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Ihr Schiffelein kommet: Kilian Bleibtreus erster Fall Ein atmosphärischer Krimi aus der Wachau von Caro Richter und Frank Xavier Die malerische Ruhe des kleinen Weinorts Lerchwies wird durch mysteriöse Briefe erschüttert. War der vermeintliche Selbstmord von Korbinian Zwettler vor drei Jahren in Wahrheit ein kaltblütiger Mord? Der pensionierte Polizeipsychologe Kilian Bleibtreu und seine Frau Caro wollten eigentlich nur ihren Ruhestand genießen, doch die rätselhaften Anschuldigungen lassen ihm keine Ruhe. Zwischen steilen Weinbergen, verschwiegenen Dorfbewohnern und lang gehüteten Geheimnissen beginnt Kilian zu ermitteln. Ist das beschauliche Lerchwies wirklich so idyllisch, wie es scheint? Während sich Gerüchte ausbreiten und alte Wunden aufreißen, stößt Kilian auf eine Wahrheit, die dunkler ist, als er es sich hätte vorstellen können. Tauchen Sie ein in die atemberaubende Landschaft der Wachau und begleiten Sie Kilian Bleibtreu bei seinem packenden ersten Fall, in dem nichts ist, wie es scheint und jeder etwas zu verbergen hat.
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Seitenzahl: 223
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Für Caro
Wo kämen wir hin,
wenn wir
ohne Liebe
gehen würden?
Für Frank
Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie halten nun den ersten Band unserer „Kilian-Reihe“ in den Händen. Vielen Dank, dass sie unser Werk lesen.
Wir – Caro & Frank – haben uns gedacht, dass wir unsere Bücher in heimatlichen Gefilden ansiedeln. In und um die wunderschönen Landschaften und Gegenden unserer Heimat Niederösterreich.
Und so sind die Caro und der Kilian in der Wachau angekommen.
Wir haben unser Buch mit einigen Bildern aus Niederösterreich „garniert“. Nicht alle sind in der Wachau entstanden – Frank als begeisterter Fotograf hat in seinem Fundus gestöbert und jene Bilder platziert, die uns besonders gut gefallen und auch ein wenig zum Thema passen.
Für alle, die sehr aufmerksam lesen, entschuldigen wir uns gleich vorweg für mögliche Rechtschreib- und Stilfehler. Trotzdem, dass wir unser Buch an die hundertmal gelesen haben – von vorn nach hinten, von hinten nach vorn und auch querdurch. Es ist sicher der eine oder andere Fehler noch drinnen.
Unser Schreibstil mag manchen gefallen, manchen weniger. Wir haben uns zur Gewohnheit gemacht, so zu schreiben, wie „uns der Schnabel gewachsen ist.“
Wahrscheinlich abweichend von anderen Büchern, finden sie das Inhaltsverzeichnis am Ende des Buches. Weil sie es eigentlich gar nicht brauchen. Aber für uns war es beim Schreiben hilfreich und darum haben wir es einfach drinnen gelassen – Ebenso wie das Verzeichnis der Bilder.
Zu Ihrer Orientierung finden sie im hinteren Teil des Buches eine Karte von Lerchwies und ein Personenverzeichnis.
Das Ergebnis halten sie nun in den Händen und wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei.
Und dann noch was:
Sollten sie sich selbst, jemand den sie kennen, mit dem sie verwandt sind oder in sonst einer Beziehung stehen, in diesem Buch wiederfinden dann ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt.
Ebenso ist die Handlung rein fiktiv und ohne realen Bezug. Sollten sie schon mal ähnliches erlebt, erfahren, gelesen, gesehen oder gehört haben, ist auch das reiner Zufall. Hoffentlich.
Beachten sie auch die Liste unserer anderen Bücher im Abschnitt „Aus der Schreibwerkstatt.
Danke!
