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Syndil kämpft mit den Narben einer unaussprechlichen Gewalt, gefangen zwischen Schweigen, Tiergestalt und dem Ringen um ihr eigenes Dasein. Ihre Familie stößt sie von sich. Immer wieder. Elias, Dante, Abby, Jasper, Barack. Doch Barack bleibt an ihrer Seite – nicht als Held, sondern als der, der schweigend aushält und Hoffnung schenkt, wo Worte zu viel wären. Im Schutz der Dunkelheit erzählt ihre Geschichte von Trauma und Heilung, von stiller Liebe und der Kraft, trotz zerbrochener Seelen wieder Atemzug für Atemzug ins Leben zurückzufinden.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Im Herzschlag der Heimkehr
Lyra – Saga, Band 2
Das Vermächtnis der Schattenleoparden
Dark Fantasy mit psychologischem Tiefgang
Impressum
Titel: Im Herzschlag der Heimkehr - Lyra-Saga – Band 2 Das Vermächtnis der Schattenleoparden
Zyklus: Lyra – Saga - Das Vermächtnis der Schattenleoparden
Autorin: Jenna Florenz
Copyright: © 2025 Jenna Florenz – alle Rechte vorbehalten.
Covergestaltung: NH Buchdesign, www.nh-buchdesign.com
eBook-Buchsatz: NH Buchdesign, www.nh-buchdesign.com
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter abrufbar
Text- und Data-Mining (§44b UrhG): Die automatisierte Analyse dieses Werkes zum Zweck der Informationsgewinnung – insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen – ist nicht gestattet. Herstellung und Verlag:
c/o Autorenglück #54599Albert-Einstein-Straße 4702977 Hoyerswerda
Auflage: 1. Auflage, August 2025
Hinweis zum Urheberrecht: Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung der Autorin in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Dieselben Zeilen eröffnen auch Band 2
Denn manche Wahrheiten bleiben, auch wenn alles andere sich verändert.
Einleitung – Zwei Stimmen aus der Dunkelheit (Das Vermächtnis der Schattenleoparden & Syndil & Barack) Das Vermächtnis der Schattenleoparden
Sie sind leise. Unsichtbar. Aber sie sind da.
In jeder Narbe. In jedem Atem, der zittrig und flach, aber trotzdem da ist.
In jedem Tag, der überlebt wurde – obwohl er nicht hätte überlebt werden sollen.
Die Schattenleoparden sind kein Volk. Keine Legende.
Sie sind Erinnerung. An das, was zu viel war. Und daran, dass es trotzdem weitergeht.
Wer zu ihnen gehört, schreit nicht. Er verbirgt sich.
In der Dunkelheit. In sich selbst. In einer anderen Haut.
Und manchmal… findet er dort wieder zurück ins Leben.
Nicht laut. Nicht heil. Aber echt.
Dieses Buch ist für sie. Für die Stillen. Die Gebrochenen. Die Überlebenden. Für jene, die gelernt haben, dass man auch mit zitternden Beinen stehen kann. Und dass Liebe nicht heilen muss, um Hoffnung zu sein.
Jenna Florenz
Syndil
Ich war nicht mutig. Ich war nicht stark. Ich habe nicht überlebt, weil ich kämpfen konnte – sondern weil ich verschwunden bin.
In mir. In der Dunkelheit. In meiner Tiergestalt.
Ich habe aufgehört zu sprechen, weil jedes Wort zu nah war. Ich habe aufgehört zu essen, weil jeder Bissen mich an das erinnerte, was mir genommen wurde.
Ich wollte keinen sehen. Keine Hände. Keine Augen. Kein Licht. Nicht mal mich selbst.
Und dann… war er da. Barack.
Der, der früher mein Freund war, schon als wir noch kleine Kinder waren. Der, den ich nicht ertragen konnte – weil seine Nähe echt war. Und ich war das nicht mehr.
Ich habe ihn weggestoßen. Wortlos. Starr. Wild wie ein verletztes Tier.
Aber er ist geblieben.
Mit einem Stück Apfel auf einem Teller. Mit Blicken, die nicht drängten. Mit einer Stimme, die nie lauter war als mein Atem.
Er hat mir Tee gemacht. Hat mir das Licht angemacht, aber nie in die Augen geleuchtet.
Ich weiß nicht, wann ich begonnen habe, ihn wiederzusehen.
Vielleicht …
als ich mich selbst in seinem Blick gespürt habe.
Nicht als Opfer. Nicht als kaputtes Etwas. Sondern … als ich.
Ich bin noch nicht bereit, geliebt zu werden.
Aber ich bin bereit, nicht mehr nur zu überleben.
Ich bin nicht geheilt. Nicht stark. Nicht zurück.
Aber ich bin da.
Und vielleicht ist das der erste Schritt – zurück in ein Leben, das nicht nur aus Angst besteht.
Dies ist meine Geschichte. Kein Heldinnenepos. Keine lauten Siege. Nur der Versuch, nach einem Zusammenbruch wieder zu atmen. Wort für Wort. Atemzug für Atemzug. Berührung für Berührung.
Und der leise Glaube daran, dass Liebe nicht heilen muss, um Hoffnung zu sein. Ein Glaube, zart genug, um Neues zu tragen. Barack Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also sagte ich nichts. Nicht, weil es mir egal war – sondern weil ich jedes falsche Wort gefürchtet habe.
Barack
Ich habe dich gesehen. Nicht wie früher. Nicht lachend im Sonnenlicht, barfuß im Gras. Sondern eingekauert. Verloren in einer Dunkelheit, die ich nicht kannte. Ich konnte sie nicht vertreiben. Also habe ich gewartet. Still. Neben dir.
Ich habe dir Apfelstücke gebracht, weil du früher immer zuerst die Schale gegessen hast. Ich habe Tee und Brühe gekocht, weil deine Hände zitterten und ich nicht wusste, ob du überhaupt noch spüren wolltest.
Ich habe das Licht angemacht – nicht um dich zu sehen, sondern damit du weißt: Es gibt noch einen Morgen. Manchmal hast du mich angeschaut, und ich wusste nicht, ob du mich erkennst. Aber ich bin geblieben. Nicht, weil ich etwas ändern wollte. Sondern weil ich dich nicht allein lassen konnte.
Du warst nicht schwach. Du warst nicht verschwunden. Du warst da – auch wenn du es selbst nicht gespürt hast. Ich erinnere mich an den Moment, als du das erste Mal wieder den Löffel gehalten hast. Nicht sicher. Nicht zielsicher. Aber du hast ihn nicht fallen gelassen.
Und ich habe geatmet. Weil ich wusste: Du kämpfst. Auf deine Weise. Ich habe dich nie retten wollen. Nur aushalten. Bleiben. Vielleicht ist das Liebe. Nicht die laute, nicht die heldenhafte – sondern die, die leise bleibt, wenn alles andere laut zerbricht.
Dies ist nicht meine Geschichte. Aber ich bin ein Teil von ihr. Still. Wort für Wort. Atemzug für Atemzug. Neben dir.
Wer im Schatten lebt, ist selten allein.
Dieses Buch erzählt nicht nur Syndils Geschichte. Es erzählt von vielen, die tragen, verlieren und sich wiederfinden.
Die folgenden Namen gehören zu jenen, die ihre Narben teilen – auf leisen Pfoten, in schweren Herzen. Damit du dich nicht verirrst in ihrem Netz aus Schmerz, Nähe und Erinnerung: Hier sind sie. Die Schattenleoparden – Charaktere & Verbindungen
Dante Rowan – Oberhaupt des Clans, einziger schwarzer Leopard. Vaterfigur für viele. Gefährtin: Ruby Rowan Syndil Melor Ziehtochter von Dante– Hauptfigur. Opfer von Salvatores Gewalt, innere Flucht in Leopardengestalt. Gefährte: Barack Grace
Abby Ravelle – Ziehtocher von Dante, wie eine Schwester für Syndil. Gefährte: Jasper Ravelle Elias Rosenthal – Ziehsohn von Dante, wie ein Bruder für Barack. Gefährtin: Lea Rosenthal Barack Grace – Hauptfigur. Ziehsohn von Dante, liebt Syndil. Wie ein Bruder für Salvatore & Elias.
Salvatore Virell – einst bester Freund von Dante & Barack. Vergewaltiger von Syndil. Von Dante getötet. (Verstoßen) Wichtige emotionale Verbindungen - Dante ↔ Salvatore & Barack: einst wie Brüder. Später tragischer Bruch durch Salvatores Tat.
- Dante ↔ Syndil, Abby, Barack: Ziehvaterrolle. Hat sie alle aufgenommen und geschützt. - Syndil ↔ Abby: wie Schwestern. Tiefe seelische Bindung. - Syndil ↔ Salvatore: schmerzvoller Verrat durch eine Person, der sie vertraute wie einem Bruder.
- Barack ↔ Salvatore: wie Brüder, bis zur Enttarnung. Große Schuld- und Schutzthematik. - Ruby & Lea ↔ Abby & Syndil**: freundschaftlich verbunden, aber keine familiäre Beziehung. - Elias ↔ Lea freundschaftliche Beziehung zu Syndil und Barack, Elias ist wie ein Bruder für Barack. Außenstehende
Dr. Alina Riedl – Mutter von Silas. Beide sind normale Menschen und ahnen nichts von der Existenz der Schattenleoparden.
Vorwort
Ein Wort davor, ein Atemzug danach
Dieses Buch ist kein einfacher Roman. Es ist kein reines Werk der Fantasie. Es ist ein Teil von mir. Und von dem, was war.
