Im Leben - Rainer Maria Rilke - E-Book

Im Leben E-Book

Rainer Maria Rilke

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Beschreibung

Im Leben ist eine Erzählung von Rainer Maria Rilke. Auszug: Der Herr Revisor ist über den Schreibtisch gebogen wie ein Gasarm mit einer matten Glaskugel am Ende. Er ist fleißig, und es ist keine Kleinigkeit, fleißig sein, wenn man so ein Gegenüber hat. Die Schreibtische haben Aufsätze zum Glück, und man kann dahinter untertauchen wie hinter einer Brustwehr. Der Revisor hat seinen kahlen Kugelkopf ganz tief über seine Zahlen geschraubt, so daß die Worte des Offizials darüberhin in die königlich-ärarische Wandkarte »Das Eisenbahnnetz von Europa« einschlagen.

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Seitenzahl: 15

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Im Leben

Im LebenBonus: TeufelsspukAnmerkungenImpressum

Im Leben

Der Herr Revisor ist über den Schreibtisch gebogen wie ein Gasarm mit einer matten Glaskugel am Ende.

Er ist fleißig, und es ist keine Kleinigkeit, fleißig sein, wenn man so ein Gegenüber hat.

Die Schreibtische haben Aufsätze zum Glück, und man kann dahinter untertauchen wie hinter einer Brustwehr. Der Revisor hat seinen kahlen Kugelkopf ganz tief über seine Zahlen geschraubt, so daß die Worte des Offizials darüberhin in die königlich-ärarische Wandkarte »Das Eisenbahnnetz von Europa« einschlagen.

Man sieht: der junge Mensch, der zum letzten Mal in der Kanzlei ist, hat alle Achtung vor dem geheiligten Eigentum des Staates verloren. Er erlaubt sich Alles. Er sagt zum Beispiel jetzt:

»– wirklich, Herr Kniemann, lieber Straßenkehrer sein – oder – was weiß ich, als hier so langsam flach und staubig werden. Sehen Sie, bitte, diese Wände – rechts, links; wie in ein altes Buch gelegt ist man: das vergessene Lesezeichen des Herrn Vorgängers, der über dieser Stelle eingeschlafen ist.«

»17,850«, sagt der Revisor Kniemann und weicht der Riesenseite des Grundbuches aus, die beim Umblättern wie ein Segel an ihm vorüberfährt.

»Sie wollen sagen, man bleibt nicht immer Offizial –«, erklärt der andere diese Geste, »man wird Revisor, Bureauvorstand, vielleicht sogar Inspektor, das heißt man wird aus einem Schmöker in einen Goldschnittband gelegt, etwa aus ›Der Mörder in der Kohlenkiste‹ in ›Das Buch der Lieder‹. Aber ich sage Ihnen: man bleibt Lesezeichen, höchstens, daß man nach obenhin in Beförderungszeiten die Aufschrift trägt: ›Vergiß mein nicht.‹ Danke. Ich bin mir zu . . . zu plastisch für diesen Zweck. Ich muß hinaus –«

»Ja«, ächzt der Revisor teilnahmslos und fängt die Reihe nochmals von unten zu addieren an. Er hat sich verrechnet.