I'm a loser right - Jessica Trepl - E-Book

I'm a loser right E-Book

Jessica Trepl

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Beschreibung

Yannik, ein 14-jähriger Junge, der erfährt, dass sein Vater ein bekannter Rapper ist. Doch schon im nächsten Moment kündigt ihm sein bester Freund die Freundschaft und plötzlich wird er in seinem Leben einer Herausforderung nach der nächsten gestellt, in der er mit seiner Psyche zu kämpfen hat. Nur wird er diesen Kampf auch gewinnen?

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Vorwort

Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass in diesem Buch Themen wie Mobbing, Essstörungen, Body Shaming, Selbstverletzung, Depressionen, Suizid (Gedanken), Entführung und Verluste geliebter Menschen behandelt werden. Somit sollte dieses Buch nur gelesen werden, solange diese Themen nicht triggernd wirken könnten, oder ein Trauma wieder aufleben lassen.

Außerdem geht ein großer Dank an Mia für das Verfassen des 4. Kapitels.

Die Motivation mich an dieses Thema heranzutrauen kam daher, dass ich selbst jemanden kenne, der mit solchen Themen zu kämpfen hatte und zudem verhilft dieses Buch vielleicht dem ein oder anderen zum Nachdenken.

PROLOG

Hallo, schätze ich? Mein Name ist Yannik. Ich bin 13, fast 14 Jahre alt und lebe mit meiner Mutter in einer kleinen Wohnung in Berlin, genauer gesagt in dem Bezirk Lichtenberg.

Viel Geld hatten wir nie, ebenso kannte ich meinen Vater nicht, was ich schon immer sehr mies fand. Es könnte theoretisch jeder Mann mein Vater sein. Mein Lehrer, unser Nachbar, der Mann, den ich öfter in der U-Bahn sah, er könnte ein Krimineller sein oder auch, wenn ich diesen Gedanken absolut nicht mochte – tot. Mom redete nie über ihn und hatte nichts, was etwas Aufschluss darüber geben könnte, wer er war. Ich konnte gar nicht erst versuchen, über ihn zu reden, da sie dann meist sofort das Thema wechselte oder möglichst daran vorbeiredete.

Aber noch ein paar Informationen zu mir. Ich war nicht sonderlich groß, sogar eher klein für mein Alter und ich war nicht gerade der dünnste, zwar auch nicht dick, moppelig halt. Außerdem trug ich eine Brille und war hochbegabt. Ich war ein Streber, wie er im Buche stand. Und ich war dementsprechend auch ziemlich unbeliebt. Ich hatte lediglich einen Freund. Jonas. Auch, wenn wir verschieden waren, wie Tag und Nacht. Er legte keinen großen Wert auf die Schule, hörte Deutschrap, war respektlos seinen Eltern und manchmal auch Lehrern gegenüber. Zudem trank er auch hin und wieder heimlich Alkohol. Aber dennoch schafften wir es, miteinander auszukommen. Manchmal hatte ich allerdings Angst, dass unsere Freundschaft jeden Moment zerbrechen könnte, da ich in seinen Augen langweilig war. Ich sah es zwar eher als klug und nicht als langweilig an, mit 14 nicht heimlich Alkohol zu trinken, aber da gingen unsere Meinungen wohl einfach auseinander.

„Yannik, du verschwindest wieder in deinen Gedanken“, hörte ich plötzlich eine genervte Stimme sagen und eine Hand, die vor meinem Gesicht herumwedelte, riss mich aus meinen Gedanken. Erst wunderte ich mich, dann fiel mir wieder ein, dass ich bei Jonas zu Besuch war.

„Sorry“, meinte ich sofort.

„Du verschwindest so häufig in Gedanken, gehen die dir nicht langsam mal aus?“, fragte er.

