Ikosameron. Band 2 - Giacomo Casanova - E-Book

Ikosameron. Band 2 E-Book

Giacomo Casanova

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Beschreibung

Das Buch “Ikosameron – Die Reise zum Inneren unseres Erdballs” ist eine Reise ins Innere, eine außergewöhnliche Initiationsgeschichte, ein meisterhaftes Originalwerk, das von dem berühmten Venezianer Giacomo Casanova geschaffen wurde, dessen Name in der Geschichte der Großen dieser Welt einen Platz im Pantheon einnimmt. Neben seinen “Memoiren” sollte dieses Werk die Unsterblichkeit dieses Giganten seiner Zeit sichern, auch wenn nur eine kleine Zahl den wahren Wert dieses Werkes erkennen mag. Dieser spannende Bericht über die 81 Jahre, die Edward und Elisabeth im Inneren der Erde bei den Megamikren verbringen, liest sich wie eine eigenwillige und phantastische Mischung aus “Gullivers Reisen” und der “Genesis”. Casanova führt uns in das Herz einer echten “Begegnung der dritten Art”: Unter dem Deckmantel einer angeblich übersetzten Erzählung, in der man auf jeder Seite Casanova als Schriftsteller erkennt, führt uns dieser große Mann des 18. Jahrhunderts in eine seltsame Kosmologie ein, in der wir sehen, wie “Innerirdische”, die sogenannten “Megamikren”, zwei Erdenbewohner bei sich aufnehmen. Es ist unmöglich, den genauen Ort dieses Abenteuers zu bestimmen, aber die Details, die Casanova angibt, sind unglaublich visionär. Es gibt Elektrizität (Leuchttafeln an den Wänden), Autos (vierrädrige Fahrzeuge, die sich ohne Pferde fortbewegen) usw., und die Art der megamikrischen Zivilisation ist sehr plausibel, beinahe zu plausibel, um erfunden zu sein. Es ist kaum zu fassen, dass all das vor weit über 200 Jahren geschrieben wurde. Das Buch ist eine Einladung zur Meditation über das Thema der Vielzahl möglicher bewohnter Welten und ein Klassiker, der in keiner guten Bibliothek fehlen sollte. Dies ist der zweite von zwei Bänden.

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Giacomo Casanova

 

IKOSAMERON

 

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DIE REISE IN DAS INNERE UNSERES ERDBALLS

 

Ein phantastischer Roman

in zwei Bänden

 

BAND ZWEI

 

 

Übersetzt von Heinrich Conrad (1866-1918)

 

Das französische Originalerschien 1788 in Prag unter dem Titel:

Icosameron ou histoire d’Edouard, et d’Elisabeth qui passèrent quatre vingts un ans chez les Mégamicres habitans aborigènes du Protocosme dans l’intérieur de notre globe, traduite de l’anglois par Jacques Casanova de Seingalt Vénitien Docteur ès loix Bibliothécaire de Monsieur le Comte de Waldstein seigneur de Dux Chambellan de S.M.I.R.A. l’imprimerie de l’école normale

 

 

IKOSAMERON wurde im französischen Original zuerst veröffentlicht in Prag 1788.

 

Diese Ausgabe in zwei Bänden wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

1. Auflage 2023

 

V 1.0

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Band Zwei

ISBN 978-3-96130-555-1

 

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

Books made in Germany with

 

 

 

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GIACOMO CASANOVA

IKOSAMERON

 

EINLEITUNG | BAND EINS | BAND ZWEI

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GESAMTAUSGABE

 

 

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Inhaltsverzeichnis

IKOSAMERON. Band Zwei

Impressum

2. Band

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Zu guter Letzt

2. BAND

Die Tafel des Königs zu vierundzwanzig Gedecken, die nur an der äußeren Reihe aufgelegt waren, befand sich zwei Fuß höher als die anderen Tafeln: eine Tafel zu fünfzig Gedecken für die Neuvermählten, eine andere von fünfzig für ihre Väter und Mütter und zwei zu je fünfzig für die Großen des Hofes, die der König mitbringen sollte. Für die Ehrenplätze an seiner eigenen Tafel hatte der König bestimmt: den Bischof, fünf Botschafter, seine vornehmsten Minister, die roten Prinzen, seine Oheime und außerdem mich und meine Frau. Die Botschafter waren der des Großen Genius, den man den Paranymph nannte, und die der vier Nachbarkönige. Zwei von den fünfzig Neuvermählten waren meine Kinder, achtundzwanzig meine Enkel und zwanzig meine Urenkel. An einer anderen Tafel mit hundert Gedecken seitwärts von diesen Mitteltafeln war für den Hof, unter denen auch der Groß-Gärtner sich befand, und für Leute gedeckt, die zur näheren Umgebung des Königs gehörten.

Seine Majestät kam zur festgesetzten Stunde, und nachdem er sein Lob darüber ausgesprochen hatte, daß sie in weniger als vier Ernten soviel geleistet hätten, setzte er sich zu Tisch, und alle nahmen die für sie bestimmten Plätze ein. Alle aßen im tiefsten Schweigen; man vernahm nur von Zeit zu Zeit die Stimme des Herrschers, wenn er ein Wort an irgend jemanden richtete, dem er eine besondere Huld erweisen wollte; dieser antwortete darauf nur mit stummen Verbeugungen, wie es in jener Welt Brauch ist.

Das Mahl dauerte anderthalb Stunden.

Als ich den Augenblick gekommen sah, erhob ich mich und bat den König um Erlaubnis, eine Zeremonie zu vollziehen, ohne welche meine Kinder sich niemals Mann und Frau würden nennen können. Der König erhob sich und alle Anwesenden folgten seinem Beispiel, doch rührte niemand sich von seinem Platz. Meine Frau stellte sich hinter die Knienden, Reinhold und Egeria, die ich zuerst vermählte. Die anderen achtundvierzig knieten ebenfalls nieder, hinter ihnen standen ihre Väter und Mütter und legten die Hände auf das Haupt, von welchem sie die Kappe abgenommen hatten. Paarweise vermählte ich sie nun alle, indem ich auf englisch die schöne Formel sprach, deren Sie sich vielleicht erinnern; nach mir wiederholte meine Frau sie in megamikrischer Sprache, was aller Welt ungemein gefiel. Alle Neuvermählten begaben sich hierauf in schön geordnetem Zuge zu Ihren Majestäten, um ihnen die Hände zu küssen, und diese beglückwünschten sie mit huldvollsten Worten. Einunddreißig Paare mannbarer Riesen, die an diesem Tage als Zöglinge in das Ephebeion eintraten, um bis zu ihrer Verheiratung ein europäisches Jahr zu verbringen, traten in geordnetem Zuge vor und küßten dem Königspaar die Hand, das ihnen ein Kompliment über das Glück machte, das sie nach Ablauf eines Jahres erwarte. Einen Augenblick darauf hatte es die angenehme Überraschung, eine Schar von 560 Riesenkindern zu sehen, die ebenfalls im Zuge herannahten, dem Königspaare die Hand küßten und die ganze Gesellschaft durch ihre naiven Bemerkungen erheiterten, indem sie dem König und seinem Unzertrennlichen viele Liebkosungen erwiesen, wie Leuten, die nur halb so groß wie die kleinsten Riesenkinder waren und daher nach ihrer Meinung bald unter ihnen stehen mußten. Die jüngsten von diesen Kindern waren drei Jahre und drei Monate alt. Die übrigen 638, die dieses Alter noch nicht erreicht hatten, waren im Seminar geblieben. Der König bat nun seinen Unzertrennlichen, den Neuvermählten das Hochzeitsgeschenk zu machen, das die Prinzen des Königlichen Hauses zu erhalten pflegten. Nachdem er seinem Obersthofmeister ein Wort gesagt hatte, reichte dieser ihm fünfzig Ordensbänder mit dem kostbaren Karfunkel, den die Megamikren den Stein des Lichtes nennen, und der König selber hing sie ihnen um den Hals. Die Einreibungen und Räucherungen unterblieben, da der Brauch solche bei einem Hochzeitsmahl nicht zuläßt.