Jede Zeile, jede Szene, jedes Verstummen in dieser Geschichte ist aus mir geboren – nicht erfunden, sondern erlebt. Die Figur der Syndil trägt nicht nur meine Gedanken. Sie trägt meine Narben. Und auch wenn sie sich verwandeln kann, fliehen, sich verstecken – das, wovor sie flieht, war einmal mein Leben.
Ich schreibe dies nicht, um Mitleid zu wecken. Ich schreibe, weil ich weiß, dass ich nicht allein bin. Zitat von Barack: »Nicht alle, die heimkehren, sind ganz. Nicht alle, die bleiben, sind sicher. Aber manche heilen – wenn sie einander nicht mehr verlieren.«
Triggerwarnung
Diese Trigger Warnung bleibt bestehen
– auch wenn die Geschichte weitergeht. Denn Heilung ist kein gerader Weg, und manche Wunden begleiten länger als ein einzelnes Buch.
Trigger Warnung
In diesem Buch geht es um Trauma. Um sexualisierte Gewalt, um PTSD, Dissoziation, Rückzug, Selbstverlust und den oft stillen, langen Weg zurück ins Leben. Es gibt Szenen, die deutlich, roh und schmerzhaft beschrieben sind – nicht um zu schockieren, sondern um zu zeigen, was oft im Verborgenen geschieht. Was überlebt werden musste. Besonders die ersten Kapitel enthalten explizite Darstellungen von Vergewaltigung, dissoziativen Zuständen und die psychischen wie körperlichen Nachwirkungen davon. Sie können traumatisierend wirken. Bitte lies nur weiter, wenn du dich stabil genug fühlst.
Wenn du betroffen bist: Du bist nicht allein. Und du bist nicht schwach. Es ist kein Zeichen von Versagen, innezuhalten – oder aufzuhören. Hol dir Hilfe, Organisationen wie der Weiße Ring können helfen, wenn du bereit bist, Hilfe anzunehmen, ich konnte es nicht und habe mein erlebtes in Büchern und Musik aufgearbeitet.
Ich habe in »Im Schutz der Dunkelheit« versucht, nicht nur die Dunkelheit zu zeigen, sondern auch das leise Licht. Die kleinen, echten Momente von Nähe. Von Heilung. Von Vertrauen. Sie brauchen Zeit – und genau diese Zeit nehme ich mir mit meinen Figuren.
Für dich, der oder die du dieses Buch in Händen hältst: Wenn du selbst Gewalt erlebt hast: Ich sehe dich. Wenn du jemanden liebst, der damit lebt: Ich bewundere deine Geduld. Wenn du einfach verstehen willst: Danke, dass du zuhörst.
Diese Geschichte ist nicht laut. Aber sie ist wahr. Und manchmal liegt genau in dieser Stille eine Kraft, die trägt.
Zitat von Jenna Florenz
Manche Geschichten beginnen mit einem Lied. Diese begann mit einem Schwur – flüsternd in der Dunkelheit, getragen ins Licht. Doch Heimkehr ist kein Ziel. Sie ist ein Weg. Ein erster Schritt zurück ins Menschsein. Ein Atemzug, der nicht flieht. Ein Blick, der nicht mehr nur sucht. Dies ist kein Neubeginn – sondern ein Ankommen. Im Herzschlag der Heimkehr.
Widmung
Für die, die im Dunkeln geschwiegen haben – nicht aus Schwäche, sondern weil niemand zugehört hat. Für die, die jeden Tag neu wählen, zu bleiben. Für mein früheres Ich – das nicht aufgegeben hat, obwohl niemand da war. Und für alle, die sich in diesen Zeilen wiedererkennen. Ihr seid nicht allein.
Im Herzschlag der Heimkehr der Original Song zum Buch
[Strophe 1 – Syndil]
Im Herzschlag der Heimkehr – Lyra Saga Band 2
Ich hab dich verlassen, nicht weil ich wollte, sondern weil ich nicht wusste, wie man bleibt. Ich hab geschwiegen, obwohl alles in mir schrie – zu laut, zu nah, zu unbereit.
Ich war ein Sturm, der sich selbst nicht hielt, ein Schatten, der sich vor dem Licht verzieht. Doch dein Schweigen hat nicht gedrängt – nur gewartet, bis mein Herz wieder lenkt.
[Pre-Refrain – leise, aber bestimmt]
Ich hab den Weg nicht gesucht – aber gefunden hab ich ihn doch.
Denn in deinem Blick lag kein Urteil, nur ein Ort.
[Refrain]
Im Herzschlag der Heimkehr schlägt kein Zwang, nur das Echo von: »Ich weiß, du kommst irgendwann.« Keine Kette, kein Versprechen – nur ein Flimmern zwischen den Schwellen.
Ich bin zurück – nicht, weil ich muss – sondern weil ich dich nicht mehr missen kann. Weil ich mich in deiner Nähe atmen kann.
[Strophe 2 – Male]
Du bist gegangen, als es zu viel war, nicht weil du mich nicht wolltest – sondern weil du dich selbst nicht fassen konntest.
Und ich blieb – nicht als Held, sondern als der, der dich kennt. Ich hab keine Türen geschlossen, keine Fragen gestellt. Ich hab nur gehofft, dass du irgendwann dein eigenes Schweigen brichst.
[Pre-Refrain – Barack]
Kein Vorwurf, kein Warum. Nur ein Licht im Flur. Ein Platz am Kamin. Ein: »Wenn du willst – ich bin da.«
[Refrain]
Im Herzschlag der Heimkehr liegt kein Lärm, nur ein Atmen, das endlich wieder wärmt. Keine Schuld, kein »zu spät«, nur ein: »Schön, dass du lebst.«
Ich bin zurück – und du bist da – als hätt’s nie aufgehört. Und vielleicht… hat’s das nicht.
Bridge – ruhig, fast geflüstert |Syndil
Ich war nie fort aus deinem Blick. Nur aus mir. Aber jetzt... kann ich bleiben.
[Coda – Syndil]
Heimkehr ist nicht das Ende – es ist der Mut, sich wieder zu zeigen.
Und du hast gewartet, bis ich’s konnte.
Was bisher geschah
Ein Flüstern aus der Dunkelheit
Syndil hat überlebt. Nicht, weil sie stark war. Sondern weil sie gelernt hat, sich unsichtbar zu machen.
In ihrer Leopardenform konnte sie fliehen – aus der Erinnerung, aus ihrem Körper, aus allem, was zu nah war. Barack ist geblieben. Nicht als Retter, sondern als Anker. Er hat nicht gefragt. Nur gehalten, geschwiegen, gekocht, gewartet. Tag für Tag, Atemzug für Atemzug.
Abby hat gesungen, als Syndil keine Stimme mehr hatte. Dante hat getötet, als es keinen anderen Ausweg mehr gab. Und Salvatore – der, dem sie vertraute, der, der sie zerstörte – ist nicht mehr da.
Neun Monate sind vergangen, seit der Nacht, die alles verändert hat. Fast drei davon lebt sie nun bei Barack. Nicht wirklich angekommen. Noch nicht zuhause. Aber in Sicherheit. Syndil spricht selten. Ihr Blick weicht aus. Aber sie ist da. Noch zerbrechlich. Noch nicht heil. Aber lebendig.
Und manchmal, wenn der Löffel nicht mehr fällt, wenn ihre Augen nicht sofort fliehen – dann ist da ein Moment. Zart. Scheu. Fast wie der erste Hauch von Frühling, nach einem sehr langen Winter.
Prolog
Zwischen den Rissen
Manchmal ist Überleben kein Sieg. Nur das Ende einer Katastrophe. Und der Anfang von etwas, das keiner benennt. Syndil lebt jetzt bei Barack. Sagt man. Aber sie wohnt nicht. Sie bleibt. Weil sie sonst nichts mehr hat.
Sein Haus ist warm. Sicher. Aber nicht ihres. Nicht in den ersten Wochen. Nicht in den langen Nächten. Nicht in den Momenten, in denen alles in ihr schreit, dass sie noch dort ist – auf der Lichtung. Unter ihm. Unter Salvatore. In der Kälte seiner Stimme. In der Enge. In seinem Griff, der nie wirklich losließ.
Syndil spricht kaum. Und wenn, dann leise. Abgeschnitten, wie Gedanken, die nicht zu Ende gedacht werden dürfen.
Das Essen bleibt oft unangetastet. Tee kühlt aus. Brot trocknet. Manchmal zählt Barack die Bissen, die sie zu sich nimmt – nicht aus Kontrolle, sondern aus Sorge. Drei Löffel Suppe. Zwei Gabeln Gemüse. Dann Schweigen.
Ihr Blick streift ihn selten. Berührungen meidet sie, wie andere einen Stromschlag. Selbst seine Stimme – zu sanft, zu tief, zu vertraut – kann zu viel sein. Zu echt. Zu nah. Manchmal schläft sie. Manchmal wird sie schreiend wach. Barack ist nicht laut. Nicht grob. Aber ehrlich. Manchmal zu ehrlich für Syndil. Er kocht. Räumt auf. Stellt Decken bereit. Lässt das Licht im Flur brennen. Er stellt keine Fragen, die Antworten verlangen. Nur solche, die Raum lassen. »Magst du Tee?« »Soll ich das Feuer im Kamin an machen?« »Möchtest du allein sein?«
Manchmal antwortet sie. Ein Nicken. Ein kaum hörbares »Danke«. Ein Flackern im Blick, das mehr sagt als Worte. Aber Vertrauen? Ist noch etwas, das ihr Körper nicht kennt. Ihre gebrochene Seele erst recht nicht und ihr Verstand konsequent ablehnt. Etwas, das sich fremd anfühlt. Verdächtig.
