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Ein neues Leben mit Ruhe und Ordnung – das war der Plan. Doch als Gregor Hackschmitt, gestresster Eigenbrötler mit Hang zur gepflegten Paranoia, einen verdächtigen Fund in seinem neuen Garten macht, kippt die Spießeridylle schneller als er den Vorgarten gießen kann. Zwielichtige Nachbarn, ein altes Notizbuch und seltsame Vorgänge im Viertel bringen Gregors heile Welt ins Wanken. Ist hier wirklich etwas faul oder spielt ihm sein Misstrauen einfach nur einen Streich? Eine Krimikomödie über schräge Vögel, stille Abgründe und die Frage, wie viel Wahnsinn in einer Stadtrandsiedlung Platz findet.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Idylle mit Grab
Band 1
Krimikomödie
Pechvogel im Dauerdienst
Der Wind dreht.
Ein verhängnisvoller Spatenstich
Der Traum von Stille
Unkraut und andere Altlasten
Der Albtraum hat einen Namen
Ungewöhnliche Nachbarn
Durchatmen
Lammwurst und dunkle Geheimnisse
Im Griff der Paranoia
Geheimnisse im Restmüll
Der Reiz des Verborgenen
Sehnsucht nach den Terriern
Ein Grab und seine Geschichte
Ein tödlicher Entschluss
Zwischen Pest und Cholera
Weitergabe des Grauens
Impressum
Texte: ©Copyright by Ines Franke mit Unterstützung von ChatGPT
Umschlagsgestaltung: ©Copyright by Ines Franke mit Unterstützung von ChatGPT
Erscheinungsjahr: 2025
Verlag: Ines Franke
Köthener Str. 15a
06188 Landsberg
Gregor Hackschmitt ist ein Pechvogel, der glaubt, ständig in einem schlechten Thriller zu leben.
Nachdem er in seinem neuen Haus einen sonderbaren
Fund auf seinem Grundstück macht, gerät seine Paranoia vollends in Fahrt.
Was als merkwürdiges, und überraschendes Entdecken beginnt, entfacht bei ihm die wildesten Theorien,
ist er ein ungewollter Zeuge eines Verbrechens oder einfach der schlechteste Detektiv der Welt?
Jedenfalls glaubt er, einem geheimen Komplott auf der
Spur zu sein, auch wenn er manchmal nicht sicher ist, ob er wirklich dunkle Geheimnisse entlarvt oder einfach nur zu viele Krimis bei schlechtem Wetter geguckt hat.
Es ist ein bitterkalter Novemberabend, an dem der Wind unbarmherzig die letzten, verwelkten Blätter über die grauen, vom Regen benetzten Straßen fegt. Mit müden Augen, eingemummelt in einen abgenutzten Mantel, geht Gregor Hackschmitt in Richtung seines tristen, dreigeschossigen Wohnhauses. Wie an jedem einzelnen Abend, pünktlich in dem Zeitraum zwischen 17:30 Uhr und 18:00 Uhr, trottet Gregor mit schwerem, müdem und fast schon schleppendem Schritt die „Alte Poststraße“ entlang. Ohne Abweichung von seiner gewohnten Route biegt er schließlich, an der zweiten Querstraße, in den sogenannten Apfelweg ein.
Warum ausgerechnet dieser Straßenname gewählt wurde, hat sich Gregor bis heute nie so recht erklären können. Es gibt hier weit und breit keinen einzigen Apfelbaum, der den Namen der Straße auch nur im Ansatz rechtfertigen würde. Und es ist nicht nur der Apfelweg, bei dem der Name irreführend ist: auch die übrigen Querstraßen, die nach anderen Obstsorten benannt sind, wie etwa Pflaume, Kirsche und allerlei weiteres aus der Obstabteilung machen ihrem Namen keinerlei Ehre. Nicht ein einziger Baum, weder Apfel noch sonst etwas, ist in der gesamten Umgebung zu finden.