Ich wußte, daß das Theater bereits voll war, und sagte daher Seiner Majestät, eine Unterhaltung, die drei und eine halbe Stunde dauern werde, erwarte ihn in einem benachbarten Saal. Ich führte ihn nun mit seinem ganzen Gefolge eine um ein ganzes Theater herumführende Treppe von 1000 zollhohen Stufen herab, die ganz und gar mit Teppichen bedeckt waren. Kaum hatte der König das Theater betreten, so sah er zur Rechten und zur Linken Korridore, die durch Phosphorlaternen beleuchtet waren. Er stieg eine kleine Treppe empor, die beiden Flügel einer Tür öffneten sich und er sah sich in seiner schönen Loge, die, wie ich bereits sagte, in Höhe und Breite den Raum von vierundzwanzig Megamikrenlogen einnahmen. Bei seinem Eintritt begann das Orchester die Ouvertüre zu spielen, während welcher er überrascht das Gebäude betrachtete und die große Menschenmenge sah, die alle Logen und das ganze Parterre füllte. Jenseits des Orchesters war eine große Leinwand in der Mitte von acht phosphorstrahlenden Säulen. Er begriff nicht, was dies bedeutete, fragte mich aber natürlich nicht, weil dies gegen den Brauch der Megamikren gewesen wäre; doch glaubte er mich nach dem Grunde fragen zu dürfen, warum seine Garden im Kreise um einen Platz vor dem Orchester herumständen, wo er nur Lehnsessel bemerkte. Ich antwortete, dieser Kreis sei ebenfalls für ihn bestimmt, wie die Loge, in der er sich augenblicklich befinde und die beiden leeren Balkone auf der rechten und auf der linken Seite des Theaters. Er wandte sich nun zu dem Botschafter und sagte ihm, seine Kavaliere würden ihm auf dem Balkon, wo sie die Musik besser hören könnten, Gesellschaft leisten, während er selber mit seiner Familie in der Loge bleiben würde. Er glaubte nun nicht, daß es sich nur um Musik handle. Alle meine Kinder mit Einschluß der Seminaristen saßen auf den oberen Rängen, die ich für sie hatte einrichten lassen. Auf diesen ließ ich auch alle Gescheckten unterbringen, die sich an einer der vier Treppen einfanden, um sich das Schauspiel nicht entgehen zu lassen.

Der König rühmte die herrliche Wirkung der Musik in diesem Riesengebäude, das die Harmonie nicht verringere, sondern vermehre. Plötzlich ging der Vorhang auf. Alle Welt war von dem unerwarteten schönen Anblick überrascht und rief laut Beifall; aber ein tiefes Schweigen folgte diesem Lärm, als man auf der Bühne einen großen Roten erblickte. Dies war dem Anschein nach ein Megamikre, der sich ganz allein befand und aus seinen Truhen eine Menge Gefäße, Metalle und Banknoten hervorzog. Es war ein Geizhals, die Hauptperson der Komödie; ein gescheckter Alchimist, der ein Gauner war, hatte ihn verführt, indem er ihm Hoffnung machte, daß er ihm den Stein der Weisen verschaffen werde; der Geizige hatte zu diesem Zweck bereits große Ausgaben gemacht und man sah in diesem ersten Akt, wie er dem Alchimisten alle aus seinen Truhen hervorgeholten Schätze gab, um einen neuen Versuch anzustellen, der nach der Behauptung des Spitzbuben das Werk krönen würde.

In demselben ersten Akt erklärte der Unzertrennliche des Geizhalses den Alchimisten für einen Betrüger, worüber der Geizhals sehr böse wurde. Er war Vater eines roten Paares, das er müßig herumlungern ließ, weil er sich nicht entschließen konnte, eine gewisse Summe auszugeben, die notwendig war, um ihnen ein vornehmes und einträgliches Amt zu verschaffen. Dieses Paar machte, immer noch in demselben ersten Akt, seinem Vater die heftigsten Vorwürfe; er antwortet ihnen aber darauf nicht, sondern versichert nur, in wenigen Tagen werde er der reichste Edelmann des Königreiches sein und dann werde er sie glücklich machen.

Im zweiten Akt bringt der Alchimist dem Geizhals dreißig Unzen Gold, die, wie er sagt, bei einer mißlungenen Operation auf dem Grunde eines Schmelztiegels geblieben sind. Der Geizhals bewundert die Gewissenhaftigkeit des Alchimisten, nimmt das Gold und schließt es ein. Seinem Kinderpaar ist es gelungen, ein Haus zu entdecken, worin der Alchimist alle seine Schätze verborgen hält; sie dringen in dieses Haus gerade in dem Augenblick ein, als er die Vorbereitungen zu seiner Abreise trifft. Sie setzen ihren Vater davon in Kenntnis, der ihnen jedoch antwortet, dies könne nur eine Verleumdung sein. Als sie ihn aber fragen, ob er nicht gerne alles wieder haben möchte, was er auf Veranlassung des Alchimisten bereits ausgegeben habe, da antwortet er, besseres könne er gar nicht verlangen. Seine Kinder sagen ihm nur: wenn er ihnen zusichere, ihnen das nötige Geld für den Kauf eines Amtes zu geben, wollen sie sich verpflichten, ihm alle bereits ausgegebenen Summen wieder zu verschaffen; er müsse ihnen aber ein Schriftstück in aller Form darüber ausstellen. Der Geizhals überlegt sich, daß ihm eine solche Verpflichtung niemals etwas schaden könne, und stellt daher einen Schein in der gesetzlich vorgeschriebenen Form aus. Hinter ihrem Rücken aber lacht er sie aus, denn er ist überzeugt, daß der Alchimist ein armer Mann und an Tugenden reich ist.

Der dritte Akt beginnt mit einem Auftritt zwischen dem Geizhals und dem Betrüger, der neue Summen von ihm verlangt. Er weiß nicht, wo er diese hernehmen soll, und ist in Verzweiflung darüber. Der Goldmacher sucht ihn zu ermutigen und der Geizhals sagt ihm in seinem Herzenskummer, man behaupte, er habe alle Summen, die er ihm gegeben habe, für sich behalten. Der Alchimist verteidigt sich wie ein Tartüff und es gelingt ihm, den Geizhals so umzustimmen, daß er ihm noch seine Diamanten gibt, wobei er sagt: nachdem er ihm diese Steine gegeben habe, bleibe ihm nichts mehr für seinen Lebensunterhalt, wenn es ihm nicht gelinge, das Projektionspulver herzustellen. Der Betrüger entfernt sich mit dem Entschluß, am nächsten Morgen auszurücken; die Kinder aber werden durch ihre Spione rechtzeitig benachrichtigt und melden es ihrem Vater. Dieser will immer noch nicht daran glauben, begibt sich aber auf dringende Aufforderungen nach dem Hause des Betrügers und erkennt sein früheres Eigentum. Nun ist er überzeugt von der Schurkerei des Alchimisten, der in demselben Augenblick verhaftet wird und alles gesteht. Als der Geizhals sich wieder im Besitz aller seiner Schätze sieht, sagt er seinen Kindern, er werde selber in aller Muße daran denken, ihnen ein gutes Amt zu verschaffen; aber die Kinder zwingen ihren Vater auf gerichtlichem Wege, seine Verpflichtung zu erfüllen. Der Gauner, dem alles wieder abgenommen worden ist, wird zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt.

Dieses Lustspiel gefiel; mehrere Züge von dem Geiz und der Dummheit des Betrogenen wurden herzlich belacht. Ein dummer gescheckter Lakai hatte für den Alchimisten die größte Verehrung. In seinem Gespräche mit dem Unzertrennlichen des Geizhalses lag viel Komik. Auch ein Arzt, den der Geizhals holen ließ, als ihm auf die Nachricht vom abermaligen Mißlingen eines Experiments unwohl wurde, der ihm viel Geld kostete, erregte große Heiterkeit, indem er mit Fachausdrücken um sich warf, von dem der Kranke kein Wort verstand.