Und doch bleibt sie. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Sie geht nicht. Und das ist alles, was sie im Moment geben kann. Barack nimmt es, wie es ist. Nicht aus Mitleid. Nicht aus Schuld. Sondern weil sie seine ist. Nicht im Besitz. Sondern im Versprechen.
Ein Versprechen, das nicht aus Worten besteht. Sondern aus Taten. Aus Bleiben. Aus Stillsein, wenn alles andere zu laut ist. Aus Warten, bis ihr Schweigen keine Waffe mehr ist, sondern eine Pause.
Der Weg zurück beginnt nicht mit Heilung. Sondern mit der Erkenntnis, dass man überhaupt verletzt wurde. Und dass es nicht die eigene Schuld war. Dass etwas geschehen ist, das zu groß war für Worte – und zu tief für einfachen Trost. Dass man nie wieder derselbe Mensch sein wird wie davor. Vielleicht nie wieder ganz. Vielleicht … nur anders.
Und dass das okay sein darf. Auch wenn es sich nicht so anfühlt. Und auch wenn sie es noch nicht weiß – sie ist nicht mehr allein in ihrem Schatten. Denn er sitzt mit ihr darin. Unaufdringlich. Geduldig. Und hält die Dunkelheit – bis sie bereit ist, selbst eine Kerze anzuzünden.
Kapitel 1
Leiser Schneefall im März
Der Winter hielt das Haus noch immer umfangen. Draußen rieselte Schnee. Kein schwerer, nasser Fall – sondern dieses leise, kaum hörbare Flirren, das alles verlangsamt, stiller macht. Die Bäume standen wie verzaubert im Licht des frühen Morgens, und an der Fensterscheibe im oberen Stock bildeten sich zarte Eiskristalle, die langsam zu schmelzen begannen.
Fast zwölf Wochen waren vergangen seit dem Konzert. Und fast ebenso lang lebte Syndil nun bei Barack. Nicht durchgehend offen. Nicht ohne Rückzüge, Schwankungen, Nächte im Nebel. Aber sie war geblieben. Und hatte sich zuletzt … ein wenig mehr zugewandt.
Barack war wach, noch bevor sie sich regte. Er lag auf dem Rücken, den Arm über den Kopf gelegt, den Blick auf die Holzdecke des großen gemeinsamen Schlafzimmers gerichtet. Neben ihm spürte er ihre Wärme. Nicht berührend. Aber nah.
Als sie sich schließlich leicht bewegte, sagte er nichts. Kein »Morgen«, kein »Alles gut?«. Nur diese ruhige, atmende Stille, die sie sich über Wochen und Monate aufgebaut hatten.
Syndil richtete sich auf. Ihre Bewegungen waren vorsichtig, aber nicht abweisend. Sie fuhr sich durch die Haare, warf einen kurzen Blick zum Fenster. »Es schneit wieder«, murmelte sie – mehr zu sich selbst als zu ihm.
Barack folgte ihrem Blick, nickte leicht. »Scheint nicht aufzuhören in diesem Jahr.«
Sie sagte nichts. Stand langsam auf, zog sich leise ihren Pullover über das Nachthemd. Ihre Bewegungen waren flüssiger als noch vor Wochen. Nicht frei, aber weniger zerbrechlich. »Ich mach Kaffee«, sagte sie leise.
»Danke«, antwortete er nur.
Sie verließ das Schlafzimmer und ging nach unten. Barack blieb liegen, noch einen Moment lang, lauschte dem gedämpften Knistern des Kamins unten im offenen Wohnbereich.
Es war nichts Großes. Kein Gespräch. Kein Bruch. Aber er spürte, dass dieser Morgen anders war. Nicht, weil sie sich von ihm entfernte – sondern, weil sie sich in sich selbst zurückzog.
Als er wenig später in die offene Küche kam, saß sie bereits auf der Bank am großen Tisch. Die Tasse zwischen den Händen, der Rücken leicht gekrümmt. Ihre Schultern waren ein wenig hochgezogen, ihre Augen auf den Dampf gerichtet. Der Kamin im Wohnbereich knisterte ruhig hinter ihnen.
Er setzte sich ihr gegenüber. Rührte nicht im Kaffee. Sah sie nicht direkt an. Nach einer Weile – ganz ruhig, ganz beiläufig – sagte sie: »Manchmal … macht Nähe mich atemlos. Nicht weil sie falsch ist. Sondern weil sie sich zu richtig anfühlt. Und ich nicht weiß, ob ich damit umgehen kann.«
Barack schwieg erst. Dann sagte er leise, ohne sie anzusehen: »Du musst nichts damit tun. Nicht halten, nicht erklären. Es reicht, wenn du da bist.«
Ein stiller Moment verging. Dann hob sie langsam den Blick. »Ich versuch’s.«
»Ich weiß«, antwortete er.
Mehr wurde an diesem Morgen nicht gesagt. Und doch wusste Barack: Sie war nicht fort. Nur tiefer in sich. Wie Schnee unter einer festen Schicht – weich, aber noch nicht bereit zu tauen. Und das war okay.
Die Stunden vergingen still. Barack räumte in der Küche auf, wusch Wäsche, holte Holz. Keine großen Dinge. Nur diese kleinen, fast banalen Handlungen, die das Leben leise zusammenhielten.
Syndil verschwand irgendwann in der Bibliothek. Er hörte kein Wort, nur das sanfte Öffnen der Tür, das Knarren des alten Sessels.
Sie aß kaum etwas zu Mittag. Ein halbes Stück Brot. Zwei Bissen vom gekochten Gemüse. Barack sagte nichts. Nicht, weil er es nicht sah – sondern, weil er wusste, dass Druck ihr Schweigen nur vertiefte. Stattdessen stellte er später eine kleine Schale Obst auf den Tisch. Sie rührte sie nicht an.
Am Nachmittag saßen sie beide im Musikzimmer. Barack spielte nicht. Nicht heute. Er saß einfach nur da, das Notizbuch auf den Knien, den Stift in der Hand.
Syndil hatte sich in eine Decke gewickelt, auf dem Boden am Fenster niedergelassen. Ihre Stirn lehnte an der Scheibe, als würde sie durch den Schnee draußen einen Beweis dafür suchen, dass die Welt noch atmete.
Am Abend zogen sie sich nach oben zurück. Syndil ging zuerst. Kein Wort, keine Aufforderung. Aber sie wartete, während er unten noch kurz das Feuer im Wohnbereich überprüfte und dann den Kamin im Schlafzimmer anzündete.
Die Flammen krochen langsam über das Holz. Das Licht war warm. Gedämpft. Es roch nach Rauch und Geborgenheit. Als sie sich ins Bett legte, war es keine Flucht. Keine bewusste Entscheidung. Nur ein stiller Moment, der keinen Widerstand mehr ließ.
Barack kam wenig später dazu. Ohne Eile. Ohne Erwartung. Er sagte nichts. Er legte sich hinter sie – nicht aufdringlich, nicht fordernd. Nur da. Sein Atem war ruhig, warm an ihrem Nacken, während seine Hand sich vorsichtig auf ihrer Hüfte ablegte.
Syndil hatte sich an ihn gelehnt. Nicht weil sie es wollte. Nicht weil sie es geplant hatte. Sondern, weil ihr Körper sich in dem Moment weich angefühlt hatte. Verwundert. Still. Und als Barack sie vorsichtig nähergezogen hatte, hatte sie nicht gezuckt. Nicht erstarrt.
Und das war das Seltsamste daran gewesen: Sie hatte einfach weitergeatmet. Als wäre es nichts. Als wäre Nähe nichts mehr, vor dem ihr Körper fliehen musste. Kein Alarmsignal. Keine innere Mauer. Nur Wärme. Doch jetzt – jetzt war alles anders.
Ein Ruck ging durch sie. Ihr Atem wurde flach, das Zittern begann tief in ihrer Brust. Der Traum war noch da. Nicht mehr bildlich, nicht mehr greifbar – aber in ihr. In ihrer Haut. In den Knochen. Salvatores Gewicht. Seine Hand. Die Kälte. Die Enge. Der Dreck.
Sein Atem in ihrem Gesicht, während ihre Knie gegen den Boden drückten. Seine Stimme, seine Finger, der Schmerz – und ihr Schweigen. Syndil riss die Augen auf. Es war dunkel. Still. Nur das Knistern des Kamins im Nebenzimmer und Baracks leiser Atem hinter ihr.
Langsam. Beruhigend. Seine Arme noch immer um sie gelegt. Sie war nicht gefesselt. Nicht gehalten. Und trotzdem – ihr Herz raste. Sie wagte kaum, sich zu bewegen. Doch dann bemerkte sie es. Und es traf sie wie ein Schlag.
Ihr Körper – war ruhig. Entspannt. Er lag noch immer an Barack geschmiegt, warm, weich, sicher. Sicher. Ein Wort, das sich wie ein Hohn anfühlte.
Was stimmte nicht mit ihr? Warum hatte ihr Körper in Baracks Nähe nicht reagiert? Nicht gezuckt? Nicht gekrampft? Warum hatte sie in seinen Armen geschlafen – und war nicht schreiend aufgewacht? Salvatore hatte sie gerade eben wieder genommen. Wieder zerstört. Wieder benutzt.
Und trotzdem – war ihr Atem ruhig. War ihre Haut nicht taub. War ihr Körper … weich. Wie konnte das sein? Wie konnte sie sich gleichzeitig zersplittert fühlen und doch geborgen liegen? Syndil schluckte, ihre Finger krallten sich in die Decke. Nicht vor Schmerz. Nicht vor Wut. Sondern aus Scham.