Caro & Frank
Über das Buch
Eine einsame Entscheidung
Drei Jahre später in Lerchwies
Geheimnisvolle Briefe
Jetzt kommt Bewegung rein
Eine einsame Hand am Ufer
Drei Jahre davor
Zoff im Schloss
Die Suche beginnt
Abschied nehmen
Ramba-Zamba
Familien-bande
Eine ganz andere Fracht
Briefgeheimnis
Ihr Schiffelein bleibet
Lerchwieser Nächte sind lang
Tosca hat ein Idee
Zoff im Hause Bleibtreu
Maulwürfe und anderes Getier
Ein kriminalistisches Mittagessen
Zwischenspiel beim Tierarzt
DerGraf kommt zu Besuch
Eine Entscheidung für die Liebe
Alles löst sich auf
Einen Monat später
Karte von Lerchwies
Die Personen der Handlung
Über die Wachau
Aus der Schreibwerkstatt
Vorschau
Bis Bald
Danksagung
Es ist Spätsommer. Das sanfte Licht der Sonne schmiegt sich an die hoch hinaufsteigenden Terrassen. Seit Jahrhunderten werden sie dem Berg abgetrotzt. Dicke Steinmauern halten die fruchtbare Erde zurück. Stein für Stein sind diese Gärten gegen Himmel gewachsen. Auf schmalen Wegen nur – jedes noch so kleines Stück Boden zählt – kultivieren, pflegen und ernten die Bauern das flüssige Gold dieses Tals. Den weltberühmten Wein aus der vielbesungenen Wachau.
In diesem Jahr tragen die Weinstöcke besonders gut. Das Wetter hat‘s gut gemeint. Ein milder Frühling und ein heißer, trockener Sommer sorgten für ein tolles Weinjahr. Der Duft der reifenden Trauben legt sich wie ein Schleier über das Land.
In sanftem Blau schimmert die Donau aus dem Tal herauf, ruhig gleitet der Fluss dahin. Wie seit ewigen Zeiten.
Der einsame Wanderer, der vom Tal heraufsteigt, hat für diese Herrlichkeiten keinen Blick.
Er hat den Blick auf den Weg vor ihm geheftet. Mit weiten und gleichmäßigen Schritten geht er den Weg bergan. Er hat einen schlanken Körperbau. Sehnig und drahtig. So wie die meisten, die hier leben, arbeiten und sterben.
Die Arbeit auf den steilen Hängen, das Schleppen der Ernte mit hölzernen Tragen über Stock und Stein, die Arbeit in den dunklen Kellern hat die Menschen nicht nur körperlich geprägt.
Sie hadern wenig mit Ihrem Schicksal, sondern sind dankbar und zufrieden über das Geschenk, das ihnen der Herrgott mit diesem Tal gemacht hat.
Der Weg führt von der kleinen Brücke, an der der heilige Nepomuk Wacht hält, bergan durch die Weingärten.
Würde der Wanderer den Blick heben, könnte er rechter Hand das gräfliche Schloss erblicken und gleich dahinter den tiefdunklen Wald. Wie oft ist er diesen Weg gegangen, hat sich an der wunderschönen Natur erfreut. Doch heute sind seine Gedanken ganz woanders.
Lange hat er mit sich gerungen und eine Entscheidung getroffen. So kann es nicht mehr weitergehen. Sein ganzes Leben ist in den letzten Tagen und Nächten wie in einem Film an ihm vorbeigezogen. In der letzten Zeit ist alles zusammen gebrochen.
„Worauf habe ich mich da nur eingelassen – das muss ein Ende haben. Ich kann so nicht mehr weitermachen!“
Der Weg durch den Wald, Aggsbach 2015
Diese Sätze würde ein heimlicher Begleiter hören. Immer wieder murmelt sie der einsame Mann vor sich hin.
Manchmal bleibt er stehen und wischt sich gedankenverloren den Schweiß aus der Stirn, der nicht nur von den warmen Sonnenstrahlen hervorgerufen wird.
Es ist Angst. Höllische Angst. Vor dem Schritt, den er jetzt tun wird. Langsam erreicht er die Waldlichtung oberhalb des Schlosses.
Eine gute Stunde ist er schon unterwegs. Er denkt an seine Frau und seine Kinder. Die werden sich schon Sorgen machen. Er ist sonst immer pünktlich. Aber heute nicht mehr. Eigentlich überhaupt nicht mehr. Keiner wird ihm künftig etwas vorschreiben, ihn unter Druck setzen. Keiner wird ihn mehr für blöd verkaufen und seine Gutmütigkeit ausnutzen.
Das hat ein Ende. Das ist das Ende.