Genau genommen könnte man behaupten, dass das komplette Viertel vollkommen baumfrei ist. Ironischerweise trägt die Siedlung dennoch den schmuckvollen Beinamen „Kompottsiedlung“. Eine Bezeichnung, die einzig und allein durch das Angebot des kleinen Discounters an der Ecke zum Aprikosenweg so etwas wie Berechtigung erhält. Dort, und wirklich nur dort, lässt sich überhaupt noch etwas erwerben, das den Begriff „Kompott“ im Entferntesten verdient.
Dieses triste, graue und lieblos zusammengewürfelte Viertel, das in puncto Trostlosigkeit kaum zu übertreffen ist, hat Gregor im
Laufe der Jahre dennoch zu so etwas wie seiner Heimat gemacht.
An solchen Tagen wie heute wirken die alten dreigeschossigen Häuser seiner Straße fast lebendig. Am Nachbareingang ist ein breiter Riss in der Biotonne und eine milchige Flüssigkeit rinnt über den Bürgersteig und vermischt sich mit dem Nieselregen. Das erste Mal am heutigen Tag ist Gregor froh, dass November ist und der eklige Mief dieser Brühe nicht durch die Straße weht wie vielleicht an einem brütend heißen Sommertag. Gregor fummelt träge seinen Schlüssel aus seiner Manteltasche.
Schon beim Betreten des alten Hauses scheinen die Wände von den Geschichten vergangener Jahre zu erzählen. Er drückt die Tür auf, unter ihr klemmt ein kleiner Stein, der das Öffnen mit einem unangenehmen Quietschen begleitet. Unwillkürlich zieht er den Kopf zwischen die Schultern, als wolle er irgendwelchem Ärger ausweichen.
Das Schließen der Tür, die mit einem lauten Knall ins Schloss fällt, hallt wie ein unheilvoller Vorbote durch den Flur. Dann ist es still. Das Treppenhaus empfängt ihn mit einem angenehmen Geruch, einer Mischung aus knusprig gebratenen Kartoffeln und dem vertrauten, fast schon nostalgischen Hauch von Weichspüler. Der Geruch, der aus der Wohnung der Kaspers im Erdgeschoss strömt, weckt in ihm Erinnerungen an seine geliebte Großmutter.
Sie war eine herzensgute Frau mit krausen, grauen Locken und einer blaugeblümten Kittelschürze, die nach Kakao und Lavendel duftete.
Ihre Bratkartoffeln waren legendär, goldbraun und knusprig, mit gerade genug Zwiebeln, um ihnen eine leichte Süße zu verleihen.
Sie bereitete sie immer in ihrer gusseisernen Pfanne zu, während sie ihm Geschichten erzählte, alte Märchen und Anekdoten aus ihrer eigenen Jugend. Ihr Verlust vor einigen Jahren hatte in Gregor eine Lücke hinterlassen, die sich nie ganz schließen ließ.
Doch nun vermischt sich diese angenehme Erinnerung mit einer unterschwelligen Unruhe. Die Kaspers, eine unauffällige Familie mit zwei Teenager-Töchtern, waren ihm stets als stille Bewohner des Hauses bekannt. Herr Kasper, ein blasser, hagerer Mann mit randloser Brille, war fast immer mit gebeugtem Kopf anzutreffen, als fürchte er, jemandem ins Gesicht sehen zu müssen. Seine Frau, eine unscheinbare Person mit haselnussbraunem Haar, verließ selten das Haus. Nur ihre Töchter, Zwillinge mit identischer Frisur und einer Vorliebe für dunkle Kleidung, huschten manchmal durch den Hausflur, wortlos, wie Schatten. Bei den Kaspers war es stets ruhig, fast zu ruhig. Kein lautes Lachen, keine Musik, kein Streit klang ins Treppenhaus. Ein leises, unbestimmtes Gefühl kroch Gregor den Rücken hinauf. Etwas an der Perfektion dieser Stille störte ihn, als wäre sie ein sorgsam gehütetes Geheimnis.