Aus diesem bitteren, ekelhaften Gefühl von Verrat – ihr eigener Körper hatte sie im Stich gelassen. Schon wieder. Nur diesmal … nicht mit Angst. Sondern mit Vertrauen. Und sie verstand es nicht. Nicht mit einem einzigen verdammten Teil von sich.
Sie wollte aufspringen. Wollte rennen. Sich übergeben. Sich selbst aus dieser Haut herausreißen – weil sie das Gefühl hatte, sie gehörte ihr nicht mehr. Weil sie nicht wusste, wie ein Körper, der so viele Schmerzen gespeichert hatte, sich plötzlich nicht mehr wehrte.
Syndil presste die Stirn gegen das Kissen, ihr Atem wurde zittrig. Sie bewegte sich nicht. Barack schlief. Vielleicht. Oder er tat nur so. Aber er sagte nichts. Rührte sich nicht. Er drängte sie nicht. Und das war das Einzige, was sie in dieser Nacht ertrug.
Kapitel 2
Der Morgen war zu still.
Zu weich. Zu … falsch. Syndil saß auf dem Sofa, die Beine angezogen, den Blick starr auf einen Punkt zwischen den Dielen gerichtet. Ihre Finger waren ineinander verkrallt, als könnte sie sich hinter dem gefütterten Stoff ihrer Jogginghose und dem dicken Pullover verstecken. Der Stoff war warm. Sicher.
Zu sicher. Barack bewegte sich kaum hörbar in der Küche, als würde schon ein falsch gesetzter Schritt zu viel Lärm machen. Er hatte ihr einen Tee hingestellt, kommentarlos, ohne sie zu berühren. Ihre Reaktion war kaum sichtbar gewesen – vielleicht ein Nicken, vielleicht auch nur ein Muskelzucken in ihrem Kiefer.
Und doch hatte es gereicht, dass sich in ihm alles zusammenzog. Sie war nicht einfach still. Sie war versunken. Er beobachtete sie nur aus dem Augenwinkel, hielt sich zurück – auch wenn jede Faser in ihm rief, sich neben sie zu setzen, sie zu fragen, sie zurückzuholen. Aber etwas in ihrer Haltung, in dieser starren, in sich gefalteten Form, sagte ihm:
Jetzt nicht. Nicht noch ein Schatten. Syndil spürte ihn trotzdem. Seine Nähe. Seine Stille. Und es machte alles nur schlimmer. Denn da war nichts Bedrohliches in ihm. Nichts Lautes. Nur Wärme. Und genau das war das Problem.
Warum war sie nicht erstarrt letzte Nacht? Warum hatte ihr Körper ihn zugelassen? Mehr noch – warum hatte sie sich an ihn geschmiegt, als würde sie ihm gehören?
Ihre Finger zuckten. Das Zittern begann leise, fast zärtlich. Nur sie spürte es – wie ein Riss in einer Mauer, den man noch flicken könnte, wenn man nur rechtzeitig hinsah. Aber sie sah nicht hin. Wollte es nicht.
Sie zwang sich, nicht zu fühlen. Barack trat ins Zimmer. Seine Schritte waren ruhig, kontrolliert – aber sie hörte sie trotzdem, spürte sie wie Schläge gegen ihre Haut. Ein Schatten am Rand ihres Blickfelds. Und plötzlich wurde alles eng. Kein Stoff, keine Erinnerung half mehr. Nur noch Krampf.
Ihr Magen zog sich zusammen. Ihr Brustkorb wurde zu einer engen Kammer, in der kein Platz mehr für Luft war. Baracks Stimme war kaum mehr als ein Atemzug. »Wenn du magst, könnten wir später—« Der Rest verlor sich in einem Rauschen.
Ein Rauschen, das sich durch ihren Körper fraß, sie taub machte für alles außer diesem Kreischen in ihrem Inneren: Lauf. Jetzt. Sonst zerreißt es dich.
Er sah es sofort. Nicht an ihren Augen – sie sah ihn nicht an. Aber an der abrupten Spannung in ihren Gliedern, an dem Ruck, mit dem sie sich aufrichtete, als würde sie aus einem Alptraum erwachen. »Ich … ich muss raus.«
Barack richtete sich ein Stück auf, erstarrte halb in der Bewegung. Etwas in ihrem Ton, in der Art, wie sie nicht atmete, sondern stieß, jagte ihm eine Gänsehaut über den Nacken. Nicht Panik. Noch nicht. Aber der Rand davon.
»Syndil?« Seine Stimme war leise. Fragend. Offen. Nicht zu viel. Nicht zu fordernd. Aber sie war schon an der Garderobe. Ihre Hände rangen mit dem Reißverschluss, der klemmte wie so oft, wenn sie zu viel fühlte. Sie riss daran, zog heftig, unkoordiniert, als würde sie in Flammen stehen.
Vielleicht tat sie das. Er wollte einen Schritt auf sie zu machen – doch sein Körper blieb stehen. Sie durfte nicht denken, er hielt sie auf. Nur nicht jetzt. Nicht so.
»Hey … was ist los?« Er wusste, es war sinnlos. Ihre Schultern zuckten kaum merklich – nicht als Antwort, sondern als Bruch. Die Tür flog auf. Kalte Luft strömte herein, biss sich in seine Haut. Sie rannte. Nicht weit. Nicht gezielt. Nur weg. Vom Haus. Von ihm.
Barack trat in den Türrahmen. Er rührte sich nicht. Er konnte ihren Atem noch hören, irgendwo in der Ferne – schnappend, flüchtend. Er schloss kurz die Augen. Nicht vor der Kälte. Nicht vor dem Moment. Sondern vor der Tatsache, dass sie wieder einmal geflohen war.
Kapitel 3
Spuren im Schnee
Sie war gelaufen. Nicht schnell. Nicht panisch. Einfach nur … weiter. So lange, bis der Weg vor ihr verschwamm. Bis der Boden nicht mehr real war. Bis ihr Atem nicht mehr nach vorne drängte, sondern nur noch gegen das Stechen in ihrer Seite arbeitete.
Sie wusste nicht mehr, wie lange sie unterwegs war. Nicht, wann es passiert war. Nur, dass der Schmerz später kam.
Ein falscher Tritt. Ein lockerer Stein, verborgen unter feuchtem Laub. Sie hatte sich nicht abgefangen. Ihr Fuß war weggerutscht, sie war seitlich gestürzt – auf die Hüfte, das Knie, den Ellbogen. Der Aufprall war dumpf gewesen. Wie von weit weg.
Und vielleicht wäre sie liegen geblieben. Vielleicht wäre sie dort geblieben, wo es still war. Aber irgendetwas in ihr hatte sich aufgerichtet. Etwas hatte gesagt: Du darfst nicht schwach wirken. Nicht jetzt. Sie war aufgestanden. Langsam. Mechanisch. Und war zurückgegangen.
Barack stand noch lange an der Tür. Die Kälte biss in seine Haut, aber er bewegte sich nicht. Wäre er ihr gefolgt, hätte sie ihn noch mehr gehasst. Also blieb er. Nicht aus Gleichgültigkeit – sondern, weil alles andere wie Gewalt gewirkt hätte. Er wartete. Die Stunden zogen sich.
Er machte Feuer, kochte Tee, deckte den Tisch, nur um ihn wieder abzuräumen. Zwischendurch starrte er aus dem Fenster, suchte zwischen den Ästen nach einem Schatten, einer Bewegung, einem Zeichen. Es war Tag. Helles, winterblasses Licht lag über dem Wald.
Er hatte beschlossen: Wenn sie bis zur Dämmerung nicht zurück ist, werde ich sie suchen. Er hoffte, es würde nicht so weit kommen. Und dann – hörte er die Tür. Nicht laut. Kein Knallen. Kein panisches Hineinfallen. Nur ein leises Öffnen. Ein kontrollierter Schritt.
Er sah auf, als sie die Tür hinter sich schloss. Die Stille war nicht ungewöhnlich. Aber etwas daran war … falsch. Sie sagte nichts. Kein Wort. Kein Blick. Nur ein Nicken, das keins war. Dann ging sie an ihm vorbei. Ihre Schritte leicht schleppend, aber fast unmerklich.
Er sah ihre Haltung. Sah die Vermeidung. Sah die Spannung. Und wusste sofort: Etwas war passiert. Kaum war sie oben angekommen, hörte er erst die Schlafzimmertür, dann die Badezimmertür ins Schloss fallen. Ein leiser Riegel. Ein Rückzug.
Barack blieb reglos im Wohnzimmer stehen, sein Blick zur Treppe gerichtet. Er hatte beschlossen, ihr heute Zeit zu lassen. Hatte gedacht, er würde sie erst suchen, wenn die Dunkelheit kam. Aber jetzt? Jetzt war sie zurück. Früher als erwartet.
Und irgendetwas an der Art, wie sie sich bewegte … wie sie nicht zitterte … war schlimmer als jedes sichtbare Zeichen von Schmerz. Denn wenn Syndil etwas wirklich gut konnte, dann war es: leiden, ohne einen Ton von sich zu geben. Barack wartete. Nicht lange.
Nur lang genug, um zu hören, wie das Wasser im Bad leise zu laufen begann. Nur lang genug, um zu wissen: Sie würde sich nicht melden. Und er würde nicht rufen. Nicht jetzt. Es wäre sinnlos.
Er zwang sich, sitzen zu bleiben. Zwang sich, nicht die Treppe hochzugehen, nicht an die Tür zu klopfen, nicht zu sagen: Ich sehe es doch. Sag mir, was passiert ist. Es vergingen zwei Stunden. Drei.
