Im Auge der Pflanzen - Djaimilia Pereira de Almeida - E-Book

Im Auge der Pflanzen E-Book

Djaimilia Pereira de Almeida

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Beschreibung

Den Kindern hält man die Augen zu, wenn der alte Kapitän Celestino vorbeigeht. Seine Seele soll er verkauft haben, und des Nachts tanze er mit dem Teufel. Geschichten von Grausamkeit ranken durch das Dorf, kriechen bis an die blinden Fenster von Celestinos Haus. Während die Dörfler urteilen und der Pfarrer den Kapitän zur Beichte drängt, weiß nur Celestino selbst um seine wahren Untaten. Der verwilderte Garten wird ihm zum einzigen Vertrauten. Celestino treibt Pilze, Wurzeln und Schlingen zurück, tränkt den Boden mit Wasser und Hingabe, zieht nach Fantasie duftende Nelken, bis das Leben unter seinen Händen zurückkehrt. Doch die Bilder in seinem Kopf vermögen die Blüten nicht zu verdecken. In leuchtenden Farben zeichnet Almeida eine von Schuld und Erinnerung umgetriebene Gestalt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Über dieses Buch

Über den alten Celestino erzählt man sich Grausames, seine Seele soll er verkauft haben, mit dem Teufel tanze er. Während das Dorf urteilt, weiß nur er selbst um seine wahren Untaten. Der verwilderte Garten wird ihm zum vertrauten Gefährten. Doch selbst die nach Fantasie duftenden Nelken vermögen seine Erinnerungen nicht zu verdrängen.

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Djaimilia Pereira de Almeida (*1982 in Angola) wuchs in Portugal auf. Sie ist promovierte Literaturtheoretikerin, Autorin und schreibt für verschiedene Zeitschriften und Magazine. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. den Prémio Oceanos. Almeida lebt in Lissabon.

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Barbara Mesquita, geboren 1959 in Bremen, arbeitet u. a. als Literaturübersetzerin für Portugiesisch und Spanisch mit Schwerpunkt auf den lusofonen Ländern Afrikas. Sie hat u. a. Patrícia Melo, Luis Fernando Veríssimo, Pepetela und Arménio Vieira übersetzt.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Hardcover, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Djaimilia Pereira de Almeida

Im Auge der Pflanzen

Roman

Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Die Übersetzung und Publikation wurde gefördert durch DGLAB/Cultura und das Instituto Camões, IP - Portugal.

Originaltitel: A Visão das Plantas

© Djaimilia Pereira de Almeida 2019

Diese Ausgabe erscheint in Vereinbarung mit Literarische Agentur Mertin Inh. Nicole Witt e. K., Frankfurt am Main

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Natural History Museum, London

Umschlaggestaltung: Sven Schrape

ISBN 978-3-293-31134-3

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 22.09.2022, 19:06h

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Für Humberto

»Von den Menschen, die zusammen mit uns die Überfahrt bestritten, wenn Jeremias’ Frau Aninhas mich an der Hand in die Schule brachte, werde ich nie den Kapitän Bernardes aus Carvalho vergessen, der es bis zum Admiral brachte, Onkel Bento, den reizbaren Kapitän Sena, von dem man sich mit Schrecken erzählte, er sei auf hoher See, die Laderäume voller Pulver, von einem Gewitter erfasst worden – ein Regen aus Blitzen –, oder den lustigen, mit einer Gespenster sehenden Frau verheirateten Kapitän Serrabulho, ein wunderbarer Mann mit einem dicken, von Gelächter geschüttelten Bauch – Hier endet die Welt mit einem Fischmahl! –, der die Douro-Mündung und die Bucht von Foz bis zu seinem Tod auf Trab hielt. Am unvergesslichsten von ihnen allen aber wird mir Kapitän Celestino in Erinnerung bleiben, der sein Leben als Pirat begann und als Heiliger beschloss, der gewissenhaft einen Garten bestellte, an den ich noch heute nicht ohne Neid zurückdenke. Er sprach wenig, trug stets ein Lächeln vollkommener innerer Zufriedenheit in seinem rosigen, unschuldig heiteren, von einer schneeweißen Schifferkrause umrahmten Gesicht. Sein früheres Leben war geheimnisvoll und grausam gewesen. Einmal hatte er zur Niederschlagung eines Aufstands der Schwarzen, die er von der afrikanischen Küste holte, um sie in Brasilien zu verkaufen, säckeweise Kalk in den Laderaum geschüttet. Und noch Schlimmeres erzählte man sich über Kapitän Celestino … Doch eines weiß ich mit Gewissheit: Was Nelkenstecklinge anging, war er unübertroffen. Den ganzen Tag über floss das Wasser in einem feinen Rinnsal durch unsichtbare Leitungen, deren Geheimnis nur er kannte, fiel tröpfchenweise in die weiß gekalkten Beete. Den ganzen Tag über kümmerte sich der alte Korsar mit zarten Frauenhänden verzückt um die Blumen, die er behandelte wie Töchter. Und so beschloss er sein Leben, jätend und stutzend, ohne einen Zweifel in seinem ruhigen Gewissen …«