Als das Stück zu Ende war, fiel der Vorhang und das Orchester spielte die Apophonie, als von jedem Megamikren verstandenes Zeichen, daß das Fest zu Ende sei und es für sie nun Zeit war, nach Hause zu gehen. Großes Vergnügen hatte ein Chorgesang gemacht, den alle Schauspieler unmittelbar vor dem Fallen des Vorhanges ertönen ließen, und worin sie den König um Entschuldigung baten, wenn ihr Spiel ihm nicht so viel Vergnügen gemacht haben sollte, wie es ihr Wunsch gewesen wäre.

Ich sagte nun dem König, es stehe in seinem Belieben, sich auf die Bühne zu begeben. Er starb beinahe vor Neugier, aber er würde niemals gewagt haben, mir dies zu sagen. Er hatte die Gnade, mit allen Schauspielern, die sämtlich männlichen Geschlechts waren, zu sprechen. »Ich bemerke,« sagte er zu mir, »daß Ihr bei diesem Schauspiel alle Eure weiblichen Nachkömmlinge ausgeschlossen habt.« Ich wußte nicht, was ich ihm antworten sollte, denn weder Zeit noch Ort waren geeignet, ihm die Gründe dieser Maßregel zu erklären. Als wir aber eines Tages miteinander allein waren und die Rede auf dieses Thema kam, konnte ich ungezwungen mit ihm sprechen und sagte ihm, ich könne nicht recht begreifen, weshalb die Megamikren im allgemeinen gegen die männlichen Mitglieder seines Geschlechtes höflicher und liebenswürdiger seien, als gegen die weiblichen.

»Ich weiß nicht,« antwortete der König mir, »wie Natur und Erziehung Euch in Eurem Lande denken lassen und aus welchen Antrieben Eure Handlungen hervorgehen; wenn ich aber die Natur der denkenden Wesen unserer Welt prüfe, so kann ich Euch sagen, daß die weiblichen Riesen, obgleich sie das Vorrecht haben, in jeder vierten Ernte die erste Nahrung der Riesen in ihren Brüsten zu tragen, uns doch nicht mehr interessieren können als die männlichen Riesen, und zwar aus einem Grunde der Vernunft wie aus Anlaß eines natürlichen Gefühls. Die Vernunft sagt uns, von einem aus zwei verschiedenen Hälften bestehenden Körper die edlere Hälfte vorzuziehen. Die edlere Art der männlichen Riesen ergibt sich aber deutlich aus der praktischen Verwendung ihrer Geschicklichkeiten und aus ihrer stärkeren Moral; auf diesen beiden Gebieten sind sie den weiblichen Riesen unbedingt vorzuziehen. Das natürliche Gefühl treibt dazu an, die männlichen Riesen mehr zu lieben, weil tatsächlich ihr Anblick und ihre äußere Erscheinung mehr zu ihren Gunsten einnehmen und mehr Vergnügen machen. Die männlichen Riesen scheinen mehr dazu geschaffen zu sein, Lust zu erregen als Lust zu empfangen; die weiblichen Riesen dagegen erscheinen mehr geeignet, Lust zu empfangen als zu erregen. Da Natur und Vernunft im Einklang stehen, so neigen sie die Wage zugunsten der männlichen Riesen, denn unsere eigene Lust muß uns wichtiger sein, als diejenige, die wir vielleicht empfinden können, indem wir sie in anderen erregen. Um vollkommen zu sein, muß allerdings die Lust gegenseitig sein.« Ich konnte nicht gut weiterfahren, um Aufklärungen über ein Gebiet zu erlangen, das mir damals fremd sein mußte. Das Thema war etwas heikel; übrigens war die Antwort des Königs vielsagend genug.

Nachdem der König und seine Höflinge auf der Bühne alles Bemerkenswerte gesehen und mir unendliche Komplimente gemacht hatten, sagte Seine Majestät, sie habe niemals in ihrem Leben ein Vergnügen empfunden, wie das ihr durch mein Schauspiel bereitete. Die Glocke läutete zur Ruhestunde und die ganze Menge entfernte sich, nachdem sie den Herrscher hatte abfahren sehen. Die vielen Geschäfte, die ich mir hatte aufbürden müssen, damit meine Schauspielaufführung gelänge, hatten mich nicht daran verhindert, an die Reise meiner fünf ältesten Söhne mit allen ihren zahlreichen Familien zu denken, die im Laufe der folgenden Fünftagwoche abreisen sollten. Sie waren mit allem versehen, um die Künste und Gewerbe zu betreiben, die ich im Königreich eingeführt hatte; indessen hatte ich doch es für angebracht gehalten, einige von meinen Geheimnissen keinem außer meiner Frau anzuvertrauen, darunter auch das Verfahren, den Arsenikdampf zu sammeln. Meine Frau hatte die Vorschriften für die Anfertigung aller ihrer Essenzen unserer ältesten Tochter Wilhelmine gegeben; ich selber füllte ihre Kisten mit kleinen Modellen aller Maschinen, die für die Papierfabrikation, die Buchdruckerei und verschiedene hydraulische Anlagen notwendig waren. Mehr als dreißig von ihnen waren jetzt ebenso geschickt wie ich im Schmelzen von Metallen und im Gießen von tadellosen Glocken aller Größen. Sie hatten bei sich fünf gute Augenärzte, darunter meinen lieben Sebastian, den ich aufs zärtlichste liebte. Ihre Gesamtanzahl betrug 910; hiervon gehörten 248 Jakob, 208 Richard, 176 Adam, 150 Robert und 128 Wilhelm an. Sie hatten eine gleiche Zahl Dienstboten bei sich, die sehr notwendig waren wegen der großen Zahl von Kindern, die sorgfältig gepflegt werden mußten. Ich füllte ihnen fünfzig Kisten mit Waffen aller Größen, fünfundzwanzig mit Pulver und fünfundzwanzig mit Giftdampfschläuchen, die ich meinen fünf Philarchen anvertraute. Diese Titel erhielten sie nämlich als Oberhäupter ihrer Stämme. In mehreren Kisten nahmen sie alles mit, was sie als persönliches Eigentum an Phosphormöbeln und kostbaren Teppichen besaßen. Ferner füllte ich ihnen eine große Kiste mit Buchdrucklettern, da ich voraussah, daß sie deren bedürfen würden, und gab ihnen hundert Ballen Papier mit.

Als ich am übernächsten Tage nach dem Schauspiel dem König die Anzahl der lebenden Wesen und ihrer Gepäckstücke mitteilte, lächelte er und gab mir einen Brief zu lesen. Ich erblickte die Abschrift des Befehls, den er an alle Posthäuser auf dem graden Wege nach Heliopalu gerichtet hatte. Er befahl Pferde für 400 Wagen, auf denen sich 910 Riesen und 1000 Dienstboten nebst allem erforderlichen Gepäck befinden würden. Als er mich ein wenig überrascht sah, sagte er mir, die Religion verbiete zwar den Megamikren, Fragen zu stellen, aber sie verbiete ihnen nicht, an die Bedürfnisse ihrer Freunde zu denken und diese zu erraten und ihnen nützlich zu sein. Er könne rechnen, und nachdem ich ihm gesagt habe, daß ich die Familien meiner ersten fünf Kinderpaare in mein Lehen Nummer Eins schicken wolle, habe er nicht nötig gehabt, mich weiter zu befragen, um die Anzahl der Personen zu wissen, die ich schicken würde. Er habe für meine Familien den Weg durch die acht Staaten gewählt, deren Könige seine Freunde seien. Übrigens wären noch fünfzehn andere Straßen ebenso gut und schön und auch genau ebenso lang. Dies ergab sich natürlich aus den geometrischen Verhältnissen der dortigen Welt, da Ausgangspunkt und Ziel die beiden Pole derselben bilden. Seine Majestät zeigte mir auf einem kleinen Globus, der auch im Saal stand, daß meine Karawane noch auf sechzehn Wegen ihre Reise hätte machen können, ohne dieselbe um mehr als etwa fünfzig Posten zu verlängern.