Die Sonne begann zu sinken. Dämmerung legte sich über den Himmel, weiches Licht fiel durch die Fenster. Dann – Schritte. Langsam. Nicht schleppend. Nur … vorsichtig. Wie jemand, der versuchte, nicht gehört zu werden.
Sie war wieder angezogen, als sie die Treppe hinunterkam. Nichts an ihrem Gesicht verriet, dass etwas geschehen war.
Aber Barack sah es. Er sah es an der Art, wie sie sich bewegte. Wie sie ihren linken Arm näher am Körper hielt. Wie ihre Hüfte leicht schief stand. Wie sie sich fast unmerklich am Treppengeländer festklammerte. Sie war verletzt. Und sie tat so, als wäre nichts.
Barack sagte kein Wort. Nicht, als sie ins Wohnzimmer trat. Nicht, als sie wortlos am Tisch vorbeiging, sich ein Glas Wasser einschenkte – und mit zitternden Fingern versuchte, es ruhig zu halten. Er sah es. Jeden Mikromoment. Jeden zu kontrollierten Atemzug. Doch er schwieg.
Sie stand da. Regungslos. Als würde sie versuchen, sich in Luft aufzulösen. Dann stellte sie das Glas ab. Ein leises Klirren. Sie drehte sich um, wollte wieder nach oben gehen.
Baracks Stimme kam ruhig, fast beiläufig: »Syndil.«
Sie erstarrte. Nur für einen Moment. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um. Ihr Blick war leer. Nicht abwehrend. Nicht trotzig. Nur leer. »Was?«
»Wie geht’s deinem Bein?«
Stille. Ein Augenaufschlag. »Wovon redest du?«
Er stand auf. Langsam. Gab ihr Raum. Aber sein Blick wich nicht von ihr.
»Sag mir nicht, du bist einfach nur müde.« Seine Stimme war ruhig. Fast zu ruhig.
»Ich bin nur müde.« Ein schwacher Versuch.
Er machte einen Schritt auf sie zu. Nicht drohend. Aber präsent. »Zeig’s mir.«
Ihre Lippen pressten sich aufeinander. Dann wich sie zurück – ein einziger, stolzer, zögernder Schritt. Doch ihr Gleichgewicht war nicht stabil. Und in diesem winzigen Wanken – sah er alles. Die Verletzung. Den Schmerz. Das Verstecken. Die Scham. Syndil ballte die Hände. »Es ist nichts.«
»Syndil—«
»Ich hab gesagt, es ist nichts!« Ihre Stimme schnitt durch die Luft. Hart. Zerbrechlich. Barack atmete langsam aus. Für einen Moment standen sie einfach nur da. Ein paar Schritte zwischen ihnen. Und eine ganze Welt. Dann drehte sie sich um. Kein Wort. Kein Blick zurück. Nur Schritte.
Schneller, als gesund war. Härter, als ihr Körper vertragen konnte. Er hörte, wie sie die Treppe hochging. Stufe für Stufe. Keuchend. Unregelmäßig. Dann die Schlafzimmertür. Ein dumpfer Schlag. Ein Rascheln. Das Knarzen des Betts. Kein Laut mehr. Nicht einmal ein Atemzug. Barack blieb unten. Lange.
Nicht aus Gleichgültigkeit. Sondern, weil er wusste: Jetzt würde jedes Wort zu viel sein. Dann, als der Abend in die Nacht glitt, stieg er langsam die Treppe hinauf. Der Flur lag in Dunkelheit. Nur ein schmaler Lichtstreifen unter der Schlafzimmertür. Aber es war still. Unnatürlich still.
Barack öffnete leise die Tür. Der Raum war warm. Gedämpft. Und sie lag bereits im Bett. Eingerollt wie ein Tier, das sich selbst vor sich verstecken wollte. Die Decke bis unters Kinn gezogen, ihr Gesicht halb im Schatten. Nur ihr Atem verriet, dass sie nicht schlief.
Das Licht aus dem angrenzenden Badezimmer brannte noch. Er zögerte. Etwas fühlte sich falsch an. Dann trat er an der Bettkante vorbei und ging langsam zur Badezimmertür. Sie stand einen Spalt offen. Das Licht fiel gedämpft ins Schlafzimmer zurück.
Ein Tuch lag auf dem Boden. Daneben eine offene Salbendose. Barack trat einen Schritt näher. Die Zahnbürste war nass. Ein Handtuch – verknüllt in der Ecke. Und darauf: Blut. Nicht viel. Aber genug. Genug, um sein Herz eng werden zu lassen.
Er erinnerte sich, wie oft sie früher geblutet hatte, ohne dass es jemand sah. Diesmal sah er es. Sagte aber noch nichts. Nur sein Blick verharrte einen Moment zu lang auf der Spur, die sie hinterlassen hatte.
Dann griff er nach dem Verbandskasten im Schrank, nahm Salbe, Kompressen – und trat zurück ins Schlafzimmer. Sie hatte sich nicht bewegt. Lag noch immer eingerollt auf der Bettseite, als hätte sie gehofft, er würde nicht zurückkommen.
Das Licht aus dem Bad fiel schräg über ihre Wange. Und dort war sie – eine Träne. Nicht frisch. Nicht glänzend. Aber eingetrocknet, wie ein stummer Abdruck dessen, was niemand sehen durfte.
Barack blieb einen Moment stehen. Dann setzte er sich auf die Bettkante. Nicht dicht bei ihr. Nur nah genug, dass sie ihn spüren konnte – wenn sie wollte. Er sprach nicht sofort. Berührte sie nicht. Nur seine Stimme löste sich leise aus der Dunkelheit: »Syndil.«
Keine Reaktion.
»Ich habe das Handtuch gesehen.«
Sie bewegte sich nicht. Nicht ein Zucken. Aber er hörte es. Dieses Atmen. Leise. Unregelmäßig. Wie jemand, der zu lange geschwiegen hat – und nicht mehr weiß, wie man wieder spricht.
»Ich hab dir Zeit gelassen«, murmelte er. »Aber … irgendwas ist passiert.«
Noch immer nichts.
Dann sagte er es einfach. Ruhig: »Du hast dich verletzt.«
Eine Pause. Dann – fast lautlos: »Es ist nicht schlimm.«
Barack schloss kurz die Augen. Nicht wegen dem, was sie sagte. Sondern wegen dem, was sie verschwieg. Er antwortete nicht sofort. Er ließ sie lügen. Ein letztes Mal. Dann würde er ihr helfen. Ob sie es zuließ – oder nicht.
Sie sagte nichts. Nicht, als er sich etwas näher zu ihr auf das Bett setzte. Nicht, als er die Decke vorsichtig ein Stück zurückzog. Nicht einmal, als er die Salbe und die Verbände auf den Nachttisch legte. Sie lag da. Ruhig. Aber jeder Muskel in ihrem Körper stand unter Spannung.
Barack beobachtete sie. Er hatte gesehen, wie sie die Zähne zusammengebissen hatte, als sie die Treppe hochgestiegen war. Wie sie sich bewegt hatte – langsam, vorsichtig – besonders dann, wenn der Stoff ihrer Hose an der Hüfte oder dem Oberschenkel scheuerte. »Du musst es mir zeigen.« Er sprach ruhig. Nicht fordernd. Nicht laut. Aber sie reagierte nicht. Starrte auf einen Punkt im Raum, als würde sie versuchen, ihre eigene Haut zu verlassen. Barack senkte die Stimme noch weiter. »Du brauchst Hilfe, Syndil. Du kannst es nicht ignorieren.«
Ihre Antwort kam leise. Tonlos fast: »Doch.«
Er schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nicht bei dem, was du vor mir verstecken willst.«
Ein Moment verstrich. Dann schloss Syndil die Augen, atmete tief durch – und stöhnte auf. Nicht vor Schmerz. Sondern aus reiner, hilfloser Frustration. »Fass mich nicht an.«
Barack hob eine Braue. Er hatte Geduld. Wirklich. Mehr als jeder andere. Aber sie – sie machte ihn verdammt nochmal wahnsinnig. »Syndil …«
»Ich will nicht, dass du mich so siehst.«
Ihr Blick war schmal, aber nicht feindlich. Nur … verletzt. Verlegen. Scham brannte unter ihrer Haut – schärfer als jede Wunde.
Barack schwieg einen Moment. Dann sagte er leise: »Dann sag mir, wie ich dir helfen kann.«
Sie wich seinem Blick aus. Ihr Atem war flach, etwas zittrig. Ein feiner Schweißfilm glänzte auf ihrer Stirn, kaum sichtbar im Licht des Kamins – aber Barack sah ihn. Ihre Lippen waren trocken. Ihre Bewegungen seltsam abgehackt, als müsste sie jede kleine Verlagerung ihres Gewichts unterdrücken.
»Ich will … einen Badeanzug.«
Barack blinzelte. Dann blinzelte er nochmal. Was? »Einen … was?« Seine Stimme war ruhig. Noch.
»Einen Badeanzug.« Sie sagte es ernst. So, als wäre das hier eine völlig normale Bitte.
Barack öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Dann rieb er sich mit einer Hand über das Gesicht. Er war müde. Er war wütend. Und gleichzeitig wollte er lachen. Weinen. Alles gleichzeitig.