„Nein, Gedanken sind wie dein Blut. Es kann dir nicht ausgehen. Wenn du blutest, produziert es dein Körper sofort nach, genauso ist es mit Gedanken.“

„Aber man kann verbluten, wenn man zu viel Blut verliert.“

„Das stimmt. Du verblutest, wenn du mehr verlierst, als du nachproduzieren kannst. Wenn du viel nachdenkst, aber keine Inspirationen für neue Gedanken sammelst, gehen sie dir aus, das stimmt. Ich finde aber eigentlich so gut wie immer Inspiration.“

„Du gewinnst doch wirklich jede Diskussion“, murmelte er so genervt, dass ich mir für einen kurzen Moment Gedanken machte, ob er sauer auf mich war.

„Na ja, Themenwechsel. Du weißt ja, ich höre Deutschrap.“

Ich nickte. Ja, über Jonas’ Musikgeschmack, den ich über alles hasste, wusste ich bestens Bescheid.

„Ich habe letztens einen Rapper entdeckt, der dir verdammt ähnlich sieht.“

Er zeigte mir auf seinem Handy ein Bild von diesem besagten Rapper. Tatsächlich. Wir waren uns so ähnlich, dass man meinen könnte, wir wären Vater und Sohn. Moment, Vater und Sohn? Nein, diesen Gedanken schlug ich mir schnell aus dem Kopf. Immerhin war er ein bekannter Rapper. Ich glaubte nicht, dass so jemand mein Vater war.

„Du denkst wohl das gleiche wie ich?“, fragte Jonas.

„An sich schon, aber er ist es nicht. Das wäre etwas sehr viel Glück auf einmal, findest du nicht?“ Skeptisch sah ich ihn an.

„Einen Versuch ist es doch wert, oder nicht? Immerhin wohnt er auch in Berlin.“

Ich seufzte leicht genervt. „Okay, selbst wenn. Wie willst du ihn bitte kontaktieren?“

„Anschreiben?“, fragte er mit einem ‘Ist das nicht offensichtlich?’ Tonfall, als wäre es das normalste der Welt, als Normalsterblicher einen bekannten Rapper anzuschreiben und auch noch eine Antwort zu erwarten.

Und schon im nächsten Moment krallte er sich mein Handy und schrieb diesen Rapper an: »Hey, komische Frage vielleicht, aber du hast nicht zufällig einen Sohn namens Yannik, oder? Ich bin der Kumpel von dem Besitzer dieses Handys und der sieht dir unfassbar ähnlich.«

„Jonas!“

Ich riss ihm mein Handy aus der Hand. Gerade als ich die Nachricht löschen wollte, las er diese. „Was hast du getan!“, murmelte ich. Kaid, wie der Künstlername des Rappers lautete, tippte eine Antwort ein:

»Ich habe tatsächlich einen Sohn namens Yannik. Wenn der Name der Mutter von dem, dem das Handy gehört, Monika ist, ist er mein Sohn.«

Mir klappte die Kinnlade herunter, das konnte doch nicht wahr sein. „Okay, Moment.“ Ich schickte Mom ein Bild von Kaid und schrieb dazu: »Wir müssen da über etwas reden.« Direkt danach rief ich sie an.

„Kann es sein, dass er mein Vater ist?“

Sie schwieg eine Weile. „Yannik, ich spreche normalerweise nicht über dieses Thema.“

„Ich weiß, aber ich will endlich die Wahrheit wissen. Also, ist er mein Vater?“

Sie seufzte „Komm erst mal nach Hause, dann besprechen wir das.“

Ich legte auf, sah zu Jonas. „Ich muss nach Hause, meine Mutter will das alles mit mir besprechen, sehen wir uns morgen?“

„Klar.“ Er nickte, woraufhin ich dann also aufstand und mich auf den Heimweg machte.

Ich eilte mit großen Schritten davon, denn ich war mir sicher, dass ich meiner Mutter die ganze Wahrheit so oder so aus der Nase ziehen würde. Schlussendlich stand ich vor unserer Wohnung und öffnete die Tür. Meine Mutter war in der Küche und war dabei, die Zutaten für das Mittagessen zusammenzusuchen. So wie es aussah, sollte es ein Nudelauflauf werden.

