Immer wieder Schottland - Stephanie Linnhe - E-Book

Immer wieder Schottland E-Book

Stephanie Linnhe

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Beschreibung

Nie wieder Schottland, vor allem nicht die Orkney-Inseln — das hat sich Liska Matthies geschworen. Mit diesem Fleckchen Erde verbindet sie wundervolle Erinnerungen, aber auch das dramatischste Ereignis ihres Lebens: Ihre Eltern starben hier bei einem Autounfall. Auf wiederholte Bitten ihrer Großmutter begleitet Liska den Fotografen Marius auf seiner Foto-Expedition für eine bekannte Schriftstellerin. Dort treffen sie auf ein altes, kauziges Ehepaar, das sie auf ihrem Roadtrip quer über die Inseln begleitet. Das ungleiche Quartett verbringt eine aufregende Zeit, und Liska entdeckt nicht nur ihre Liebe für Schottland wieder …

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Das Buch

Urlaub in Schottland – das ist für viele ein Traum. Für die Floristin Liska ist das anders. Seitdem ihre Eltern bei einem Autounfall tödlich verunglückten, hat sie nie mehr schottischen Boden betreten. Nun aber muss das Ferienhaus ihrer Großmutter gerettet werden, und Liska reist widerwillig auf die Orkney-Inseln, um dem renommierten Fotografen Marius die Insel zu zeigen. Doch dann kommt alles anders als geplant: Ein kauziges altes Ehepaar begleitet die beiden über die Inseln, und Liska kann sich auf Dauer dem Charme der Landschaft und der Menschen nicht entziehen …

Die Autorin

Stephanie Linnhe wuchs im nördlichen Ruhrgebiet auf. Nach dem Publizistikstudium ging sie für ein Jahr nach Australien und arbeitete als Story Writer sowie als Tourguide mit Schwerpunkt in Sydney. Zurück in Europa führten Projekte sie in die Schweiz und nach England. Seit 2008 arbeitet sie in Karlsruhe als Redakteurin, mischt hin und wieder bei Filmdokumentationen mit und versucht, das alles mit permanenter Reisewut zu vereinbaren.

Von Stephanie Linnhe ist in unserem Hause bereits erschienen:

Cornwall mit KätheHerz aus Grün und Silber

Stephanie Linnhe

Immer wieder Schottland

Roman

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1636-9

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, MünchenTitelabbildung: www.buerosued.de

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für den WSK-Clan

(Der Letzte macht das Licht aus.)

Prolog

An diesem Dienstag passierte in dem kleinen Haus an der Old Finstown Road zur Mittagszeit etwas höchst Ungewöhnliches: Das Telefon klingelte. William und Fiona Brookmyre hielten gleichzeitig in ihren Bewegungen inne und starrten zunächst ihre Suppenteller, dann sich an. Sie saßen nebeneinander, so dass sie beide beim Essen den herrlichen Blick aus dem Fenster genießen konnten. Hinter einer Wiese lag die Bay of Firth und präsentierte sich in einer Farbe, die William als Brodgargrau bezeichnete – so grau wie die Steine des Henges dort draußen zwischen Loch Stennes und Loch Harray.

Es war eine seiner Eigenarten, Farbbezeichnungen zu erfinden, und im Laufe der Jahre hatte er es auf ein stattliches Repertoire gebracht, ebenso wie er sämtliche Facetten des Lebens auf Mainland kannte. Selbst wenn eines der schlimmen Unwetter über die Bucht auf das Land zurollte, schloss er mit aller Seelenruhe die Fenster und informierte Fiona, dass der Himmel bereits schiefergrau war und es daher bald ordentlich krachen würde.

Ein Unwetter brachte William Brookmyre nicht aus dem Konzept. Ein Anruf mitten in der Woche schon. Es gab keine Familie, die sich für eine Plauderei melden würde. Die Tochter war bereits unter der Erde, mit ihrem Enkel hatten sie vergangenen Sonntag telefoniert, und der Familienstammbaum hatte niemals seitliche Triebe entwickelt. Dann war da noch Stephen, doch das war ein anderes Thema. Aber es brachte nichts, deshalb zu trauern. Das Leben war, wie es war, es nahm sich, was es wollte, und alles, was einem blieb, war, darüber zu lächeln und mitzuspielen, so gut es ging.

»Das kann nur Emmi sein«, sagte Fi, platzierte den Löffel sorgfältig auf ihrem Platzdeckchen und drehte sich auf ihrem Stuhl, um aufzustehen. Seit vergangenem Jahr machten ihr die Hüften Probleme, also legte William eine Hand auf ihre Schulter.

»Lass mal, meine Liebe. Ich mach das.« Mit seinen einundachtzig Jahren war er noch den Umständen entsprechend fit. Die gute Luft hier draußen war dafür verantwortlich, daran glaubte er fest. Schließlich lebte er nicht in einer Stadt, geschweige denn einer Großstadt, wo man Tag für Tag Autoabgase und anderes einatmete, an das er nicht denken wollte. Die Krankheit mochte sich in seinen Körper fressen, aber er hielt sie in Schach. Keine Schmerzen. Das war noch besser als ein ungestörtes Mittagessen.

Er verließ die Küche und ging in die kleine Diele, die mit ihren Jacken, zwei Paar Schuhen sowie Gummistiefeln beinahe vollständig ausgefüllt war. Dort stand das Telefon mit Wählscheibe auf einem an der Wand angebrachten Brett.

William strich seine Strickjacke glatt und nahm ab. »Ja?« Er brüllte, wie immer, wenn er telefonierte. Vielleicht, weil das Rauschen des Windes hier so deutlich zu hören war, aber auch ein ganz klein wenig, weil er dem Apparat nicht traute.

Sein altes Mädchen sollte recht behalten: Es war Emmi aus Deutschland, ohne Sinn für einen geregelten Tagesablauf oder den Anstand, nicht zwischen zwölf und eins anzurufen, wenn vernünftige Leute bei Tisch saßen. Aber er mochte sie dennoch, und sie zahlte ihnen einen kleinen Betrag dafür, dass sie nach ihrem Haus sahen. Manchmal benahm sie sich etwas verrückt. So wie heute. William bemühte sich wie immer, langsam zu reden, damit sie ihn auch verstand, und ihre Anfrage anschließend höflich abzuschmettern. Es gab Grenzen, die er und Fi nicht mehr überschreiten konnten, da Alter und Gebrechen, die hinterhältigen Dreckshunde, ihnen einen gehörigen Strich durch die Rechnung machten.