»Syndil …«, begann er langsam, als würde er mit einer tickenden Zeitbombe sprechen. »Du willst mir sagen, dass du mitten in der Nacht – in einem Haus, das zwei Stunden vom nächsten Ort entfernt liegt – einen Badeanzug brauchst, um dich behandeln zu lassen?«
»Ja.« Sie sagte es, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ich hab keinen.«
»Du kannst mir einen besorgen.«
»Wann? Soll ich bei Minusgraden in den Wald laufen und hoffen, dass da ein Sportgeschäft zwischen den Bäumen auftaucht?« Seine Stimme war nicht laut. Nur trocken. Bitter.
Syndil schwieg. Ihr Blick glitt kurz zur Seite, als würde sie für einen Moment in sich hineinhorchen – dann zuckte sie leicht zusammen. Nur ein Hauch. Aber Barack sah es. Ihr Oberschenkel. Sie hielt ihn unnatürlich still.
Barack atmete tief durch. Zwang sich zur Ruhe. Dann sprach er weiter. Leise. Dunkel. Felsenfest: »Ich weiß, warum du das willst. Ich weiß, was du schützen willst. Aber ich werde dir nicht wehtun. Ich will dich nur versorgen. Du brauchst keinen Badeanzug – du brauchst Vertrauen.«
Syndil presste die Lippen zusammen. Ihre Fingerspitzen ruhten auf dem Stoff an ihrer Hüfte – fast, als wollte sie sich selbst daran hindern, die Schmerzen zu zeigen. Ein schwacher, aber süßlich-scharfer Geruch lag plötzlich in der Luft. Entzündung. Barack kannte ihn. Sein Kiefer spannte sich.
»Zieh an, was du willst«, sagte er schließlich. »Aber ich werde dich nicht in Ruhe lassen, nur weil du stur bist. Du hast Schmerzen. Und ich bleibe.«
Sein Blick ruhte auf ihr. Ruhig. Klar. Und sie wusste: Dieser Kampf war keiner, den sie gewinnen würde.
Syndil verschränkte die Arme, hob das Kinn und sah ihn herausfordernd an. »Ich werde nichts anderes anziehen.«
Barack sog scharf die Luft ein. Natürlich nicht. Warum hatte er überhaupt gedacht, dass sie es sich anders überlegen würde? Warum hatte er geglaubt, dass sie ein einziges Mal nachgeben könnte, ohne ihn in den Wahnsinn zu treiben? »Syndil …«
»Wenn du meine Verletzungen sehen willst, dann nur mit einem verdammten Badeanzug.« Sie hob eine Braue, als würde sie ihm damit ein Angebot machen, das absolut vernünftig war. »Oder gar nicht.«
Er fluchte innerlich. Diese Frau würde noch sein verdammter Tod sein.
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, ließ den Kopf einen Moment nach hinten fallen und starrte an die Decke, als könnte er dort die letzte Spur Geduld finden, die sie ihm systematisch aus dem Leib riss. Dann atmete er tief durch, richtete sich wieder auf und sah sie an.
Sein Blick war dunkel. Intensiv. Voller unausgesprochener Frustration. »Ein Badeanzug.« Er wiederholte es, als wollte er sich vergewissern, dass sie es wirklich gesagt hatte.
Syndil nickte. »Ja.«
Barack kniff die Augen leicht zusammen. »Du weißt, dass das komplett bescheuert ist, oder?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber es ist meine Entscheidung.«
Barack ließ ein trockenes, humorloses Lachen hören. »Natürlich ist es das.« Sein Kiefer mahlte. Er war es gewohnt, dass sie ihn herausforderte. Dass sie Grenzen setzte.
Aber verdammt nochmal – das hier war einfach nur sinnlos. »Also willst du mir allen Ernstes erzählen, dass du lieber darauf wartest, dass ich dir irgendwo einen verdammten Badeanzug besorge, anstatt einfach ein Shirt hochzuziehen oder eine verdammte Decke zu benutzen?«
»Ja.«
Barack atmete erneut tief durch. Er musste ruhig bleiben. Durfte sie nicht packen und schütteln, bis sie endlich Vernunft annahm. Aber Gott – wenn sie es ihm nicht gerade so schwer wie möglich machte. »Und was, wenn ich sage, dass das nicht passiert?«
Syndil zuckte mit den Schultern. »Dann sehe ich eben keinen Grund, warum du meine Verletzungen überhaupt untersuchen solltest.«
Er hätte schwören können, dass sein Puls in diesem Moment gefährlich anstieg. Er rieb sich über die Nasenwurzel, ließ seinen Kopf kurz hängen, als müsste er sich wirklich daran erinnern, dass er sie nicht erwürgen konnte. Dann, langsam, gefährlich ruhig: »Syndil …« Er hob den Kopf wieder. Sein Blick brannte sich in ihren. »Du bist verletzt.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Ich weiß.«
»Und du willst mir ernsthaft erzählen, dass du mich deine Wunden nicht ansehen lässt, weil du keinen verdammten Badeanzug hast?«
Sie hielt seinem Blick stand. Ohne mit der Wimper zu zucken. »Ja.«
Barack schloss die Augen. Atmete erneut langsam durch. Dann öffnete er sie wieder – und ließ seinen Frust in einem einzigen, tiefen Satz raus: »Diese Frau wird mich noch umbringen.«
Syndil zog eine Braue hoch. »Ich tue mein Bestes.«
Barack sah sie für einen Moment einfach nur an. Dann lachte er leise. Nicht, weil es lustig war. Sondern, weil er wirklich – verdammt nochmal – nicht wusste, was er sonst tun sollte. »Ich verliere den Verstand mit dir.«
Syndil zuckte mit den Schultern. »Wärst du nicht der Erste.«
Barack ließ sich gegen das Bettkopfteil sinken, fuhr sich ein weiteres Mal durchs Haar und stieß einen langen Atemzug aus. »Also gut.« Er drehte den Kopf zu ihr. Sein Blick war scharf. Herausfordernd. »Du willst einen Badeanzug? Dann viel Spaß beim Warten.«
Syndil blinzelte. Als hätte sie mit jeder anderen Antwort gerechnet – aber nicht mit dieser. »Was soll das heißen?«
Barack hob eine Braue. »Ich meine, wenn du darauf bestehst, dass ich deine Verletzungen nur untersuche, wenn du einen Badeanzug trägst, dann wirst du wohl warten müssen, bis du einen hast.« Er zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm vollkommen egal. »Und bis dahin? Dann verdammt nochmal leide weiter.« Er stand auf, drehte sich zum Kamin und schob mit einem leichten Knurren ein weiteres Holzscheit ins Feuer.
Syndil starrte ihn an. »Das ist Erpressung.«
Barack drehte sich langsam zu ihr um. Seine Augen funkelten. »Nein. Das ist Konsequenz.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen den Kamin und sah sie herausfordernd an. »Also? Wie lange willst du noch warten?«
Syndil biss die Zähne zusammen. Sie hasste ihn.
Nicht wirklich. Nicht so, wie sie es sich wünschte. Aber sie hasste, dass er das Spiel genauso gut spielen konnte wie sie. Und diesmal? War sie verdammt nochmal am Verlieren. Syndil saß da, die Schultern steif, die Arme vor der Brust verschränkt, während sie Barack aus schmalen Augen anstarrte.
Er stand lässig am Kamin, die Arme ebenfalls verschränkt, sein Blick ruhig, aber mit einem dunklen Funkeln, das sie mehr herausforderte, als ihr lieb war. Das hier war ein Spiel. Und beide weigerten sich, den ersten Zug zu machen.
Barack hob eine Braue. »Also? Wie lange willst du noch warten?«
Syndil biss die Zähne zusammen. Sie wusste, was er tat. Er zwang sie dazu, sich selbst einzugestehen, dass sie keine Wahl hatte. Dass sie sich entweder endlich helfen ließ – oder weiter litt. Und verdammt, wenn sie nicht genau das hasste.
»So lange, wie es eben dauert.« Ihre Stimme war ruhig, aber sie hörte selbst das leise Zittern darin.
Barack ließ ein amüsiertes Schnauben hören. »Natürlich.« Er lehnte sich gegen das Kaminholzregal, fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar und schüttelte leicht den Kopf. Dann, leise: »Du bist so verdammt stur, Syndil.«
Sie hob das Kinn leicht. »Das hast du erst jetzt gemerkt?«
Er lachte trocken. »Oh nein. Ich wusste es. Ich wusste es, bevor du selbst es begriffen hast.« Er ließ eine Pause verstreichen, dann sah er sie wieder ernst an.
»Aber ich weiß auch, wann du dich selbst belügst.« Syndils Finger krallten sich unbewusst in die Ärmel ihres Pullovers. Er hatte sie durchschaut. Natürlich hatte er das. Aber sie würde sich verdammt nochmal nicht so einfach geschlagen geben.
Barack ließ die Stille noch einen Moment wirken. Dann stieß er sich langsam vom Kamin ab. Er kam näher. Langsam. Unaufhaltsam. Sein Blick war ruhig – aber seine Schritte sagten alles. Er hatte die Geduld verloren.
Syndil wollte sich nicht zurücklehnen, wollte nicht zeigen, dass seine Nähe etwas mit ihr machte – aber ihr Körper spannte sich trotzdem unbewusst an, als er sich vor ihr auf die Bettkante setzte. Er war nah. Zu nah.
Seine Präsenz war erdrückend. Nicht, weil er sie einschüchterte. Sondern, weil sie so viel Wärme ausstrahlte, dass sie nicht wusste, ob sie sich darin verlieren oder fliehen sollte. Er ließ eine Hand auf ihrem Knie ruhen. Nicht fordernd. Nicht bedrängend. Aber fest genug, um ihr zu zeigen, dass er es verdammt ernst meinte.
»Du tust dir selbst weh, Syndil.« Seine Stimme war ruhig. Sie hasste, dass sie dabei so sanft war. So verdammt weich – obwohl sie wusste, dass er kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren.
