Illettrismus - ein soziales Problem? Zu den Entstehungsbedingungen und Auswirkungen eines wiederentdeckten Phänomens in der Schweiz - Claudine Haller - kostenlos E-Book

Illettrismus - ein soziales Problem? Zu den Entstehungsbedingungen und Auswirkungen eines wiederentdeckten Phänomens in der Schweiz E-Book

Claudine Haller

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1.5, Fachhochschule Nordwestschweiz (Studiengang Soziale Arbeit), Sprache: Deutsch, Abstract: Illettrismus ist ein soziales Problem in unserer Informations- und Kom-munikationsgesellschaft. Illettrismus bedingt sich aus einer Kombina-tion von belastenden sozialen Verhältnissen, schulischen Bedingungen, bei denen zu wenig individuelle Förderung stattfindet sowie zu wenig praktizierten Lesegewohnheiten. Dabei spielen die sozialen Beziehun-gen im Umfeld eine wesentliche Rolle. Das Risiko für Illettrismus steigt, wenn Personen aus einem bildungsschwachen Milieu stammen, über eine geringe Ausbildung verfügen, wenn sie zudem fremdspra-chig sind sowie allgemein mit zunehmendem Alter. Handlungsräume und Orientierungsmöglichkeiten der Betroffenen sind eingeschränkt. Aufgrund ihrer Lese- und Schreibschwächen werden sie etikettiert, ab-gewertet und erfahren in vielen Bereichen Ausgrenzung. Oft leidet das Selbstwertgefühl der Betroffenen. In der Schule muss individuellere Förderung zur Prävention von Illettrismus stattfinden. Eltern und Leh-rerschaft müssen sensibilisiert werden, Kindern ein anregendes Lern-Umfeld zu bieten. Für Betroffene braucht es mehr öffentlich bekannte Angebote und Weiterbildungsmöglichkeiten, die professionell geleitet und evaluiert werden müssen.

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Veröffentlichungsjahr: 2007

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Inhaltsverzeichnis
Kapitel
Kapitel
3.3.1 Die pädagogische Rekrutenprüfung.
3.3.2 Programme for International Student Assessment (PISA)
3.3.3 Die International Adult Literacy Survey (IALS)
3.3.4 Die Adult Literacy and Lifeskills Survey (ALL)
4.1.1 Lesefähigkeit
4.1.2 Schreibfähigkeit
4.1.3 Orthographie
4.1.4 Bibliotheken
4.1.5 Geschlechtsspezifische Entwicklung in der Alphabetisierung
4.1.6 Der Einfluss der Kirche auf den Alphabetisierungsprozess.
5.1.1 Individuelle Faktoren und äussere Umstände.
5.1.2 Soziale Verhältnisse
5.1.3 Schule.
5.1.4 Leseaktivitäten privat und beruflich
5.2.1 Ausbildung
5.2.2 Ausbildungsniveau der Eltern.
5.2.3 Sprache und Ausbildungsort
5.2.4 Geschlecht.
5.2.5 Alter

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1 Einleitung und Fragestellung

In der Schweiz leben heute gemäss den neusten Untersuchungen bis zu 30'000 sogenannte funktionale Analphabetinnen und Analphabeten. Dies scheint auf den ersten Blick eine erstaunlich hohe Zahl zu sein. Mit der allgemeinen Schulpflicht seit 1912 ging man nämlich bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts davon aus, dass jede Person, die die obligatorische Schulzeit abgeschlossen hat, auch genügend gut lesen und schreiben könne, denn im Gegensatz zum Mittelalter, wo Lesen und Schreiben einer Minderheit vorbehalten war, gilt es heute in der westlichen Welt als „Kulturtechnik“ und wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Partizipation an kulturellen Aktivitäten im Alltag, Arbeits- und Lebensbereich und somit umfassend am gesellschaftlichen Leben ist abhängig vom Beherrschen der Schriftsprache(vgl. STAUFFACHER 1992, S. 19-21).

Als „typische“ Personengruppen, die überhaupt nicht lesen und schreiben konnten, galten im 20. Jahrhundert höchstens noch sogenannte „Randgruppen“ wie Behinderte, Fahrende oder fremdsprachige Immigrantinnen und Immigranten aus 3.-Welt-Ländern, die aus verschiedenen Gründen nie eine Schule besuchen konnten. Dass die Wahrnehmung über fremdsprachige Immigrantinnen und Immigranten in der Öffentlichkeit verzerrt ist und Illettrismus vor allem Schweizerinnen und Schweizer betrifft, die ihre Schulbildung in der Schweiz genossen haben, ist längst bekannt(vgl. VEREIN LESENUNDSCHREIBENFÜRER-WACHSENE1987,S. 4-6).

