Ich kann jederzeit aufhören - Ruth Omphalius - E-Book

Ich kann jederzeit aufhören E-Book

Ruth Omphalius

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Beschreibung

In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 20.000 Kinder und Jugendliche wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Alkohol und andere Drogen sind für Jugendliche leicht verfügbar und Erwachsene sind oft kein Vorbild, wenn es um das Thema Sucht geht. Unter dem Motto "Aufklärung statt Abschreckung" bietet dieses Buch knapp und fundiert Orientierung zu den Themen Sucht, Drogen, ihren Wirkungsweisen, dem weltweiten Drogenhandel sowie Hilfsangeboten. Ein leicht verständlicher Überblick für Jugendliche, die sich besser informieren wollen. Denn: Nur, wer sich auskennt, kann sich schützen. Mit Adressteil zu Hilfen und Infos im Netz und per Telefon.

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Monika Azakli    Ruth Omphalius

Ich kann jederzeit aufhören

Drogen – der gefährliche Traum vom Glücklichsein

Ruth Omphalius hat in Frankfurt Germanistik, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften studiert. Seit 1991 arbeitet sie als Redakteurin für das ZDF in Mainz.

Monika Azakli hat in Mainz Islamkunde, Islamphilologie und Publizistik studiert. Seit 1993 ist sie als Mediendokumentarin beim ZDF in Mainz beschäftigt.

Fréderic Bertrand hat Grafikdesign in Bremen studiert. Nun wohnt er in Berlin und zeichnet Bilder für Brettspiele, Trickfilme, Computerspiele und Bücher. www.captnfred.com

1. Auflage 2013 © Arena Verlag GmbH, Würzburg 2013 Alle Rechte vorbehalten Coverillustration: Frauke Schneider Innenillustrationen: Fréderic Bertrand Redaktion: Britta Vorbach Satz: tiff.any GmbH, Berlin ISBN 978-3-401-80298-5

www.arena-verlag.de

Sucht – Was ist das eigentlich?

Jenni, 12 Jahre: „Da kann man nix machen. Von meinen Eltern lass ich mir nicht verbieten, mit meinen Freunden Party zu machen und was zu trinken. Was die sagen, ist mir egal.“

Thomas, 23 Jahre: „Ich wusste ganz genau, was los ist. Ich habe mich dafür entschieden. Es ist unbewusst, aber man entscheidet sich: Ich zieh los, kauf mir Drogen. Das ist eine Entscheidung in dem Moment, aber man fällt die aus einem gewissen Automatismus – weil man selber nichts mit sich anzufangen weiß.“

Andy, 20 Jahre: „XTC nehme ich meistens zusammen mit Speed, weil ich dann eher auf die Musik raufkomme. Ich lebe eben jetzt, und was später kommt, kommt halt. Im Moment sind meine gesundheitlichen Probleme noch nicht so schlimm – eigentlich denke ich nur dran, wenn’s wehtut. Manchmal tun die Nieren weh oder das Herz, manchmal auch die Leber.“

Wie Menschen zu Drogen stehen oder mit ihnen umgehen, ist sehr verschieden. Sowohl legale als auch illegale Drogen sind in unserer Gesellschaft viel weiter verbreitet als die meisten denken. Und je nach Persönlichkeit und Lebensumständen gehen wir recht unterschiedlich mit Drogen um. Auch die Einschätzung, ob jemand abhängig ist oder etwas nur genießt, kann sehr weit auseinandergehen.

Was zum Beispiel Jenni beschreibt, würden viele als „Abhängigkeit“ bezeichnen, bei Thomas und Andy fällt uns vielleicht eher das Wort „Sucht“ ein. Mit dieser Einschätzung aus dem Bauch heraus sind wir praktisch mittendrin in der Diskussion der Fachleute. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Begriff Abhängigkeitssyndrom geprägt. Mit diesem Wortmonster machen die Mediziner deutlich, dass jemand, der Drogen nimmt, in erster Linie ein Patient ist, der Hilfe benötigt.

Im medizinischen Alltag reden die meisten Ärzte von Abhängigkeit, während der Begriff Sucht offiziell lange Zeit verpönt war. Im allgemeinen Sprachgebrauch blieb er allerdings erhalten. Auch in den Medien heißt das Abhängigkeitssyndrom nach wie vor Sucht und mittlerweile gibt es sogar viele Fachleute, die diesen Begriff für sinnvoller halten.