Sie hielt seinem Blick stand. Noch. Aber es wurde schwerer. Ihr Körper schmerzte. Jede verdammte Bewegung brannte. Und er wusste es.
Barack drückte sanft gegen ihr Knie. Nicht, um sie zu zwingen – nur, um sie daran zu erinnern, dass er da war. »Wie lange willst du das durchziehen?«
Syndil schwieg. Ihr Atem war flach. Ihr Körper schrie nach Erleichterung – aber ihr Kopf … ihr Kopf wollte nicht nachgeben.
Barack wartete. Dann, mit leiser Intensität: »Willst du wirklich so weit gehen, nur um mich auf Abstand zu halten?« Sein Blick wurde weicher. »Nur um nicht zu zeigen, dass du mich brauchst?«
Sie biss die Zähne zusammen. »Ich brauche dich nicht.« Es klang schwach. Und sie wusste, dass er es hörte.
Barack ließ seine Finger an ihrem Knie entlanggleiten, nur ein sanftes Streichen. »Lüge.«
Syndil wollte sich abwenden. Wollte es von sich schieben. Aber sie war zu müde. Zu erschöpft. Zu verletzt. Sie presste die Lippen aufeinander. Ihr ganzer Körper spannte sich wieder an. Barack ließ einen leisen Seufzer hören. Dann – ruhiger, aber mit einer unausweichlichen Schwere:
»Ich werde dich nicht zwingen, Syndil.« Er wartete. Dann: »Aber ich werde auch nicht wegsehen.« Er beugte sich noch näher, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. »Also hör auf, mich zu testen. Ich bin nicht dein Feind.«
Syndil schluckte. Ihr Körper schrie nach Ruhe. Nach Wärme. Nach dem verdammten Aufgeben. Aber ihr Kopf – ihr verdammter Kopf – wollte es nicht zulassen. Sie hielt den Atem an. Sie wusste, dass sie den nächsten Zug machen musste. Und zum ersten Mal in dieser Nacht – war sie sich nicht sicher, welchen. Sie spürte Baracks Wärme. Seine Nähe. Seine verdammte Hartnäckigkeit. Und sie hasste es. Nicht ihn. Aber das, was er mit ihr machte.
Dass er immer gewann. Dass er jeden verdammten Kampf für sich entschied – sei es mit Worten, mit seinem Blick oder mit dieser unverrückbaren Geduld, die sie in den Wahnsinn trieb.
Sie durfte nicht verlieren. Nicht wieder. Nicht, wenn sie nicht eines Tages nichts weiter sein wollte als seine verdammte Marionette. Sie zwang ihren Körper, sich nicht weiter zu entspannen, zwang sich, seinen Blick nicht zu lange zu halten.
Doch Barack sah es. Er sah, wie sehr sie sich wehrte. Und es machte ihn nur noch entschlossener. Er rückte keinen Zentimeter zurück. Seine Finger ruhten noch immer auf ihrem Knie – ein stiller, warmer Kontakt, den sie nicht ertrug, aber auch nicht abschüttelte. »Syndil.«
Sein Tonfall war ruhig, aber unnachgiebig. »Hör auf, mich als Gegner zu sehen.«
Sie blinzelte langsam. »Du bist der Einzige, gegen den ich noch kämpfen kann.«
Barack erstarrte. Nur für eine Sekunde. Aber sie sah es. Sah, dass ihre Worte etwas in ihm trafen. Dann atmete er aus. Ließ seine Finger kurz über den Stoff ihrer Hose streichen, als würde er nachdenken. »Du kämpfst nicht gegen mich, Syndil.« Sein Blick hielt sie fest. »Du kämpfst gegen dich selbst.«
Syndil biss die Zähne zusammen. Er hatte so verdammt oft recht. Und das machte es nur noch schlimmer. Sie schüttelte leicht den Kopf. »Lass mich einfach.«
Baracks Augen verengten sich. »Lass mich dir helfen.«
»Nein.«
Es war ein schwaches Nein. Nicht, weil sie es nicht meinte – sondern weil ihr Körper ihr langsam den Kampf entzog. Barack beobachtete sie lange. Zu lange. Dann lehnte er sich zurück. Er ließ sie gehen. Zumindest für den Moment. Syndil wusste, dass er nicht wirklich aufgab. Er tat es nie.
Er wartete. Wartete darauf, dass sie es nicht mehr ertragen konnte. Dass der Schmerz, die Müdigkeit, die verdammte Erschöpfung sie irgendwann dazu zwang, aufzugeben. Sie wusste es. Und er wusste es.
Aber sie konnte sich nicht dazu bringen, den letzten Rest Widerstand auch noch aufzugeben. Nicht heute. Nicht jetzt. Sie hatte bereits zu viel verloren. Und wenn er sie wieder gewinnen ließ, dann war sie eines Tages nichts anderes als das, was sie nie wieder sein wollte:
Jemand, der sich anpasst. Jemand, der nicht mehr kämpft.
Barack schwieg lange. Dann, schließlich – in einem Tonfall, der viel zu ruhig war, um harmlos zu sein: »Okay.« Er stand langsam auf. Beobachtete sie. Dann ließ er sie los. Er drehte sich um, als würde er gehen.
Doch Syndil wusste: Er wartete nur. Sie war noch nicht fertig. Und verdammt – er auch nicht. Barack drehte ihr den Rücken zu. Nicht, weil er wirklich ging. Nicht, weil er aufgegeben hatte. Sondern, weil er wusste, dass sie das brauchte.
Das Gefühl von Kontrolle. Die Illusion, dass sie es geschafft hatte. Dass sie nicht wieder gegen ihn verloren hatte. Syndil sah ihm schweigend nach. Ihr Blick schmal. Ihre Muskeln noch immer angespannt – obwohl jeder verdammte Teil ihres Körpers dagegen schrie. Er war nicht gegangen. Nicht wirklich.
Er stand nur ein paar Schritte weiter. Die Schultern steif. Die Hände zu Fäusten geballt. Er kämpfte auch. Nicht gegen sie. Sondern gegen den Drang, es ihr noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon war.
Doch sie spürte es – dieses unnachgiebige Gewicht, das in der Luft hing. Schwer. Unausweichlich. Er wartete. Darauf, dass sie fiel. Dass ihre Kraft sie endgültig verließ. Dass sie irgendwann nachgeben musste. Syndil wusste, dass es passieren würde. Nicht jetzt. Nicht in dieser Sekunde. Aber bald.
Sie konnte die Erschöpfung nicht ewig ignorieren. Konnte den Schmerz nicht einfach wegatmen – so sehr sie es auch versuchte. Doch das bedeutete nicht, dass sie es Barack leicht machen musste. Er durfte diesen verdammten Kampf nicht gewinnen. Nicht jeder Sieg konnte ihm gehören.
Nicht, wenn sie nicht irgendwann vollkommen ihren Willen verlieren wollte. Sie schloss kurz die Augen. Zwang sich, normal zu atmen. Doch selbst das fühlte sich schwer an. Hinter ihr knisterte das Feuer leise im Kamin. Barack sagte nichts. Er tat nichts. Er war einfach da. Still. Unverrückbar.
Ein Schatten, der nicht verschwand – egal, wie sehr sie ihn ignorierte. Sie konnte es nicht länger ertragen.
»Willst du nicht endlich gehen?« Ihre Stimme klang ruhiger, als sie sich fühlte.
Barack drehte leicht den Kopf zur Seite, aber nicht ganz zu ihr. »Nein.«
Natürlich nicht.
Syndil atmete langsam durch die Nase ein. »Ich brauche Ruhe.«
»Du brauchst Hilfe.«
»Ich will alleine sein.«
»Das wirst du nicht sein.«
Sie presste die Lippen aufeinander.
Er drehte sich jetzt vollständig zu ihr um. Sein Blick bohrte sich in ihren. Seine Stimme war ruhig. Zu ruhig. »Ich werde nicht gehen, Syndil.«
Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Arme. »Ich habe doch schon gesagt, dass es mir gut geht.«
»Und ich habe gesagt, dass du lügst.« Ihr Herz schlug schneller. Nicht aus Angst. Nicht einmal aus Wut. Sondern, weil sie wusste, dass sie in dieser Situation nicht gewinnen konnte. Nicht gegen ihn. Nicht gegen sich selbst. Nicht gegen das, was unausweichlich kommen würde.
Barack ließ sich Zeit. Dann trat er wieder einen Schritt näher. Er war nicht mehr wütend. Nicht einmal mehr frustriert. Er war einfach nur … Entschlossen. »Ich werde nicht gehen.« Er ließ es einen Moment sacken. »Also kannst du jetzt entscheiden, ob du es dir unnötig schwer machst – oder ob du endlich aufhörst, gegen dich selbst zu kämpfen.«
Syndil spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie wollte ihn anschreien. Wollte ihn wegstoßen. Wollte ihm sagen, dass er sich zum Teufel scheren soll. Doch sie tat es nicht.
Weil sie wusste, dass er nur darauf wartete. Dass er sich nicht rühren würde. Dass er einfach warten würde, bis sie irgendwann von selbst zusammenbrach. Und verdammt nochmal, das war das Schlimmste an ihm. Dass er nie wirklich kämpfte. Er ließ sie gegen sich selbst kämpfen.
Und genau das brachte sie an ihre verdammten Grenzen. Syndil spürte das Zittern in ihren Gliedern. Nicht sichtbar. Nicht für jemand anderen. Aber sie fühlte es. Tief in ihren Knochen. In ihren Muskeln. In jedem verdammten Teil ihres Körpers, der sich weigerte, länger durchzuhalten.