„Da bist du ja, Yannik. Und? Wie war es bei Jonas?“

Ich lächelte etwas. „Gut.“ Ich lehnte mich an eine Wand, sah sie dann aber doch ernster an. „Also, Mom. Ist er mein Vater?“

Sie seufzte, lehnte sich an die Küchentheke. Man sah ihr deutlich an, dass sie eigentlich nicht darüber reden wollte.

„Mom, bitte. Ich werde dieses Jahr 14 und habe noch immer keine Ahnung, wer mein Vater ist. Ich möchte endlich Gewissheit haben, was das angeht.“

Sie sah mich still an, fuhr sich durch die Haare. „Ich mache mir einfach nur Sorgen, Yannik. Nicht, dass dein Vater ein schlechter Mensch ist, aber es hatte dennoch Gründe, dass du bei mir aufgewachsen bist. Ich will nicht, dass du dir Hoffnungen machst und dann enttäuscht wirst.“

„Das heißt du hast es schon bejaht“, meinte ich, sie sah auf.

„Ja, das kann sein. Gut, meinetwegen, hier hast du Klarheit.“

Ich wurde sofort aufgeregt. Ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass ich meinen Vater nie kennenlernen würde. Allerdings stand nun so gut wie nichts mehr im Weg. Na ja, gut, mein Vater könnte sagen, dass er mich nicht kennenlernen wollte, aber warum sollte er? Mom meinte immerhin, dass er grundsätzlich kein schlechter Mensch war.

„Hast du denn Kontakt zu ihm?“, fragte mich meine Mutter.

„Ja, Jonas hat ihn von meinem Handy aus angeschrieben. Darf ich mich mit ihm treffen?“ Ich begann sofort zu strahlen, hoffte auf ein Ja als Antwort.

„Wenn du unbedingt möchtest, ja. Aber Yannik, bitte mach dir nicht zu große Hoffnungen. Ich will nicht, dass du enttäuscht wirst, sollte es nicht so laufen, wie du es dir gerade vorstellst. Er hat keine böse Absicht, aber sei trotzdem vorsichtig.“

„Natürlich, Mom.“ Schon rannte ich in mein Zimmer und schrieb Kaid wieder an:

»Ich habe mit meiner Mutter geredet, sie sagt auch, dass du wohl mein Dad bist. Können wir uns vielleicht treffen? Ich will dich kennenlernen.«

Ich musste recht lange auf eine Antwort warten, doch dann kam sie: »Natürlich, wo denn? Du wohnst, soweit ich weiß in Lichtenberg, richtig?«

»Ja«

»Dann können wir uns am Roedeliusplatz treffen. Heute habe ich keine Zeit mehr, aber morgen gerne. Wie wäre es mit 15 Uhr?«

Ich starrte ungläubig auf die Nachricht und schrieb sofort: »Natürlich.«

In dieser Nacht war an Schlafen nicht mehr zu denken, ich war so unfassbar aufgeregt. Ich malte mir alle möglichen Szenarien aus, was passieren könnte, mein Herz raste vor Freude. Irgendwann schlief ich gefüllt mit Vorfreude ein. Am nächsten Tag fragte ich Jonas, ob er mitkommen wollte und machte mich dann mit ihm auf den Weg zu dem Roedeliusplatz. Ich war so aufgeregt wie noch nie. Während wir warteten, verging die Zeit unerträglich langsam.

„Kann die Zeit nicht etwas schneller vergehen?“, murmelte ich ungeduldig. Irgendwann kam ein Mann auf uns zu. Er war groß, sicher 1,90 m. Er trug einen hellbraunen Trenchcoat und darunter schwarze Klamotten. Seine Haare waren schwarz und gelockt, etwas zerzaust. Ich sprang auf und lief auf ihn zu. Er war es. Jetzt, als ich ihn vor mir stehen sah und nicht nur auf einem Bild, kam er mir auch tatsächlich sehr bekannt vor, anscheinend hatten wir uns häufiger gesehen, als ich noch jünger gewesen war. Bevor er irgendetwas sagte, nahm er mich in den Arm. Ich war erst mal komplett starr, schließlich ließ er mich wieder los, lächelte sanft.