Nun steht er auf der Lichtung. durch die hohen, dunklen Bäume strahlt die Sonne. Er blickt nach oben und hat den Eindruck in einer Kirche zu stehen. Langsam dreht er sich im Kreis. Blickt sich genau um, richtet seine Augen durch das dunkle Blätterdach gegen den Himmel. Nun kann er diese Herrlichkeit in sich aufnehmen. Am liebsten würde er auf die Knie fallen und dem Herrgott danken.
Aber das ziemt sich in diesen Augenblicken wohl nicht. Er blickt auf seine Uhr. Es ist zehn Minuten vor vier. Noch zehn Minuten.
Das ist die ausgemachte Zeit. Dann wird der Schlussstrich gezogen. Endgültig. Er richtet sich auf. Entschlossen. Es wird Zeit die Vorbereitungen zu treffen. Es gibt kein Zurück mehr.
Drei Stunden später bleibt ein Polizeiwagen vor dem kleinen Haus des Korbinian Zwettler stehen. Langsam steigt ein Polizist aus dem Auto, setzt seine Kappe auf und macht sich daran, der Sali – sie ist die Frau vom Korbinian – eine traurige Nachricht zu überbringen.
Korbinian ist angekommen (Kreuzweg bei Aggsbach a.d. Donau, 2014)
Lerchwies - ein kleiner Ort in der Wachau – im wunderschönen Donautal. Ein ganz und gar alltäglicher Ort. Winzer, Bauern, Kaufleute. Ein idyllisches Dörfchen.
An einer Stelle gelegen, wo der Fluss schon breit und mächtig fließt – aber nicht immer gemächlich. Vorbei an Terrassen voll goldgelber Trauben, aus denen herrlicher Wein gekeltert wird.
Namen wie Steinfeder, Federspiel und Smaragd sind heute nahezu weltweit bekannt und stehen für die Qualität dieses ganz besonderen „Tropfens“.
Lebendige Geschichte, sagenumwobene Landschaft begleiten den Fluss durch liebliche Dörfer. Vorbei an steilen Weinbergen, alte Burgen erzählen von der einstigen Bedeutung dieser Gegend. Sogar eine Ruine gibt es noch, in der einst Richard Löwenherz einst gefangen gehalten wurde.
Das Herz dieser Flussstrecke ist die alte Bezirksstadt Krems, über die seit Jahrhunderten ein wunderschönes Stift wacht.
Der Fluss begegnet auf seiner Reise immer wieder geistlichen Spuren. Stift Melk liegt flussaufwärts von Lerchwies. Die Benediktiner waren auch die ersten die dieses Tal kultivierten. Ora et labora – ihr Wahlspruch, der auch heute noch an den steilen Terrassen abzulesen ist. Bete und arbeite. Gearbeitet haben die Leute immer viel – und auch die Gebete haben sie fleißig zum Herrgott geschickt.
Für das richtige Wetter und den Schutz vor den Eiskörnern, dem Hagel und dem Sturm. Und vor allem auch darum, dass der Fluss gnädig sein möge und sein Hochwasser – das alljährlich kommt – woanders abladen solle.
An der kleinen Brücke, über dem Bach aus einem Seitental, wacht seit Jahrhunderten der heilige Nepomuk. Hellklares, frisches Wasser sprudelt in lustigen Kaskaden in die Donau. Er hält die Fürsprache für die Lerchwieser beim Chef. Sagt man, hofft man. Und allemal ist es besser man kann die Schuld auf den Nepomuk schieben, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist.
Hier soll auch die „Wiege Österreichs“ sein, kann man in verschiedenen geschichtlichen Quellen nachlesen.
Keine Angst. Wir machen jetzt keinen Geschichtsunterricht. Was wir zu erzählen haben, passiert in Lerchwies und Umgebung. Und hat mit Geschichte kaum was zu tun. Höchstens mit G’schichterln von den Menschen – und vielleicht auch von den kleinen und großen Geheimnissen, die gar nicht so wenige ganz und gar vergessen möchten.
So geht das Leben dort seit Jahrhunderten seinen Weg, bestimmt von den Jahreszeiten und dem mächtigen Fluss.