Er hatte Theorien, einige davon waren absurd, zugegeben. Vielleicht waren sie eine Mafiafamilie, die untertauchen musste oder die hinter der gutbürgerlichen Fassade ihren kriminellen Machenschaften nachging. Der Vater machte sich mit seiner stillen, angespannten Art jedenfalls mehr als verdächtig. Oder führten sie eine geheime Drogenküche, irgendwo hinter den unauffälligen Raffgardinen ihrer Wohnung?
Kein chemischer Geruch war je zu bemerken, aber was wusste Gregor schon von chemischen Prozessen und welche Tricks Profis anwandten?
Er sah Herrn Kasper vor seinem inneren Auge in einem weißen Kittel und Schutzbrille, während er in einem riesigen Glasbehälter rührte.
Unwahrscheinlich, aber auch nicht weniger absurd als die nächste Theorie: Zeugenschutz. Vielleicht hatten sie etwas gesehen, etwas, das sie in Gefahr brachte, einen Mord womöglich. Gregor spürte das Prickeln und wie sich die Härchen auf seiner Haut aufstellten.
Vielleicht hatten sie einen neuen Namen, eine neue Identität und vielleicht wartete jemand da draußen darauf, sie zu finden und allesamt abzumurksen. Gregor wusste, dass er sich das alles wahrscheinlich nur einbildete, aber dennoch: Er hatte die Kaspers noch nie lachen sehen oder wirklich laut erlebt. Und das machte ihm mehr Angst als alles Andere. Denn wer streitet nicht einmal oder lacht nicht wenigstens einmal über eine schlechte Fernsehsendung? Selbst er hatte sich kürzlich dabei erwischt, als er in Ermangelung besserer Unterhaltung einen Teleshopping-Kanal laufen ließ. Wenn die Kaspers nicht mal über Leute lachten, die glauben Fett aus dem Essen könnte mit einem Fettmagneten entfernt werden, dann musste wirklich etwas faul sein.
Noch bevor Gregor die steinigen Treppen erklimmen kann, wird er von dem penetranten Gebell von zwei Terriern aus seinen Gedanken gerissen. Diese lauten Köter, die scheinbar rund um die Uhr ihre Stimme erheben, durchbohren den stillen Augenblick im Treppenhaus.
In manch einem dunklen Moment denkt er daran, ihnen etwas ins Futter zu rühren oder gar heimlich ihre Zungen zu amputieren.
Mit einem resignierten
Seufzer flüchtet Gregor in seine bescheidene 1,5
Zimmerwohnung, den einzigen Rückzugsort, der ihm inmitten des alltäglichen Wahnsinns einen Hauch von Privatsphäre verspricht.
Er schließt die Tür hinter sich und schlüpft unter seine überdimensionalen Kopfhörer, in der Hoffnung, die beruhigenden Klänge von Klangschalen würden die lästigen
Geräusche vorerst verbannen und den täglichen Ärger dämpfen. Doch kaum hat er sich in einen kurzen Moment der vermeintlichen Stille gehüllt, dröhnt schon der nächste akustische Angriff aus der Wohnung über ihm: Ein energisches „Bam Bam“, begleitet vom kreischenden Gelächter und wilden
Tritten der Kinder, die den Abend mit ihrem schier endlosen Lärm untermalen würden. Die zwei wilden Gören stürmen ab diesem Moment durch die Bude, als wären sie zuvor monatelang angekettet gewesen, so dass selbst die Kopfhörer den Krawall nicht filtern können. Erst nach etwa 22:00 Uhr sinken die kleinen Biester für gewöhnlich erschöpft in ihre Betten, und Gregor fragt sich bitter ironisch, ob es nicht einen unauffälligen Weg gäbe, die quälenden Störenfriede loszuwerden.
In ihm reifen die Gedanken, die Kinder auf unauffällige Weise "aus dem Verkehr zu ziehen". Er stellt sich vor, wie ein kleiner, plötzlicher Unfall, so dezent, dass man ihn einem Zufall zuordnen könnte, ihre unbändige Energie für immer zum Schweigen bringen würde. Ein Sturz aus dem Fenster oder Stromschlag, um den unermüdlichen Lärm zu beenden.