Die Grenzstadt, durch die meine Kinder reisen mußten, war die, worin mein teurer Freund, der Statthalter, noch immer wohnte, da er nur einige Jahre älter als der König war. Ich war entzückt, bei dieser Gelegenheit meinem ersten Freunde den größten und wichtigsten Teil der Abkömmlinge der beiden glücklichen Geschöpfe zu zeigen, die er vor dem Tode bewahrt hatte. Mit der größten Freude erfüllte diese Gelegenheit auch meine Söhne Jakob und Adam: den ersten, weil er vom Statthalter aufgezogen worden war, den zweiten wegen des Aufenthalts, den er in jener Stadt genommen hatte, als ich ihn dorthinschickte, um die Papiermühle einzurichten.

Ich empfahl meinen Kindern und besonders meinem Sohn Jakob Wachsamkeit, gute Ordnung, Pünktlichkeit und vor allem Freigebigkeit; denn diese ist das wichtigste Mittel, dessen der Mensch sich bedienen muß, um sich beliebt zu machen. Ich sagte ihm dabei aber, die Freigebigkeit müsse im Verhältnis zu den vorhandenen Mitteln stehen und man müsse daher genau rechnen; von diesem genauen Rechnen dürfe aber nur er allein wissen; denn sobald man etwas davon merken könnte, würde man es Geiz nennen. Ich machte ihm klar, daß Wirtschaftlichkeit eine Tugend ist, die gerade in der richtigen Mitte zwischen Verschwendung und Geiz liegt; da es nun sehr schwierig sei, gerade die richtige Mitte zu finden, müsse man das Zünglein der Wage lieber ein bischen nach der Seite der Verschwendung ausschlagen lassen, um sich den Anschein von Großmut zu geben. Jakob bedurfte dieser kleinen Lektion, denn seine Liebe zur Sparsamkeit war wirklich ein bißchen zu stark. Ich befahl ihm, meine Schätze nicht zu schonen, um Seminare, Häuser, Theater und vor allen Dingen Tempel zuerst in den fünf Hauptstädten meines Lehens bauen zu lassen. Ich gab ihm den Grundriß meiner Tempel, deren Erbauung übrigens noch nicht eilte, denn der Zeitpunkt für die Einsetzung der Riesenreligion war noch um einige Jahre entfernt. Ich wies ihn an, das Schreiben mit einer Farbe in Aufnahme zu bringen und mein ganzes Lehen mit Druckereien zu füllen. Ich legte ihm ans Herz, eifrig auf meine Rechte zu halten, dafür zu sorgen, daß die Lebensmittel niemals teurer würden und meinen Untertanen alle Vergnügungen zu verschaffen, die ohne Belästigung für andere zu haben seien, vor allen Dingen aber dafür zu sorgen, daß ihr Handel sich entwickle, und ihnen zu diesem Zweck vollkommene Freiheit zu lassen. Ich empfahl ihnen, untereinander vollkommene Eintracht zu bewahren und die geschicktesten Megamikren in ihren Dienst zu nehmen, sobald dies notwendig sei, dabei aber niemals mit dem Gehalt zu knausern; denn ein tüchtiger Mensch werde niemals zu teuer bezahlt. Ich schrieb ihnen vor, bei jeder Gelegenheit die größte Achtung vor der Geistlichkeit an den Tag zu legen.

Der König hatte mir von einem Brief gesprochen, worin der König des Reiches Siebenundachtzig ihn gebeten habe, sein Fürwort einzulegen, daß ich durch einen der Augenärzte unter meinen Kindern einen jungen Megamikren von vornehmem Hause, die Hoffnung seiner ganzen Familie, wolle operieren lassen. Da ich der Geschicklichkeit meiner fünf Schüler sicher war und beschlossen hatte, mir die Freundschaft womöglich aller Herrscher jener Welt zu gewinnen, so sah ich, daß ich nicht übel daran tun würde, wenn ich die Reise meiner fünf Familien um zwei Monate verlängerte. Man hatte diese auf sechs Monate berechnet; aber wenn sie auch acht Monate hätte dauern müssen, so wären die Frauen doch noch rechtzeitig in Heliopalu angekommen, um ihre Niederkunft in aller Ruhe und Bequemlichkeit abzumachen. Ich gab daher dem König statt einer Antwort nur das Plakat, das ich beschlossen hatte, drucken zu lassen. Es lautete folgendermaßen:

 

»Die edlen christlichen Riesen, die sich nach Heliopalu begeben, werden sich zehn Tage lang in der Hauptstadt jedes Königreichs aufhalten, durch welches ihre Reise sie führen wird. Sie tun dies nur, um den vom König des Reiches Siebenundachtzig ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen, daß sie sich den Untertanen der mit ihm befreundeten Könige nützlich erweisen möchten. Die Riesen ergreifen diese Gelegenheit, um jenen Herrschern auf folgende Weise gefällig zu sein: Sofort nach der Ankunft in jeder Hauptstadt wird der Führer der Riesen sich in Begleitung von fünf Augenärzten in den Palast begeben, um Seiner Majestät die Hand zu küssen. Er wird die Blinden, die der König ihnen wird vorstellen lassen, untersuchen, um festzustellen, ob sie heilbar sind. Die Untersuchung wird solange dauern, bis sich eine Anzahl von sechs Heilbaren ergeben hat, diese werden an sechs aufeinander folgenden Tagen operiert werden. Drei Tage nach der letzten Operation werden die Riesen ihre Reise fortsetzen.«

 

Die Veröffentlichung dieser Ankündigung machte dem König große Freude; meinen lieben Kindern brauchte ich keine weitere Weisung zu geben, als was bereits darin enthalten war. Ich sagte ihnen jedoch mündlich, sie möchten niemals eine Operation vornehmen, ohne alle miteinander zu untersuchen und zu beraten, und nur dann, wenn sie einstimmig der Meinung wären, daß ein glücklicher Ausgang sehr wahrscheinlich wäre. Ferner sagte ich ihnen, sie möchten sich auf acht Tage in der Grenzstadt aufhalten und unserm Freunde, dem Gouverneur, zu Gefallen sechs Megamikren, die er ihnen vorstellen werde, das Augenlicht wiedergeben. Auch befahl ich Jakob, mir über die Ergebnisse aller dieser Operationen stets sofort zu berichten; denn unwillkürlich war ich doch ein bißchen unruhig darüber. Ich empfahl ihnen Schweigen, obgleich die Sache ja kein Geheimnis mehr war. Das ganze Kollegium der Physiker hatte entschieden, daß wir die Blinden durch Herausziehung des Stars heilten; denn anders könne es nicht sein. Aber nach dem, was vorgefallen war, hüteten sie sich, selber einen Versuch zu machen; sie zitterten alle bei dem bloßen Gedanken daran. Und wenn sie übrigens den Mut gehabt hätten, die Operation vorzunehmen, so würden sie niemanden gefunden haben, der den Mut gehabt hätte, sich ihren Händen anzuvertrauen.

Ich empfahl Jakob, in Heliopalu am ersten Tage unseres Jahres stets ein prachtvolles Fest zu geben, dazu die Blüte des Adels einzuladen und in derselben Weise wie ich die fünfzehn Vermählungen der dreißig jungen Riesen seiner fünf Stämme vorzunehmen, zu deren Oberhaupt ich ihn ernannt hatte, ohne jedoch deshalb auf die väterliche Oberhoheit zu verzichten.