Fi hatte eine Warmhaltehaube über seinen Teller gestülpt, als er zurückkehrte und sich wieder am Tisch niederließ.

»Und?«, fragte sie und zog den Deckel beiseite. William lächelte sie dankbar an und probierte – die Suppe war noch immer heiß. Wundervoll.

Er schlürfte einen weiteren Löffel, ehe er antwortete. »Wie du sagtest, es war Emmi. Hat Unsinn im Kopf.« Noch ein Löffel. »Sie will das Haus an jemanden vermieten, der herumgeführt werden will. Fragt, ob ich das machen kann.«

»Was, herumgeführt? Vermietet sie etwa an einen Hund? Oder traut derjenige sich nicht allein über die Insel?« Fi kicherte, was er bis heute faszinierend fand. Mit ihren beinahe achtzig Jahren kicherte sie immer noch wie ein junges Mädchen.

William rülpste. »Wohl jemand, der sich hier alles Mögliche zeigen lassen will.«

»Dafür gibt es doch Reisebücher.«

»Eben drum habe ich ihr gesagt, dass wir das nicht machen können. Hin und wieder putzen und frische Handtücher hinlegen und nach dem Rechten sehen ja, aber mehr geht einfach nicht.«

»Und jetzt?«

»Sucht sie sich jemand anders.« William zuckte die Schultern und aß weiter.

»Ach herrje.« Fi starrte aus dem Fenster, wo der Himmel sich mittlerweile möwengrau verfärbt hatte.

William tat es ihr gleich. Er stellte sich die See vor, nur geringfügig heller, und die Inseln darin: manche bewohnt, andere verlassen oder niemals besiedelt. Früher hatten Fi und er viele von ihnen besucht, Freunde getroffen und die Wellen aus anderen Blickwinkeln betrachtet. Manche Schottland-Touristen glaubten, dass sie die Orkneys kannten, wenn sie nur Mainland gesehen hatten. Glaubten, dass die Inseln sich ähnelten, ja, sogar glichen. Niemand von denen sah richtig hin.

Er tat das stets, kannte die flache Küste von Wyre, die majestätischen Klippen von Westray und wusste, wie der Old Man of Hoy im Abendlicht schimmern konnte.

Erste Regentropfen schlugen auf das Fenster, und William beobachtete, wie sie herabrannen und ein glitzerndes Netz über das Glas zogen. Die Sicht verschwamm und nahm die Welt dort draußen mit sich. William griff nach seinem Glas und trank einen Schluck Wasser. Er dachte an Emmi und ihr Ferienhaus, das den letzten Sturm nicht unbeschadet überstanden hatte. Nein, Fi und er konnten niemanden herumführen, obwohl er gern noch einmal alles gesehen hätte: Die Heimat in sämtlichen Torffarben, die es gab. Einmal noch, ehe seine Welt sich zurückzog wie hinter einem Regenschauer, der nicht mehr aufhören wollte.

»Ach herrje«, wiederholte Fi. »Das kann ja heiter werden.«

1

Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Farbe wirklich so passend finde für meinen Tisch. Vielleicht doch lieber Schnittrosen?« Die Kundin trat einen Schritt zur Seite, so dass die Septembersonne auf die Blumen in ihrer Hand schien und die cremefarbenen Blütenblätter leuchten ließ. Sie drehte sie, dann etwas mehr, runzelte die Stirn, nahm ihre Tasse, trank einen Schluck Chai Latte und betastete ihre Hochsteckfrisur.

Liska hob die Brauen und zählte innerlich bis zehn. Allmählich argwöhnte sie, dass die Frau das Blumen zum Tee ohne eine einzige Rose verlassen würde und nur auf den Rabatt scharf gewesen war, den Kunden des Blumenladens auf ein Getränk erhielten. Sie blickte bewusst nicht in den anderen Teil des Ladens, wo Mareike hinter der Bar stand und die neue Teelieferung einräumte, da sie sonst die Augen verdreht oder andere Grimassen geschnitten hätte.

»Wir führen die Topfrosen auch in anderen Farben.« Sie deutete auf das Regal, aus dem die Kundin die Blume kurz zuvor genommen hatte.

Die musterte das Angebot, schien aber noch immer unzufrieden, wie auch bereits in den vergangenen zwanzig Minuten. »Ich weiß nicht … ich möchte ja schon gern diesen Ton hier.« Sie deutete auf einen Behälter mit langstieligen Rosen.

Liska lächelte und griff nach einem Blumentopf. »Helles Apricot, das haben wir hier.«

»Hm.« Die Kundin nahm ihn, trat ins Licht und drehte ihn hin und her, als würde sie so herausfinden, ob man sie soeben belog oder nicht.

Mareike machte Zeichen quer durch den Raum, und nun schnitt Liska doch eine Grimasse. Sie begriff nicht, wie man so lange für eine allzu offensichtliche Entscheidung brauchen konnte. Es lag klar auf der Hand: Die Kundin wollte eine Topfrose in Hellapricot, dort war die gewünschte Pflanze in tadellosem Zustand … einem Kauf stand demnach nichts mehr im Weg. Trotzdem stand sie hier, wartete auf eine der entscheidungsunfreudigsten Frauen, die sie jemals in ihrem Leben getroffen hatte, und bemühte sich, ruhig zu bleiben. In der Zeit, in der die Blondine von einem Blütenkopf zum anderen starrte, hätte sie unzählige andere Dinge erledigen können. Wenn sie eines hasste, dann unnötiges Warten. Leider war dies keine rote Ampel, und sie konnte nicht einfach über die Straße gehen, nur weil kein Auto kam, sondern es war ihr Geschäft. Und damit ihr Ruf.

Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und lächelte tapfer weiter, als die Kundin sie anblickte und den Kopf schüttelte. »Die hier sind etwas dunkler als die Schnittblumen. Ich nehme dann doch lieber drei einzelne Rosen.«

Mit exakt diesem Wunsch hatte sie das Geschäft betreten. Liska drückte ihre Fingernägel in die Handflächen und nickte. »Sehr gern.« Routiniert nahm sie drei Exemplare aus dem Bottich, arrangierte etwas Schleierkraut darum, schlug alles in Papier ein und kassierte.