Und doch keimen da Zweifel. Die Idee schwebt zwar wie ein kalter Schatten in seinem Geist, erinnert ihn aber unweigerlich an den verhängnisvollen Fall mit dem Hund im vergangenen Jahr. Damals hatte der Gedanke, den nervtötenden Nachbarhund endgültig zum Schweigen zu bringen, beinahe die Oberhand gewonnen. Ein schicksalhafter Verkehrsunfall hatte dem Tier ein abruptes Ende bereitet.
Ein tragischer, beinahe makaberer Zufall. Damals war der Hund tot, ohne Gregors Zutun und der trauernde Nachbar hatte nicht lange mit einer Neuanschaffung gewartet, sodass nun zwei neue, ebenso temperamentvolle Unruhestifter in der Wohnung neben Gregor eingezogen sind.
Der gespenstische Gedanke an eine ebenso diskrete, zufällige Kollision, die die lästigen Kinder unauffällig aus dem Spiel nehmen könnte, lässt ihn kurz innerlich erzittern, ein Gefühl zwischen Faszination und Abscheu. Was aber, wenn es bei den Kindern im selben Dilemma endet. Eine Katastrophe, nicht auszudenken, wenn die Rabauken danach zu viert wären.
Verstört und resigniert blickt Gregor aus dem Fenster. Auf dem kleinen Balkon steht ein einsamer Tannenbaum, das letzte Andenken an Trixi, seine ehemalige Freundin, die ihn eines Tages einfach verlassen hatte.
Der Balkon war mehr als nur ein schmaler Vorsprung eines tristen Gebäudes, er war einst ein Ort des Innehaltens und der Zweisamkeit. Die kleine Stufe, die hinabführt, ist von den Jahren der Nutzung abgelatscht, und der einst beige Anstrich hängt als lose Blasen an den Wänden. In einer Ecke stehen verblasste Blumentöpfe, in denen Trixi einst versuchte Fuchsien und Geranien zu kultivieren, Symbole ihres gemeinsamen Wunsches, etwas Farbe in den grauen Alltag zu lassen.
Trixi war für Gregor immer ein heller Funke in seinem sonst so düsteren Dasein. Ihre Beziehung war geprägt von intensiven Momenten und leisen Abschieden, von hitzigen Diskussionen und harmonischen Plaudereien, die beide aneinanderschweißte. Mit der Zeit jedoch wurde aus der anfänglichen Leidenschaft ein schmerzlicher Verlust, Trixi verließ ihn eines Tages, ohne einen Grund zu nennen oder ein letztes Wort zu sprechen, als wäre sie selbst von dem unvorhersehbaren Lauf des Lebens überrascht worden. Was bleiben durfte, war der einsame Tannenbaum, ein stummer Zeuge vergangener, glücklicher Tage.
Der Balkon, der einst ihr geheimer Rückzugsort war, erzählt heute in jeder Ritze und in jedem verstaubten Winkel von jener intensiven, aber letztlich vergänglichen Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich einst gegenseitig Liebe und Hoffnung schenkten.
Da ist er nun, der Baum, ein lebendes Relikt vergangener Zeiten, der ihm in den dunkelsten Stunden ein wenig Trost spendet. „Bam Bam…“ murmelt er leise in sich hinein, während die schrecklichen Geräusche der Kinder und das unbarmherzige Kläffen der Terrier ihn erneut in die bittere Realität seiner misslichen Lage zurückkatapultieren. Zu der Wut über seine lebhafte Umgebung gesellt sich ein flaues Gefühl. Hunger. Gregor wird schmerzlich bewusst das der Frust über das Wetter ihn vom Einkauf abhielt. Ohne dass er Prophet sein musste, wusste er, dass der Speiseplan seines Singlehaushaltes keine anständige Nahrung bieten würde.
Skeptisch beäugt er den überschaubaren Inhalt seines Gefrierschranks.
Zwei Champignon die irgendwann aus einer Tüte gerutscht sind. Eine Fertigpizza, auf der so viel Frost war, dass sich die Sorte nicht eruieren ließ und eine von Trixis Plastikdosen mit lila Klackverschluß und einen verwaschenen "ERBSU" auf dem Deckel.
