Ich gebe dir die Sonne - Jandy Nelson - E-Book

Ich gebe dir die Sonne E-Book

Jandy Nelson

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Beschreibung

Am Anfang sind Jude und ihr Zwillingsbruder Noah unzertrennlich. Noah malt ununterbrochen und verliebt sich Hals über Kopf in den neuen, faszinierenden Jungen von nebenan, während Draufgängerin Jude knallroten Lippenstift entdeckt, in ihrer Freizeit Kopfsprünge von den Klippen macht und für zwei redet. Ein paar Jahre später sprechen die Zwillinge kaum ein Wort miteinander. Etwas ist passiert, das die beiden auf unterschiedliche Art verändert und ihre Welt zerstört hat. Doch dann trifft Jude einen wilden, unwiderstehlichen Jungen und einen geheimnisvollen, charismatischen Künstler ...

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Seitenzahl: 617

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Aus dem Englischenvon Catrin Frischer

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage 2016

© 2014 by Jandy Nelson

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

I’LL GIVE YOU THE SUN bei Dial Books for Young Readers, USA.

Used with the permission of Pippin Properties, Inc. through Rights People, London.

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, NeumarkterStr. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Catrin Frischer

Lektorat: Christina Neiske

Umschlaggestaltung: *zeichenpool, München, unter Verwendung eines Bildes von © Thinkstock und des Designs von © Theresa Evangelista

he ∙ Herstellung: wei

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-19040-8V002

www.cbt-buecher.de

Da draußen jenseits der Vorstellungen von Falsch und Richtig liegt ein Feld. Da wollen wir uns treffen.

– Rumi

Ich glaube an nichts außer an die Heiligkeit der Herzensregungen und die Wahrheit der Vorstellungskraft.

– John Keats

Wo große Liebe ist, gibt es immer Wunder.

– Willa Cather

Man braucht Mut dazu, erwachsen und der zu werden, der man wirklich ist.

– E. E. Cummings

Noah

13 Jahre

So fängt alles an.

Mit Zephyr und Fry – den Soziopathen von nebenan –, die hinter mir hergeschossen kommen, und dem Waldboden, der unter meinen Füßen bebt, während ich durch Luft, Bäume, gleißend grelle Panik sprenge.

»Du gehst über die Kante, du Pussy!«, brüllt Fry.

Dann ist Zephyr auf mir, drückt mir einen, beide Arme auf den Rücken, und Fry hat sich meinen Skizzenblock gegrapscht. Ich will ihn mir zurückholen, doch ich bin armlos, hilflos, versuche, mich aus Zephyrs Griff zu winden. Keine Chance. Ich blinzele, damit die beiden sich in Motten verwandeln. Nichts da. Sie sind immer noch sie selbst: Fünf Meter lange Arschgeigen aus der Zehnten, die aus lauter Jux und Tollerei lebende, atmende dreizehnjährige Menschen wie mich von der Klippe stoßen.

Zephyr hat mich in den Schwitzkasten genommen, seine Brust brandet an meinen Rücken, mein Rücken an seine Brust. Wir schwimmen in Schweiß. Fry blättert den Block durch. »Was hastn gemalt, Bubble?« Ich stelle mir vor, wie er von einem Laster überrollt wird. Er hält ein Blatt mit Skizzen hoch. »Zeph, guck dir mal die ganzen nackten Kerle an.«

In meinem Körper stockt das Blut.

»Das sind keine Kerle. Das ist der David«, stoße ich hervor und bete, dass ich mich nicht anhöre wie eine Rennmaus, bete, dass er nicht weiterblättert zu den Zeichnungen, die ich heute gemacht habe, als ich sie heimlich beobachtet habe, Zeichnungen von ihnen, wie sie aus dem Wasser gestiegen sind, mit ihren Surfbrettern unterm Arm, ohne Neoprenanzüge, ohne alles, total glitzernd und – äh – Händchen haltend. Da habe ich mir vielleicht ein wenig künstlerische Freiheit zugestanden. Sie werden also denken … Oh Mann, das war’s dann wohl. Ich bin so gut wie tot. Die Welt beginnt Saltos zu schlagen. Ich schleudere Fry Worte entgegen: »Sagt dir das was? Michelangelo? Schon mal gehört?« Ich werde nicht so handeln wie sonst immer. Mach auf hart, dann bist du hart, wie Dad immer sagt und sagt und sagt – so als wäre ich irgendein kaputter Regenschirm.

»Ja, von dem hab ich gehört«, kommt über Frys fette Punschlippen, die sich mit seinen übrigen feist wulstenden Zügen unter der gewaltigsten Stirn der Welt drängeln, sodass man ihn nur allzu leicht mit einem Nilpferd verwechseln könnte. Er reißt das Blatt aus dem Block. »Hab gehört, der war schwul.«

War er wirklich – meine Mom hat ein ganzes Buch über ihn geschrieben. Was Fry natürlich nicht weiß. Er nennt jeden schwul, wenn er nicht gerade Homo oder Pussy besser findet. Und in meinem Fall: Homo und Pussy und Bubble.

Zephyr lacht ein finsteres Dämonenlachen, dessen Vibrationen mich durchlaufen.

Fry hält die nächste Skizze hoch. Noch ein David. Die untere Hälfte von ihm. Eine Detailstudie. Ich erstarre.

Jetzt lachen sie beide. Es hallt im Wald wider. Es kommt aus Vögeln raus.

Wieder versuche ich, mich aus Zephyrs Griff zu befreien, damit ich Fry den Block aus der Hand reißen kann, aber Zephyr packt nur noch fester zu. Zephyr, der der verdammte Thor ist. Einer seiner Arme schlingt sich um meinen Hals, der andere spannt sich über meinen Rumpf wie ein Sicherheitsgurt. Er ist oben ohne, kommt direkt vom Strand, und seine Hitze sickert durch mein T-Shirt. Sein Kokossonnenöl kriecht mir in die Nase, den ganzen Kopf – der starke Geruch des Meeres auch, so als würde er es auf dem Rücken tragen … Zephyr, der die Gezeiten hinter sich herschleppt wie eine Wolldecke … Das wäre gut, ja, das wär’s doch (Porträt: Der Junge, der sich mit dem Meer davonmachte) – aber nicht jetzt, Noah, das ist jetzt überhaupt nicht der Moment für ein Kopfbild von diesem Vollidioten. Blitzschnell bin ich wieder da, schmecke das Salz auf den Lippen, rufe mir in Erinnerung, dass ich gleich sterben werde …

Zephyrs langes Algenhaar tropft mir auf Nacken und Schultern. Wir atmen synchron, schwere, wuchtige Atemzüge. Ich versuche, diesen Rhythmus zu durchbrechen, ich versuche die Gesetze der Schwerkraft außer Gefecht zu setzen und nach oben zu gleiten. Schaffe weder das eine noch das andere. Kann nichts machen. Der Wind reißt Fetzen meiner Zeichnungen – jetzt hauptsächlich Familienporträts – aus Frys Händen, während der ein Blatt nach dem anderen zerfetzt. Er reißt eins von mir und Jude mittendurch, reißt mich raus aus dem Bild.

Ich beobachte, wie ich weggeweht werde.

Ich beobachte, wie er den Zeichnungen immer näher kommt, die mich das Leben kosten werden.

Der Puls dröhnt mir in den Ohren.

Dann sagt Zephyr: »Zerreiß sie nicht, Fry. Seine Schwester sagt, er ist gut.« Weil er Jude mag? Die meisten mögen sie jetzt, weil sie härter surft als alle anderen, gern von Klippen springt und keine Angst hat, vor gar nichts, nicht mal vor großen weißen Haien oder Dad. Und wegen ihrer Haare – ich verbrauche all mein Gelb, wenn ich die male. Sie sind Hunderte von Meilen lang, und in Nordkalifornien muss jeder befürchten, sich darin zu verheddern, besonders kleine Kinder und Pudel und jetzt auch noch Arschgeigensurfer.

Und dann sind da auch noch ihre Möpse, die per Nachtkurier geliefert wurden, ich schwör’s.

Unglaublich, Fry hört auf Zephyr und lässt den Block fallen.

Jude guckt vom Blatt zu mir hoch, sonnig, wissend. Danke, sage ich im Kopf zu ihr. Sie rettet mich ständig, und normalerweise ist das peinlich, aber jetzt nicht. Das war bloß fair.

(Porträt, Selbstporträt: Zwillinge: Noah in den Spiegel schauend, Jude aus dem Spiegel heraus schauend)

»Du weißt, was wir mit dir machen, oder?«, keucht Zephyr mir ins Ohr, der wieder in die Menschen mordende Werkseinstellung zurückgefallen ist. In seinem Atem ist zu viel von ihm. Auf mir ist zu viel von ihm.

»Bitte, Jungs«, flehe ich.

»Bitte, Jungs«, äfft mich Fry mit quietschender Mädchenstimme nach.

Mir dreht sich der Magen um. Der Devil’s Drop, die zweithöchste Absprungstelle des Hügels, von dem sie mich werfen wollen, trägt diesen Namen nicht ohne Grund. Darunter befinden sich eine Gruppe zerklüfteter Felsen und fiese Strudel, die tote Gebeine in die Unterwelt hinabzerren.