Die Kundin bedankte sich und setzte noch einmal ihre Tasse an, bis auch der letzte Tropfen Chai herausgelaufen war. Mindestens zwanzig Sekunden blieb sie in dieser Pose, und anschließend warf sie einen enttäuschten Blick in die Tasse, so dass Liska beinahe erwartete, sie würde die Schaumreste ablecken. Erst dann verließ sie den Laden, während sie sich noch immer mit der Zunge über die Lippen fuhr.

Liska wartete eine Weile, legte dann den Kopf in den Nacken und stöhnte so laut und inbrünstig auf, dass Mareike einen Lachanfall bekam.

»Reg dich nicht auf«, brachte sie hervor, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. »Es hätte schlimmer kommen können.«

»Das war schlimm genug. Ich mag keine Hü-und-hott-Menschen.«

»Hü-und-hott-Menschen?«

»Leute, die sich dauernd umentscheiden. Es ist vollkommen in Ordnung, sich erst einmal alles anzusehen und gegeneinander abzuwägen, aber sich ständig zu widersprechen macht keinen Sinn. Wenn man etwas beschlossen hat, sollte man auch dabei bleiben.«

»Du bist zu hart.«

»Unsinn. Ich bin genervt. Ich …«

Das Telefon klingelte, als ob es ihre Ausführungen unterbrechen und ihr die Möglichkeit geben wollte, sich zu beruhigen.

Mareike nahm den Anruf an. »Blumen zum Tee, guten Tag.« Sie lauschte kurz. »Oh, hallo!« Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Ja natürlich, einen Moment.«

Eine dumpfe Vorahnung befiel Liska. Sie wedelte heftig mit einer Hand, deutete mehrmals energisch auf das Telefon und schüttelte den Kopf, ehe Mareike etwas sagen konnte. Sie ahnte, wer in der Leitung lauerte.

Mareike begriff und legte eine Hand auf den Hörer. »Was ist los? Das ist …«

»Meine Oma, nicht wahr?« Liska flüsterte und zauberte damit einen irritierten Gesichtsausdruck auf Mareikes Gesicht. Ihre Oma versuchte sie bereits den ganzen Tag zu erreichen, hatte mehrmals auf ihre Mailbox gesprochen und ihr zwei Textnachrichten geschickt, die sie mühsam entziffern musste. Ihre Großmutter hatte zwar kein Problem mit Anrufen und der Fotofunktion ihres Handys, aber wie sie Leerzeichen in einer SMS hinbekam, vergaß sie jedes Mal aufs Neue.

Liska wusste nicht, was genau sie von ihr wollte. Doch allein die Andeutung, dass es etwas mit dem Ferienhaus in Schottland zu tun hatte, genügte als Ausschlusskriterium. Sie wollte nichts hören, was damit zusammenhing, und sie wollte nicht daran denken. Weder an das Haus noch an Schottland, noch an alles, was sie mit diesem verfluchten Land verband. Wenn sie einmal damit anfing, kämen all die Erinnerungen wieder hoch, die sie seit Jahren erfolgreich verdrängt hatte.

Dieses verflixte Haus! Ihre Oma liebte die alte Hütte auf den Orkney-Inseln abgöttisch. Mittlerweile fuhr sie nur noch selten hoch, doch nach jedem Besuch sang sie wahre Loblieder auf die Gegend.

Unverständlich! Liska begriff nicht, was jemanden dort so sehr begeistern konnte, dass er noch einmal wiederkehren wollte. Auf den Inseln gab es nichts außer Gras, Wind, Schafen und ein paar prähistorischen Stätten, die aus Hügeln und Steinen bestanden und daher in die Kategorie »uninteressant« eingeordnet werden konnten. Für ein Ferienhaus fanden sich unzählige andere – bessere – Orte auf der Welt. Als Kind hatte Liska regelmäßig mit ihren Eltern die Ferien dort oben verbracht, aber wenn man klein war, konnte man sich auch stundenlang mit Grasbüscheln beschäftigen und sich einbilden, es wären in Wahrheit verzauberte Trolle oder Elfen. In der Luft tanzende Blütenpollen oder gar ein Regenbogen boten Stoff für ganze Nachmittage. Nach dem Unfall war sie noch einmal mit ihrer Oma hingefahren, nur um festzustellen, dass sie dort oben nichts mehr ertragen konnte – weder das Haus noch die Landschaft oder gar die Menschen.

Sie schluckte hart und nahm einen Pflanzenkübel, nur um ihn wenige Zentimeter weiter abzustellen. »Sag, ich bin nicht da«, zischte sie.

Mareike verdrehte die Augen, zeigte ihr einen Vogel und hielt den Hörer wieder an ihre Lippen. »Sie befindet sich gerade in einem Kundengespräch«, sagte sie freundlich.

Schlaues Mädchen. Liska biss sich auf die Lippe. Natürlich war sie im Laden. Wo sollte sie um diese Zeit sonst sein? Sie applaudierte ihr lautlos … und ließ ihre Hände wieder sinken, als sie die Bestürzung auf Mareikes Gesicht bemerkte. Sie machte ihr Zeichen, um zu erfahren, was los war.

»Das tut mir leid, Frau Matthies«, sagte Mareike ernst. »Einen Moment bitte.« Sie blickte auf. Dieses Mal schirmte sie den Lautsprecher nicht mit einer Hand ab. »Deine Oma sagt, es gehe ihr gar nicht gut.« Sie klang alarmiert.

Einen Augenblick herrschte gähnende Leere in Liskas Kopf, dann begann ihr Herz schneller zu schlagen. Die Anrufe, die Nachrichten – so hartnäckig war ihre Oma sonst nie! Es musste ernst sein. Wie hatte sie nur glauben können, dass der Wunsch, dringend mit ihr zu reden, noch immer mit dem alten Haus zu tun hatte? Hatte ihre Oma sich etwa übernommen in den vergangenen Wochen? Zuzutrauen war es ihr.

Mit drei großen Schritten war sie an der Theke und riss Mareike das Telefon aus den Fingern. »Oma? Was ist los?« Ihre Stimme klang fest, lediglich ihre Hand zitterte im Takt ihres Herzschlags.

Emilie Matthies räusperte sich vernehmlich am anderen Ende. »Elisabeth, mein Mäuschen! Wie geht es dir?« Sie klang völlig normal, sogar erfreut.

»Wie es mir geht? Wie geht es dir? Was ist los?« Etwas stimmte hier nicht. Liska sah Mareike an, als könnte die ihr Antworten liefern.