„Du bist also mein Vater?“

Er nickte, schmunzelte und hob mich hoch. „Du bist groß geworden.“

„Groß? Ich hab’ das Gefühl, dass ich mit 10 Jahren einfach aufgehört habe, zu wachsen“, meinte ich grinsend.

Dies entlockte ihm ein Lachen. „Na ja, ich habe dich zuletzt gesehen, als du drei warst, also ein Unterschied ist da schon.“ Er zwinkerte und ließ mich dann wieder runter.

„Wo warst du die ganzen Jahre?“

„Wann anders, Yannik. Bitte nicht jetzt und hier.“

„Ziehst du wenigstens zu uns?“

„Ich schätze nicht, dass das eine gute Idee wäre. Deine Mutter und ich sind zwar nicht im Streit auseinandergegangen, aber wir könnten denke ich nicht wieder zusammen wohnen, du könntest vielleicht zu mir ziehen, wenn du das möchtest.“

„Ja! Unbedingt! Wenn Mom das erlaubt, versteht sich, aber ich denke schon.“

„Wir können sie fragen, wenn du mich hinbringst, denn ich war nun schon so lange nicht mehr hier, ich habe keine Ahnung mehr, wo eure Wohnung ist.“ Ein leichtes Grinsen zog sich über sein Gesicht.

„Klar, mache ich.“ Aber noch bevor wir losgehen konnten, hielt mich Jonas auf.

„Warte, Yannik, können wir kurz reden?“

„Klar.“

Also entfernte ich mich mit ihm etwas von meinem Vater. „Was gibt’s?“

„Er ist also wirklich dein Vater.“

„Ja, ist das nicht toll? Er ist so nett und so humorvoll.“

„Schön für dich.“ Dies sagte er in einem so trockenen und genervten Ton, dass ich verstummte.

„Alles gut?“ Ich sah ihn irritiert an.

„Klar, natürlich ist alles gut. Du hast ja nur alles Glück der Welt, einen berühmten, netten, humorvollen Vater, bist hochbegabt, hast gute Noten und allgemein das perfekte Leben! Wenn du dann zu ihm ziehst, wirst du wahrscheinlich auch noch in purem Luxus leben.“

„Okay, Moment. Wir sind jahrelang befreundet und du scheinst mich trotzdem nicht gut genug zu kennen. Ich habe alles andere als ein perfektes Leben. Ich bin hässlich, unbeliebt, wohne mit meiner Mutter in einer kleinen Wohnung und habe jetzt 14 Jahre lang nicht mal etwas von meinem Vater gehört und dieses hochbegabt sein hat auch mehr Nach- als Vorteile.“

„Wie auch immer. Soll ich dir mal etwas sagen? Du kennst doch diese Clique, Connor, Luca, Patrick etc., oder?“

Ich nickte. Dies war eine Clique an unserer Schule, sie waren beliebt, tranken genauso wie Jonas Alkohol, hatten keine guten Noten und machten sich einen Spaß daraus, sich über andere lustig zu machen. Ich wurde manchmal von ihnen angepöbelt, aber nie direkt angegriffen. Nun hatte ich allerdings eine schlechte Vorahnung.

„Ich bin mit ihnen befreundet und da kann ich natürlich keine Freundschaft mehr mit so einem unbeliebten Streber führen, bedeutet du bist so ziemlich abgeschrieben. Ich denke, mehr muss ich gar nicht sagen, du weißt es selbst, denke ich.“

„Ist das dein Ernst? Nur weil ich, wie du es sagst, ein Streber sei, willst du unsere ganze Freundschaft über Bord werfen?“ Verständnislos sah ich ihn an.

„In etwa. Außerdem schau dich doch mal an. Es ist ja peinlich, mit dir draußen rumzurennen. Na ja, ich hab’ alles gesagt, was ich sagen wollte. Sei bei wem anders prüde und langweilig, bei mir brauchst du nicht mehr anzukommen, dass das klar ist.“ Schon wendete er sich ab. Wie versteinert blieb ich stehen. Wir waren seit der Grundschule die besten Freunde und jetzt war einfach alles vorbei?