Auch die Menschen in Lerchwies sind alltäglich. Die Leute sind der Natur verbunden, die ihnen ein gutes Auskommen beschert. Viele Generationen hindurch haben sie mit Fleiß und Bedacht diesen Teil des Landes geschaffen. An steilen Hängen Terrassen angelegt, Meter für Meter dem Boden abgerungen, Steine zu Mauern aufgeschichtet und dank des milden Klimas die dicken und saftigen Trauben zum kostbarsten Gut des Tales – herrlichen, vollmundigen Wein – kultiviert und dabei ein „Weltkultur-Erbe“ geschaffen.
Er wird in die ganze Welt geliefert und bringt dem Tal Reichtum und Ehre.
Wenn alles gut geht.
Manchmal demonstriert der große Fluss seine Macht und steigt gewaltig über die Ufer. Dann zeigt er den Menschen, dass er sich nicht einsperren lässt. Sich schon gar nicht zu einem Tingel-Tangel-Wässerchen missbrauchen lässt, auf dem Ausflugsschiffe und Ferienboote mit Schunkel Heidi-heida kreuz und quer fahren. Dann zeigt er ihnen wer der Herr ist.
Und manchmal hebt sich auch ein kleines Stück dieser sonst so barmherzigen Decke, die über die dunkle Seite der Menschen in diesem Tal gebreitet ist. Und lässt uns ein wenig in Abgründe blicken, die manchmal ganz schön tief und dunkel sein können.
Auch der heilige Nepomuk kann da hineinblicken. Aber bei ihm sind die kleinen und großen Geheimnisse sicher verwahrt - seit einigen hundert Jahren schon.
Donauenge, bei Rossatz i.d.Wachau, 2015
Er hat seinen Platz an der Brücke über dem kleinen Bach, der von den Bergen in die Donau fließt. Seit den mehr als zweihundert Jahren, die er hier schon Wache steht, ist kein Berg verschwunden, kein Hügel neu gewachsen. Der Fluss fließt immer noch zum gleichen Meer, die äußeren Ufer hat er vielleicht etwas stärker benagt. Die Wiesen tragen immer noch dasselbe Grün, die Blumen leuchten und die Schmetterlinge tragen immer noch den gleichen leuchtenden Schmelz.
Auch die Lerchwieser haben sich nicht verändert. Die Mittel sind anders geworden. Nepomuk kennt seine Lerchwieser mittlerweile sehr gut und kann vieles verstehen. Schließlich war sein menschlicher Doppelgänger ermordet worden, weil er partout nicht das Beichtgeheimnis brechen wollte. So sind die Geheimnisse also gut aufgehoben beim heiligen Nepomuk.
Von seinem erhöhten Standpunkt aus, beobachtet er das aktuelle Geschehen. Und ganz besonders mag er den Kilian, diesen verschrobenen Professor, der seit geraumer Zeit da ist. Beim Spaziergang mit seinem Hund oft einige Minuten bei ihm verweilt, ganz so als würde er die Zwiesprache suchen.
Die Türklingel schallt durch Haus und Garten. Karoline – beste Ehefrau - von allen steht auf einer Leiter und pflückt Kirschen.
„Kilian, Kilian, Kiliaaaaan, mach das Tor auf, es hat geläutet.“
Als keine Antwort erfolgt, steigt sie bedächtig runter. Ihr Kreuz, dass sie sich nun langsam massiert, ist auch nicht mehr das jüngste und schnelle Bewegungen sind schon einige Zeit nicht mehr so gut möglich. Langsam geht sie durch den Innenhof, um nachzusehen wer da so früh schon Einlass begehrt.
Karoline – oder Caro, wie der Kilian sie oft nennt, ist eine Frau in den besten Jahren. So sagt sie es zumindest immer. Denn sie ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Und daher – so ist ihre Einstellung – ist eine Frau immer in den besten Jahren. Und die liegen nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Sondern genau hier und jetzt – in der Gegenwart.
Sie genießt nun diese Jahre im Ruhestand, nachdem sie im Berufsleben viel Aufregung erlebt hat.
Als Krisenmanagerin für eine internationale Hilfsorganisation hat sie viel Leid und Kummer gesehen. Nur das Gefühl direkt den Betroffenen helfen zu können, hat sie oft aufrecht gehalten.