»Mir geht es fantastisch.«

»Aber hast du Mareike nicht gerade gesagt, dass du dich nicht gut fühlst?« Nun begriff sie gar nichts mehr. Hinter ihnen öffnete sich die Tür. Ein Pärchen betrat eng umschlungen den Laden, und Liska verzog sich mit dem Telefon in den kleinen Raum hinter der Verkaufstheke. »Also, was ist passiert?«

»Nichts, es ist alles in bester Ordnung. Aber ich musste dich ja irgendwie an den Apparat bekommen. Schließlich ignorierst du schon den ganzen Tag meine Anrufe.«

Fassungslos starrte Liska auf den schmalen, hellen Tisch und die beiden Stühle. »Es war ein Trick?«

»Ja, und er hat wunderbar funktioniert, das musst du zugeben. Also, warum ich anrufe …«

»Oma! Mach das nie wieder, hörst du?«

»Ich verspreche es hoch und heilig. Aber versteh mich, Mäuschen, ich muss schon gleich weiter, wir treffen uns doch heute zum Kartenspielen. Ich möchte die Sache mit dem Haus vorher klären, sonst hätte ich dich ja nicht so erschrecken müssen.«

Liska atmete tief durch und seufzte. Allmählich verschwanden der kurzzeitige Schock und die Empörung. Schließlich liebte sie ihre Oma. Nur ihr Unwille, über dieses verflixte Haus zu reden, der verschwand nicht. Aber so wie es aussah, kam sie nicht drum herum. »Also gut. Was ist mit dem Ding? Bitte sag, dass du dich endlich entschieden hast, es zu verkaufen. Immerhin macht es nur Ärger und kostet dich unnötiges Geld, erst recht seit dem letzten Sturm.«

»Es macht keinen Ärger, im Gegenteil.«

»Das Dach ist halb weg.«

»Elisabeth, es fehlen einige Ziegel. Ich verstehe nicht, warum du dich nach all der Zeit noch immer so sehr dagegen sträubst …«

»Also gut, komm auf den Punkt.« Dieses Thema würde sie sich jetzt nicht aufdrängen lassen. »Ich bin hinten, Mareike ist allein im Laden.«

Erneutes Räuspern. Ihre Oma wappnete sich für den weiteren Verlauf des Gesprächs! Das konnte nichts Gutes bedeuten. »Ich habe eine Anfrage für das Ferienhaus.«

»Das ist doch gut. Und nichts Neues, oder? Du hattest schon öfter Anfragen.«

»Das stimmt, ja. Aber diese Anfrage ist besonders. Oder sagen wir, sie kommt von jemandem, der bereit ist, viel Geld zu zahlen. Das würde reichen, um das Haus endlich wieder komplett instand setzen zu lassen.«

Liska verengte die Augen. »Und was habe ich damit zu tun?«

»Nun, die Dame, die angefragt hat, ist … Magdalena de Vries.« Sie sagte das mit dieser besonderen Betonung am Ende, bei der Liska an einen Zirkusdirektor in der Manege denken musste. Beinahe glaubte sie, einen Trommelwirbel samt Tusch zu hören.

Der Name ließ etwas in ihrem Hinterkopf klingeln, aber noch kam sie nicht darauf, was es war. Sicher hatte sie ihn schon einmal gehört, oder es kam ihr nur so vor, da ihre Oma ihr soeben suggerierte, dass sie ihn kennen musste. »Wer ist das?«

»Elisabeth!« Der Trommelwirbel war dem Bild einer strengen Person samt Monokel und Zeigestab gewichen. »Magdalena de Vries! Die bekannte Schriftstellerin. Sie wohnt in Heidelberg, und wir kennen uns noch aus Schulzeiten.« Strenge wich Stolz bei den letzten Worten.

»Ah ja, ich glaube, von der habe ich schon einmal gehört. Und sie möchte in deinem Haus wohnen? Das ist doch toll. Aber ich frage dich noch einmal: Was habe ich damit zu tun?«

»Nun, sie wünscht sich jemanden vor Ort, der sich auskennt, ihr ein paar spannende Stellen auf der Insel zeigen und ein wenig dazu erzählen kann.«

Liska legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Sie hatte gewusst, dass dieses Gespräch auf etwas hinauslaufen würde, das ihr ganz und gar nicht gefiel. Aber das war noch schlimmer, als sie gedacht hatte. »Tut mir leid, Oma, das mache ich nicht.«

»Elisabeth …«

»Ich sagte, nein. Ich führe ein Geschäft, schon vergessen?« Sie merkte selbst, wie lahm sich ihr Argument anhörte. Blumen zum Tee lief zwar nicht schlecht, aber sowohl sie als auch Mareike konnten den Laden einige Tage allein managen, wenn es darauf ankam. So etwas war stressig, aber machbar. Und ihre Oma wusste das ebenso wie sie. »Wir reden später darüber, ich komme bei dir vorbei.« Seufzend beendete sie das Gespräch.

»Aber das ist doch gar kein Problem.« Mareike zerrte das Schild hinein und schloss die Ladentür ab. »Ich kann hier momentan locker die Stellung halten, schließlich stehen weder Muttertag noch Ostern oder Weihnachten vor der Tür. Und auch wenn du Schottland nicht magst, wirst du doch deiner Oma helfen wollen? So wie ich es verstehe, hängt sie an dem Haus.«

»Leider«, murmelte Liska düster und wienerte die Theke, obwohl das Holz bereits glänzte. »Dabei machte es in den letzten Jahren nur Ärger. Andauernd sorgt sie sich darum. Der Sturm hat das Dach und einen Teil der Fassade beschädigt, und sie muss ihr Geld zusammenkratzen, um wenigstens das Dringendste reparieren lassen zu können. Es ist wie ein Kind, das nicht erwachsen werden will und ihr die Haare vom Kopf frisst.«

Mareike lachte. »Aus genau dem Grund mag sie es wahrscheinlich – ein Kind, das nicht erwachsen wird und auszieht, sondern nur ein wenig herumzickt. Wie lange hat sie es schon?«

Liska spülte den Schwamm aus und wischte die Theke trocken. »Schon immer, zumindest gefühlt. Nun ja. Und jetzt ruft diese de Vries an und wünscht, einen Fremdenführer zur Seite gestellt zu bekommen. Warum will so eine dahergelaufene Schriftstellerin eigentlich unbedingt auf die Orkney-Inseln? Passt die nicht besser nach Monte Carlo oder so?«