Ralf Schneider, Autor der bekannten „Suchtfibel“, begründet das so: „Sucht weist auf Anteile des Verhaltens und Erlebens hin, die in Abhängigkeit nicht enthalten sind: Wir sind abhängig von etwas, wie beispielsweise das Kleinkind von der Mutter oder der Mittellose von Zuwendungen anderer, hingegen süchtig nach etwas, wie der Bär nach Honig oder der Börsenhai nach Geld.“ In dem Begriff Sucht steckt also eher die Bedeutung, die Thomas oben beschreibt: Er wusste ziemlich genau, was er tat. Er wurde aktiv, holte sich Drogen und nahm die Nebenwirkungen in Kauf.

Wir haben uns hier für den Begriff Sucht entschieden, weil wir der Meinung sind, dass damit tatsächlich alle wesentlichen Aspekte erfasst sind.

Suchen oder Siechen?

Der Begriff Sucht hat nichts mit suchen zu tun, sondern hängt mit dem Verb siechen zusammen, was so viel heißt wie „an einer Krankheit leiden“. Eine Sucht war eine Krankheit, an der jemand sehr litt – meist bis zum Tod. Bei der „Gelbsucht“ beispielsweise färbte sich die Haut des Kranken gelb. Erst im 20. Jahrhundert sprach man von Sucht als unstillbarer Gier nach einer Droge.

Was ist eine Droge?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auch hier eine offizielle Definition parat: Eine Droge ist ein Stoff, „der in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag“. Das ist ziemlich weit gefasst, denn Nahrungsmittel verändern die Funktionen eines lebendigen Körpers ebenfalls. Isst man zu viel, wird Fett abgelagert. Isst man Süßes, setzt der Körper Glückshormone frei. Tatsächlich weisen die Fachleute der WHO extra darauf hin, dass Nahrungsmittel aus der Definition ausgenommen sind. Bleibt die Frage: Was genau sind Nahrungsmittel im Gegensatz zu Drogen? Ist ein Bier „flüssiges Brot“, wie viele sagen, oder doch Alkohol und damit eine Droge? Wie steht es mit Kaffee, Tee oder auch Kräutern. Viele sind bekannt dafür, dass sie eine anregende, beruhigende oder heilende Wirkung haben. So ganz genau will sich offenbar keiner festlegen.

Vom „Getrockneten“ zur Droge

Das Wort Droge leitet sich von dem holländischen Adjektiv droog („trocken“) ab. Zur Zeit der niederländischen Kolonialherrschaft bezeichnete man alle getrockneten Pflanzen und Pflanzenteile, die als Medizin, Genussmittel oder zum Kochen genutzt wurden als Droog.

Auf jeden Fall zählen nach der Begriffserklärung der WHO alle Arznei- und Heilmittel zu den Drogen. Denn ob eine Substanz dem Konsumenten schadet oder nützt, spielt für die Definition zunächst einmal keine Rolle.

Heute verstehen Mediziner unter Drogen solche Stoffe, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung auf das Zentralnervensystem einwirken und dadurch das Denken, das Fühlen, die Wahrnehmung und das Verhalten so verändern können, dass der Konsument einen rauschhaften Zustand erlebt. Man unterscheidet dabei im Wesentlichen vier Typen von Drogen.

1) Die falschen Glücksbringer: Opiate

Zu den Opiaten zählt das Opium, das aus Schlafmohn gewonnen wird, und alle Stoffe, die man daraus herstellen kann. Bekannte Opiate sind zum Beispiel Morphin, Codein und Heroin. Die Wirkung der Opiate beruht auf ihrer großen Ähnlichkeit mit den Endorphinen. Das sind Stoffe im menschlichen Körper, die auf natürliche Weise dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen und bei positiven Erlebnissen Glück empfinden. Wegen ihrer Wirkung nennt man Endorphine auch „Glückshormone“. Kurzfristig sorgen Opiate für starke Glückszustände. Der Preis sind allerdings die schnelle Abhängigkeit und vielfältige Nebenwirkungen.