Aber das ist Gott sei Dank vorbei. Jetzt ist sie nur für den Kilian zuständig. Auch da ist Krisenmanagement ab und zu gefragt. Wenn er in seiner Zerstreuung wieder mal die Brille, die Schlüssel oder auch den Hund sucht. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sie wohnt gerne an diesem idyllischen Flecken. In den letzten Jahren haben sich die beiden ein kleines Refugium geschaffen. Einerseits Rückzugsort, andererseits aber auch genügend Freiraum für kreative Tätigkeiten und gemeinsame Unternehmungen.
Das Haus steht am Ortsrand. Einst ein kleines Weingut mit Keller, Presshaus und Stadel. Nun bietet der große Innenhof Platz genug für zwei Personen. In einer Ecke gibt es auch einen kleinen Gemüsegarten. Der Hof ist nicht gepflastert oder betoniert. Er ist mit schönem Gras bedeckt, nur dort wo man zum Haus und zum Keller geht sind Steinplatten eingelassen. Ganz urig und idyllisch haben es die beiden da.
Ein alter Weinkeller (bei Pulkau, 2012)
Der Keller und das Presshaus sind natürlich nicht mehr in Betrieb, dennoch voll funktionsfähig. Durch eine schwere doppelflügelige Holztür tritt man in den dunklen Vorraum, von dem es auf feuchten, lehmigen Stufen runter in die Kellerröhre geht.
Man hat diese Keller vor Jahrhunderten in den Lehmboden gegraben. Es brauchte wenig Baumaterial oder Ziegel. Der feste Lehm bildete eine stabile Decke, der Boden wurde gestampft.
Fast in jedem Haus findet man diese Keller. Oft sind die Häuser sogar unterirdisch mit Gängen verbunden. Was sich in unruhigen Zeiten als Segen für die Bewohner erwiesen hat.
So wie in früheren Jahrhunderten üblich, wurde auch die Decke des Weinkellers als Gewölbe ausgeführt.
Wo früher der Wein in den Fässern gelagert wurde, sind noch die sogenannten Fasslager, das sind Sockel mit halbrunden Vertiefungen zum Aufstellen der Fässer vorhanden. Dies machte man, damit die Fässer nicht wegrollen konnten und vor Bodenfeuchtigkeit geschützt waren.
Der Kilian hat ein paar gemauerte Regale eingebaut und lagert dort seinen „Haustrunk“, aber auch ein paar gute „Flascherln“ für besondere Anlässe.
Jetzt da er in Pension ist, kann er sich seinen Hobbies widmen. Die Caro sagt zwar immer, dass er ohnehin nur eines hat – das „Kriminalisieren“.
Dem kann der Kilian aber nicht zustimmen. Schließlich hat er noch den Weinkeller, den Hund, die Schachrunde mit dem Pfarrer.
Kriminalisieren, das war einmal.
Obwohl in Lerchwies gäbe es schon einiges zu tun. Da schlummert so manches Geheimnis in den stillen Hinterhöfen und den tiefen Kellern.
In den drei Jahren, seit sie hier sind, hat er schon einiges mitgekriegt. Und Lerchwies ist genauso wenig Chicago, wie das St. Mary Mead der Miss Marple London ist.
Obwohl es so wirkt, ist Lerchwies kein verschlafenes Nest – und der Kilian würde schon mal ganz gerne die alten Chroniken durchblättern. Aber Kriminalisieren? Nein, das kommt nicht mehr in Frage.
Obwohl, so ein Dienstag – Abend – Klub mit einer Diskussionsrunde über ungeklärte „Verbrechen“ würde ihn schon reizen.
Nach außen hin ist Kilian, so der Typ des „verschrobenen“ Professors. Dennoch hat er sich dem Leben in Lerchwies gut angepasst, seine Freunde gefunden und wenn in seinem Lodenjanker durch den Ort spaziert, nimmt man ihm den Einheimischen voll ab.
Oft gehen sie gemeinsam entlang den sonnendurchfluteten Hängen und genießen diese ausgedehnten Spaziergänge mit Blick auf die Donau.
Sie lassen ihre Blicke dem Wasser folgen.
So kann Caro sich gut entspannen und auch ihre Gedanken beginnen zu fließen. Mit Kilian hat sie einen Gesprächspartner der diesen folgen kann, sie weiterspinnt, entwickelt – und ab und an auch hinterfragt.