Wieder versuche ich, Zephyrs Griff zu entkommen. Und noch mal.

»Nimm seine Beine, Fry!«

Fry stürzt sich mit seinen ganzen sechstausend Nilpferdpfund auf meine Knöchel. Sorry – das passiert jetzt nicht in echt, oder? Das geht einfach nicht. Ich hasse das Wasser, ich neige nämlich dazu, zu ertrinken und nach Asien abzutreiben. Und ich brauche meinen Schädel noch, heil und intakt. Wenn der jetzt zertrümmert wird, wär das so, als würde man sich mit der Abrissbirne über ein geheimes Museum hermachen, bevor irgendjemand überhaupt sehen konnte, was da drinnen ist.

Also wachse ich. Und wachse und wachse, bis ich mit dem Kopf an den Himmel knalle. Dann zähle ich bis drei und raste total aus, dabei danke ich Dad im Geiste für all die Ringkämpfe auf der Terrasse, zu denen er mich gezwungen hat. Kämpfe auf Leben und Tod, bei denen er nur einen Arm einsetzen durfte und ich alles – und trotzdem hat er mich immer auf die Matte gedrückt, weil er zehn Meter groß ist und aus Lastwagenteilen besteht.

Aber ich bin sein Sohn, sein ungeheuerlicher Sohn. Ich bin ein wirbelnder, arschtretender Goliath, ein Taifun aus Fleisch und Blut – und auf einmal winde ich mich, schlage um mich und versuche mich zu befreien, und sie ringen mich wieder nieder, lachen und sagen Sachen wie: »Was für eine Schwuchtel.« Und ich meine Respekt herauszuhören, sogar aus Zephyrs Stimme, der sagt: »Ich kann ihn nicht unten halten, der ist wie ein verfickter Aal.« Und das spornt mich nur noch mehr an. Ich liebe Aale, vor allem die elektrischen – ich stelle mir vor, dass ich eine unter Strom stehende Leitung bin, voll geladen mit meiner ganz persönlichen Voltzahl, während ich mal hierhin, mal dahin peitsche und spüre, wie sich ihre Körper um meinen winden, warm und glitschig. Beide drücken mich immer wieder auf den Boden und ich breche immer wieder aus, all unsere Gliedmaßen sind miteinander verflochten, und jetzt drückt Zephyr mir den Kopf auf die Brust und Fry ist mit hundert Händen hinter mir und es fühlt sich nur noch nach Bewegung und Durcheinander an und ich gehe darin unter, bin verloren, verloren, verloren, als sich in mir der Verdacht regt … als mir klar wird, dass ich ein Rohr habe, ein übernatürlich großes, hartes Rohr, das sich in Zephyrs Bauch bohrt. Furcht in hoher Oktanzahl kreist in mir. Ich rufe das blutigste, höllisch widerlichste Machetenmassaker in meiner Vorstellung wach – mein effektivster Schlaffmacher –, doch es ist zu spät. Zephyr erstarrt für einen Moment, dann springt er von mir runter.

»Was zum …?«

Fry wälzt sich auf die Knie. »Was ist los?«, keucht er in Zephyrs Richtung.

Ich bin herumgewirbelt und auf dem Hintern gelandet, mit den Knien an der Brust. Aufstehen kann ich nicht, aus Angst vor einem Zelt, deshalb lege ich alle Anstrengung in den Versuch, nicht zu weinen. Das widerliche Gefühl, ertappt worden zu sein, wühlt sich in jeden Winkel meines Körpers, als ich meine letzten Atemzüge keuche. Und selbst wenn sie mich nicht jetzt und hier umbringen, bis heute Abend wird jeder auf dem Hügel wissen, was eben vorgefallen ist. Ich kann auch gleich eine angezündete Stange Dynamit schlucken und mich selbst vom Devil’s Drop stürzen. Das hier ist schlimmer, so viel schlimmer, als dass sie ein paar blöde Zeichnungen sehen.

(Selbstporträt: Begräbnis im Wald)

Doch Zephyr sagt nichts, er steht bloß da, so ganz Wikinger wie immer, nur irgendwie komisch und stumm. Warum?

Habe ich ihn mit meinen mentalen Fähigkeiten lahmgelegt?

Nein. Mit einer Handbewegung Richtung Meer sagt er zu Fry: »Scheiß drauf. Wir schnappen uns die Bretter und dann raus.«

Die Erleichterung verschlingt mich mit Haut und Haar. Kann es sein, dass er es nicht gespürt hat? Nein, keine Chance – das war Stahl, und er hat völlig panisch einen Satz zurück gemacht. Er ist immer noch total erschrocken. Warum pussyhomobubbelt er mich also nicht? Weil er Jude mag?

Fry lässt einen Finger neben seinem Kopf kreisen, als er zu Zephyr sagt: »Da tickt jemand nicht ganz richtig, Alter.« Dann zu mir: »Irgendwann, wenn du am wenigsten damit rechnest, Bubble …« Mit seiner Pranke mimt er meinen freien Fall vom Devil’s Drop.

Es ist vorbei. Sie machen sich wieder auf zum Strand.

Ehe diese Neandertaler es sich anders überlegen können, husche ich zu meinem Block, klemme ihn mir unter den Arm, und ohne mich umzudrehen, gehe ich im Sturmschritt in den Wald, wie jemand, dessen Herz nicht zittert, dem das Wasser nicht in die Augen steigt, wie jemand, der nicht soeben knapp dem Tod entronnen ist.

Als ich aus der Gefahrenzone bin, starte ich durch wie ein Berglöwe, die kommen in drei Sekunden von null auf hundert, und das schaffe ich praktisch auch. Ich bin der Viertschnellste in der siebten Klasse. Ich kann mir ein Loch in die Luft machen und darin verschwinden – und genau das tue ich, bis ich weit weg bin von ihnen und dem, was geschehen ist. Wenigstens bin ich keine Eintagsfliege. Männliche Eintagsfliegen müssen sich mit zwei Schwänzen plagen. Ich verbringe schon wegen meines einen das halbe Leben unter der Dusche, wo ich an Dinge denke, an die ich einfach nicht aufhören kann zu denken, egal, wie sehr ich es versuche, denn ich denke echt, echt gern an sie. Oh Mann, und wie.

In der Bucht springe ich von Fels zu Fels, bis ich eine gute Höhle finde, von der aus ich für die nächsten hundert Jahre die im Wasser dümpelnde Sonne beobachten kann. Es müsste ein Horn oder einen Gong oder so was geben, mit dem man Gott wecken kann. Ich würde nämlich gern mal ein Wörtchen mit ihm reden. Drei Worte, genauer gesagt.

WASSOLLDAS?!

Nach einer Weile, in der ich wie üblich keine Antwort gekriegt habe, hole ich die Zeichenkohle aus meiner hinteren Hosentasche. Irgendwie hat sie die Torturen unbeschadet überstanden. Ich setze mich und schlage den Skizzenblock auf. Eine ganze leere Seite schwärze ich, dann noch eine und noch eine. Ich drücke so fest auf, dass ich ein Stück Kohle nach dem anderen zerbreche, verbrauche jedes einzelne bis zum letzten Stummel, bis es so aussieht, als ob die Schwärze aus meinen Fingern käme, als ob sie direkt aus mir auf das Blatt fließen würde. Ich male den Rest des Blockes voll. Es dauert Stunden.

(Serie: Junge in einer Kiste Dunkelheit)

Am nächsten Abend beim Essen verkündet Mom, Grandma Sweetwine sei an diesem Nachmittag mit ihr Auto gefahren und sie habe eine Botschaft für Jude und mich gehabt.

Grandma ist allerdings tot.

»Endlich!«, ruft Jude laut und lässt sich auf den Stuhl zurückfallen. »Sie hat es mir versprochen.«

Was Grandma Jude versprochen hat, kurz bevor sie vor drei Monaten im Schlaf gestorben ist, war, dass sie blitzschnell da sein würde, falls Jude sie einmal dringend brauchen sollte. Jude war ihr Liebling.

Mom lächelt Jude an und legt die Hände auf den Tisch. Ich lege meine auch auf den Tisch, doch dann wird mir klar, dass ich ein Mom-Spiegel bin, und ich verstecke die Hände im Schoß. Mom ist echt ansteckend.

Und nicht von dieser Welt – manche Menschen sind einfach nicht von hier, und zu denen gehört sie. Seit Jahren sammele ich Beweismaterial. Davon später mehr.

Aber jetzt: Ihr Gesicht strahlt und flimmert wie sonst was, als sie den Boden bereitet für ihre Inszenierung, indem sie beschreibt, wie zuerst Großmutters Parfüm durchs Auto zog. »Wisst ihr noch, wie der Duft immer schon vor ihr in den Raum geweht ist?«

Dramatisch atmet Mom ein, so als ob die Küche von Grandmas schwerem, blumigen Duft erfüllt wäre. Ich atme theatralisch ein, Jude atmet theatralisch ein. Jedermann in Kalifornien, den Vereinigten Staaten, der Erde atmet theatralisch ein.

Nur Dad nicht. Er räuspert sich.

Er kauft ihr das nicht ab. Denn er ist eine Artischocke. Das waren die Worte seiner eigenen Mutter, Grandma Sweetwine, die nie verstanden hat, wie sie so einen Distelkopf zur Welt bringen und aufziehen konnte. Ich kapiere es auch nicht.