Ich meldete dem König, daß alles bereit sei, und der Tag der Abreise wurde festgesetzt, weil Seine Majestät sich nach einem Landhause begeben wollte, um sich am Anblick eines so schönen Zuges zu erfreuen. Im Laufe des Gespräches sagte er mir, er erinnere sich stets mit Vergnügen der schönen Schauspielaufführung, die ich für ihn veranstaltet habe. Sein Unzertrennlicher fragte mich, ob ich es wohl auf mich nehmen würde, die königlichen Prinzen nebst einigen Freunden vom Hofe in der Schauspielkunst zu unterrichten. Ich antwortete ihm, ich würde das sehr gerne tun, und es würde mir nicht einmal die geringste Schwierigkeit machen, in seinem Palast ein Theater wie das meinige zu erbauen und dazu noch ein kleines, das nur 1000 Paare fassen würde, um Aufführungen im Familienkreise zu veranstalten. Ferner sagte ich ihm, am ersten Tage meines nächsten Riesenjahres würde ich ihm ein neues Schauspiel bieten. Sie sprachen mir ihre größte Dankbarkeit dafür aus und der König bat mich, ich möchte ihm alle Eintrittskarten überlassen, die er diesmal gerne selber verteilen wollte; er lasse mir jedoch die Logen der Riesen für mich, meine Kinder und alle diejenigen, die ich einzuladen wünsche. Ich versprach nun dies alles und bat ihn, mir die Wahl des Platzes zu überlassen, wo ich das Theater für ihn an seinem Hof bauen wolle. Ich bestimmte dazu einen Platz in seinem kleinen Park, in den er sich durch einen Korridor seines Palastes begeben konnte, ohne das Haus zu verlassen. Dort hatte ich Raum genug, um den Bau nach meinem Plan auszuführen. Ich versicherte ihm, daß er diesen in weniger als drei Ernten werde beendigt sehen.

So kam der Tag der Abreise heran, ein Tag der Tränen für alle, besonders aber für mich und für meine Frau. Nun versammelte ich alle Auswanderer auf meinem Landgut, von wo aus ich sie wollte abreisen sehen. Ich übertrug auf meinen ältesten Sohn Jakob vor ihnen allen meine ganze Autorität und verlangte, daß sie ihm Treue und Gehorsam schworen, bis ich selber in meinem Lehen eintreffen würde, wo sie mich binnen kurzem sehen würden. Unser Freund, der Groß-Gärtner, war bei diesem rührenden Auftritt zugegen und sah sie abreisen. In jedem Wagen saßen Mann und Frau und zwei Megamikren, die die Kleinen hielten, welche vor noch nicht einer Woche entwöhnt worden waren. Die Seminaristen saßen selbviert in einem Wagen, aber die Knaben von den Mädchen getrennt. Ich bestieg mit meiner Frau, dem Groß-Gärtner und seinem Unzertrennlichen eine offene Kalesche, um sie den halben Weg bis zur ersten Post zu begleiten. Wenn ich nicht so vorsichtig gewesen wäre, durch einen öffentlichen Anschlag die Bevölkerung vom Anlaß dieser Reise in Kenntnis zu setzen, so glaube ich, das Volk, das uns vergötterte, würde sie nicht haben reisen lassen. Sie fuhren unter den Zurufen einer ungeheuren Menge Menschen ab, von denen sie viele überfahren haben würden, wenn sie nicht ganz langsam gefahren wären. An dem Ort angekommen, wo ich von ihnen Abschied nehmen wollte, ließ ich haltmachen; ich ging zu jedem Wagen, um sie noch einmal zu küssen und zu segnen. Wir folgten ihnen mit den Augen, bis wir sie nicht mehr sahen; dies dauerte eine Stunde, obwohl sie sehr schnell fuhren. In jener Welt sieht man eine Kutsche bis zu einer Entfernung von achtzehn englischen Meilen, ohne dazu ein Fernrohr nötig zu haben; noch weniger braucht man an einem erhöhten Ort zu stehen; denn je weiter der Gegenstand entfernt ist, desto höher befindet er sich. Als wir zurückfuhren, ließ der König, der den Zug von einem kleinen Landhause aus gesehen hatte, uns bitten, auszusteigen, als wir vor seiner Tür waren. Das Königspaar war allein. Der Unzertrennliche sagte meiner Frau hundert Dinge, um sie zu trösten und ihre Tränen zu trocknen. Seine Majestät war so gnädig, uns in ihrem eigenen Wagen nach Hause zu bringen.

Nach der Abreise meiner schönen Karawane übergab ich einer Anzahl meiner Kinder die Ämter, die bisher von den Ausgewanderten versehen worden waren. Ich hatte den Plan entworfen, am ersten Tag unseres nächsten Jahres dem König das Schauspiel eines Feuerwerks zu bieten und wählte daher unter meinen Söhnen alle diejenigen aus, an denen ich in zehn Jahren meiner Versuche auf diesem Gebiet Begabung dafür entdeckt hatte. Ich hatte sehr glückliche Experimente gemacht, doch gelang mir das volle Eindringen in diese Kunst erst im Laufe dieses Jahres.

Mein zwölfter Sohn, Mathias, und dessen Sohn Josef hatten sich der Feuerwerkerei mit solcher Hingebung gewidmet, daß ich des Gelingens meines Planes sicher war. Ich ließ in meinem Park an einer Stelle, wo die Ausschachtungen bereits gemacht worden waren, ein Theater herstellen, wie kein europäischer Baumeister es jemals ersonnen hat. Die größte Aufgabe für den, der in jener Welt bauen will, verursacht das Ausheben des Erdreichs. Dieses muß nämlich auf das freie Feld geschafft und dort vollkommen eben ausgebreitet werden. Dies wird natürlich erhöht, aber das darf nicht sichtbar sein. Ich mußte die Erde daher sehr weit fortschaffen lassen, denn die Felder in der Nähe der großen Stadt waren schon hoch genug infolge der Schachtungen, die man seit so vielen Jahrhunderten vorgenommen hatte. Die Megamikren verstehen sich ausgezeichnet auf diese Erdarbeiten. Es sind ebenso viele Arbeiter für das Ausheben wie für die Fortschaffung des Erdreiches vorhanden. Diese geschieht durch Karren. Ein Kubikklafter Erde erfordert drei Karren von einem Kubikklafter Inhalt, weil die lose Erde soviel mehr Raum einnimmt. Infolgedessen kann jemand, der ein Haus bauen will, sich in einer Viertelstunde ausrechnen, was es ihm kosten wird. Aber wenn er dies schon weiß, so ist deshalb die Ausgabe für ihn nicht geringer. Die Fortschaffung des Erdreichs erstreckte sich auf mehr als zwanzig Wegstunden in die Runde. Ich gab ein Vermögen dafür aus. Ein Würfel von 100 Klafter Seitenlänge enthält eine Million Kubikklafter, welche drei Millionen Karren füllen. Ich hatte nur 20 000 Karren; es waren also 150 Reisen erforderlich, um solche Mengen Erdreich fortzuschaffen. Ich sah aber, daß ich, um in jener Welt die größten Erfolge zu erzielen und meine ganze Nachkommenschaft glücklich zu machen, weiter nichts nötig hatte, als die größte Ehrfurcht vor uns zu schaffen, indem ich die Megamikren in Staunen setzte. Das höchste Erstaunen mußte aber ein schönes Feuerwerk hervorrufen; ein höheres, als es mir bis jetzt gelungen war zu erregen.

Das Theater für dieses Feuerwerk, das ich im Dunkeln veranstalten wollte, hatte eine Tiefe von achtzig Klafter oder 400 Fuß. Es bildete einen Zylinder, dessen innerer Umfang 352 Klafter, während der äußere Umfang des Theaters vierzig Klafter mehr betrug, weil er nämlich nicht rund, sondern quadratisch war. Der Durchmesser betrug ungefähr 116 Klafter. Das Gebäude hatte vierundvierzig gleichweit voneinander entfernte Türen und vierundvierzig Treppen, die zu ebener Erde etwa fünf Klafter breit waren. Sie waren ungefähr vier Klafter voneinander entfernt.

Das ganze Theater enthielt 48232 Logen zu je zwölf Plätzen, es bot also bequem Platz für 578784 Personen, von denen 40800 Riesen sein konnten. Ich brachte unsere eigenen Logen im unteren Teil des Theaters unmittelbar unter dem elften Rang an, der für den König bestimmt war.