Zwei richtige Philosophen haben sich da gefunden. So ist das Leben lebenswert.
Oft sitzen sie gemeinsam am Fluss unter den tiefhängenden Weiden und lassen die Blicke über das Wasser schweifen. Die Abendsonne schickt ihr schönstes Rot und breitet es gleichsam wie eine schützende Decke über das Wasser. Leise singt der Wind seine unvergessliche Melodie von Freiheit und kräuselt dabei ganz leicht die Wellen.
In solchen Momenten kann man einfach nur still sein und das Schauspiel genießen, das die Natur uns jeden Tag bereitet. Wenn man Augen hat zum Sehen und Ohren zum Hören.
Der Lieblingsplatz von Caro & Kilian (Wachau b. Dürnstein, 2013)
Und dann erklingt in den Köpfen der beiden stillen Gestalten am Ufer – ganz sacht und leise – ein Lied. Eine Melodie, Klänge, Worte, die diese Stimmung unvergleichbar beschreiben.
Und ein stiller Beobachter könnte sehen wie sich zwei Gestalten liebevoll umarmen.
Ja, was für eine wundervolle Welt. Das sind die Stunden und Erlebnisse die für Caro mehr wert sind als Gut und Geld. Zweisamkeit mit Ihrem Kilian und dieses tiefe Vertrauen an die Macht der Liebe.
Ihr fehlt zwar manchmal der Trubel der Stadt. Aber dann setzt sie sich in ihren Wagen und düst mal ab, trifft sich mit Freundinnen, geht ein wenig „shoppen“ und macht die Kaffeehäuser unsicher – und am Abend ist sie froh wieder nach Hause zu kommen. In die Ruhe und Harmonie ihres Hauses und zu ihrem Mann dem Kilian.
Als sie durch das Gitter beim Eingangstor sieht, kann sie blaue Postuniform schimmern sehen. Ach, die Mirl – unsere Postfrau -denkt sie.
Die Mirl – ihres Zeichen Briefträgerin und „Kommunikations-Offizier“ von Lerchwies blickt ihr entgegen und ruft gleich mit ihrer etwas schrillen Stimme:
„Hallo Frau Professor, ich hab einen Brief für den Gnädigen“, klingt es durch das Tor.
In Lerchwies gehen die Uhren ein wenig langsamer. Während andernorts die Briefträger mit gelben Elektromopeds durch die Gegend brausen, ist die Mirl meist noch zu Fuß unterwegs. Sehr zum Leidwesen ihres Chefs. Aber die paar Jahre, die die Mirl noch bis zur Pension hat, will er ihr nicht vermiesen. Er kennt sie ja schon lange, die Maria Bergstötter. Als Kinder schon haben sie die Schulbank gedrückt. Da kann man ja nicht so sein und alles auf Punkt und Beistrich so umsetzen, wie es die Zentrale in der Hauptstadt verlangt.
Und so kommt es, dass die Mirl mit ihrer schwarzen Briefträgertasche und ihrem Wanderstecken noch immer von Haus zu Haus geht, da und dort auf ein Tratscherl verweilt und immer wieder auch ein wenig „Qualitätskontrollen“ vom Marillen Schnaps und dem Wein macht.
„Geh Mirl, hör auf mit Professor, ich bin`s nicht und mein Mann ist kein Gnädiger. Komm rein und trink was. Ganz schön heiß heut für Juni, bist schon lang unterwegs?“
„Ja heut ist was los. Ich weiß auch nicht warum, hab geglaubt die Leut schreiben eh nix mehr, immer nur simsen und Internet.“
„Naja schauen wir mal, was es Schönes ist.“
Sie betreten die geflieste Küche und Mirl setzt sich an den großen Küchentisch aus massiver Eiche. Karoline will der Mirl ein Glas Saft einschenken, aber ein Widerspruch hält sie zurück.
„Hast heut nix Stärkeres? Könnt was vertragen.“
Karoline weiß natürlich, was die Mirl meint und greift in der Küchenkredenz nach der Schnapsflasche und einem Stamperl, schenkt es voll mit süffigen Marillen Schnaps und Mirl steckt zuerst die Nase in das Glas – nickt anerkennend mit dem Kopf und leert es dann einem Zug.
