abendessen erzählte die Welpe-Crew den Rest ihrer Geschichte – wie sie Wolf gefunden, gegen Drache gekämpft und ihn besiegt hatten. Und wie sie auf dem Weg dorthin gelernt hatten, dass sie Welpe verändern konnten – von seiner Wolfsform in die Rabenform und sogar zur Keilerform …

»Wir haben ihn ZERTRÜMMERT!«, rief Fillan. Sein Gesicht glühte bei der Erinnerung an seinen Moment des Ruhms, als er Welpe mit Keilers Stärke gelenkt und Draches Schienbeinen einen Kopfstoß verpasst hatte. »Und dann ist er die Klippen runtergestürzt, bumm, bumm, BUMM!«

»Mannomann!«, kommentierte Dolen. »Und was ist danach passiert?«

»Er hat überlebt, aber den Rückzug angetreten«, erklärte Coll.

Sie saßen ums Lagerfeuer und aßen gegrillte Glasratte vom Spieß. Dolen war ein guter Zuhörer, keuchte auf und bejubelte ihre Abenteuer. Namir war ruhiger, aber ihre Augen funkelten, als Fillan den Kampf mit Drache beschrieb.

»Also lebt er noch?«, fragte sie nun.

Rieka nickte. »Wir waren selbst zu stark beschädigt, um ihn zu verfolgen. Wir hatten Glück, überhaupt davonzukommen.«

»Und Wolf?«, wollte Dolen wissen. »Du hast sie gefunden, Coll – aber bist trotzdem bei Welpe geblieben?«

Coll rutschte hin und her. »Na ja«, sagte er, »ich meine, es war …« Dann zuckte er mit den Achseln. »Das hier ist meine Crew.«

Namir schenkte ihm ein kleines, seltenes Lächeln.

»Alpha mag ihn nicht mehr«, erklärte Brann.

»Das stimmt nicht!«, protestierte Coll.

»Sie meinte, wenn Wolf Welpe noch mal über den Weg läuft, greifen sie an. Und sie hat gesagt: ›Du bist nicht Wolf‹.«

Dolen seufzte. »Es ist nicht einfach, ein Anführer zu sein. Man darf sich vor der eigenen Crew nichts anmerken lassen, auch wenn man eigentlich was anderes fühlt.« Er lächelte Coll an. »Selbst wenn es um ein Familienmitglied geht.«

Coll nickte und schaute weg.

»Und was habt ihr jetzt vor?«, wollte Namir wissen.

»Wir suchen nach der Rabe-Crew«, erzählte Brann.

Rieka runzelte die Stirn. »Nein, wir suchen nach dem Signal«, berichtigte sie nachdrücklich.

Brann wollte widersprechen, aber Coll hob eine Hand. »Wir suchen nach beidem«, sagte er. »Rieka hat ein Signal aus Richtung Norden empfangen. Drache kam auch von Norden, und er ist anders als alle Konstrukte, die wir je gesehen haben. Sie möchte mehr darüber herausfinden. Und nach dem Sieg über Rabe hat Drache die Rabe-Crew zurückgelassen – einen Tag später sind allerdings alle verschwunden, während Brann auf Erkundungsmission war. Also machen wir uns auf den Weg zu der Stelle, wo Rabe zuletzt war, und suchen nach einer Spur. Wenn dort nichts ist, folgen wir weiter dem Signal.«

»Ihr werdet sie bestimmt finden«, munterte Dolen sie auf.

Brann nickte und ließ dann den Kopf sinken.

Danach saßen sie schweigend beim flackernden Schein des Feuers.

»Na dann«, sagte Dolen endlich, »es ist an der Zeit, unsere alten Knochen auszuruhen, Mrs K.«

Namir nickte. »So ist es, Mr K.« Sie standen auf, und Dolen verbeugte sich spielerisch vor ihnen, dann wandte er sich um und ging fort.

»Nacht zusammen!«, rief er fröhlich über die Schulter.

Fillans Kopf sackte hinunter, und er begann zu dösen. Die anderen hoben ihn hoch und brachten ihn zurück an Deck von Welpe, dann legten auch sie sich schlafen.

 

Am nächsten Tag verabschiedeten sie sich von den Käfern und bereiteten sich auf die Weiterreise vor.