Wenn man in jener Welt ein Feuerwerk im Freien hätte veranstalten können wie in der unsrigen, so würde ich mir eine Ausgabe von elf Millionen Goldunzen erspart haben, die uns dies Riesengebäude kostete, an dem ich mehr als 200000 Megamikren arbeiten ließ. Von meinen Arbeitern wußte keiner, was ich da machen ließ; sie glaubten, es werde ein neues Schauspielhaus, obgleich sie nicht begriffen, wie diejenigen etwas würden sehen können, die sich hinter den Schauspielern befänden. Aber diese Zweifel und dieses Nichtwissen beunruhigte sie lange nicht so sehr wie der beständige Lärm, der aus den unteren Gewölben empordrang, in denen die Riesen an etwas – aber man wußte nicht woran – arbeiteten, und zu denen kein Megamikre jemals zugelassen wurde. Man sprach in der ganzen Hauptstadt nur noch von diesen Geräuschen und alle Welt zitterte, da keiner eine Ursache wußte und jeder eine erfand. Den meisten Anklang fand die Mär, daß wir beschlossen hätten, uns einen Weg zur Rückkehr in unsere alte Heimat zu bahnen. Man traute uns alles zu und bedauerte sehr, daß man uns bald verlieren werde; aber man befürchtete auch, die ungeheure Aushöhlung, die wir machen wollten, müßte das größte Unglück über ihre eigene Welt bringen; denn Gott allein könnte wissen, welche Wirkung eine solche Öffnung auf ihre Luft und ihre Flüsse ausüben könnte. Vielleicht würden diese in dem Schlund verschwinden, vielleicht würde durch diesen ein Schlamm eindringen, der die Kinder der Sonne in kurzer Zeit ersticken müßte.

Als wir so eifrig an der Arbeit blieben und uns so geheimnisvoll benahmen – denn wir sprachen mit keinem Menschen je ein Wort darüber und niemand wagte uns darüber zu befragen – da entschlossen endlich die Furchtsamen, Abergläubischen und Intriganten sich dazu, das Kollegium der Physiker aufzufordern, binnen einer Fünftagwoche zu erklären, ob eine Öffnung in der Oberfläche ihrer Welt für die Erhaltung derselben verhängnisvoll werden könnte oder nicht. Diese Schrift, von deren Einreichung ich ebensowenig wußte wie von ihrem Gegenstand, setzte das Physikerkollegium in Verlegenheit und Unruhe; denn das allgemeine Gerücht verhehlte ihnen weder die Reden, die über uns im Umlauf waren, noch die starken Gründe, die annehmen ließen, daß wir tatsächlich darauf aus seien, eine solche Öffnung herzustellen. Ihre Wissenschaft sagte ihnen, daß durch eine solche Öffnung alles zugrunde gehen mußte. Aber wie hätten sie es wagen können, diese Erklärung abzugeben, von der sie ja wußten, daß sie durch den Druck vervielfältigt werden mußte? Mußten sie nicht befürchten, dadurch ein ähnliches Unheil heraufzubeschwören, wie das, welchem sie vor wenig Jahren mit knapper Not entgangen waren? Der Jahrespräsident sah sich gezwungen, seine Meinung zu erklären, und wußte, um sich dem zu entziehen, keinen anderen Rat, als dem Vorsitz für ewige Zeiten zu entsagen. Hierüber sehr bekümmert, mußte das Kollegium einen neuen Vorsitzenden wählen. Als die Stimmen gezählt wurden, fanden sie zu ihrer Überraschung, daß die Wahl auf mich gefallen war! Sie werden sich, Mylords, erinnern, daß ich seinerzeit als Mitglied gewählt worden war. Man überbrachte mir sofort diese Nachricht durch eine Abordnung von fünf Mitgliedern mit Pauken und Trompetenschall. Die Nachricht überraschte mich und mißfiel mir; denn eine solche Ehre war nicht nach meinem Geschmack. Aber ich mußte sie annehmen und auf der Stelle vom Führer der Abordnung eine Ansprache an mich halten lassen.

Ich antwortete ihm in wenig Worten, ich würde am nächsten Tage allein im Kollegium erscheinen, um meinen Dank abzustatten. Meine Frau stand nämlich unmittelbar vor ihrer Niederkunft.

Am nächsten Tage ging ich hin und man denke sich meine Überraschung, als der erste Schriftführer der Fakultät mir die erwähnte Zuschrift vorlegte. Ich sah sofort, was im Werke war. Es gelang mir, ein Lachen zu unterdrücken; ich schrieb meine Antwort nieder, las sie laut vor und ließ sie von sämtlichen Mitgliedern unterschreiben. Hierauf wurde sie in die Hofbuchdruckerei geschickt. Das ganze Kollegium war voller Freuden!

Mein Gutachten aber lautete folgendermaßen: »Das Kollegium der Physiker ist einstimmig der Meinung seines Vorsitzenden, des edlen christlichen Riesen Eduard Alfred, daß durch eine Öffnung in der Oberfläche unserer Welt die zu ihrer Belebung notwendigen Flüssigkeiten entschwinden und daß gleichzeitig fremde und für unsere Atmosphäre schädliche Stoffe durch dieselbe eindringen würden. Ein jeder derartiger Abfluß oder Zufluß würde eine Gewichtsveränderung zur Folge haben, die unser ganzes System über den Haufen werfen könnte, da es so, wie es ist, vollkommen ist.«

Damit schloß die Sitzung und das ganze Kollegium spendete mir die höchsten Lobsprüche wegen meiner unfehlbaren Entscheidung. Als ich wieder zu Hause war, erregte ich bei allen meinen lieben Feuerwerkern herzliche Heiterkeit über meine Neuigkeit. Aber sie blieben so verschwiegen wie zuvor und arbeiteten unermüdlich an der großen Maschine, die nach einer Ernte fertig und mit dem ganzen Feuerwerk ausgerüstet sein mußte. Der Riesenlärm, ohne welchen ihre Arbeiten nicht zu machen waren, dauerte also fort. Der Lärm wurde dadurch verursacht, daß sie mit starken Hammerschlägen die Raketen laden und daß sie harte Stoffe in eisernen Mörsern zerstampfen mußten. Wir hatten Eile und trieben die Arbeiten so vorwärts, daß wir sogar einige von den Ruhestunden mit zu Hilfe nahmen. Wir arbeiteten nur in den unterirdischen Gewölben: in dem einen wurden die Stoffe zerkleinert, gesiebt, gemischt; in einem andern machte man Patronen, schnürte sie ab, klebte sie und ließ sie trocknen; in einem dritten wurde das Pulver nebst andern brennbaren Stoffen in glasierten irdenen Töpfen aufbewahrt, die wir gut zudeckten, damit der Inhalt nicht durch die Luft verdorben würde. In anderen Räumen hatten wir Pulver, Kohle, Salpeter, Eisenspäne, Schwefel, Sägemehl, Kampfer, Quecksilber, viele verschiedene Sorten Harz, endlich alle möglichen Arten von Sieben, von ganz groben bis zu den allerfeinsten. Alle diese unterirdischen Gewölbe standen untereinander in Verbindung und der Zutritt war allen Megamikren verboten. Man begann es sehr eigentümlich zu finden, daß wir nach der vom Kollegium veröffentlichten Erklärung ruhig weiterarbeiteten.

Mein Frau schenkte uns in diesem Jahr Dionys und Eugenie, unser vierunddreißigstes Zwillingspaar.

Die ganze Stadt zeigte sich von der Veröffentlichung des Physikerkollegiums befriedigt, weil man wußte, daß die Erklärung von mir herrührte. Die Ängstlichen hielten den Mund. Als man aber merkte, daß die unterirdischen Geräusche nicht nur nicht aufhörten, sondern jeden Tag immer noch stärker wurden, da zog man daraus nicht den Schluß, daß es sich also nicht um eine Öffnung handle, sondern man sagte: ich tue eben einfach, was ich wolle und mache mich ganz unverhohlen über alle Welt lustig. Sie glaubten, es sei keine Zeit mehr zu verlieren, und wandten sich darum unverzüglich an das Gericht des Bischofs und an das des Königs. Ich wurde vor beide geladen.

Sobald der Protosynzelle des Bischofs mich sah, fragte er mich, warum ich denn fortfahre, eine Öffnung in die Erde zu machen, nachdem ich doch meine Meinung dahin ausgesprochen habe, daß es zu einer Katastrophe führen werde. Ich antwortete ihm, ich machte keine Öffnung und hätte niemals daran gedacht, eine zu machen.