Ein Distelkopf, der sich mit Parasiten befasst. Kein Kommentar.

Ich mustere ihn flüchtig mit seiner Rettungsschwimmerbräune und den Muskeln, mit den Zähnen, die im Dunkeln leuchten, mit all seiner im Dunkeln leuchtenden Normalität, und mir stockt das Blut in den Adern – denn was würde geschehen, wenn er es wüsste?

Bis jetzt hat Zephyr nichts ausgeplaudert. Wahrscheinlich ist es nicht allgemein bekannt, wahrscheinlich bin ich so ungefähr der Einzige auf der Welt, der das weiß, aber ein Walpenis sieht aus wie ein Torpedo. Und der Torpedo eines Blauwals ist zweieinhalb Meter lang. Ich wiederhole: zweieinhalb Meter laaaaaang! Und so ein Gefühl hab ich seit diesem Vorfall gestern.

(Selbstporträt: Der Betontorpedo)

Tja.

Aber manchmal glaube ich, Dad hat einen Verdacht. Manchmal denke ich allerdings auch, der Toaster weiß was.

Unter dem Tisch versetzt Jude mir einen Tritt, damit ich meine Aufmerksamkeit vom Salzstreuer abziehe, den ich – wie mir jetzt auffällt – in Grund und Boden starre. Sie deutet mit dem Kinn zu Mom hinüber, die nun die Augen schließt und die Hände über dem Herzen kreuzt. Dann zu Dad, der Mom anguckt, als würden ihr die Augenbrauen übers Kinn kriechen. Wir gucken uns an, lassen die Augen dabei aus den Höhlen treten, und ich beiße mir in die Backe, damit ich nicht lache. Jude auch – sie und ich, wir haben einen gemeinsamen Lachschalter. Unter dem Tisch pressen wir unsere Füße zusammen.

(Familienporträt: Mom kommuniziert beim Abendessen mit den Toten)

»Und?«, bohrt Jude. »Wie lautet die Botschaft?«

Mom macht die Augen auf, zwinkert uns zu, schließt sie wieder und fährt mit der wabernden Stimme eines Mediums fort: »Ich habe den blumigen Duft eingeatmet und da war so ein Schimmern …« Sie wirbelt mit den Armen herum wie mit Tüchern, kostet den Augenblick voll aus. Deshalb geht die Auszeichnung »Professorin des Jahres« so oft an sie – jeder will mit ihr in ihrem Film sein. Für ihre nächsten Worte, für die Botschaft von Oben, lehnen wir uns nach vorn, aber dann platzt Dad dazwischen und schmeißt eine ganze Ladung Langweilig auf diesen Augenblick.

Er ist noch nie als »Professor des Jahres« ausgezeichnet worden. Nicht ein einziges Mal. Kein Kommentar.

»Es ist wichtig, den Kindern klarzumachen, dass du all das metaphorisch meinst, Schatz«, sagt er und setzt sich gerade hin, sodass sein Kopf durch die Decke stößt. In den meisten meiner Zeichnungen ist er so groß, dass ich ihn nicht ganz aufs Blatt bekomme, deshalb lasse ich den Kopf weg.

Mom sieht auf, ihre Heiterkeit ist wie weggeblasen. »Ich meine es aber nicht metaphorisch, Benjamin.« Früher hat Dad Mom zum Strahlen gebracht, jetzt bringt er sie zum Zähneknirschen. Keine Ahnung, warum. »Ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe: Die einzigartige Grandma Sweetwine, gestorben und von uns gegangen, saß neben mir im Auto, ganz einfach.« Sie lächelt Jude an. »Sie hatte sich schön gemacht, trug eins ihrer Schwebenden Kleider und sah umwerfend aus.«

Das Schwebende Kleid war Grandmas Modelabel.

»Oh! Welches? Das blaue?« Die Art, wie Jude das fragt, versetzt mir einen Stich.

»Nein, das mit den orangen Blumen.«

»Na klar«, antwortet Jude. »Perfekt für einen Geist. Wir haben mal drüber geredet, wie wohl ihre Aufmachung im Jenseits sein würde.« Mir kommt der Gedanke, dass Mom sich all das vielleicht ausdenkt, weil Jude nicht aufhören kann, Grandma zu vermissen. Am Ende ist sie kaum noch von ihrem Bett gewichen. Als Mom sie an diesem letzten Morgen fand, die eine schlafend, die andere tot, hielten sie sich bei den Händen. Ich fand das extrem gruselig, aber das habe ich für mich behalten.

»Und …?« Jude zieht eine Augenbraue hoch. »Die Botschaft?«

»Wisst ihr, was ich gut fände?« Dad drängelt sich schnaufend und keuchend wieder ins Gespräch, sodass wir wohl nie erfahren werden, was jetzt die Scheißbotschaft ist. »Ich fände es gut, wenn wir die Herrschaft der Lächerlichkeit endlich für beendet erklären.« Das schon wieder. Die Herrschaft, auf die er anspielt, begann mit Grandmas Einzug bei uns. Dad, »ein Mann der Wissenschaft«, schärfte uns ein, dem abergläubischen Gewäsch, das aus dem Mund seiner Mutter kam, keinen Glauben zu schenken. Grandma dagegen sagte, wir dürften nicht auf ihren Artischockensohn hören.

Dann holte sie ihre »Bibel« hervor – ein riesiges in Leder gebundenes Buch, in dem die bescheuertsten Dinge stehen (Gewäsch) –, und fing an, das Evangelium zu verkünden. Hauptsächlich für Jude.

Dad nimmt ein Stück Pizza von seinem Teller. Käse quillt über den Rand. Er guckt mich an. »Und was ist damit, Noah? Bist du nicht erleichtert, dass wir keinen von Grandmas glücksbringenden Eintöpfen löffeln müssen?«

Ich bleibe stumm. Netter Versuch. Ich liebe Pizza, das heißt so viel wie: Selbst wenn wir gerade beim Pizzaessen sind, so mittendrin, wünsche ich mir, ich würde Pizza essen, aber ich würde nicht mal auf Dads Zug aufspringen, wenn Michelangelo mitfahren würde. Er und ich kommen nicht miteinander aus, obwohl er das manchmal vergisst. Ich vergesse es nie. Wenn mich seine laute Dröhnstimme verfolgt, weil ich mir ein Footballspiel angucken soll oder irgendeinen blöden Film, in dem alles in die Luft fliegt, oder Jazz hören, bei dem ich das Gefühl kriege, verkehrt rum in meinem Körper zu stecken, mach ich mein Fenster auf, springe raus und verschwinde im Wald.

Manchmal, wenn keiner zu Hause ist, gehe ich in sein Büro und mache seine Bleistifte kaputt. Einmal, nach einer besonders kotzwürdigen »Noah, der kaputte Regenschirm«-Ansprache, als er lachte und sagte, wenn Jude nicht mein Zwilling wäre, würde er glauben, ich sei durch Parthenogenese entstanden (hab es nachgeschlagen: Empfängnis ohne Vater), bin ich in die Garage geschlichen, als alle schliefen, und hab sein Auto zerkratzt.

Weil ich manchmal die Seelen der Menschen sehen kann, wenn ich sie zeichne, weiß ich Folgendes: Mom hat eine riesige Sonnenblume als Seele, die so groß ist, dass in ihrem Inneren kaum noch Platz für Organe ist. Jude und ich haben eine gemeinsame Seele, die wir uns teilen müssen: ein Baum, dessen Blätter in Flammen stehen. Und Dad hat einen Teller Maden als Seele.

Jude sagt zu ihm: »Glaubst du etwa, Grandma hätte nicht gehört, dass du gerade ihre Kochkunst beleidigt hast?«

»Ich geb’s auf«, seufzt Dad und zieht sich die Pizza rein. Sein ganzer Mund glänzt vom Fett.

Jude steht auf. Die Haare hängen wie blonde Eiszapfen um ihren Kopf herum. Sie guckt an die Decke und verkündet: »Ich hab dein Essen immer geliebt, Grandma.«

Mom langt über den Tisch und drückt ihre Hand, dann sagt sie zur Decke: »Ich auch, Cassandra.«

Jude lächelt von innen nach außen.

Dad schießt sich mit dem Zeigefinger in den Kopf.

Mom runzelt die Stirn – so sieht sie aus wie hundert. »Nimm das Geheimnisvolle mit offenen Armen auf, Professor«, sagt sie. Dazu fordert sie Dad immer wieder auf, aber früher hat sie es anders gesagt. Da klang es, als würde sie eine Tür für ihn öffnen, damit er hindurchgehen kann – nicht, als würde sie sie ihm vor der Nase zuknallen.

»Ich habe das Geheimnisvolle geheiratet, Professor«, erwidert er wie üblich, aber früher hörte sich das immer an wie ein Kompliment.

Wir essen alle unsere Pizza, aber schön ist es nicht. Moms und Dads Gedanken färben die Luft schwarz. Ich höre mich selbst kauen, als Judes Fuß unter dem Tisch meinen wiederfindet. Ich drücke zurück.

»Und die Botschaft von Grandma?«, wirft sie mit hoffnungsvollem Lächeln in die angespannte Stille.