Mein Vater kam zu mir „Alles gut so weit?“ Er kniete sich runter, sodass er auf gleicher Höhe mit mir war.

„Ja, geht schon, schätze ich“, murmelte ich.

„Mach dir nichts draus. Lass uns jetzt erst mal zu deiner Mutter gehen.“ Ich nickte, wir gingen los. Es gab so viele Dinge, die ich ihn fragen wollte, allerdings tat ich es nicht. Ich stand noch immer unter Schock, konnte nicht fassen, was soeben passiert war. Das alles ging so schnell. Eben noch war ich überglücklich, jetzt war ich am Boden zerstört. Am meisten Angst hatte ich jedoch davor, was jetzt auf mich zukam. Immerhin war diese Clique alles andere als nett und wenn sie nun negativ gegen mich eingestellt war, hieß das nichts Gutes. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich mir die Folgen dessen vor Augen führte, was alles passieren könnte.

Irgendwann kamen wir bei der Wohnung an, ich war so derartig aus der Fassung, dass ich es erst nicht auf die Reihe brachte, meinen Schlüssel aus der Hosentasche zu ziehen und die Tür aufzusperren, Dad sah mich an. „Sicher, dass alles gut ist? Du bist so durch den Wind.“

Er legte seine Hand auf meine Schulter und sah mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck an.

„Geht schon.“ Endlich hatte ich es geschafft, die Tür öffnete sich. „Mom? Ich bin wieder da“, rief ich.

Sie kam in den Flur. Als sie jedoch meinen Vater sah, wurde sie still. „Kai“, empfing sie ihn trocken.

„Monika“, erwiderte er im gleichen Stimmton.

„Wie konntest du es eigentlich zulassen, dass es Yannik erfährt? Wir hatten eine Abmachung.“

„Monika, ich bin nicht gerade unbekannt. Meinst du nicht, da besteht der Hauch einer Chance, dass er mich findet und unsere Ähnlichkeit bemerkt? Denk realistisch. Außerdem denke ich sehr gut, dass ich in der Lage dazu bin, ein Kind zu erziehen, auch ohne Schläge.“

Ich sah zwischen den beiden Hin und Her. Schläge?

„Auch wenn mein Vater mich so erzogen hat, heißt das nicht, dass ich es mit meinem eigenen Sohn genauso machen werde. Immerhin weiß ich, wie scheiße sich so etwas anfühlt.“

Damit war meine Frage also beantwortet.

„Na ja, aber selbst wenn, was ist nun dein Plan? Hier einziehen? Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre“, meinte Mom.

„Er wollte zu mir.“

Mom sah zu mir und seufzte. „Bist du dir da sicher, Yannik?“

Ich war still, nickte allerdings. „Ja, aber nicht sofort.“ Ich sah zu meinem Dad. „Es ist nicht so, dass ich dir nicht traue. Aber trotz allem habe ich dich gerade erst kennengelernt. Ich denke, wir sollten uns erst ein paar Mal treffen.“

Er nickte. „Klar, macht Sinn.“

Den restlichen Tag verbrachte ich etwas mit ihm in der Stadt. Als wir einmal bei einer Eisdiele anhielten, sah er auf. „Lust auf ein Eis? Ich lade dich ein.“ Er zwinkerte und grinste leicht, ich nickte. Wir setzten uns an einen der Tische im Außenbereich. Ich bestellte mir einfach nur ein schlichtes Zitroneneis. Ja, er hatte Geld, aber ich wollte nicht, dass er nun viel Geld für mich ausgab. Er selbst bestellte sich einen Erdbeerbecher.