»Was macht Ihr denn«, fragte er, »heimlich vor aller Welt in Euren unzugänglichen Kellergewölben?«

»Diese Frage«, antwortete ich ihm, »scheint mir aus unerlaubter Neugier hervorzugehen; infolgedessen versage ich mir, darauf zu antworten.«

Diese Antwort ärgerte den Groß-Richter; ich verzog den Mund, stand auf und ging.

Am nächsten Tag ging ich zum König, der mich auf das huldvollste empfing. Er war von seinen Ministern umgeben, die sich sofort erhoben, um sich zu entfernen, er sagte ihnen jedoch, daß sie bleiben möchten. Er sprach mit mir über sein kleines Theater, das bereits fertig war (worauf ich sofort zurückkommen werde) und über mehrere andere gleichgültige Dinge. Als er die Glocke zur großen Audienz läuten hörte, entfernte er sich. Ich sah klar und deutlich, daß der König mit mir nicht über die schwebende Angelegenheit sprechen wollte und auch nicht wünschte, man könnte etwa glauben, daß er mit mir darüber gesprochen hätte.

Ich ging also am nächsten Morgen vor Gericht, wie mir befohlen war, und der Groß-Richter sagte mir: Der König sei gewiß, daß seinem Reiche niemals das geringste Unglück durch irgendeine noch so unbedeutende Handlung meinerseits widerfahren werde; er wolle daher durchaus nicht wissen, welches die Ursache des Geräusches in meinen von keinem Megamikren jemals betretenen Gewölben sei. Aber er beauftrage mich, seine guten Untertanen, die nun einmal Angst hätten, zu beruhigen; und Seine Majestät sei überzeugt, daß ich mit leichter Mühe ein geeignetes Mittel finden werde. Ich antwortete ihm, dem Gebot des Königs werde Gehorsam geschehen.

Ich begab mich nun zu meinem Sohn Theodor und diktierte ihm eine Mitteilung, die sofort angeschlagen wurde und den vollen von mir gewünschten Erfolg hatte. Ich erklärte: ich sei bereit, mein ganzes Knabenseminar als Geiseln zu stellen; in meinem Hause trotz meinen Vorrechten eine von drei Führern des Megamikrenvolkes befehligte Wache aufzunehmen und mein ganzes Seminar dem Henkerstod auszuliefern, sobald den unterirdischen Geräuschen das geringste Unheil folge. Zum Schluß erklärte ich, diese Geräusche würden kaum noch drei Brände dauern, und dann würde die ganze Stadt über die Ursache dieser Geräusche entzückt sein, da ihre Wirkung nach dem einstimmigen Urteil das Menschengeschlecht beglücken werde.

Diese Erklärung machte dem König das allergrößte Vergnügen und beschwichtigte alle Welt. Das war gut; denn sonst hätte sich aus Aberglauben und Angst leicht ein Aufruhr entwickeln können.

Die Beschäftigung mit meinem großen Theater und mit meinem Feuerwerk verhinderte mich nicht, in demselben Jahr auch das kleine Theater für den König fertigzustellen. Es war vor der Niederkunft meiner Frau, Töchter und Enkelinnen fertig.

Ich wählte im Bezirk des königlichen Palastes ein gleichseitiges Viereck von vierzig Klaftern aus und umgab den Platz mit einem Baumgang von vier Klaftern Breite. Ich ließ von 16000 Megamikren die Erde ausheben und durch 8000 Karren 32000 Kubikklafter Erdreich fortschaffen. Hierzu war nicht einmal die Zeit eines Brandes erforderlich. Ich machte dieses kleine Theater nur zwanzig Klafter tief und umgab es auf allen Seiten mit Alleen von Bäumen, die eine Klafter voneinander entfernt standen. Die Umpflanzung kostete viel Arbeit; ich gebrauchte 4000 Gärtner dazu; sie kostete deshalb auch viel Geld, weil ich alle Stämme so krumm biegen ließ, daß die Bäume ein dichtes Dach bildeten. Ich verwandte nur Bäume, die schon von Schlangen gesäubert oder aus gesäuberten nachgewachsen waren. Das tat ich, ohne den König zu fragen; aber ich wußte längst, daß er die Schlangen nicht liebte.

Dieses kleine Theater, das ein wahres Juwel war, kostete dem König zwei Millionen Unzen. Diese Ausgabe veranlaßte eine ehrerbietige Vorstellung von seiten seines Obersthofmeisters, der ihm seine Eingabe in meiner Gegenwart überreichte. Der König und sein reizender Unzertrennlicher gaben sich den Anschein, die Anzeige sehr wichtig zu finden, sagten ihm jedoch dann ganz kühl: alle, die das Theater gesehen hätten, schätzten die Baukosten auf fünf Millionen Unzen.

Er sprach den Wunsch aus, ich möchte den Prinzen seiner königlichen Familie das Schauspiel: Der Stein der Weisen einstudieren. Ich sagte dies gerne zu.

Die Vorstellung verlief aufs allerbeste. Nur die vornehmste Welt war zu der Vorstellung eingeladen. Die Zuschauer beschränkten sich auf die Zahl von 600 ohne das Königspaar, die königliche Familie und die Geheimräte. Man erklärte mein Theater für ein Kleinod. Man bewunderte den Bauplan, besonders in bezug auf die kleinen Logen und die geheimen Ausgänge, und die geschmackvolle, dabei unaufdringlich reiche Ausschmückung. Bei allem verschwenderischen Putz blieb doch die Symmetrie stets gewahrt. Besonderes Vergnügen hatte der König an den vergitterten Logen, in denen nur ein einziges Paar Platz fand, das zwar sehen, aber nicht gesehen werden konnte. Nur der König wußte, wer in den Logen war, denn die besonderen Eintrittskarten für diese kleinen Logen wurden nur von ihm allein vergeben.

Nach dem Ende der Theatervorstellung folgte die ganze Gesellschaft dem König nach dem Baumgang, der rings um das Theater herumführte. Er ging sechsmal rund herum. Da die Bäume sich gegeneinander neigten, so wurde das Sonnenlicht gedämpft und es herrschte eine grünrote Dämmerung, die dem Auge unendlich wohltat. Alle Spaziergänger sahen nach dem Laubgewölbe empor und keiner wagte zu glauben, daß tatsächlich nicht ein einziges Schlangenpaar auf allen diesen vielen Bäumen sei.

Da der König sich nicht darüber äußerte, so wagte niemand ein Wort davon zu sagen. Jeder genoß schweigend die Schönheit einer solchen Promenade. Der König ging den ganzen Weg zwischen mir und seinem Unzertrennlichen und sprach von weiter nichts als von den Bräuchen unserer Riesenwelt, wobei er kunstvoll seine Neugierde zu verbergen wußte, indem er sie in die Form von Betrachtungen kleidete. Es war meine Sache zu erraten, was er zu wissen wünschte, und ihn durch meine Antworten zufriedenzustellen. Als die Glocke der Ruhestunden erscholl, zog er sich sehr befriedigt zurück.

Drei Tage darauf mußte er Wachen um das Theater stellen lassen, weil mehr als 20000 Neugierige sich herzudrängten. Gegen Ende des Tages wurden nur noch Adlige zugelassen, da zu dieser Stunde der Herrscher erwartet wurde. Der Spaziergang erregte fanatische Verwunderung; der Bischof, der ihn sehr oft benutzte, hatte die Promenade Seelenruhe genannt. Dieser Name blieb. Unsere Anhänger nannten uns Spender göttlicher Gnaden, Vorläufer der allgemeinen Glückseligkeit. Diejenigen aber, deren Interessen wir durch unsere Neuerungen geschädigt hatten, konnten uns nicht ausstehen und sagten alles mögliche alberne Zeug gegen uns. Nur die Alfakinen verhielten sich abwartend, seitdem der Große Helion uns zu Fürsten gemacht hatte.