Karoline nimmt den Brief entgegen. Da schau her - kein Absender und die Adresse mit Maschine geschrieben. Na, den soll besser der Kilian aufmachen.
Die Mirl macht Stielaugen, die Neugier springt ihr förmlich aus dem Gesicht.
„Naaa, wer schreibt Euch denn?“
„Keine Ahnung, es ist für den Professor.“
„Ach so. Also ich muss weiter, hab noch viel zu tun heut.“ Sie schlurft aus der Küche, die schwarze Tasche baumelt an ihrer Seite.
Die Caro blickt der kleinen Gestalt nach, wie sie langsam aber stetig ihren Weg geht. So war sie immer die Mir‘l. Geht ihren Weg. Aber leicht hat sie es nie gehabt. An manchen Tagen schon ist sie weinend in der Küche der Caro gesessen.
„Weißt Frau Professor, oft ist mir schon schwer um das Herz. Alle glauben, dass die Mir’l so eine ganz Starke ist. Die nichts und niemand umhaut.“
Traurig blickt sie dann in ihr Glaserl und dreht es in den Händen.
„Aber so ist das nicht immer. Oft bin ich schon verzweifelt. Jahr und Tag bin ich allein. Keine starke Schulter zum Anlehnen. Der Schorsch, der arme Teufel, ist mir keine Hilfe. Der ist und bleibt ein Kind. Ich tät mir oft wünschen, mein Leben wäre anders verlaufen.
Aber was soll’s. Es ist wie es ist und wenn ich jetzt bei der Tür rausgehe, dann bin ich wieder die Mirl, die nix umhaut. Die ihren Weg geht.“
„Ja Mirl, ich denk mir das oft, wenn ich dich so daher wandern seh“ sagt die Caro darauf. „ich glaube, dass du auch an einer Last trägst und die ist nicht nur deine schwere Tasche mit der Post. Und ich bewundere dich oft um diese Kraft. Hast denn so gar niemand, der sich deiner ein wenig annimmt?“
„Ach woher. du kennst ja das Dorf auch. Die täten sich die Mäuler zerreißen über mich. Und außerdem wer könnte das sein? Der letzte mit dem ich ein wenig Freud hatte, war der Korbinian. Und wie das ausgegangen ist, weißt eh schon. Nicht dass ich daran schuld wäre, aber ich hab ihn halt gerngehabt, den Korbinian. Auch wenn er einer anderen gehört hat. Und da war mir die Nachrede auch egal. Aber das ist vorbei. So jetzt geh ich wieder. Pfiat di Gott, Frau Professor!“
Sprichts und nimmt ihren Stecken. Richtet sich gerade auf, hängt die Tasche um und geht weiter Richtung Dorf.
Daran denkt die Caro als die alte Briefträgerin den Garten verlassen hat und schaut auf den Brief in ihrer Hand.
Sie geht damit in den hinteren Teil des alten Bauernhauses, wo das Arbeitszimmer ihres Mannes ist. Öffnet die Tür und schaut in das verschlafene Gesicht ihres Angetrauten.
„Na da kann ich lang schreien, wenn du schläfst. Die Mirl hat einen Brief für dich gebracht, und ich war am Kirschenbaum.“
„Ja, ich bin ein wenig eingeschlafen.“
Benji, der Haus- und Hofhund, streckt sich ausgiebig, er liegt zu Füssen seines Herrls und macht natürlich auch ein Schläfchen, wenn Herrl schläft.
Der Benji ist erst zwei Jahre bei den beiden. Seit sie nach Lerchwies gezogen sind. Da ist der kleine Mischling auf einmal in ihrem Garten gesessen. Niemand hat gewusst, woher er gekommen ist, keiner hat ihn vermisst. Und so haben ihn die beiden „adoptiert“. Oder er sie?
Jedenfalls sind sie schon gut erzogen und Benji scheint das auch zu wissen.
Mit stolzgeschwellter Brust trabt er vor Kilian her, wenn der sich auf seinem täglichen Spaziergang befindet. Nur in die alten Weinkeller geht er gar nicht so gern. Da ist es dunkel und feucht. Und der Geruch. Den mag er so gar nicht. Da bleibt er halt ergeben vor dem Eingang sitzen und gemahnt ab und zu das Herrl mit einem Kläffer, dass es schön langsam Zeit wird nach Hause zu gehen.