Syndil konnte sich selbst nicht belügen. Nicht wirklich. Barack wusste es. Und das machte es nur noch schlimmer. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Nicht, wenn sein Blick so unerträglich ruhig war. So verdammt wissend. Doch er ließ ihr keine Wahl. Er ließ sie nicht ausweichen.
Er stand vor ihr, beobachtete sie mit dieser unmöglichen Geduld, die sie mehr erdrückte als jeder Kampf. Und dann, leise – unausweichlich: »Ich werde bleiben.«
Syndil sog scharf die Luft ein. Doch er war noch nicht fertig.
»Selbst wenn es heißt, dass ich warten muss, bis du bewusstlos wirst.« Seine Stimme war ruhig. Kein Zorn. Kein Spott. Nur diese unverrückbare Wahrheit, die sie mitten in die Brust traf. »Bis dein Körper komplett versagt.«
Ihr Atem wurde schneller. Sie spürte, wie sich ihre Finger in den Stoff ihres Pullovers krallten. Barack ließ sie nicht aus den Augen.
»Du weißt, dass es passieren wird, Syndil.« Er sprach es einfach aus. Schonungslos. Unumkehrbar. »Du hast in den letzten Tagen kaum gegessen. Kaum geschlafen. Dein Körper kann deine verdammten Kämpfe nicht mehr lange tragen.«
Syndil presste die Lippen aufeinander. Sie wusste es.
Verdammt, sie wusste es. Doch das machte es nicht leichter. Es machte es nur schlimmer. Weil sie keine Kontrolle darüber hatte. Weil sie es nicht aufhalten konnte. Und weil er es wusste.
Barack ließ eine lange Pause verstreichen. Dann, langsamer: »Und du weißt, dass ich recht habe.«
Syndil schluckte schwer. Sie konnte es nicht abstreiten. Nicht diesmal. Nicht, wenn sie kaum noch die Kraft hatte, hier zu sitzen. Nicht, wenn jede verdammte Bewegung sich wie eine Prüfung anfühlte.
Barack ließ sich vor ihr auf die Knie sinken. Ruhig. Nicht fordernd. Nicht bedrohlich. Aber unausweichlich. Seine Hände ruhten auf seinen Oberschenkeln. Er machte keine Anstalten, sie zu berühren. Er ließ sie entscheiden. Doch sein Blick sagte alles: Er würde nicht gehen. Nicht diesmal. Nicht mehr.
Syndil schloss kurz die Augen. Sie atmete ein. Langsam. Doch ihre Brust zog sich zusammen, als würde sie keine Luft bekommen. Sie wusste, dass sie verlor. Dass sie längst verloren hatte. Doch es auszusprechen? Es zu akzeptieren? Das war der wahre Kampf.
Barack wartete. Sein Blick war unerschütterlich, seine Präsenz schwer und unverrückbar. Und tief in ihrem Inneren wusste sie – Es war vorbei. Sie konnte nicht mehr. Doch das bedeutete nicht, dass sie es ihm leicht machen musste.
»Dann warte eben.« Ihre Stimme war rau. Schwach. Doch es war das Einzige, was sie ihm noch entgegensetzen konnte.
Barack beobachtete sie einen Moment lang. Dann, leise, aber mit einer unausweichlichen Endgültigkeit: »Das werde ich.«
Syndil schluckte. Sie hatte verloren. Und das Schlimmste daran war – er wusste es.
Syndil hasste es. Jede verdammte Sekunde davon. Wie Barack sie ansah. Wie er nichts sagte, aber trotzdem alles aussprach, was sie nicht hören wollte. Wie er einfach nur wartete. Weil sie beide wussten, dass es keinen anderen Ausgang mehr gab.
Ihr Körper hatte längst entschieden. Ihre Muskeln schmerzten. Ihre Glieder waren schwer. Ihr Kopf dröhnte vom inneren Kampf, den sie seit Stunden – nein, seit Tagen – führte. Und Barack wusste es. Er wusste es. Verdammt nochmal. Doch er wartete darauf, dass sie es akzeptierte. Dass sie nachgab.
Syndil biss sich auf die Innenseite der Wange, um nicht das zu tun, was ihr Körper verlangte. Nicht einfach nachzugeben. Nicht einfach zu tun, was er wollte. Barack beugte sich leicht vor. Er bewegte sich nicht viel. Aber sie spürte es.
Seine Präsenz. Seine Wärme. Das unausweichliche Gewicht seiner Entschlossenheit, dass sie mehr bedrängte als jede Berührung es je könnte. Er ließ ihr keinen anderen Ausweg als die Wahrheit.
»Ich werde hier sein, bis du nicht mehr kannst.« Seine Stimme war leise. Fast sanft. Doch es war kein Mitgefühl. Es war die unverrückbare Realität. »Du kannst weiterkämpfen, Syndil. Aber es wird nichts ändern.«
Sie atmete langsam aus. Ihre Hände verkrampften sich in ihrem Pullover, als könnte der Stoff ihr eine Art Schutz bieten. »Ich will nicht.«
Es war kein Widerspruch. Es war nur eine Feststellung. Eine letzte, verzweifelte Wahrheit. Sie wollte nicht verlieren. Nicht gegen ihn. Nicht gegen sich selbst. Nicht gegen die verdammte Realität, dass sie sich einfach nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
Barack nickte langsam. Als hätte er genau das erwartet. »Ich weiß.« Er ließ eine lange Pause verstreichen. Dann, leise, aber unausweichlich: »Aber das spielt keine Rolle mehr.«
Syndil schloss die Augen. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.
Sie konnte nicht mehr. Sie hatte alles gegeben. Jede verdammte Unze Widerstand, die sie in sich trug. Und jetzt? War nichts mehr übrig. Barack beobachtete sie. Er sah es. Er spürte es.
Und als ihr Körper schließlich nachgab – als ihre Schultern sich senkten – als sie mit einem leisen, kaum hörbaren Atemzug endlich aufhörte, sich krampfhaft gegen ihn zu stemmen – wusste er, dass es vorbei war. Er bewegte sich nicht sofort. Er ließ sie den Moment selbst durchleben.
Ließ sie in der Erkenntnis versinken, dass es keinen Grund mehr gab, gegen ihn zu kämpfen. Dass er nicht ihr Feind war. Dass er sie nicht brechen wollte. Sondern nur auffangen. Dann, sanft, aber mit der gleichen unausweichlichen Sicherheit wie zuvor: »Komm her.«
Es war keine Forderung. Es war nur eine Wahrheit. Eine Wahrheit, die Syndil endlich akzeptieren musste. Langsam – zögernd, fast widerwillig – hob sie den Blick. Baracks Arme waren offen. Nicht als Zwang. Nicht als Befehl. Sondern als Entscheidung.
Und sie wusste, dass sie sich das erste Mal seit Stunden, seit Tagen, vielleicht seit verdammten Monaten – dafür entscheiden musste. Syndil saß da, ihr Atem flach, ihre Muskeln steinhart vor Anspannung.
Barack wartete. Er sagte nichts mehr. Er brauchte es nicht.
Er hatte bereits gewonnen. Und sie hasste ihn dafür. Nicht, weil er sie gezwungen hatte. Nicht, weil er ihr den Willen genommen hatte. Sondern, weil ihr eigener verdammter Körper sich gegen sie verschworen hatte. Sie konnte nicht mehr. Sie wusste es. Er wusste es.
Und dieses Wissen machte es nur noch schlimmer.
Barack saß noch immer auf der Bettkante, sein Blick ruhig, aber unausweichlich. »Du kannst weiterkämpfen, Syndil.« Seine Stimme war tief, aber nicht schneidend. Nur … da. »Aber dein Körper wird dich verraten.«
Sie schnaubte leise. »Vielleicht.« Es klang schwach. Sie verabscheute es, wie kraftlos es über ihre Lippen kam.
Barack hob eine Braue. Seine Lippen verzogen sich kaum merklich. »Nein. Ganz sicher.« Er lehnte sich vor. Sein Blick brannte sich in ihren. »Du weißt es. Und ich weiß es.« Er ließ eine lange, bedeutungsschwere Pause verstreichen. »Also warum tust du so, als hättest du noch eine Wahl?«
Syndil presste die Zähne zusammen. Weil sie ihn nicht gewinnen lassen konnte. Nicht einfach so. Nicht ohne Widerstand.
Selbst wenn ihr Körper längst entschieden hatte – ihr Kopf war noch nicht bereit. Ihr Stolz war noch nicht bereit. Und Barack wusste das. Natürlich wusste er das.
Er kannte sie zu gut. Seine Augen verengten sich leicht, dann ließ er leise ein Schnauben hören. »Worauf wartest du? Bis du umfällst?«
Syndil wich seinem Blick nicht aus. Sie wusste, dass es genau darauf hinauslief. Dass sie nicht mehr lange durchhalten konnte. Und Barack wusste es ebenfalls.
Doch diesmal sagte er nichts. Er bewegte sich nicht. Er gab ihr nicht den Funken an Befehlen oder Ultimaten, gegen die sie sich noch hätte stemmen können. Er saß einfach da. Still. Unverrückbar. Und wartete darauf, dass ihr eigener Körper den letzten Kampf beendete.
Syndil hasste ihn. Nicht wirklich. Aber sie hasste, dass er wusste, dass sie in wenigen Minuten keine andere Wahl mehr haben würde. Sie verlor. Langsam. Unaufhaltsam. Und Barack saß einfach da und ließ es geschehen. Weil es nicht mehr sein Sieg war. Sondern der ihres eigenen Körpers.