Dad guckt sie an und sein Blick wird weich. Sie ist auch sein Liebling. Mom hat keinen Liebling, was heißt, dass der Platz noch zu haben ist.

»Wie ich schon sagte …« Dieses Mal spricht Mom mit ihrer normalen Stimme, die so rauchig ist, als würde eine Höhle mit einem reden. »Ich bin heute Nachmittag an der CSA vorbeigefahren, der Kunst-Highschool, und da kam Grandma angeschwirrt, um zu sagen, dass das für euch beide doch genau das Richtige wäre.« Sie schüttelt den Kopf, ihr Gesicht hellt sich auf und sie nimmt wieder ihr normales Alter an. »Und sie hat recht. Ich kann nicht fassen, dass mir dieser Gedanke noch nie gekommen ist. Ich denke immer an diesen Ausspruch von Picasso: ›Jedes Kind ist ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, ein Künstler zu bleiben, wenn man erwachsen wird.‹« Sie hat diesen durchgeknallten Ausdruck im Gesicht, den sie häufig im Museum bekommt, so als wollte sie die Kunstwerke klauen. »Das ist die Chance eures Lebens. Ich will nicht, dass euer Geist abstumpft, so wie …« Anstatt den Satz zu beenden, fährt sie sich mit einer Hand durchs Haar – schwarz und wirr wie meines –, dann wendet sie sich an Dad. »Ich wünsche mir das wirklich für die beiden, Benjamin. Ich weiß, es wird teuer, aber es ist eine Riesenchance …«

»Das ist alles?«, fällt Jude ihr ins Wort. »Mehr hat Grandma nicht gesagt? Das war die Botschaft aus dem Jenseits? Es ging um eine Schule?« Sie sieht aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.

Im Gegensatz zu mir. Eine Kunstschule? So was hätte ich mir nie träumen lassen, ich bin immer davon ausgegangen, dass ich auf die Roosevelt gehen würde, auf die Arschgeigen-Highschool, mit allen anderen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Blut in mir soeben angefangen hat zu glühen.

(Selbstporträt: In meiner Brust fliegt ein Fenster auf)

Mom hat wieder diesen abgedrehten Gesichtsausdruck. »Nicht einfach irgendeine Schule, Jude. Eine Schule, die euch vier Jahre lang jeden einzelnen Tag so begeistern wird, dass ihr es laut in die Welt hinausschreien werdet.«

»Im Ernst?«, fragt Jude.

Das veranlasst Dad zu einem leisen, disteligen Kichern. »Ich weiß nicht, Di«, sagt er. »Das ist so eingleisig. Du vergisst, dass für die meisten Leute Kunst bloß Kunst ist, keine Religion.« Mom nimmt ein Messer und rammt es ihm in den Wanst, dreht es um. Doch Dad fährt unbeirrt fort: »Außerdem sind sie erst in der siebten Klasse. Ist noch lange hin bis zur Highschool.«

»Ich will da hin!«, bricht es aus mir heraus. »Ich will nicht abstumpfen!« Mir wird klar, dass dies die ersten Worte sind, die ich während der gesamten Mahlzeit laut geäußert habe. Mom strahlt mich an. Das hier kann er ihr nicht ausreden. Und da sind keine Surfidioten, ich weiß es. Wahrscheinlich nur Leute, deren Blut leuchtet. Nur Revolutionäre.

Mom sagt zu Dad: »Sie werden dieses Jahr für die Vorbereitung brauchen. Die CSA ist eine der besten Kunst-Highschools im Land, auch akademisch erstklassig, das ist also kein Problem. Und es ist gleich nebenan!« Ihre Aufregung ist ansteckend. Ich fange jeden Moment an, mit den Armen zu flattern. »Dort reinzukommen ist wirklich schwierig, aber ihr beide habt das Zeug dazu. Eine natürliche Begabung – und ihr wisst schon sehr viel.« Sie lächelt uns mit so viel Stolz an, es ist, als würde die Sonne über dem Tisch aufgehen. Es ist wahr. Andere Kinder hatten Bilderbücher, wir hatten Kunstbände. »Dieses Wochenende fangen wir mit den Museumsbesuchen und den Galerien an. Das wird toll. Ihr beide könnt euch Zeichenwettstreits liefern.«

Jude reihert blau fluoreszierende Kotze über den ganzen Tisch, aber ich bin der Einzige, der das bemerkt. Sie kann einigermaßen zeichnen, aber für sie hat es nicht die gleiche Bedeutung wie für mich. Für mich hat die Schule erst aufgehört, eine achtstündige Magenoperation zu sein, als mir klar wurde, dass alle lieber von mir gezeichnet werden wollten, als mit mir zu reden oder mir die Fresse zu polieren. Jude wollte noch nie jemand die Fresse polieren. Sie glänzt, ist lustig und normal, kein Revolutionär, und sie redet mit allen. Ich rede mit mir. Und natürlich mit Jude, aber das meistens schweigend, denn so machen wir das. Und mit Mom, weil sie nicht von dieser Welt ist. (Schnell, die Beweise: Bis jetzt ist sie zwar noch nicht durch die Wand gegangen oder hat mittels ihrer Gedanken das Haus angehoben, die Zeit zum Stillstand gebracht oder sonst was total Durchgeknalltes vollbracht, aber es hat da so Sachen gegeben. Neulich morgens zum Beispiel, da war sie draußen auf der Terrasse und hat wie gewöhnlich ihren Tee getrunken, und als ich näher kam, sah ich, dass sie schwebte. Jedenfalls sah das für mich so aus. Und das entscheidende Argument ist: Sie hat keine Eltern. Sie ist ein Findelkind! Sie ist einfach in irgendeiner Kirche in Reno, Nevada abgelegt worden, als Baby. Hallo? Wer hat sie da wohl abgelegt?) Oh, und ich rede auch noch mit Rascal von nebenan, der eigentlich ein Pferd ist, aber was soll’s.

Deshalb: Bubble.

Ehrlich, meistens fühle ich mich wie eine Geisel.

Dad stützt die Ellenbogen auf den Tisch. »Dianna, überleg doch mal, was du da tust. Ich glaube wirklich, du projizierst deine eigenen Träume auf die beiden. Lass die Vergangenheit ruhen …«

Mom lässt ihn kein weiteres Wort sagen. Ihre Zähne knirschen wie verrückt. Sie sieht aus, als würde sie ein Lexikon übler Schimpfworte zurückhalten oder einen Atomkrieg. »NoahundJude, nehmt eure Teller und geht ins Wohnzimmer. Ich muss mit eurem Vater reden.«

Wir rühren uns nicht. »NoahundJude, sofort.«

»Jude, Noah«, sagt Dad.

Ich schnappe mir meinen Teller und hefte mich auf dem Weg nach draußen an Judes Fersen. Sie reicht mir eine Hand nach hinten und ich nehme sie. Da fällt mir auf, dass ihr Kleid so bunt ist wie ein Clownfisch. Sie hat von Grandma gelernt, sich ihre Kleider selber zu machen. Oh! Durchs offene Fenster höre ich Prophet, den neuen Papagei unserer Nachbarn. »Verdammt, wo ist Ralph?«, krächzt er. »Verdammt, wo ist Ralph?« Das ist das Einzige, was er sagt, und er sagt es rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Keiner weiß, wer – geschweige denn wo – Ralph ist.

»Gottverdammter blöder Papagei!«, brüllt Dad mit so einer Gewalt, dass unsere Haare nach hinten wehen.

»Er meint es nicht so«, sage ich im Kopf zu Prophet, erst dann wird mir klar, dass ich es laut gesagt habe. Manchmal fliegen mir die Worte wie warzige Kröten aus dem Mund. Ich fange an, Dad zu erklären, dass ich mit dem Vogel gesprochen habe, höre aber auf, weil das nicht gut ankommen wird, und stoße stattdessen ein seltsames Blöken aus, worauf alle – mit Ausnahme von Jude – mich komisch angucken. Wir stürzen zur Tür.

Einen Augenblick später sind wir auf dem Sofa. Den Fernseher schalten wir nicht an, damit wir lauschen können, aber sie reden in wütendem Flüsterton, unmöglich zu entschlüsseln. Nachdem ich mein Stück Pizza Bissen um Bissen mit Jude geteilt habe, weil sie ihren Teller vergessen hat, sagt sie: »Ich dachte, Grandma würde uns was Umwerfendes mitteilen in ihrer Botschaft. Ob es im Himmel ein Meer gibt oder so, du weißt schon.«

Ich lehne mich zurück, froh, mit Jude allein zu sein. Wenn wir zu zweit sind, habe ich nie das Gefühl, ich wäre als Geisel genommen worden. »Ach, ja, das gibt es, da gibt es ganz bestimmt ein Meer, aber es ist lila und der Sand ist blau und der Himmel ist gritzegrün.«

Sie lächelt, denkt einen Moment nach, dann sagt sie: »Und wenn man müde ist, kriecht man in seine Blume und schläft. Während des Tages verständigen sich alle mit Farben statt mit Tönen. Es ist ganz still.« Sie schließt die Augen und sagt langsam: »Wenn Leute sich verlieben, gehen sie in Flammen auf.« Das war einer von Grandmas Lieblingssprüchen – Jude liebt ihn. Als wir klein waren, haben wir das immer mit ihr gespielt: »Bring mich weg von hier«, hat sie dann gesagt, oder manchmal: »Holt mich verdammt noch mal hier raus, Kinder!«

Als Jude die Augen wieder aufmacht, ist die ganze Magie wie von ihrem Gesicht gewischt. Sie seufzt.