RAUL BRANDÃO, Die Fischer

Gesegnete Nacht. Er erwachte zu Hause, wiederhergestellt, nach einem erfüllten Leben. Doch das Haus hatte sich verändert. Die Fensterläden verriegelt, das Mobiliar mit Laken abgedeckt, auf dem Tisch das vom Wein fleckige Tuch, die Kleidertruhe verschlossen in einer Ecke, die schwarzen Samtvorhänge mottenzerfressen: Alles war anders und doch immer noch gleich. Im Halbdunkel gemahnte die Gestalt der Möbel an Gespenster. Im Schein der Helligkeit, die durch die Fensterritzen fiel, tanzte der zum Leben erwachte Staub im Raum. Fast sprach das Zwielicht: Atme auf, mein Sohn, du bist angekommen. In der muffigen Luft hing eine Spur trockenen Lavendels. Oder war es Wachs? Sein Gehör war stets besser gewesen als seine Nase. Kein Geräusch, außer den Schritten, dem Tasten im Flur. Der schwarze Kamin, in dem noch die kupferne Feuerzange lag, der Eisentopf in der ausgetretenen Asche: stumme Gesellen. Das Mobiliar freute sich nicht über seine Rückkehr. Er hatte niemanden mehr. Ihm blieben das Esszimmer, die kleine Stube, die beiden feuchten Schlafkammern, die zum Vorratsraum hin offene Küche mit der dunklen Decke, die Weckgläser, Kisten mit wurmzerfressenem Maismehl, Flaschen voller Branntwein und der von Brombeersträuchern, Brennnesseln und Disteln in Besitz genommene Garten.

Von außen betrachtet forderte das Haus die Fantasie zum Tanz auf. Zwischen den Pappeln, die die Bürgersteige säumten, spähte die vor Jahren gekalkte Fassade diskret auf die Straße. Von Efeu überwuchert wie von einem Bart, verwuchs sie mit dem Garten, der trotz der Verwahrlosung stur gen Sonne drängte und mit den Mauern kokettierte. Die Feuchtigkeit der Pflanzen war durch den Sand in die Fundamente eingedrungen und hatte die Decken mit Schimmel überzogen, die Fußleisten zerfressen und die Giebel entblößt. Es war der Hunger der Natur, der das Haus allmählich verzehrte und auch den Kapitän, der im Angesicht seines Fossils Teil dieses Hungers war, mit dem die Natur sich bis zur Straße gefressen und die Verträumtheit des Gebäudes untermalt hatte. Die Dächer und Traufen hatten sich dem Schicksal der Bewohner, die fortgegangen oder gestorben waren, gleichsam anverwandelt. Das nahe Meer hatte das Haus verändert und die Balken ausgetrocknet, in denen nun, da es wärmer wurde, die Holzwürmer jubilierten wie in einem Bootsrumpf. Mit der Zeit war es zu einer bloßen Sache geworden und hatte eingebüßt, was der menschliche Wille ihm eingeprägt hatte. Der Wind hatte an ihm geleckt wie an der Küste, am Sandstrand und an den Wäldern. Die Meeresluft hatte seine Haut gegerbt wie die seiner Besitzer. Es war nicht länger eine Persönlichkeit nach dem Ebenbild seines Erbauers, sondern nur mehr eine Masse aus Stein, Kalk und Holz.

Die Hecken verbargen die Tür und die geschlossenen Augen der Fenster.

Er öffnete die Läden, und die Luft strömte herein wie ein Fluch. Die Laken wehten von den Möbeln auf, und der Kapitän hatte Angst, die Seele des Hauses könnte aus dem Fenster davonfliegen und sich auf der Straße verlieren. Er schloss die Läden wieder und atmete schweigend den Staub ein.