»Ihr müsst Wolfs Territorium durchqueren«, wandte Namir nachdenklich ein. »Ist das sicher?«

»Wir meiden die Siedlungen«, erklärte Coll. »Und wir fliegen, wann immer wir können – so kommen wir schnell voran und können Wolf aus dem Weg gehen.«

»Viel Glück«, sagte Dolen. Dann lächelte er Brann an. »Ich hoffe, du findest, wonach du suchst.«

Dolen und Namir kletterten an Bord von Käfer und winkten ihnen zum Abschied. Anschließend rappelte sich das Konstrukt auf seine sechs Beine hoch, wendete mit einer komplizierten Schrittfolge und krabbelte fort. Welpe machte sich auf den Weg zu einem Hügel in der Nähe, wo Brann wieder die Führung übernahm, und sie flogen los Richtung Norden.

Während ihrer Reise runzelte Brann die Stirn, dachte an Rabe. Colls Worte vom Vorabend kamen ihr wieder in den Sinn.

Sie sind alle verschwunden, während Brann auf Erkundungsmission war.

Sie war tatsächlich auf Erkundungsmission gewesen, und bei ihrer Rückkehr waren alle fort gewesen und hatten den zerstörten Raben und seine Fracht zurückgelassen. So hatte sie es Coll erzählt. Und es entsprach auch der Wahrheit.

Allerdings nicht der ganzen Wahrheit.

2Das Ende von Rabe

Welpe flog Richtung Norden, aus dem Glasland heraus und in Wolfs Territorium hinein.

Bei ihrem letzten Mal hier hatten die Bewohner von Sprenkel sie gejagt. Diesmal flogen sie einen weiten Bogen Richtung Osten und trafen auf niemanden. Noch weiter östlich lag Pumas Gebiet. Richtung Westen, hinter Sprenkel, verlief die Welt ins Nichts. Doch Welpe flog nach Norden weiter, strebte dem Ort zu, wo sie alle zum ersten Mal aufeinandergetroffen waren, wo Wolf, Rabe und Drache miteinander gekämpft hatten. Wo Rabe gefallen war.

Während des Flugs hielten sie nach Wolf Ausschau.

»Alpha würde uns nicht wirklich angreifen«, meinte Coll. »Das muss sie nur einfach sagen. Wegen der Crew, wisst ihr.« Doch er suchte mit den Augen den Horizont ab und hielt Welpes Reling nervös mit den Händen gepackt. Brann beachtete ihn nicht. Von hier oben, mit dem vorbeirauschenden kalten Wind und dem Säuseln der Luftströmungen an Welpes ausgestreckten Flügeln, erschien ihr nichts am Boden wichtig. Wenn sie flog, fühlte sie sich frei. Und sie waren auf dem Weg Richtung Norden, dorthin, wo Rabe zuletzt gewesen war. Vielleicht auch in Richtung ihrer Crew …

Sie legten einen kurzen Übernachtungsstopp ein und flogen früh am nächsten Morgen weiter. Bald überquerten sie einen kleinen Hügel, kamen schließlich zum Rand einer weiten Grasebene, und plötzlich schlug Branns Herz schneller.

»Das ist die Stelle«, murmelte sie.

Sie landeten. Welpe verwandelte sich zurück in seine Wolfswelpenform, legte sich hin und riss das Maul zu einem herzhaften Gähnen auf, sodass er einen Augenblick lang genau wie Fillan aussah. Brann blickte sich um. Sie waren vor Monaten zuletzt an diesem Ort gewesen, und die Krater und Furchen in der Erde waren von frischem Gras und Wildblumen überdeckt. Es war schwer zu erkennen, wo genau sie gewesen waren.

Das hier war der Ort von Rabes letztem Kampf.

Es hatte im Norden in Rabes Gebiet begonnen. Drache hatte Rabe angegriffen. Drache, ein albernes, lächerliches Konstrukt, von dem alle gedacht hatten, dass es irgendwo verlassen in einem Graben lag, und das dennoch irgendwie zu etwas Grimmigem und Allmächtigem geworden war. Drache, der Rabe nicht in Ruhe gelassen und erst in Hyänes Gebiet, dann in Wolfs Territorium getrieben hatte … Und dann hierher, zur letzten Schlacht, wo er Rabe zerstört und seine Crew dem Tod überlassen hatte.

Coll wandte sich Brann zu. »Was wollen wir jetzt machen?«

Brann zögerte. Sie war sich nicht ganz sicher. An diesem Ort hatte sie die Rabe-Crew zuletzt gesehen hatte. Etwas war mit ihnen passiert – so schnell passiert, dass sie ihr zerstörtes Konstrukt zurückgelassen hatten. Was konnte das gewesen sein?