»Was?«, frage ich.

»Ich geh nicht auf diese Schule. Da gehen nur Aliens hin.«

»Aliens?«

»Genau, Verrückte, Freaks. California School of the Aliens, das sagen die Leute dazu.«

Oh Mann, oh Mann, danke, Grandma. Dad muss nachgeben. Ich muss da hin. Freaks, die Kunst machen! Ich bin so glücklich, ich fühle mich wie auf dem Trampolin, boing, boing, ich springe in mir selber herum.

Jude nicht. Sie sieht jetzt völlig finster aus. Um sie aufzuheitern, sage ich: »Vielleicht hat Grandma deine fliegenden Frauen gesehen und will deshalb, dass wir hingehen.« Drei Buchten weiter hat Jude sie aus nassem Sand gemacht. Dieselben, die sie immer aus Kartoffelbrei macht oder aus Dads Rasierschaum oder woraus auch immer, wenn sie glaubt, dass keiner guckt. Ich hab von der Klippe aus beobachtet, wie sie diese größeren Sandversionen geschaffen hat, und ich weiß, dass sie versucht mit Grandma zu reden. Ich weiß immer, was in Jude vorgeht. Umgekehrt ist es nicht so leicht zu erkennen, weil ich Rollläden habe, die ich runterlasse, wenn es sein muss. In letzter Zeit ziemlich häufig.

(Selbstporträt: Der Junge, der sich in dem Jungen versteckt, der sich in dem Jungen versteckt)

»Ich glaube nicht, dass die Kunst sind. Sie sind …« Sie bringt den Satz nicht zu Ende. »Es geht dabei um dich, Noah. Und du solltest aufhören, mir an den Strand nachzulaufen. Was, wenn ich dort mit jemandem rumgeknutscht hätte?«

»Mit wem denn?« Ich bin nur zwei Stunden, siebenunddreißig Minuten und dreizehn Sekunden jünger als Jude, aber sie gibt mir immer das Gefühl, ihr kleiner Bruder zu sein. Das hasse ich. »Mit wem solltest du denn rumknutschen? Hast du mit jemandem geknutscht?«

»Ich erzähle es dir, wenn du mir erzählst, was gestern passiert ist. Ich weiß, dass was war, sonst hättest du heute Morgen den normalen Weg zur Schule genommen.« Ich wollte nicht Zephyr oder Fry begegnen. Die Highschool liegt neben unserer Schule. Ich will die beiden niemals wiedersehen. Jude berührt meinen Arm. »Wenn dir einer was getan oder was Blödes gesagt hat, erzähl’s mir.«

Sie versucht, in meinen Kopf hineinzusehen, also mache ich die Rolläden dicht. Schnell ziehe ich sie runter, ich bleibe auf der einen Seite, sie auf der anderen. Dies hier ist nicht so wie die anderen Horrorszenarien. Wie im letzten Jahr, als sie dem Fleisch gewordenen Bollwerk Michael Stein während eines Fußballspiels mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat, weil er mich einen Spasti genannt hat, als ich von einem extrem coolen Ameisenhaufen abgelenkt wurde. Oder damals, als ich in einen Strudel geraten war, und sie und Dad mich vor einem ganzen Strand voller Surfidioten aus dem Meer ziehen mussten. Dies hier ist anders. Dieses Geheimnis ist so, als hätte ich ständig glühende Kohlen unter den nackten Füßen. Ich stehe von der Couch auf, um ihren Röntgenaugen zu entgehen – und da dringt das Gebrüll zu uns durch.

Es ist so laut, dass man meinen könnte, das Haus bricht mittendurch. Genauso wie bei den anderen Malen in letzter Zeit.

Ich setze mich wieder. Jude guckt mich an. Ihre Augen sind ganz hell, gletscherblau, ich nehme hauptsächlich weiß, wenn ich sie male. Normalerweise geben sie einem das Gefühl zu schweben, man denkt an bauschige Wolken und hört Harfenklänge, aber im Moment sehen sie einfach nur verschreckt aus. Alles andere ist vergessen.

(Porträt: Mom und Dad mit kreischenden Teekesseln als Köpfen)

Als Jude spricht, klingt sie wie das kleine Mädchen von früher, ihre Stimme ist aus Lametta. »Glaubst du wirklich, dass Grandma deshalb will, dass wir auf diese Schule gehen? Weil sie meine fliegenden Sandfrauen gesehen hat?«

»Ja«, lüge ich. Aber ich glaube, dass sie eben recht hatte. Ich glaube, es geht hier um mich.

Sie rutscht ein Stück näher, sodass wir Schulter an Schulter sitzen. Das sind wir. Das ist unsere Stellung. Aneinandergeschmiegt. Sogar auf der Ultraschallaufnahme von uns in Moms Bauch sieht man uns so, und so hatte ich uns auch auf dem Bild gemalt, das Fry gestern zerrissen hat. Im Gegensatz zu fast allen anderen Menschen auf der Erde sind wir von den ersten Zellen an zusammen gewesen, wir sind zusammen hierhergekommen. Deshalb bemerkt kaum jemand, dass Jude meistens das Reden für uns beide übernimmt, warum wir nur vierhändig Klavier spielen können und allein überhaupt nicht, warum wir nie Schere, Stein, Papier spielen können, weil wir in dreizehn Jahren nicht ein einziges Mal eine unterschiedliche Wahl getroffen haben. Immer: zwei Steine, zwei Mal Papier, zwei Scheren. Wenn ich uns nicht so zeichne, dann zeichne ich uns als halbe Menschen.

Die Ruhe des Aneinandergeschmiegtseins durchströmt mich. Jude atmet ein und ich atme mit. Vielleicht sind wir zu alt, um das immer noch zu machen, aber egal. Ich kann sie lächeln sehen, obwohl ich geradeaus gucke. Wir atmen zusammen aus, zusammen ein, ausatmen, einatmen, ein und aus, aus und ein, bis nicht mal die Bäume sich erinnern, was gestern im Wald passiert ist, bis aus den wütenden Stimmen von Mom und Dad Musik geworden ist, bis wir nicht nur gleich alt, sondern die gleiche Person sind.

Eine Woche später ändert sich alles.

Es ist Samstag, und Mom, Jude und ich sind in der Stadt auf dem Dachcafé des Museums, weil Mom sich bei dem Streit durchgesetzt hat und wir uns beide im nächsten Jahr an der CSA bewerben werden.

Jude sitzt mir gegenüber neben Mom, unterhält sich mit ihr und schickt mir gleichzeitig stumme Todesdrohungen, weil sie glaubt, dass meine Zeichnungen besser geworden sind als ihre – und wir sind im Wettstreit. Mom ist die Richterin. Na schön, vielleicht hätte ich nicht versuchen sollen, Judes Bild zu verbessern. Sie ist überzeugt, dass ich es ruinieren wollte. Kein Kommentar.

Ganz verstohlen verdreht sie die Augen in meine Richtung. Das sind 6,3 auf der Richterskala. Ich überlege, ob ich ihr unterm Tisch vors Schienbein treten soll, widerstehe jedoch. Stattdessen trinke ich heißen Kakao und beobachte insgeheim eine Gruppe älterer Jungs zu meiner Linken. Bis jetzt hatte mein fünf Meter langer Betontorpedo noch keine Konsequenzen, nur in meinem Kopf (Selbstporträt: Junge wird Stück für Stück an einen Schwarm Feuerameisen verfüttert). Aber vielleicht erzählt Zephyr es ja wirklich niemandem weiter.

Die Typen am Nebentisch haben Gummiplugs in den Ohrläppchen und gepiercte Augenbrauen und sie albern miteinander rum wie die Otter. Wahrscheinlich gehen sie auf die CSA, denke ich, und dieser Gedanke bringt meinen ganzen Körper zum Surren. Einer von denen hat ein Mondgesicht und blaue Augen so groß wie Untertassen und einen prallen roten Mund, wie Renoir ihn malt. Solche Münder liebe ich. Ich mache schnell eine Skizze von seinem Gesicht – unterm Tisch, mit dem Finger auf die Hose, als er mich beim Glotzen ertappt. Doch statt mich böse anzufunkeln, damit ich mich um meinen eigenen Kram kümmere, zwinkert er mir zu – langsam, sodass kein Zweifel besteht –, dann widmet er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Freunden, während ich vom Festen ins Flüssige übergehe.

Er hat mir zugezwinkert. So als ob er Bescheid wüsste. Aber es ist kein schlechtes Gefühl. Ganz und gar nicht. Ehrlich gesagt, ich wünschte, ich könnte aufhören zu lächeln, und jetzt – oh, wow – guckt er wieder rüber und lächelt auch. Mein Gesicht fängt an zu glühen.

Ich versuche, mich auf Mom und Jude zu konzentrieren. Sie reden über Grandmas Gewäschbibel. Mal wieder. Dass es eine Enzyklopädie ungewöhnlicher Überzeugungen ist, wie Mom immer meint. Dass Grandma Ideen gesammelt hat, von überall, von allen, dass sie die Bibel immer aufgeschlagen neben der Kasse ihres Kleiderladens hat liegen lassen, sodass auch alle ihre Kunden ihr abergläubisches Gewäsch reinschreiben konnten.