»Also hör mal, von wegen dahergelaufen. Ich finde ihre Bücher super.«

»Ach ja?« Liska hob die Augenbrauen. »Ich habe noch nie etwas von ihr gelesen.«

Mareike verdrehte die Augen und stellte den Eimer mit Tulpen zurück ins Regal. »Ernsthaft? Wo haben Sie die vergangenen Jahre verbracht, junge fremde Frau? In einem Wandschrank?«

»Was den heutigen Tag betrifft, wäre ich gern noch immer dort.«

»Ich glaube das einfach nicht. Warte kurz!« Mareike rauschte an ihr vorbei, verschwand im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit ihrem Tablet zurück. Konzentriert tippte sie darauf herum, fasste Liska an der Schulter und zog sie neben sich. »Hier. Du kannst mir nicht erzählen, dass du diese Bücher nicht kennst. Die liegen in den Buchhandlungen aus, und überall hängen Plakate. Ich kenne niemanden, der nicht zumindest ein de-Vries-Buch gelesen hat. Nun, das heißt, vielleicht gibt es da eine Person in der ganzen Stadt.«

Liska warf erst ihrer Freundin einen schrägen Blick zu und musterte dann die Website der de Vries. Sie war übersichtlich und klar gegliedert, dafür mit einem zuckergussrosa Hintergrund. Eine Frau mit einem breitkrempigen Hut war auf einer Seite abgebildet, ihre Augen blickten in die Ferne, wo sich eine grüne Hügellandschaft erhob. Daneben waren die Bücher der Autorin aufgelistet: nichtssagende Titel, die von Abenteuern in anderen Ländern, Sinnsuchen gebeutelter Frauen und natürlich immer wieder der großen Liebe handelten.

»Hm. Ich weiß nicht. Diese Romane heißen doch alle gleich. Vielleicht bin ich ja wirklich schon einmal dem einen oder anderen Buch von ihr begegnet, aber ich kann mich nicht erinnern.« Ein Schlag auf die Schulter ließ sie zusammenzucken, und empört blickte sie auf. »Was?«

»Du bist manchmal so ignorant, Liska! Eine der bekanntesten deutschen Autorinnen will das Ferienhaus deiner Oma mieten und braucht jemanden, der ihre Sprache spricht und sie etwas herumführen kann, und du stehst hier und verziehst bei dem Gedanken das Gesicht. Andere würden sich freuen! Das ist doch spannend. Vielleicht erfährt man etwas über ihr neues Buch oder bekommt sogar ein signiertes Exemplar, überleg mal.«

Andere würden nicht mit mir tauschen wollen, glaub mir.

»Ich bin nicht ignorant, diese Themen interessieren mich einfach nicht«, sagte Liska so würdevoll wie möglich. »Wenn sie dich so sehr begeistert, fahr du doch hoch nach Finstown.«

»Würde ich glatt machen, wenn ich mich da auskennen würde. Ich war noch nie dort, aber die Landschaft ist sicher atemberaubend.«

Liska wandte sich ab und begann die Tassen in die Plastikkiste zu packen, um sie im Hinterzimmer in die Spülmaschine zu räumen. Solange sie ihren Händen etwas zu tun gab, konnte sie sich von den Bildern ablenken, die durch ihren Kopf toben wollten. »Die Landschaft ist öde, die Leute sind seltsam, was kein Wunder ist, denn da oben gibt es bis auf Steine und Gras kaum etwas. Und Schafe.« Sie schüttelte sich, so dass die Tassen in der Kiste gegeneinanderschlugen.

Mareike zeigte ihr einen Vogel. »Was hast du gegen Schafe?«

»Alles. Sie sind dumm, stinken und haben ekelhaft ölige Wolle. Außerdem finde ich diese viereckigen Pupillen schräg, sie sehen verschlagen aus. Wenn ich so darüber nachdenke, belegen Schafe den ersten Platz in meiner persönlichen Anti-Schottland-Top-Ten.«

2

Das kleine Mädchen strahlte so breit in die Kamera, dass man jede Zahnlücke sah. Es trug eine dicke Jacke und Gummistiefel, seine Zöpfe standen beinahe waagrecht vom Kopf ab, und auf den Armen hielt es ein Lamm.

»Da warst du vier und hattest noch fast weißblonde Haare. Wie die Schäfchen, hast du immer gesagt. Ich weiß noch genau, wie du geschwankt hast bei dem Foto, weil der Wind so stark und das Tier eigentlich viel zu schwer für dich war. Aber du wolltest unbedingt so ein Foto. Du warst vernarrt in die Tiere.« Entweder übersah Emilie Matthies den genervten Gesichtsausdruck ihrer Enkelin, oder sie wollte ihn ignorieren, denn sie stellte den Bilderrahmen zurück auf den Schrank und strahlte Liska an. »Kurz darauf wurde das Haus frisch gestrichen, daran erinnere ich mich genau. Mister Brookmyre hat sich darum gekümmert, bei Wind und Wetter. Der hatte so eine wackelige Leiter, und …«

»Oma.« Liska versuchte es mit der Kombination aus mahnendem Tonfall und vorwurfsvollem Blick, erntete aber lediglich argloses Erstaunen. Emilie Matthies geriet bei Dudelsack und Haggis völlig aus dem Häuschen und verstand nicht, warum es ihr anders ging.

»Ach Elisabeth.« Ihre Oma strich ihren Rock glatt, der in grün-blauem Schottenmuster gehalten war und den sie wahrscheinlich gewählt hatte, um erneut die Fahne für ihr Lieblingsland zu schwenken. Mit ihrem aufgesteckten weißen Haar und der ebenso hellen Bluse sah sie darin fast aristokratisch aus. »Möchtest du noch einen Kaffee? Wir könnten ihn mit einem Schluck Whisky verfeinern. Speyside. Aberlour, achtzehn Jahre alt. Ein wunderbares Aroma, der gute Tropfen ist in Bourbon- und Sherryfässern gereift.« Sie strahlte, als wäre sie eigenhändig für die Whiskyproduktion verantwortlich.

Liska hob einen Daumen, ehe der Lobgesang sich in die Länge ziehen konnte. Whisky war in der Tat eines der wenigen schottischen Erzeugnisse, das sie noch ertrug.