Die Toten des Hauses gaben ihm die Erlaubnis, wach zu werden. Von der Straße her drang der Duft der kurz vor der Blüte stehenden sonnenbeschienenen Disteln herein, er ahnte ihren milchigen, adstringierenden Saft. Der Geruch nach Erde legte sich über den Staub. Ein brennender Kamin auf dem Hügel, trockenes Holz voller Spinneneier, nasser Rost, Schimmel, Tiergestank, Schellack. Die Gerüche kamen und gingen mit der Brise, die durch die halb geöffnete Tür hereinwehte, während der Kapitän mit geschlossenen Augen die Schläfrigkeit verscheuchte. Was sollte er mit seinen Tagen anfangen, jetzt, wo er dem Ende nahe war? Das Haus seiner Mutter war nicht auf Reisen gegangen, auch wenn seine Wände eingedunkelt waren wie die Haut des Kapitäns. Es hatte niemanden getötet, obwohl es Narben aufwies, stumme Schmerzen barg. Es trug nur die Tätowierungen der Zeit, die Schwalbennester, die die Dachtraufen beschmutzt hatten, wie man eine Seele beschmutzt.

Die Eier auf den Fensterbänken hinter den trüben Scheiben, aus denen nun die von der Hitze ausgebrüteten Marienkäfer schlüpften, gemahnten nicht an die Larven in den Augen, an die Reisen. Das Haus und er, der es geerbt hatte, waren alt. Es war für ihn, der kein ehrbarer Mensch war, die Gesellschaft, die zu verdienen er sich nicht bemüht hatte, es war ein Grab für sein Herz.

Er warf die wurmstichigen Möbel weg. Einen Monat nach seiner Ankunft waren nur noch zwei Stühle, der Wäscheschrank, die Bilder seiner Vorfahren und der Tisch vor dem Kamin übrig, an dem er die Mahlzeiten einnahm und ein wenig schrieb. Der ausgetrocknete Boden knarrte unter seinen Stiefeln. Die eigenen Schritte zu hören, beunruhigte ihn nicht. Die Einsamkeit war Musik in seinen Ohren.

Unerbittlich öffnete er die Wäschetruhen der Frauen. Hob eine Grube aus und warf Kleider, Unterröcke, Handtücher, Laken, Bettüberwürfe, Decken, Kopfkissen, Windeln, Strümpfe, Schürzen, Handschuhe, Schultertücher und Hauben hinein. Steckte alles in Brand. Ohne jede Dramatik. Er sah zu, wie die zerfransten Klöppelspitzen und die Säume und Borten der schmutzigen Stoffe knisternd in den Flammen verbrannten. Mit dem Feuer löste sich die Geschichte der Handarbeiten im feuchten Nebel auf. Die Stickereien entzündeten das Brombeergestrüpp und sprühten Funken, in einem ruhmlosen Lebewohl.

Weder sich Nacht für Nacht auf die dünne Strohmatratze in dem weißen Eisenbett zu legen, in dem seine Mutter ohne Nachricht von ihm gestorben war, noch die Sehnsucht nach ihr, die er nicht verspürte, hatten ihn gestört, nicht einmal in den ersten Monaten. Wenn er zum Rauchen kurz hinausging, ließ er sich vom Lockruf des sternenklaren Himmels nicht verführen. Die Gespräche am Bug bestanden jetzt aus einem Dialog von Pfiffen, dem Zirpen der Grillen und dem rhythmischen Picken eines Kuckucks am Stamm der Kiefer.

Er konnte sich auf die köstliche Eintönigkeit seiner Gewohnheiten eines alten Kapitäns verlassen, der, milde geworden, in das Haus der Familie zurückgekehrt war, um in Ruhe zu sterben.

So wenig war vonnöten, Gesellschaft bedurfte er keiner. Er entdeckte den Sinn seiner Tage in dem verwilderten, vom Verwalter – auch er tot – sich selbst überlassenen Garten. Wenn er auf dem besten Wege war zu erblinden, dann wollte er lieber von den Pflanzen getröstet sterben, umgeben von Farben und Düften.

Er barg die Hacke und den Rechen aus dem Geräteschuppen. Das Unkraut hatte sich nach Art der Pflanzen des Terrains bemächtigt. Die weiß behelmten Aaronstäbe setzten sich mit ihren fragenden Griffeln und der Schönheit des Frühlings über die Reste von Herbst und Sommer hinweg. Staksenden Reihern gleich eroberten sie sich ihren Platz zwischen wilden grünen Bohnen, Rohrkolben und Bambus, Efeu wand sich in das geometrische Blattwerk einer Stechpalme und erstickte die knorrige alte Eiche. Nichts davon konnte verbergen, dass die Mission des nach Ordnung verlangenden, verwilderten Gartens darin bestand, durch die Türritzen zu dringen, das Wasser im Brunnen mit giftigen Pilzen zu verderben, sich des Mobiliars zu bemächtigen, in die Schubladen zu kriechen, die Zweige nach den Augen auf den Bildern seiner Vorfahren zu recken und das Andenken an das menschliche Leben, das einmal dort gewohnt hatte, mit sich fortzunehmen.