»Auf der allerletzten Seite«, sagt Mom zu Jude, »steht, dass das Buch im Falle ihres zu frühen Todes dein Eigentum wird.«

»Dann gehört es jetzt mir?« Jude wirft mir einen ihrer selbstgefälligsten Blicke zu. »Mir ganz allein?« Jetzt ist sie ganz in Geschenkpapier gehüllt. Egal. Als ob ich irgendeine Bibel haben wollen würde.

Mom sagt: »Ich zitiere: ‚Dieses gute Buch vermache ich meiner Enkelin, Jude Sweetwine, der nunmehr letzten Trägerin der Sweetwine-Gabe.«

Ich kotze grellgrün über den ganzen Tisch.

Grandma Sweetwine beschloss, dass Jude über die Gabe der Sweetwines verfügte, als sie entdeckte, dass Jude den Blumenzungentrick beherrschte. Wir waren vier Jahre alt. Danach verbrachte Jude mit mir ganze Tage vorm Spiegel, drückte ihren Finger immer wieder in meine Zunge, um es mir auch beizubringen, damit ich auch die Sweetwine-Gabe haben konnte. Aber es nützte nichts. Meine Zunge konnte sich recken, strecken, rollen, aber blühen wollte sie nicht.

Ich sehe wieder rüber zum Ottertisch. Sie packen zusammen und wollen gehen. Das blinzelnde Mondgesicht schwingt den Rucksack über die Schulter und sagt mir mit den Lippen Ciao.

Ich schlucke, blicke nach unten und gehe in Flammen auf.

Dann fange ich an, im Kopf aus dem Gedächtnis ein Bild von ihm zu malen.

Als ich mich Minuten später wieder einklinke, erzählt Mom Jude gerade, an Grandma Sweetwines Stelle würde sie uns rund um die Uhr beharrlich und aufdringlich verfolgen – keine schnellen Besuche im Auto, mit ihr nicht. »Ich wäre die Art Geist, die sich in alles einmischt.« Sie lacht ihr grollendes Lachen und ihre Hände fuchteln in der Luft herum. »Ich bin ein Kontrollfreak. Ihr würdet mich nie loswerden. Niemals!« Buhahahaaa.

Komisch ist, dass sie plötzlich aussieht wie in einem Sturm. Die Haare wehen ihr um den Kopf und ihr Kleid bauscht sich ein wenig. Ich gucke unter den Tisch, um nachzusehen, ob dort ein Ventilator steht oder so was, aber da ist nichts. Krass, oder? Andere Mütter haben nicht ihr ganz persönliches Wetter. Sie lächelt uns so warm an, als wären wir Hundewelpen, und es versetzt mir einen Stich.

Ich mache dicht, während die beiden genauer ausführen, was für eine Art Geist Mom abgeben würde. Die Sonne ginge aus, wenn Mom sterben würde. Punkt.

Stattdessen denke ich an heute.

Wie ich von Gemälde zu Gemälde gegangen bin und jedes gebeten habe, mich zu verschlingen – und jedes hat es getan.

Wie meine Haut die ganze Zeit gepasst hat, sich nicht ein einziges Mal an meinen Knöcheln geringelt oder meinen Kopf auf Stecknadelgröße gequetscht hat.

Moms Trommelwirbel auf dem Tisch holt mich wieder zurück. »So, dann zeigt mal die Zeichenblöcke her«, sagt sie aufgeregt. Ich habe vier Pastellzeichnungen in der Dauerausstellung gemacht, einen Chagall, einen Franz Marc und zwei Picassos. Die habe ich mir ausgesucht, weil ich gemerkt hab, dass die Bilder mich genauso intensiv angeguckt haben wie ich sie. Sie hatte gesagt, wir müssten nichts genau abmalen, das Gefühl sollten wir nicht haben. Ich habe überhaupt nicht kopiert. Ich hab die Originale in meinem Kopf aufgeschüttelt und sie dann mit mir bedeckt rausgelassen.

»Ich zuerst«, sage ich und drücke Mom meinen Block in die Hände. Dieses Mal ist Judes Augenrollen auf der Richterskala eine 7,2, die das ganze Gebäude ins Schwanken bringt. Ist mir egal, ich kann nicht warten. Heute, als ich gezeichnet habe, ist etwas passiert. Meine Augen sind gegen bessere eingetauscht worden. Ich will, dass Mom das bemerkt.

Ich beobachte sie beim langsamen Blättern, dann setzt sie die Oma-Brille auf, die an ihrem Hals baumelt, und sie geht die Zeichnungen noch einmal durch – und noch mal. An einer Stelle schaut sie zu mir auf, als ob ich mich in einen sternnasigen Maulwurf verwandelt hätte, dann widmet sie sich wieder dem Block.

Sämtliche Cafégeräusche – die Stimmen, das Surren der Espressomaschine, das Klirren und Klappern von Gläsern und Tellern – verstummen, als ich ihren Zeigefinger über jedem Teil des Blattes verharren sehe. Ich sehe durch ihre Augen, und was ich sehe, ist das: Meine Zeichnungen sind gut. Ich fühle mich wie bei einem Raketenstart. Ich werde bei der CSA angenommen werden, so viel steht fest! Und ich hab noch ein ganzes Jahr, um dafür zu sorgen, dass daran nicht zu rütteln ist. Mr Grady, den Kunstlehrer, habe ich schon gefragt, ob er mir nach der Schule zeigt, wie man Ölfarben mischt. Und er hat Ja gesagt. Als Mom endlich bei der letzten Zeichnung angekommen ist, blättert sie noch mal zum Anfang und fängt von vorne an. Sie kann nicht aufhören. Das Glück fällt über ihr Gesicht her. Oh, ich dreh gleich durch vor Freude.

Bis ich unter Beschuss genommen werde. Ein psychischer Luftangriff von Jude. (Porträt: Grün vor Neid) Haut: limonengrün. Haar: hellgrün. Augen: waldgrün. Sie als Ganzes: grün, grün, grün. Ich beobachte, wie sie ein Päckchen Zucker aufreißt, etwas auf dem Tisch verstreut und dann einen Fingerabdruck aus Kristallen auf den Deckel ihres Skizzenblocks drückt. Abergläubisches Gewäsch aus Grandmas Bibel, das Glück bringen soll. In meinem Bauch wickelt sich etwas zur Spirale. Ich hätte Mom meinen Skizzenblock längst aus den Händen reißen sollen, aber ich tu es nicht. Ich kann’s nicht.

Jedes Mal, wenn Grandma S. Jude und mir aus der Hand gelesen hat, hat sie uns gesagt, die Eifersucht, die in unseren Linien steckte, würde ausreichen, um unser Leben zehn Mal zu ruinieren. Damit hat sie recht, das weiß ich. Wenn ich Jude und mich mit durchsichtiger Haut male, dann sind immer Klapperschlangen in unseren Bäuchen. Ich habe nur ein paar. Jude hatte siebzehn bei der letzten Zählung.

Schließlich klappt Mom meinen Block zu, gibt ihn mir wieder und sagt zu uns: »Eigentlich sind Wettbewerbe albern. Lasst uns doch einfach im nächsten Jahr die Samstage mit Kunstbetrachtungen verbringen und damit, das Handwerk zu erlernen. Na, was meint ihr?«

Judes Block hat sie noch nicht mal aufgeschlagen, als sie das sagt.

Mom nimmt ihren heißen Kakao, trinkt aber nicht. »Unglaublich«, murmelt sie und wiegt den Kopf langsam hin und her. Hat sie Judes Block etwa vergessen? »Ich sehe die Sensibilität Chagalls mit der Palette Gauguins, aber die Perspektive scheint dabei immer ganz deine zu sein. Dabei bist du noch so jung. Das ist außergewöhnlich, Noah. Schlicht außergewöhnlich.«

(Selbstporträt: Junge taucht in einen See aus Licht)

»Wirklich?«, flüstere ich.

»Wirklich«, sagt sie ernst. »Ich bin überwältigt.« Etwas ist anders in ihrem Gesicht – es sieht aus, als hätte jemand einen Vorhang aufgezogen. Verstohlen schaue ich zu Jude und stelle fest, dass sie sich in eine Ecke ihrer selbst zusammengekauert hat, genauso wie ich es in Notlagen mache. Da ist ein Kriechgang in mir, in den niemand reinkommt, egal, was auch passiert. Ich wusste gar nicht, dass sie auch so was hat.

Mom merkt nichts, obwohl sie normalerweise alles merkt. Aber sie sitzt nur da und merkt überhaupt nichts, es ist, als würde sie vor unseren Augen träumen.

Als sie schließlich wieder zu sich kommt, ist es zu spät. »Jude, Schatz, zeig deinen Block mal her, ich bin so gespannt darauf, was du gezeichnet hast.«

»Schon in Ordnung«, sagt Jude mit ihrer Lamettastimme, der Block ist schon tief in ihrer Tasche verstaut.