Ihre Oma stand auf und holte eine Flasche aus ihrer Vitrine. Sie kehrte zum Tisch zurück, nahm Platz und schenkte ihnen beiden Kaffee ein. Dann öffnete sie den Aberlour und zog ihre Show ab: schnuppern, Augen schließen, intensiver und lauter schnuppern, mit den Augenbrauen wackeln, Ahhh! sagen und Liska mit Kennermiene anblicken. »Das ist mal ein wirklich guter Tropfen.«

»Ja, wie auch beim letzten, vorletzten und vorvorletzten Mal«, murmelte Liska und beobachtete, wie ein stattlicher Schuss des goldbraunen Getränks in ihrem Kaffee landete. Augenblicklich breitete sich das würzige Aroma im Raum aus. »Also. Reden wir über die Sache mit dem Haus.«

Ihre Oma nahm ihre Tasse und blies die Dampfschwaden weg, sah jedoch weiterhin Liska an. Ihre Wangen waren gerötet, und sie wirkte frisch und gesund. Lediglich ihre Augen strahlten nicht so wie sonst. Wenn Liska genauer darauf achtete, vermeinte sie, Sorge darin zu entdecken. Doch sie schwieg. Ihre Oma wollte auf diesem Steg balancieren, also sollte sie vorangehen.

Verstohlen ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, betrachtete die gerahmten Fotografien der Küste von Mainland, die zahlreichen Bücher über Schottland sowie die Tassen, die ihre Oma im Laufe der Jahre gesammelt hatte.

In diesem Augenblick stellte Emilie ihre Tasse ab. »Magdalena hat angeboten, die reguläre Ferienhausmiete zu vervierfachen, wenn jemand vor Ort zur Verfügung steht und ihren Neffen herumführt. Das ist eine sehr stattliche Summe, finde ich.«

»Ihren Neffen? Ich dachte, sie will sich umsehen und Eindrücke für ihr Buch sammeln.«

»Nein, sie wird ihrem Neffen eine Liste der gewünschten Motive mitgeben, und der schießt für sie Fotos. Anschließend druckt sie sich die Bilder aus und hängt sie zu Hause auf, um sie beim Schreiben immer vor Augen zu haben. So arbeitet sie, hat sie mir erklärt. Ist das nicht spannend?«

»Das ist ja noch schräger. Warum recherchiert sie nicht einfach im Internet? Das ist doch so viel zu umständlich.«

»Mäuschen, Magdalena ist sehr erfolgreich mit ihren Methoden.« Ihre Oma deutete auf das dunkle Regal neben dem Fenster. »Das merkt man auch an ihren Büchern, die sind wirklich ganz, ganz toll. Ich kann dir gern eines leihen, wenn du möchtest.«

»Nein danke. Mareike hat bereits versucht, mich dafür zu begeistern, aber ich fürchte, das ist nicht meine Art Literatur. Zurück zu der Anfrage. Also sie möchte das Haus für ihren Neffen für wie lange?«

Ihre Oma trank noch einen Schluck Kaffee. »Eine Woche, vielleicht kürzer, je nachdem, wie lange er braucht, um die Fotos zu machen. Und eben dafür hätten sie gern jemanden, der sich dort auskennt und bei der Motivsuche behilflich ist.«

In Liskas Hinterkopf klingelte ein Glöckchen und versprach Rettung aus dieser Misere. Das war es! »Aber dann bin ich doch nicht die Richtige. Ich war seit Jahren nicht mehr da oben, ich finde mich dort doch nicht mehr zurecht.«

Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Sie wusste, dass sie keine Probleme mit der Orientierung haben würde, sobald sie erst wieder auf Mainland war. Wenn sie etwas wissen wollte, konnte sie noch immer die alten Brookmyres fragen, die sich auch jetzt um das Haus kümmerten. Das hatte sie schließlich immer getan.

Ihre Oma winkte ab. »Ach, seitdem hat sich dort kaum was verändert.«

Liskas Herz sank, und hastig suchte sie nach neuen Argumenten. »Nein ernsthaft, ich kann mich wirklich nicht mehr an die Gegend erinnern.« Es klang schwach, und sie zuckte zusammen, als ihre Oma sich plötzlich vorbeugte und eine kleine, faltige Hand auf ihre legte.

»Schatz. Ich weiß doch, warum du nicht fahren möchtest. Aber glaub mir, ich habe gehofft, dass du es hinter dir gelassen hast. Es sind schon so viele Jahre.« Ihre Stimme wurde leiser. »Du kannst nicht dein Leben lang daran festhalten.«

Liska schluckte. Der Schmerz war immer noch da, aber längst nicht so stark, wie sie erwartet hatte.

Weder riss er sie von ihren Füßen, noch beherrschte er sie. Vielleicht hatte ihre Oma recht. Liska zwang sich zu einem Lächeln und hob den Kopf.

Ihre Oma erwiderte das Lächeln, dann strahlte sie. Und da wusste Liska, dass sie verloren hatte. Sie würde nach Schottland fahren und für den Neffen einer ihr unbekannten Schriftstellerin die private Reiseführerin spielen. Zurückkehren an den Ort, an dem die Welt ihr gezeigt hatte, wie unbeständig und grausam sie sein konnte. Sie würde eine ganze Woche vertrödeln und sich zwischendurch wahrscheinlich zu Tode langweilen. Und frieren. Ja, vor allem das.

Andererseits war es nur eine Woche, und sie tat es für ihre Oma. Sie würde sich ein paar Bücher mitnehmen und es sich gutgehen lassen. Vielleicht konnte sie diesen Neffen sogar hin und wieder allein losschicken, wenn sie ihm den Weg erklärte – auf der Insel war nicht viel los, so dass er zurechtkommen würde, selbst wenn er den Linksverkehr nicht gewohnt war. Nachdem man einmal begriffen hatte, dass man mit der anderen Hand schalten musste, war alles nur noch halb so wild. Sie hatte das innerhalb von zehn Minuten gelernt, als sie noch zu jung gewesen war, um einen Führerschein zu machen. Um den Laden musste sie sich auch nicht sorgen, Mareike kam gut allein zurecht.

Eine Woche. Was konnte da schon groß geschehen?

3

Marius stand vor der Villa. Sie erhob sich dunkel und massiv in den Himmel und verdeckte einen Großteil der aufziehenden Regenwolken. Er hatte immer gedacht, dass sie zum Charakter seiner Tante passte: energisch, etwas barsch, aber im Grunde edel und liebenswert.