Bei geschlossener Tür weiß man nie, wer mehr schnarcht, der Herr oder der Hund, denkt Karoline und lächelt.
Kilian nimmt den Brief und reißt ihn auf, es ist wirklich ungewöhnlich, denn die ganze Post kommt sonst immer via Internet.
Das erinnert ihn an seine Arbeit. Kilian war ein gefragter Polizeipsychologe und wurde bei vertrackten Fällen immer wieder als Ratgeber herangezogen.
Für ihn war immer die Suche nach dem „Warum“ das Wichtigste. Das „Wie“ überließ er den Kriminalbeamten. Die grundlegende Persönlichkeit eines möglichen Täters zu erkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, dafür war er als Experte gefragt.
Das ist nun schon einige Zeit her, aber so ganz vergessen hat der Kilian seine Arbeit nicht. Auch dort hatte er es immer wieder mit anonymen Briefen zu tun. Meist war es nur Blödsinn, was da auf seinen Schreibtisch geflattert ist.
Einige Male konnte durch die Analyse von Kilian aber auch ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung von mehr oder weniger schweren Verbrechen geleistet werden.
Und der kriminalistische Spürsinn erwacht natürlich auch sofort in diesem Moment als ihm Karoline den Brief überreicht.
Vorsichtig, mit zwei Fingern fasst er ihn an, dreht er ihn langsam hin und her, wiegt ihn gedankenverloren ab. Die Caro schaut ihm dabei lächelnd zu und denkt bei sich „Aha, da ist der Kriminaler in ihm aufgewacht.“
Ihr soll es recht sein. Sie weiß doch, wie gerne der Kilian seinen Beruf gehabt hat und die kleine Freude will sie ihm gerne lassen.
Endlich greift der Kilian zum Brieföffner, schlitzt langsam das Kuvert auf und entnimmt dem Brief einen gefalteten Zettel. Schon beim Auffalten fallen ihm die großen schwarzen Lettern auf und er erkennt sofort, dass die geklebt sind. Ausgeschnitten aus Zeitungspapier.
Nun wird die Sache interessant. Das muss jetzt professionell gemacht werden. Und so greift Kilian in seinen Schreibtisch holt die Latexhandschuhe hervor. Gott sei Dank hat sein Freund, der Doktor, einen schönen Vorrat von ihnen, und gibt dem Kilian immer gerne einige ab.
Der Kilian will ihm zwar Glauben machen, er brauche sie für die Gartenarbeit. Aber der Doktor ist auch nicht von gestern. Ihm ist schon klar, dass der Kilian das „Kriminalisieren“ nicht lassen kann. Aber hier in Lerchwies? Da kann er sich nicht vorstellen, dass es Verbrechen gibt. Naja, man kann sich auch täuschen.
Langsam öffnet der Kilian – jetzt voll und ganz konzentriert - das Papier und faltet es vorsichtig auseinander.
Seine Augen werden immer größer als er Wort für Wort den Text liest. Da steht:
„...DAS MIT DEM KORBINIAN WAR EIN
HEIMTÜCKISCHER MORD…“
Die Caro hat ihn zwar ziemlich abrupt aus dem Schlaf gerissen, aber in dem Moment ist die Müdigkeit vorbei.
„Karoline, schau mal, meinst da hat sich einer einen Scherz erlaubt?“
„Naja, wie ein Scherz klingt das nicht. Hat der Korbinian aber nicht Selbstmord begangen? Und das ist ja schon fast drei Jahre her!“
„Ja, damals waren wir noch gar nicht da. Erst im Jahr darauf sind wir hergezogen. Sehr eigenartig, wer schickt mir das? Ich glaub ich sollte zu den Dorfgendarmen gehen und ihnen den Brief zeigen. Vielleicht wissen die mehr?“
„Gute Idee, aber zuerst trinken wir einen Kaffee, Herr Kommissar.“
Verschmitzt lächelnd nimmt die Karoline ihn bei der Hand und sie gehen gemeinsam in die Küche.
Benji springt auf und ist schon vor dem Herrl am Küchentisch angelangt, er weiß, da gibt Fraudi ihm meistens ein Hundeguti.