„Also, wie ging es dir so die ganzen Jahre? Monika hat mir immer bisschen was erzählt, aber, ich denke uns ist beiden klar, dass die Sicht der Eltern immer anders ist als die der Kinder.“

Ich nickte. Da hatte er wohl recht. „Na ja, ich fand es immer recht mies, dich nicht zu kennen und sonderlich beliebt bin ich auch nie gewesen, aber ich komme klar.“

Er nickte langsam. „Verstehe, tut mir leid, das zu hören.“

„Schon okay. Jetzt bist du ja da.“ Ich lächelte, wollte die Stimmung nicht runterziehen.

Schließlich erfuhr ich auch recht viel über seine Vergangenheit. Dass er von seinem Vater geschlagen wurde, hatte ich vorhin bereits erfahren, allerdings sagte er mir nun auch, dass er mit Mom damals ziemlich viel Unsinn im Kopf gehabt hatte. Wir verstanden uns im Großen und Ganzen recht gut. Ich könnte ihm nicht für eine Sekunde darüber böse sein, dass er nicht da gewesen war. Ich wusste, es hatte seine Gründe gehabt und außerdem – es brachte nichts einer Person ewig nachtragend und böse zu sein. Lieber verzieh’ ich ihm und hatte dafür dann eine schöne Zeit mit ihm.

Ein paar Tage später nahm er mich auch einmal in seine Wohnung mit.

Er wohnte in dem Bezirk Steglitz, nahe am Ortsteil Wannsee. Gerade fuhren wir den Aufzug in dem Gebäude zu seiner Wohnung hoch. Er drückte auf den Knopf, auf dem eine Acht abgebildet war.

„Im achten Stock?“, fragte ich verwundert, er nickte.

Ich konnte mir vorstellen, dass die Aussicht von dort oben sicherlich atemberaubend war. Irgendwann kamen wir oben an, wir verließen den Aufzug, er sperrte eine Tür aus Trübglas auf und mir klappte die Kinnlade herunter. Es war ein Penthouse, das sich über das gesamte Stockwerk erstreckte. Hell und modern eingerichtet, mit vielen großen Fenstern und mit einem Balkon am Wohnzimmer.

„Woah.“ Mehr bekam ich nicht raus.

„Ich zeige dir mal den Raum, der dein Zimmer werden könnte.“

Wir gingen zurück in den Flur. Er ging direkt auf eine Tür aus Trübglas zu. Diese öffnete er.

Vor uns lag ein großes Zimmer, welches im Moment noch aussah wie ein Gästezimmer. Es war an einer Wand vollständig verglast, was eine atemberaubende Aussicht über die Stadt bot.

„Das hier wäre mein Zimmer?“ Ungläubig sah ich ihn an.

„Klar.“ Er grinste, ich umarmte ihn. Ich war so unfassbar glücklich. Nicht wegen des ganzen Geldes und all dem, natürlich war das schön – keine Frage -, aber viel glücklicher war ich darüber, ihn endlich zu kennen. Ich hatte endlich einen Vater.

„Bitte verlass mich nie wieder, Dad.“

„Nie wieder, versprochen.“

Nach einigen Besuchen zog ich dann also endgültig zu ihm und war unfassbar glücklich.

KAPITEL 1

„Ach, da ist ja unser Streber“, hörte ich eine Stimme rufen und hob verwundert meinen Blick. Es war wieder Schule und wir hatten soeben Pause. Ich saß auf einer Bank und las. Als ich hochsah, erblickte ich Jonas mit einem Jungen aus der Clique vor mir. Sein Name war Luca. Er war etwas größer als Jonas, hatte dunkelbraune Haare und einen meist trendigen Kleidungsstil. Ich sagte nichts, wusste nicht mal, was ich überhaupt sagen sollte.

„Naw, da hat das Superhirn ja glatt das Sprechen verlernt“, spottete Jonas und lachte dabei. Ich sagte noch nichts, was sollte ich auch sagen? Plötzlich nahm mir Luca meine Brille weg, stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte seinen Arm in die Luft.

„Gib her!“, rief ich, während ich versuchte an sie ranzukommen.