2) Der Stoff aus dem die (Alb-)Träume sind: Halluzinogene

Halluzinogene erweitern angeblich das Bewusstsein. Zu diesem Drogentyp zählen beispielsweise Cannabis (Marihuana, Haschisch), Psilocybin (aus Pilzen), Meskalin (aus Kakteen) und LSD. Die Wirkung dieser Drogen beruht ebenfalls auf der Ähnlichkeit mit einem körpereigenen Stoff, nämlich Serotonin. Das menschliche Gehirn wird durch Augen, Ohren, Nase und Haut in jeder Sekunde von unzähligen Reizen überflutet. Serotonin schafft hier Ordnung und sorgt dafür, dass nur die wichtigtsten Informationen beim Gehirn ankommen. Halluzinogene machen sich dort breit, wo sich sonst das Serotonin befindet, allerdings ohne seinen Job zu übernehmen. Die Reize strömen also ungehindert ins Gehirn und sorgen dort für totales Chaos. Halluzinationen kann man sehen, hören oder fühlen, aber besonders häufig sind intensive Farb- oder Musikerlebnisse. Längst nicht alle Erfahrungen sind positiv. Häufig kommt es zu sogenannten „Horrortrips“. Das sind Visionen, die Angstzustände auslösen oder sogar zu Panikattacken führen können.

3) Die Beruhiger: Hypnotika und Sedativa

Hypnotika und Sedativa sind Schlaf- und Beruhigungsmittel im weitesten Sinn. Dazu zählen Alkohol, Barbiturate oder auch Benzodiazepine (z. B. Valium). Allen diesen Stoffen ist gemeinsam, dass sie die körperliche und geistige Aktivität verringern. Der Stoffwechsel wird verlangsamt, Angstzustände und Depressionen verlieren an Bedeutung. Aus diesem Grund hat sich der englische Begriff „Downer“ für diese Stoffgruppe eingebürgert. Häufig werden solche Substanzen medizinisch genutzt, aber eine Abhängigkeit droht auch hierbei sehr schnell.

4) Die Starkmacher: Leistungsdrogen

Leistungsdrogen haben eine anregende Wirkung. Zu dieser Gruppe gehören Koffein, Tein, Kokain und Nikotin. Drogen dieser Art sorgen dafür, dass verstärkt Stresshormone (z. B. Dopamin) ausgeschüttet werden und der Körper kurzfristig leistungsfähiger wird. Der Blutdruck steigt, Schlafbedürfnis und Hunger lassen nach und die Muskeln können in so große Bereitschaft versetzt werden, dass der Betreffende zu zittern anfängt. Diese Drogen sind besonders schwer einzuordnen. In kleineren Mengen können sie den Körper leicht anregen, konsumiert man jedoch zu große Mengen dieser Wachmacher, kann das zur völligen Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und damit zu Überlastung führen. Nach dem Abklingen der Wirkung fühlt sich der Betreffende häufig schlechter als vor der Einnahme: ausgelaugt, zerschlagen und sogar depressiv.

Sucht ohne Drogen?

Lange Zeit ging man davon aus, dass ein bestimmtes Mittel, eine „Substanz“ nötig sei, um eine Sucht herbeizuführen. Mittlerweile haben Wissenschaftler jedoch nachgewiesen, dass es durchaus noch andere Möglichkeiten gibt, „in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern“, und zwar ganz ohne Chemie. Computernutzung, Extremsport und Shoppen können beispielsweise Endorphine im Übermaß freisetzen. Fasten soll bewusstseinserweiternd wirken, kann aber auch zu Halluzinationen führen und auch auch bei Nahrungsmitteln kann ein „Zuviel“ oder ein „Zuwenig“ zur Sucht werden.

Wieso werden wir süchtig?

Glücklichsein als Motivation

Das Gehirn ist, wenn man so will, unser persönlicher „Drogendealer“. Es arbeitet mit einer Auswahl an „Drogen“, die offenbar überlebenswichtig sind und ohne die wir uns nicht zu dem entwickelt hätten, was wir sind. Eine dieser körpereigenen „Drogen“ ist Dopamin.

Das „Glückshormon“ Dopamin A

Dopamin (DA) wird gern als „Glückshormon“ bezeichnet, obwohl es kein Hormon ist. Vielmehr wirkt es als Botenstoff zwischen Nerven, wenn es ums Wohlbefinden geht. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das im Körper natürlich vorkommende Dopamin zu einem Belohnungssystem gehört, das uns hilft, unser Leben zu meistern.