Gregor öffnete den Deckel der Erbsensuppe und betrachtet den frostigen Belag, der sich über die Jahre darauf gebildet hatte. Ein leises Seufzen entweicht ihm.
Das Ding war eher ein archäologisches Fundstück als eine Mahlzeit. Mit einer Mischung aus Resignation und Ekel stellt er sie zurück in den
Gefrierschrank, neben die Pizza, dorthin, wo sie hingehört, ins Reich der vergessenen Lebensmittel.
Ein kurzer Blick auf den Toast verrät ihm, dass er mehr Leben beherbergte als ihm lieb war. Blaue Punkte zieren die letzten drei Scheiben, ein schimmeliger Gruß aus der Welt der Pilzsporen. Die Jagdwurst? Ihr Geruch lässt auf eine neue Evolutionsstufe schließen, eine, die besser nicht erforscht werden sollte.
Sein Magen knurrt. Also dann Lieferdienst. Pizza? Chinesisch?
Knusprige Ente mit Reis, das war sein Plan. Trotz bellen und Kindergegröle gab er sich extra Mühe bei der Bestellung. Er sprach langsam und deutlich, wiederholte sogar die Nummer des Gerichts. Und doch kam es, wie es kommen musste.
Als er 30 Minuten später die Styroporbox öffnet, schlägt ihm ein süßlicher Geruch entgegen. Mango und Kokosmilch.
Gregor starrt in das Unheil. „Nein“, murmelte er. „Nein, nein, nein.“
Doch es war zu spät. Die Katastrophe war bereits geliefert worden. Und Kokosmilch, das wusste er aus schmerzhafter Erfahrung, war für seinen Verdauungstrakt eine unmittelbare Kriegserklärung.
Fünfzehn Minuten später hatte sich seine Frustration in einem dumpfen Schmerz im Unterbauch verwandelt. Rachegedanken schossen ihm durch den Kopf. Eine Konfrontation mit dem Restaurant? Vielleicht jemanden mit heißem Fett übergießen, irgendwen zur Rechenschaft ziehen?
Doch dann krümmte sich sein Bauch und machte ihm klar, dass er sich zunächst um ein viel realeres Problem kümmern musste.
Er resigniert. Keine knusprige Ente. Keine Gerechtigkeit.
Stattdessen Magenkrämpfe und Salzstangen.
Mit letzter Kraft wirft er sich aufs Sofa, kaut lustlos auf einer der trockenen Stangen herum und starrt in den Fernseher.
Eine Reportage läuft. „Das beschauliche Leben in einer Einfamilienhaussiedlung“ lautet der Titel.
Die Kamera schwebt über makellose Vorgärten, durch ruhige Straßen. Glückliche Menschen lachen miteinander, Nachbarn helfen sich gegenseitig, Kinder spielen friedlich, nicht trampelnd. Niemand bellt, niemand schreit. Eine Welt wie aus einem Werbekatalog.
Gregor saugt an einer Salzstange wie an einen traurigen
Strohhalm. Dann flüstert er tonlos: „Ach leckt mich doch!“ Er dreht sich auf die Seite, zieht die Decke über sich, schließt die Augen und fällt in einen traumlosen Schlaf.
Der Wecker dudelt um 6:30 Uhr los. Gregor hat diese Melodie irgendwann mal als angenehm empfunden, jetzt klingt sie wie der Soundtrack seines Elends. Noch halb im Schlaf taumelt er ins Bad, knallt mit dem kleinen Zeh gegen den Türrahmen und flucht ein unüberhörbares: Scheiße. Die Zahnpastatube fühlt sich verdächtig leicht an. Er rollt sie zusammen, drückt, quetscht, ein letzter trauriger Klecks landet auf der Bürste. Natürlich.
Die neue hat er vergessen zu kaufen. Der Tag beginnt wie der vergangene endete.