Am Tage nach der Theatervorstellung erhielt ich einen Brief von Jakob aus einem Königreich, das im letzten Drittel seines Reiseweges lag. Der Brief enthielt Angelegenheiten, von denen ich dem König Kenntnis zu geben für angebracht hielt. Der Herrscher des Königreichs Zweiundzwanzig bat nämlich Jakob um die Gnade, sämtliche Gärten seines Hofes von den Schlangen zu säubern. Er zeigte ihm ein Orakel des Großen Genius, der ihm erklärte, der Heilige Hof habe gegen seinen Wunsch durchaus nichts einzuwenden, sofern die Riesen ihm diesen Gefallen tun wollten. Jakob schrieb mir, er hätte einen großen Fehler zu begehen geglaubt, wenn er dem Herrscher seinen Wunsch abgeschlagen hätte; 160 von meinen Kindern hätten daher in acht Tagen 6000 Schlangen vergiftet. Aus Dankbarkeit hätte der König ihm und allen Riesen das Bürgerrecht in seinen Staaten auf ewige Zeiten verliehen. Er hätte ihm eine Fläche von 100 Topen ins Geviert geschenkt mit der Erlaubnis, eine Riesenstadt nach seinem Belieben darauf anzulegen.

Als ich meinem König diesen Vorfall mitgeteilt hatte, sprach er folgendes:

»Die Briefe, die ich von meinen Gesandten aus allen Staaten unserer Welt erhalte, sagen mir alle dasselbe in betreff des Lehens, zu dessen Fürsten der Große Genius Euch gemacht hat. Alle Welt sagt, Euer Erscheinen unter uns sei eine göttliche Sendung zu dem Zweck, die Schlangen gänzlich auszurotten. Sie sagen, Gott habe sich entschlossen, den Megamikren diese große Wohltat zu erweisen, damit sie dankbar seien, ihre Sitten ändern und keine Sünder mehr seien. Zu dieser Besserung habe die Furcht sie bisher nicht bewegen können. Ich muß sagen, daß mir diese Schlußfolgerung ziemlich gelungen erscheinen würde, wenn es mir möglich wäre, das Megamikrengeschlecht für so sündhaft zu halten, wie man immer sagt. Sehe ich mir aber seine Fehler und Verirrungen an, so kann ich es nur für schwach halten. Ihr, mein lieber Freund, seid so kühn, aber auch so weise gewesen, um mein Theater eine Allee von 320 heiligen Bäumen ohne Schlangen herumzuführen. Ich hatte das Vergnügen, in Euch einen Menschen zu erkennen, der meine Denkungsart gründlich kennt und damit rechnet. So besitze ich jetzt eine Promenade, die mein ganzes Leben lang meine Wonne sein wird, da ich niemals eine andere benutzen werde. Ich sehe voraus, daß Eure Kinder nach und nach alle Schlangen in unserer Welt ausrotten werden. In 400 Jahren wird es hier keine einzige mehr geben. Diese Ausrottung wird stets als ein Wunder angesehen werden, zumal da niemand begreift, wie Ihr dies Gezücht töten könnt, ohne daß man an den Leichen jemals ein Zeichen bemerkt, woraus man auf die Art ihres Todes schließen kann. Man sieht sie leblos, weiß aber nicht, wie sie das Leben verloren haben.« Ich antwortete dem König, es werde für ihn kein Geheimnis mehr sein, wenn er mir die Schlangen seines kleinsten Landhäuschens überantworten wolle. Wenn er sich ohne jedes Gefolge zu einer ihm passenden Stunde dort einfinden wolle, so könne ich ihm zusichern, daß ihm nicht die geringste Gefahr drohen werde. Ich bat ihn noch, mir einen Tag vorher Bescheid zu geben, damit ich mich allein an den betreffenden Ort begeben und einige Vorbereitungen treffen könne. Der Herrscher bezeichnete mir sofort das Haus und befahl dem Verwalter desselben, mich nach meinem freien Belieben gewähren zu lassen. Nachdem ich dem Königspaar gesagt hatte, es möge sich für den nächsten Tag bereithalten, empfahl ich mich und ging nach jenem Hause.

Mir war nicht ganz leicht zumute im Gefühl der Verantwortung, die ich übernommen hatte.

Ich fand ein kleines Lusthäuschen, zu welchem von einem großen Schloß aus eine schöne Allee von allen möglichen Bäumen führte. Am Lusthäuschen selber erblickte ich sechs heilige Bäume. Ich ließ nun sofort meine fünf ältesten Söhne holen und sagte ihnen im tiefsten Geheimnis, am nächsten Morgen werde das Königspaar der Vernichtung der Schlangen beiwohnen; wir müßten diese selbsechst auf einmal tot zu Boden strecken. Wir gingen nach Hause und ich schickte unverzüglich eine gut verschlossene Kiste mit allem erforderlichen Schießgewehr nach dem Lusthäuschen hinaus.

Zwei Stunden vor dem vom König mir angegebenen Zeitpunkt war ich an Ort und Stelle und schickte sechs Gärtner fort. Sie entfernten sich traurig in der festen Überzeugung, daß sie bei ihrer Rückkehr ihr hochverehrtes Herrscherpaar nicht mehr wiedersehen würden.

Allein geblieben gingen wir in das Gärtchen und luden sechs doppelläufige Gewehre mit sechs Giftschläuchen und sechs Pistolen mit Kugeln, um auf alles gerüstet zu sein. Dann umgürteten wir uns mit unseren Patronentaschen. Wir sahen den König und seinen Unzertrennlichen in einem geschlossenen Wagen ohne Pferde und Kutscher sehr schnell heranfahren. Wir eilten ihnen entgegen, um den Wagenschlag zu öffnen, und ich übergab den Majestäten sofort zwei mit Kugeln geladene Pistolen mit doppelten Läufen von sechs Zoll Länge. Ich schnallte ihnen eigenhändig eine sehr hübsch gearbeitete Patronentasche um, worin sich Kugeln und Pulver befanden. Ohne ihnen Zeit zu Fragen zu lassen, sagte ich ihnen unaufgefordert, die Maschinen, die sie in der Hand hielten, wären Blitze, die den Feinden der menschlichen Ruhe und Sicherheit den Tod schleuderten. Um sie zu töten, brauchte man die Waffe nur in grader Richtung auf die Stelle zu halten, die man treffen wollte, und mit dem Zeigefinger den Abzug zu berühren. Ich zeigte ihnen den Abzug und beschrieb den Schuß, der dann erfolgen würde. Ich sagte ihnen: ich sei überzeugt, daß sie der Waffen nicht bedürfen würden und daß ich sie ihnen nur aus Vorsicht für alle Fälle gäbe, damit sie sich verteidigen könnten, wie Gott es den Menschen geboten, wenn sie sich Feinden gegenüber sähen. Als ich überzeugt war, daß sie mich vollkommen verstanden hatten, stellte ich sie an das Ende des Baumganges, wo wir unsere Gewehre hatten. Ich ergriff zwei von diesen und stellte mich dem ersten Baum gegenüber auf, indem ich mein zweites Gewehr vor mich hin auf den Boden legte. Der König hatte sich nur um einen Schritt von mir entfernt. An das andere Ende des Baumganges stellte ich den Unzertrennlichen in gleicher Entfernung von einem meiner Söhne auf; dieser tat sofort genau das, was er mich hatte machen sehen. Sodann schickte ich meine anderen vier Söhne jeden zu seinem Baum. Ich legte mein Gewehr an und sagte dem König, er solle genau auf unsere Bewegungen achtgeben, sobald er mich das Wort Feuer! rufen höre. Als ich sah, daß alle meine Söhne richtig standen und daß unsere Schüsse nicht fehlgehen konnten, feuerten wir. Ich wandte mich sofort zu dem Königspaar und alle meine Söhne traten zu uns. Unsere zwölf Feinde lagen bereits tot unter den Bäumen, ohne daß sie auch nur ein einziges Zischen hatten von sich geben können. Ich führte das Königspaar langsam durch das ganze Gärtchen und zeigte ihm die bewegungslosen zwölf Ungeheuer.