Als kleiner Junge hatte er sich vor Magdalena de Vries gefürchtet, die so anders war als seine Mutter. Exzentrisch, hatten die Leute sie genannt. Damals hatte er noch nicht begriffen, was das bedeutete, aber mittlerweile konnte er dem voll und ganz zustimmen. Seine Tante hatte ihre Eigenarten, und zwar eine Menge. Ihr verstorbener Mann, Geert de Vries, war ein erfolgreicher Unternehmer gewesen und ermöglichte seiner kinderlosen Witwe ein Leben in finanzieller Unabhängigkeit. Magdalena machte das Beste daraus und tat das, was sie schon immer tun wollte: Sie schrieb.

Aber die Bücher wurden allesamt zu Erfolgen. Marius hatte nur eines gelesen und in der Geschichte und den Figuren Spuren seiner Tante gesucht. Vergeblich. Im Grunde, so glaubte er heute, hatte sie ihre Schwester beschrieben. Seine Mutter. Ingrid Rogall war ein Familienmensch und von Grund auf optimistisch. Tauchte ein Hindernis auf, lachte sie zunächst, um sich anschließend in aller Ruhe zu überlegen, wie sie es am besten aus dem Weg räumte oder umging.

Marius hatte diese Eigenart von ihr geerbt. Überhaupt ähnelte er ihr in so vielen Belangen, dass es ihm beinahe schon unheimlich war. Lediglich das Faible für Fotografie hatte er von seinem Vater. Peter Rogall hatte unzählige Kameras besessen, die er in seinem Arbeitszimmer aufbewahrte. Als Kind glaubte Marius, dass es Hunderte sein mussten. Nachprüfen ließ es sich nicht mehr, da sein Vater bei seinem Auszug alles mitgenommen hatte. Marius war damals neun gewesen und hatte sich an die alte Spiegelreflex mit dem rotgeflickten Tragegurt geklammert, ein Abschiedsgeschenk von seinem Vater. Damit hältst du die schönsten Momente auf dieser Welt fest, hatte er gesagt. Als er mit dem Koffer aus der Tür getreten war, hatte Marius wie verrückt auf den silbrigen Knopf gedrückt und ein Bild nach dem anderen geschossen.

Sein Vater war trotzdem nicht zurückgekehrt.

Mit den Jahren hatte er sich immer mehr der Fotografie gewidmet und war nie wieder davon losgekommen. Er war sogar einen Schritt weitergegangen, hatte sie zu seinem Beruf gemacht und jettete heute als freier Fotograf durch die Welt. Je weiter die Reisen ihn wegführten und je länger sie dauerten, umso besser. Das alte Modell mit dem roten Flickengurt besaß er noch immer.

Der Anfang war holprig gewesen, und oft hatte Marius nicht gewusst, wie es weitergehen sollte. Als er immer wieder aufgeben wollte und sich von Auftrag zu Auftrag gehangelt hatte, jeden Monat mehrmals nachrechnete, ob er die Miete bezahlen konnte. Mittlerweile war sein finanzielles Polster dick genug. Seit vergangenem Jahr arbeitete er mit zwei Dokumentarfilmern und einem Magazin als festen Vertragspartnern zusammen, was ihn weitgehend absicherte. Bei seinen Zwischenstopps zu Hause in Köln fertigte er hin und wieder Porträtfotografien an oder ließ sich für Hochzeiten buchen, und selbst das lief beinahe ausschließlich über Mundpropaganda. Er wurde davon zwar nicht reich, aber er fühlte sich wohl mit dieser Mischung aus Freiheit und Stabilität. Natürlich gab es Einschränkungen, so wie überall. Er sah seine Familie nicht so häufig, wie er es gern würde, und war noch weiter als jemals zuvor davon entfernt, eine eigene zu gründen.

Dazu lief er stets Gefahr, dass seine Pläne nicht aufgingen oder durchkreuzt wurden, beispielsweise von schlechten Wetterfronten oder auch der Tatsache, dass andere Leute seine Kameras ebenso gern hatten wie er selbst. Leute wie die Unbekannten, die so freundlich gewesen waren, beim Einbruch in sein winziges indonesisches Hotel alles bis auf seine Ausrüstung zurückzulassen, während er unterwegs war, um letzte Besorgungen für den Abflug zu machen. Bis zum Aufbruch nach Jakarta blieben ihm nach seiner Rückkehr in das Chaos seines Zimmers genau zwei Stunden. Zu wenig, um etwas vor Ort ausrichten zu können. Oder gar Anzeige zu erstatten, wovon ihm der freundliche, aber leicht lethargische Rezeptionist mit höflichem Lächeln abriet, da es sowieso nichts bringen würde.

Um seinen Flug nicht zu verpassen, hatte Marius zähneknirschend gepackt und in den kommenden Tagen versucht, von Deutschland aus mehr zu erreichen. Bislang ohne Erfolg. Dabei ging es ihm nicht nur um den Wert von Kameras und Zubehör, sondern auch um den Auftrag, der ihm durch die Lappen gegangen war. Eine Woche Fototour in Südostasien, und er kam ohne ein einziges Bild zurück. Das Bering-Magazin weigerte sich daraufhin zu zahlen und hielt sich bezüglich weiterer Aufträge zurück. Die Botschaft zwischen den Zeilen war jedoch deutlich: Er hatte es versaut. In einer Branche, die nicht nur auf Geschwindigkeit setzte, sondern vor Konkurrenz nur so strotzte, hatte er seine Karte verspielt.

Aber so war das Leben, und Marius machte sich weder Illusionen, noch hielt er sich lange damit auf, Rückschläge zu bedauern. Selbst das Abendrot am Himmel war niemals vollkommen klar, stets verirrte sich ein Wolkenfeld hinein. Und das war gut so, denn das machte es erst interessant. Man musste nur die richtige Perspektive finden, um das Grau nicht überwiegen zu lassen.

Genau das wollte er jetzt – mit Tante Magdalenas Hilfe.

Leichtes Donnergrollen setzte ein. Marius strich sich die vom Nieselregen feuchten Haare aus der Stirn, hastete die drei Stufen vor dem Eingang hinauf und betätigte die Klingel.

Die Türglocke dröhnte dumpf durch das Haus und passte hervorragend zum Äußeren. Nun musste er doch grinsen – seine Tante gab sich alle Mühe, das Flair der dunklen Witwe aufrechtzuerhalten. Kinder, die sich hier einen Klingelstreich erlaubten, würden es sicher kein zweites Mal wagen, aus Angst, dass jeden Moment ein finster dreinblickender Butler die Tür öffnete.