Seit seiner Entdeckung in den 1950er-Jahren versuchen Hirnforscher zu ergründen, wie genau dieses Belohnungssystem in unserem Körper funktioniert und welche Bedeutung es für Tiere und vor allem für uns Menschen hat. Offenbar braucht jedes Lebewesen einen Anreiz, um etwas zu tun. Und damit sind nicht nur komplizierte oder besonders anstrengende Dinge wie Wahrscheinlichkeitsrechnung, Langlauf oder Hausaufgaben gemeint. Viele Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Tiere und sogar Menschen nicht einmal essen, trinken oder sich fortpflanzen würden, gäbe es die zusätzliche innere Streicheleinheit in Form einer Portion Dopamin nicht. Das konnten Forscher zum Beispiel bei Fadenwürmern nachweisen. Selbst diese schlichten Gesellen fressen nicht „automatisch“, im Gegenteil: Auch sie verlangen eine körpereigene Dopamin-Belohnung. Verhindern die Wissenschaftler die Dopamin-Ausschüttung im Würmerhirn, lassen die Würmer ihr Lieblingsgericht – Bakterien – einfach liegen.

Zum Glück stellt die Natur aber genau diesen Botenstoff in ausreichendem Maße zur Verfügung: Macht ein Lebewesen etwas, das lebens- oder arterhaltend ist, dann wird dieses Verhalten an das positive Belohnungssystem angeschlossen und mit Glücksgefühlen versüßt. Damit erhöht sich der Anreiz, dieses vorteilhafte Verhalten zu wiederholen. Essen ist für alle überlebenswichtig, deshalb wird jede Nahrungsaufnahme mit Dopamin und damit mit einem guten Gefühl belohnt. Jede Futtersuche und sogar das mühevolle Kauen selbst ist letztlich angetrieben von dem Wunsch nach Glücksmomenten.

Dopamin ist ein sogenannter „Neurotransmitter“, das heißt, es wirkt als Botenstoff bestimmter Nervenzellen. Sie haben ihren Sitz im sogenannten Mittelhirn. Den Kreislauf, der für das Belohnen der unterschiedlichsten Verhaltensweisen zuständig ist, nennen Mediziner mesolimbisches Dopaminsystem.

Wann immer ein Mensch eine aus biologischer Sicht belohnenswerte Tat vollbracht hat, legen die Nervenzellen im Mittelhirn los und bombardieren eine bestimmte Region im Vorderhirn, das viele Koordinationsaufgaben erfüllt, mit Dopamin. Das Dopamin schießt durch die Tentakelfortsätze der Nervenzellen, hüpft von der äußersten Spitze der Tentakel zur nächsten Nervenzelle und dockt dort an einen Rezeptor an. Die Zelle empfängt auf diese Weise die Nachricht „Loben“ und schon werden alle Hebel im Körper in Bewegung gesetzt, damit es der Person gut geht. Hormone werden ausgeschüttet, das Herz schlägt schneller, die Durchblutung wird erhöht und schließlich vergießt man vor Glück sogar Tränen. Nachdem das Dopamin seine Aufgabe als „reitender Bote“ erledigt hat, wird es recycelt und in seine Ursprungszelle zurückgeschafft. Nichts geht verloren. Ein Supersystem, das uns alle Dinge, die zum Überleben notwendig sind, auch noch gern erledigen lässt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieses Belohnungssystem schon sehr alt ist und eine starke Antriebsfeder für die Entwicklung vieler Verhaltensweisen war.

Offenbar hat es sich aber im Laufe der Evolution herausgestellt, dass allzu glückliche Wesen auch nicht besonders überlebensfähig sind. Vielleicht wären sie zu träge. Sicher ist zumindest, dass zu dem Belohnungssystem im menschlichen Gehirn auch dopaminhemmende Nervenzellen gehören, die jeden Glücklichen selbst nach der größten Euphorie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen, damit er auf der Suche nach weiteren Glücksmomenten im Alltag immer weiter aktiv bleibt.

Über-glücklich?

Das vielschichtige Motivationssystem im Gehirn, das unser Leben am Laufen hält und unsere Entwicklung fördert, ist zugleich die Eingangspforte für Drogen in unseren Körper. Und diese Pforte lässt sich nicht nur mit einem, sondern mit einem ganzen Sortiment unterschiedlichster Schlüssel und Dietriche knacken. Am Ende steht in der Regel ein Überangebot an Dopamin und dadurch ein entsprechend positives Gefühl.