Draußen nieselt es. Nicht genug für einen Regenschirm, aber genau so, dass es nervt. Na wenigstens hat sich der garstige Wind gelegt.
Er zieht den Mantel enger um sich und macht sich
auf den Weg zu der kleinen Bäckerei-Filiale neben der Bahnstation.
Mist, es ist Mittwoch. Ob er es heute schafft vor dem
Krampfadergeschwader? Aber nein, natürlich nicht, da steht die schnatternde Rentnerbrigade wie jeden Mittwochmorgen. Drei Leute, mindestens zehn Minuten Wartezeit. „Was nimmst du heute Mohn oder Quark?“ „Ohh, schau mal der Prasselkuchen sieht gut aus.“ „Mohn jedenfalls nicht, den hab ich den ganzen Tag in der Prothese kleben.“ ….bla, bla. Während Gregor geduldig darauf hofft, irgendwann dran zu sein, fixiert er in der
Theke sein eigentliches Ziel: Apfelmuskuchen mit Decke. Zwei
Stück sind noch da. Er ist fast dran. Fast…
Eine ältere Dame vor ihm zögert, schaut sich um und drückt dann entschlossen ihren Finger auf das Glas. “Diese Zwei“ triumphiert sie fast. Gregor seufzt, nimmt dann resigniert ein trockenes Plunderteilchen mit Nüssen und verlässt den Laden. Ich sollte mir einen Laster mieten und am kommenden Mittwoch überrolle ich die fröhliche Gesellschaft, aus der Traum vom Kuchenklau.
Beim Zeitungskiosk holt er Kleingeld aus der Tasche, als plötzlich seine Aufmerksamkeit auf einer Schlagzeile ruht: Einbruchsserie in der Kompottsiedlung. Wie angewurzelt und mit offenem Mund steht Gregor vor dem Kiosk. „Alter, komm aus der Knete, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit“
Der meckernde Rowdy hinter ihm drängelt. Die Münze springt über den Gehweg, das 2-Euro-Stück hat sich verselbstständigt und rollt zielstrebig in einen Gully. Gregor starrt ihm nach, während der Kioskverkäufer grinst: „Heute nicht ihr Glückstag, was?“ Gregor schmeißt eine andere Münze auf den Zahlteller und ohne eine Antwort nimmt er seine Zeitung und geht weiter.
Endlich in der U-Bahn ergattert er einen Sitzplatz. Vielleicht wendet sich das Blatt ja doch noch? Genau in dem Moment plumpst ein Mann neben ihn und packt ein riesiges, mit Remoulade getränktes Brötchen aus. Genüsslich beißt er hinein, während Krümel auf Gregors Jacke rieseln. Der Geruch ist… intensiv. Gregor rückt ein Stück ab. Dann noch eins. Keine Chance, der Remouladenmann ist unerbittlich und so fährt Gregor die letzten zwei Stationen im Stehen.
Noch drei Straßen bis zum Büro. Gregor atmet tief durch. Was soll jetzt noch schiefgehen? Und genau in diesem Moment, platsch. Mit einer fast unverschämten Präzision trifft ihn ein Vogelschiss.
Gregor sitzt an seinem Schreibtisch im dritten Stock eines hässlich grauen 70er Jahre Bunkers und tippt widerwillig eine
Schadensmeldung in das endlos langsame System der Versicherung. Es ist einer dieser Tage, an denen das Leben ihm besonders übel mitspielte. Nicht, dass die anderen Tage viel besser waren. In dem Großraumbüro, in dem Gregor arbeitet, gibt es 10 Computerplätze, von denen meist nur 8 besetzt sind.
"Soo...", sagte Thorben, zog das Wort in die Länge und klatscht dazu mit der flachen Hand auf den Tisch.
Gregors rechtes Augenlid zuckte. Er sieht auf die Uhr. Erst 9:12 Uhr, und Thorben hatte schon mindestens zwölfmal sein kleines Ritual vollzogen.
"Soo...", wieder ein Schlag. Gregor ballt die Faust. Es war ein Rätsel, wie Thorben das selbst nicht bemerkte.