Jude und ich spielen viele Spiele. Eins ihrer liebsten ist: Wie würdest du am liebsten sterben? (Jude: erfrieren, ich: verbrennen), und das Ertrinkspiel. Das geht so: Wenn Mom und Dad im Begriff wären zu ertrinken, wen würden wir zuerst retten? (Ich: Mom, ist doch klar. Jude: Kommt auf ihre Stimmung an). Und dann ist da noch die andere Variante: Wenn wir kurz vorm Ertrinken wären, wen würde Dad zuerst retten? (Jude.) Dreizehn Jahre lang hat Mom uns Rätsel aufgegeben. Wir hatten absolut keine Ahnung, wen sie zuerst aus dem Wasser ziehen würde.

Bis jetzt.

Und wir müssen uns nicht ansehen, wir wissen es beide.

Jude

16 Jahre

3 Jahre später

Hier bin ich.

Mit einem vierblättrigen Kleeblatt in der Tasche stehe ich im Atelier der CSA neben meiner Skulptur. Den ganzen Morgen habe ich auf allen vieren in einem Kleeflecken vor der Schule verbracht – für nichts und wieder nichts, alles leer gepflückt. Aber dann – heureka! – hab ich mir mit Kraftkleber ein viertes Blatt an ein gewöhnliches dreiblättriges Kleeblatt geklebt, es in Zellophan gewickelt und in die Tasche meiner Kapuzenjacke gesteckt, gleich neben die Zwiebel.

Ich bin eine Bibeltreue. Andere Leute haben das Evangelium, ich hab die Grandma-Sweetwine-Bibel. Hier einige exemplarische Auszüge:

Ein Mensch, der im Besitz eines vierblättrigen Kleeblatts ist, vermag alle üblen Einflüsse abzuwehren.

(Die Kunstschule ist voller übler Einflüsse. Besonders heute, denn da ist nicht nur mein Feedback-Tag, ich habe auch noch eine Besprechung mit meinem Tutor und werde vielleicht rausgeworfen.)

Zur Abwehr ernster Krankheiten habe stets eine Zwiebel in der Tasche.

(Hab ich. Man kann nicht vorsichtig genug sein.)

Wenn ein Junge einem Mädchen eine Orange schenkt, wird ihre Liebe zu ihm um ein Vielfaches stärker werden.

(Kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt hat mir noch kein Junge eine Orange geschenkt.)

Die Füße eines Geistes berühren nie den Boden.

(Darauf kommen wir noch. Bald.)

Es klingelt zum Unterricht.

Und da sind sie. Die anderen aus dem zweiten Jahr der Tongruppe. Jeder Einzelne von ihnen ist bereit, mich mit einem Kissen zu ersticken. Ups, ich meine: Jeder Einzelne von ihnen starrt entgeistert auf meine Skulptur. Die Aufgabe war mal wieder ein Selbstporträt. Ich bin abstrakt geworden – mit anderen Worten: Matschklops. Degas schuf Tänzerinnen, ich Matschklopse. Kaputte, zusammengeklebte Klopse. Dies ist mein achter.

»Was funktioniert an dieser Arbeit?«, fragt Sandy Ellis, der Keramikmeister, Ton-Lehrer – und mein Tutor. So fängt bei ihm jede Kritik an.

Keiner sagt ein Wort. Anfang und Ende des typischen Feedback-Sandwiches von Kaliforniens Schule der Aliens ist Lob – dazwischen sagen die Leute die schrecklichen Dinge, die sie wirklich denken.

Ohne den Kopf zu bewegen, scanne ich den Raum. Die Tongruppe zwei ist repräsentativ für die Schülerschaft der gesamten CSA: Freakflaggen in allen Variationen flattern stolz und laut. Ganz normale, durchschnittliche Leute wie ich – na ja, abgesehen von ein paar kleinen Ticks, klar, aber die hat ja jeder – sind die Ausnahme.

Ich weiß, was ihr denkt. Noah gehört hierher, aber ich nicht.

Sandy guckt über seine runde, getönte Brille hinweg die Klasse an.

Normalerweise gehen alle gleich in die Vollen, aber das einzige Geräusch ist das elektrische Summen der Neonröhren. Ich studiere die Zeit auf Moms alter Armbanduhr, die jetzt an meinem Handgelenk tickt (sie hat sie getragen, als ihr Auto vor zwei Jahren über die Klippe segelte und sie beim Aufprall umkam).

Regen im Dezember bringt ein unvorhergesehenes Begräbnis.

(Bevor sie starb, hatte es fast den ganzen Dezember geregnet.)

»Nun mal los, Leute, positive Eindrücke zu Kaputte Unform Nr. 8?« Sandy streicht sich langsam über den schütteren Bart. Wenn wir uns alle in unsere Spiegeltiere verwandeln würden (ein Spiel, das Noah andauernd mit mir spielen wollte, als wir klein waren), dann würde Sandy mit einem Puff zu einem Ziegenbock werden. »Wir haben doch neulich über Perspektive gesprochen«, sagt er. »Also lasst uns mal über CJs reden, einverstanden?«

CJ, die Abkürzung für Chaos-Jude, so nennen mich alle in der Schule, weil bei mir alles schiefläuft. Nicht nur wegen der Sachen, die beim Brennen im Ofen kaputtgehen. Letztes Jahr in Keramik haben sich angeblich einige meiner Schalen nachts von den Regalen gestürzt, bei geschlossenen Fenstern, weit und breit kein Mensch in der Nähe und das nächste Erdbeben in Indonesien. Der Nachtwächter war verblüfft.

Das waren alle, nur ich nicht.

Caleb Cartwright hebt langsam beide Hände, was seinen Pantomimenaufzug noch unterstreicht: schwarzer Rollkragenpullover, enge schwarze Jeans, schwarzer Eyeliner, schwarzer Bowlerhut. Eigentlich ist er ganz schön heiß, so auf die Künstler-Cabaret-Tour, aber nicht, dass mir das auffallen würde. Ich zieh den Jungs-Boykott voll durch. Meine Standardausrüstung besteht aus Scheuklappen und einer todsicheren Unsichtbarkeitsuniform:

Wie man sich in Luft auflöst: Schneide einen knappen Meter blonde Locken ab und stopfe die restlichen Haare unter eine schwarze Mütze. Sorg dafür, dass keiner die Tätowierung sieht. Trage ausschließlich zugroße Hoodies, weite Jeans und Turnschuhe. Verhalte dich ruhig.

(Gelegentlich verfasse ich auch mal selber eine Bibelpassage.)

Caleb schaut sich im Raum um. »Ich spreche einfach mal für alle, okay?« Er macht eine Pause und bemüht sich sehr, die geeignetsten Worte zu finden, um mich über Bord zu werfen. »Es ist unmöglich, CJs Arbeiten zu beurteilen, weil es eigentlich immer zusammengeklebte Trümmerhaufen sind, so wie das hier. Was soll man dazu sagen?«

Ich stelle mir vor, auf einer Wiese zu sein. Dazu hat mir der Schulpsychologe geraten, wenn ich das Gefühl kriege durchzudrehen (oder nicht alle Latten am Zaun zu haben, wie Grandma immer gesagt hat).

Und falls irgendjemand noch daran zweifeln sollte: Selbst gebastelte Viererklees haben keine Kraft.

»Nun, was sagt das aus?«, fragt Sandy die Klasse.

Randall »Ist nicht böse gemeint, aber« Brown fängt an zu plappern. Er ist eins von diesen Megaarschlöchern, die der Meinung sind, in der Feedbackrunde die krassesten Sachen sagen zu können, die man sich nur vorstellen kann, solange man nur ein »Ist nicht böse gemeint, aber …« voranschickt. Am liebsten würde ich ihm einen Pfeil mit Beruhigungsmittel in den Arsch schießen. »Es würde viel mehr aussagen, Sandy, wenn es beabsichtigt wäre.« Er guckt mich an. Und jetzt kommt’s: »Ist nicht böse gemeint, CJ, aber ich fürchte, du bist einfach durch und durch schlampig. Die einzige rationale Erklärung für so viel Bruch im Brennofen ist, dass du den Ton nicht ausreichend knetest oder deine Arbeiten nicht gleichmäßig trocknen lässt.«

Den Nagel auf den Kopf getroffen. Da haben wir’s. Bingo.

Manchmal sind Erklärungen aber nicht rational.

Es geschehen die seltsamsten Dinge. Und wenn wir reden dürften, während unsere Arbeiten besprochen werden, und wenn ich von jemandem ganz oben, Gott zum Beispiel, eine eidesstattliche Versicherung dafür kriegen könnte, dass ich nicht zur Strafe für den Rest meines Lebens weggesperrt werde, dann würde ich sagen: »Hat etwa keiner von euch eine tote Mutter, die so wütend auf euch ist, dass sie sich aus dem Grab erhebt und eure Arbeiten kaputt macht?«

Denn dann würden sie verstehen, womit ich es zu tun habe.

»Randall bringt hier einen interessanten Punkt ins Spiel«, sagt Sandy. »Ist Intentionalität bei unserer Wahrnehmung und Bewertung von Kunst von Bedeutung? Wenn CJs fertige Skulptur in Stücken vor uns liegt, spielt ihr ursprüngliches Konzept von Ganzheit dann überhaupt noch eine Rolle? Geht es um die Absicht oder allein um das Ergebnis?«

Da summt die ganze Klasse wie ein glücklicher Bienenschwarm, und Sandy bricht eine theoretische Diskussion darüber vom Zaun, ob der Künstler nach der Erschaffung des Kunstwerks überhaupt noch wichtig ist.