Die Schule hatte und hat die Aufgabe, den Kindern neben anderen Grundfertigkeiten Lesen und Schreiben beizubringen. Seit Bestehen der allgemeinen Schulpflicht nahm man an, das Problem des Analphabetismus beseitigt zu haben. Schweizer Schulen und Bildungsabschlüsse besassen einen hohen Stellenwert, auch im Ausland. Dass in der Schweiz Kinder im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher spät eingeschult werden, schien kein Nachteil zu sein.

Seit ein paar Jahren ist es durch Ergebnisse aus verschiedenen Studien und Untersuchungen wie die PISA-Studie vermehrt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, dass es auch in der Schweiz Jugendliche und Erwachsene gibt, die nach Erfüllung der obligatorischen Schulpflicht über ungenügende Lese- und Schreibkompetenzen verfügen. Illettrismus

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scheint in allen westlichen Industrieländern in den letzten Jahrzehnten wieder eine konstante, wenn nicht gar leicht ansteigende Grösse zu sein: Am Ende der obligatorischen Schulzeit ist ein Drittel der Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage, einen einfachen Text zu verstehen und zu interpretieren1und weiteren 20% gelingt dies nur knapp(vgl. VANHOOY-DONCK/GROSSENBACHER2002,S. 7 und AUFDEREGGEN 1999, S. 20).

Diese neu entdeckten Beeinträchtigungen der schriftlichen Kommunikation scheinen in einem seltsamen Widerspruch zu stehen: Unsere Gesellschaft erhält einerseits immer mehr Zugang zu Information, andererseits findet ein Verlust von Sprachausdrucksvermögen statt. Wirtschaftlicher und sozialer Wandel stellt steigende Anforderungen an Menschen, auch im Bereich ihrer Fähigkeiten, mit schriftlichen Informationen in ihrem Alltag umzugehen. Zwischen diesen Anforderungen und den entsprechenden Kompetenzen der Bevölkerung bestehen Diskrepanzen, wie internationale Studien, wie z.B. die PISA-Studie, die seit den neunziger Jahren durchgeführt werden, zeigen. Das Phänomen Illettrismus ist also heute wieder sehr aktuell.

Weil mich dieses Phänomen interessierte, lautet die Hauptfragestellung:

-Welche Entstehungsbedingungen führen zu Illettrismus in der Schweiz?

Daneben lassen sich folgende Nebenfragestellungen ableiten:

- Welche Rolle spielt die Schule bei der Entstehung von Illettrismus? Gibt es schulische Bedingungen und Verhältnisse, welche dieses Phänomen verursachen oder begünstigen?

- Welches sind die soziodemographischen Merkmale von Menschen, die ungenügend lesen und schreiben können?

- Welche Auswirkungen hat Illettrismus für die Betroffenen?

1Die Betroffenen sind zum Beispiel nicht in der Lage, aus einem einfachen Text Informationen zu entneh- wie beispielsweise die empfohlene Dauer der Einnahme eines Medikamentes aus dem Beipackzettel.

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1.1 Hinweise zum methodischen Vorgehen

Ziel dieser Diplomarbeit ist es, eine Übersicht über das Thema Illettrismus in der Schweiz zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei auf den Entstehungsbedingungen, die zu Illettrismus führen.

Die Wissensaneignung basiert vor allem auf Literatur resp. Ergebnissen von Studien und Untersuchungen. Mit einer hermeneutischen Herangehensweise wird die zum Thema vorhandene Literatur studiert. Dadurch wird die Fragestellung systematisch bearbeitet. Indem Studien aus den letzten fünf bis zehn Jahren herangezogen werden, können auch empirische Daten verwendet und dargelegt werden. Der Inhalt wird in 7 Kapitel gegliedert, die sich wie folgt darstellen:

Nach der Einleitung mit der Fragestellung, der Relevanz des Themas für die Soziale Arbeit und den Begriffsdefinitionen im zweiten Kapitel, zeige ich in Kapitel drei die weltweite Verbreitung von Analphabetismus auf. Anschliessend wird die „Wieder-Entdeckung“ und prozentuale Verbreitung von Illettrismus in einigen ausgewählten Industrienationen dargestellt. Daraufhin wird der Stand der heutigen Lese- und Schreibkompetenzen in der Schweiz anhand von Ergebnissen aus kürzlich durchgeführten Studien und Untersuchungen beschrieben. Zum Schluss dieses Kapitels gehe ich noch auf die Rolle von Immigrantinnen und Immigranten bei den Ergebnissen ein.