„Oh, bist du zu klein? Das ist aber schade.“

Ein Grinsen zog sich über Jonas’ Gesicht. Als ich beinahe an die Brille herankam, ließ Luca diese los, Jonas stieg darauf. Ich hörte genau, wie die Gläser zerbrachen. Während ich die Überreste zusammensammelte, lachten die beiden. „Viel Spaß in der letzten Reihe im Unterricht, du wirst bestimmt sehr viel sehen.“ Mit den Worten gingen sie davon. Ich seufzte, ging dann in Richtung Klassenzimmer.

Die Lehrerin war bereits dort. „Yannik? Wo ist denn deine Brille?“

„Sie ist kaputtgegangen, als ich hingefallen bin.“

„Oje, am besten wäre es dann wahrscheinlich, wenn du dich in die erste Reihe setzt, damit du eine Chance hast zu lesen, was an der Tafel steht“, sagte sie, was ich mit einem Nicken bestätigte.

Im Klassenraum angekommen, sah ich mich um. Es gab lediglich einen freien Platz in der ersten Reihe, neben einem Jungen. Sein Name war Adrian. Zögerlich nährte ich mich seinem Tisch.

„Hey, eine Frage?“

Er erhob seinen Blick. „Ja?“ Freundlich lächelte er mich an.

„Ich wollte fragen, ob ich mich zu dir setzen kann heute, weil meine Brille kaputtgegangen ist.“

„Natürlich, nur zu, setz dich.“

Ich lächelte. „Danke.“

Ich setzte mich dann neben ihn. Wir verstanden uns gut. Er half mir gelegentlich, wenn ich etwas nicht lesen konnte und manchmal verfielen wir in kleinere Gespräche. Als der Schultag dann zu Ende war, fragte ich ihn, ob er mich zum Bahnhof begleiten könnte, da mir das ohne Brille dann doch etwas zu unsicher war. Er stimmte zu. Also begleitete er mich dorthin. Wir verstanden uns so gut, dass ich glaubte, dass sich daraus wirklich eine Freundschaft entwickeln könnte. Ich mochte ihn und wenn sich nun die Clique gegen mich richtete, wollte ich keineswegs allein dastehen, da ich dann verloren wäre. Andererseits würde ich ihn auch verstehen, würde er keine Freundschaft mit mir wollen. Immerhin war eine Freundschaft mit dem „Mobbingopfer“ immer mit Risiko verbunden. Wir waren mittlerweile am Bahnhof angekommen.

„Kommst du ab hier allein zurecht oder soll ich mit nach Steglitz fahren?“, fragte Adrian.

„Ich komme zurecht, danke.“

„Gut.“ Er lächelte freundlich „Dann bis morgen, Yannik.“

„Bis morgen.“

Wenig später kam mein Zug an. Als ich ausstieg, rief ich meinen Vater an, um ihn zu fragen, ob er mich abholte. Er sagte zu. Sobald er ankam, warf er mir den gleichen verwunderten Blick wie meine Lehrerin zu.

„Wo ist deine Brille?“, fragte er also ebenso.

„Sie ist kaputtgegangen“, meinte ich kurz und knapp. Noch immer wollte ich nicht die Wahrheit sagen. Wir stiegen in sein Auto, ein weißes Tesla Model S, um genau zu sein. Auf der Fahrt nach Hause war ich relativ still und sagte kaum ein Wort.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er mehrmals, jedes Mal nickte ich still. Nach 10 Minuten kamen wir zu Hause an und stiegen wieder aus. Beim Mittagessen bekam ich kaum einen Bissen runter. „Yannik, sei jetzt ehrlich. Es ist nicht alles in Ordnung, das sieht ein Blinder mit Krückstock.“

„Ich, es, es ist nur wegen dem Streit mit Jonas“, stammelte ich leise. „Mehr nicht.“

„Ach, Yannik.“ Seufzend stand er auf und hockte sich vor mich, mein Stuhl stand etwas schräg. „Freundschaften kommen und gehen. So was ist völlig normal. Wenn er meint, es zu beenden, aus welchen Gründen auch immer, ist das zwar mies, aber dann ist das halt so. Du findest dafür neue Freunde.“