Ich denke lieber an saure Gurken.

»Ich auch – an dicke, fette, saftige Gurken mit Dill. Mmmh. Mmmh. Mmmh«, flüstert Grandma Sweetwine in meinem Kopf. Sie ist tot wie Mom, aber anders als Mom, die nur Sachen kaputt macht, spricht Grandma mit mir und zeigt sich auch oft. Sie ist der gute Cop in meiner Geisterwelt, Mom der böse. Ich bemühe mich um eine ausdruckslose Miene, während sie fortfährt. »Mannomann, ist das öde. Aber das ist echt ein ziemlich hässliches Dings, das du da fabriziert hast. Was reden die denn so um den heißen Brei herum? Warum wünschen sie dir nicht einfach mehr Glück fürs nächste Mal und machen sich über ihr nächstes Opfer her, zum Beispiel über den Typen da, dem die Bananen aus dem Kopf wuchern.«

»Das sind blonde Dreadlocks, Grandma«, erkläre ich ihr im Geiste, wobei ich sorgfältig darauf achte, nicht den Mund zu bewegen.

»Ich rate dir, hau bloß schnell ab hier, Schatz.«

»Ganz deiner Meinung.«

Kleine Ticks? Ich gebe zu, ganz so klein sind sie vielleicht doch nicht.

Aber fürs Protokoll: Zweiundzwanzig Prozent der Weltbevölkerung sehen Geister, das sind mehr als anderthalb Milliarden Menschen weltweit. (Professorenkind. Überdurchschnittliche Recherche-Fähigkeiten.)

Während sich das theoretische Gedröhne fortsetzt, amüsiere ich mich mit einer Runde Wie möchtest du am liebsten sterben?. Ich bin der amtierende Champion dieses Spiels. Es ist nicht so leicht, wie man meinen könnte, denn man braucht enorme Fähigkeiten, um die Tode auf beiden Seiten der Gleichung ähnlich schrecklich zu gestalten. Zum Beispiel: eine Handvoll Glasscherben nach der anderen essen oder …

Ich werde unterbrochen, denn zu meiner Überraschung und der aller anderen ebenso, hat Fisch (ist nicht der Nachname) die Hand erhoben. Und da Fisch eine Stumme ist, so wie ich, ist das durchaus bemerkenswert.

»CJ ist technisch gut«, sagt sie, und ihr Zungenpiercing blitzt wie ein Stern in ihrem Mund. »Ich würde daher vermuten, dass ein Geist ihre Arbeiten zerstört.«

Alle lachen darüber, hahaha, Sandy eingeschlossen. Aber mich haut das um. Das war kein Witz, das merke ich. Sie sieht mir in die Augen, dann hebt sie ihr Handgelenk und schüttelt es unauffällig. Sie trägt ein cooles punkiges Armband, das perfekt zu allem anderen an ihr passt: lila Haare, Tattoo-Ärmel, Acid-Look. Dann erkenne ich die Anhänger an ihrem Armband wieder: drei Stücke rubinrotes Meerglas, zwei Viererklees aus Plastik, eine Handvoll Sanddollar-Muscheln – alle auf ein zerfranstes schwarzes Lederband gefädelt. Wow. Mir war gar nicht klar, dass ich so viel Glück in ihre Tasche geschmuggelt habe, in die Tasche von ihrem Arbeitskittel. Sie wirkt einfach immer so traurig unter all dem gruseligen Make-up. Aber woher wusste sie, dass ich das war? Und wissen die anderen das auch? Dieser hibbelige Neue zum Beispiel, der ganz eindeutig nicht alle Latten am Zaun hat? Dem habe ich schon haufenweise Sanddollar-Muscheln zugesteckt.

Aber Fischs erstaunlich treffende Erklärung und das Armband sind einsame Lichtblitze. Den Rest der Stunde knöpfen sich alle anderen, einer nach dem anderen, die Kaputte Unform Nr. 8 vor, und mir wird immer deutlicher bewusst, dass ich meine Hände in so fester Umklammerung vor mir halte, dass die Knöchel weiß geworden sind. Sie jucken. Sie jucken heftig. Schließlich löse ich die Umklammerung und versuche sie mir heimlich anzusehen. Keine Spur von einem Stich oder Ausschlag. Ich suche nach einem roten Fleck, der auf nekrotisierende Fasziitis hinweisen könnte, die als fleischfressende Krankheit besser bekannt ist und über die ich in Dads medizinischen Zeitschriften alles gelesen habe …

Okay, ich hab’s: Woran würdest du lieber sterben? An einem Haufen Glasscherben oder an nekrotisierender Fasziitis?

Die Stimme von Felicity Stiles – wenn sie sich einschaltet, weiß man: Das Ende ist nah – holt mich aus dieser hirnzermarternden Frage heraus, bei der ich zum Glas essen tendiere.

»Darf ich den Abschluss machen, Sandy?«, fragt sie, so wie sie es immer macht. Sie hat diesen hinreißenden säuselnden Südstaatenakzent, mit dem sie am Ende einer jeden Kritiksession ihren Sermon abgibt. Sie ist wie eine sprechende Blume – eine predigende Narzisse. Fisch mimt verstohlen, wie ein Dolch in ihre Brust stößt. Ich lächele sie an und mache mich aufs Schlimmste gefasst. »Ich finde es einfach traurig«, sagt Felicity und hält dann inne, bis der Raum ihr gehört, was nicht länger als eine Sekunde dauert, weil sie nicht nur klingt wie eine Narzisse, sondern auch so aussieht und sich so verhält – und in ihrer Gegenwart werden wir alle zu menschlichen Seufzern. Sie deutet auf meinen Klops. »In dieser Arbeit kann ich den Schmerz der ganzen weiten Welt spüren.« Diese Welt muss eine volle Umdrehung machen, bis sie all diese Wörter gesäuselt hat. »Denn wir sind alle zerbrochen. Findet ihr nicht? Ich bin es. Die ganze weite Welt ist es. Wir versuchen alle unser Bestes zu tun – und das kommt dabei heraus. Ein ums andere Mal. Das sagt mir CJs Arbeit – und es macht mich wirklich, wirklich traurig.« Sie spricht mich direkt an. »Ich verstehe, wie traurig du bist, CJ. Das tu ich wirklich.« Ihre Augen sind groß, verzehrend. Oh, wie ich die Kunstschule hasse. Sie hebt die zur Faust geballte Hand, schlägt sie drei Mal an ihre Brust und sagt dabei: »Ich. Verstehe. Dich.«

Ich kann nicht anders. Ich nicke, als wäre ich auch eine Blume, als der Tisch unter Kaputte Unform Nr. 8 plötzlich nachgibt und mein Selbstporträt auf den Boden kracht und in Stücke zerspringt. Schon wieder.

Das ist gemein, sage ich im Kopf zu Mom.

»Seht ihr?«, verkündet Fisch. »Ein Geist.«

Dieses Mal lacht keiner. Caleb schüttelt den Kopf. »Kann doch nicht sein.« Randall: »Was zum Geier?« Ja, sagt’s mir, Mitbürger. Im Gegensatz zu Casper und Grandma S. ist Mom kein freundlicher Geist.

Sandy ist unterm Tisch. »Eine Schraube ist rausgefallen«, sagt er ungläubig.

Ich hole den Besen, den ich für solche Gelegenheiten an meinem Arbeitsplatz bereithalte, und fege die kaputte Unform Nr. 8 auf, während alle murmeln, was ich doch für ein Pech habe. Ich werfe die Scherben in einen Mülleimer. Den Trümmern meines Selbstporträts folgt das nutzlose selbst gebastelte Kleeblatt.

Vielleicht hat Sandy ja Mitleid mit mir und verschiebt unsere große Besprechung bis nach den Winterferien, die morgen anfangen, denke ich gerade, als er mir »Komm in mein Büro« zuraunt und auf die Tür zeigt. Ich gehe quer durchs Atelier.

Geh immer mit dem rechten Fuß zuerst vorwärts, umUnheil abzuwenden, das dich von links befällt.

Ich bin gegenüber von Sandy in einen tiefen Ledersessel gesunken. Er hat sich gerade wegen der rausgefallenen Schraube entschuldigt und scherzhaft bemerkt, dass Fisch ja vielleicht recht hatte mit dem Geist, was, CJ?

Höfliches Schmunzeln über diese absurde Vorstellung.

Seine Finger spielen Klavier auf der Tischplatte. Keiner von uns redet. Das ist okay für mich.

Zu seiner Linken hängt ein lebensgroßer Druck von Michelangelos David, der im fahlen Nachmittagslicht so lebendig wirkt, dass ich die ganze Zeit darauf warte, dass seine Brust sich hebt, wenn er seinen ersten Atemzug einfordert. Sandy folgt meinem Blick über seine Schulter hinweg zu dem großartigen Steinmann.

»Tolle Biografie, die deine Mutter da geschrieben hat«, bricht er das Schweigen. »Furchtlos in ihrer Auseinandersetzung mit seiner Sexualität. Das Buch hat jedes Lob verdient, das es bekommen hat.« Er nimmt die Brille ab und legt sie auf den Tisch. »Rede mit mir, CJ.«