Das Gesicht, das kurz darauf im Eingang erschien, war jedoch alles andere als unheimlich. Frau Esslinger war die persönliche Assistentin seiner Tante, seitdem diese ihren ersten Bestseller geschrieben hatte, und zusammen mit ihr alt geworden. Sie strahlte über das ganze Gesicht.

»Marius, du bist aber pünktlich. Schnell, komm rein, ehe du noch ganz nass wirst.« Sie winkte ihn so heftig heran, dass sie sich beinahe die Brille von der Nase schlug. Wie immer trug sie ein graues Kostüm, farblich passend zu ihrem aufgesteckten Haar.

Marius trat in die Halle und schüttelte sich. »Vielen Dank! Wie geht es Ihnen?«

»Sehr gut, Marius, sehr gut. Ich hab schon alles besorgt, sie hat es oben in ihrem Arbeitszimmer.« Frau Esslinger wedelte in Richtung Treppe, um ihm zu signalisieren, dass er seine Tante nicht länger warten lassen sollte. Wenn Magdalena de Vries rief, dann wollte sie eine Antwort, ehe das Echo verklungen war. Er hielt sich daher nicht mit der Frage auf, was es denn war, sondern zog Jacke und Schuhe aus und machte sich auf den Weg in das Obergeschoss.

Das Arbeitszimmer seiner Tante lag am Ende des Flurs, die Tür stand offen.

»Marius? Ich habe schon alles vorbereiten lassen.« Tante Magdalena redete bereits mit ihm, als er noch gar nicht an der Tür war. Das war typisch für sie. Wenn man eines in der Villa spürte, neben Erhabenheit, so war es Ungeduld bei allem, das die Herrin des Hauses von ihrer Arbeit abhielt.

Er grinste und betrat das Zimmer. »Ich freu mich auch, dich zu sehen.«

Magdalena saß in kerzengerader Haltung hinter ihrem Schreibtisch und trug eine dunkelgraue Bluse zum streng zusammengebundenen Haar. Wortlos hielt sie ihm eine Wange hin. Er gab ihr einen Kuss und ließ sich auf der Tischkante nieder. Dabei verrutschte das oberste Papier des säuberlichen Stapels neben ihm.

Magdalena schob es mit unbewegter Miene in seine Ursprungsposition zurück. »Deine Reise war also nicht sehr erfolgreich, wie ich höre?« Sie hielt nichts von Begrüßungsfloskeln oder Small Talk und noch weniger von fremden Ländern. Die Protagonisten ihrer Geschichten konnten lediglich reisen, weil Magdalena wusste, wo ihr Platz war – nämlich hier, und zwar jeden Tag. Zumindest behauptete sie das.

»Sie war bis auf den Schluss sehr erfolgreich. Ich bin sicher, eine Menge wirklich guter Fotos gemacht zu haben, aber wer kann das jetzt noch beurteilen?« Er zuckte die Schultern und verzog das Gesicht.

»Gut, damit sind wir gleich beim Thema.« Sie nahm etwas vom Boden und reichte es ihm. »Ich habe Frau Esslinger eine Kamera mit Zubehör besorgen lassen. Und bitte verschone mich mit Protest oder dass du normalerweise ein anderes Modell benutzt. Für so etwas haben wir keine Zeit, dein Flug nach Schottland geht morgen, und soweit ich es verstanden habe, ist dein Ersatzapparat bereits etwas in die Jahre gekommen.«

Er hob eine Augenbraue. »Morgen schon? Ich wusste, dass der Auftrag eilt, aber nicht, wie sehr.«

Sie nickte. »Ich habe ein Haus gemietet sowie jemanden gefunden, der sich vor Ort auskennt und dich herumführen wird. Die Dame heißt Elisabeth Matthies und wird dich übermorgen früh in Kirkwall abholen. Das liegt auf Mainland, der größten Insel der Orkneys.« Sie tippte auf das Blatt Papier, das sie zuvor geradegerückt hatte. »Du fliegst nach Aberdeen, von dort aus nimmst du die Nachtfähre. Du hast eine Schlafkabine, Frau Esslinger hat sich bereits um alles gekümmert. Und das hier ist die Liste der Motive, die ich benötige.« Sie öffnete eine Schublade, nahm ein weiteres Papier heraus und musterte es eine Weile, ehe sie es ihm reichte.

Marius’ professionelles Interesse war geweckt. Normalerweise nahm er Arbeiten wie diese nicht an, wo es lediglich darum ging, Recherchematerial zu liefern, das dann in der Schublade, auf der Festplatte oder – schlimmer noch – im Papierkorb landete. Er wusste allerdings auch, dass seine Tante sehr eigen in ihrer Vorgehensweise war. Sie überlegte sich die Handlung ihres nächsten Romans, begann allerdings erst mit dem Schreiben, wenn sie Schnappschüsse vor sich hatte, die ihre Fantasie beflügelten und die Geschichte in ihrem Kopf mit Leben füllten. In der Regel übernahmen Studenten oder in Ausnahmefällen Frau Esslinger diese Aufgabe, die sie dafür durch Europa schickte. Dieses Mal hatte Magdalena jedoch ihn gefragt, nachdem sie von dem Vorfall in Indonesien gehört hatte. Sein Stolz hatte kaum Zeit gehabt, um aufzubegehren. Er brauchte das Geld, schon allein, da er für den letzten Auftrag keinen Cent sehen würde. Immerhin zahlte seine Tante nicht schlecht, und da sie es sich sehr gut leisten konnte, verkümmerte die Stimme seines Gewissens zu einem dumpfen, kaum hörbaren Murmeln.

Es setzte kurz aus und dann umso lauter wieder ein, als Marius die Liste durchging. Sein Blick flackerte zu Magdalena, und einzig ihr undurchdringlicher Gesichtsausdruck hielt ihn von einer Bemerkung ab.

So wie es aussah, hatte er seinen Trip nach Schottland gehörig unterschätzt.

Leuchtturm an den Klippen in der Morgenröte

Blick auf die Küste, wo ein roter Luftballon schwebt

Drei Kinder auf einem Pony auf einer Wiese

Enten bilden eine Herzform in einem Steinkreis

Zwei Frauen (blond & brünett) streiten sich vor St. Magnus, Kirkwall, um eine Handtasche

Katze schmiegt sich an piktischen Symbolstein

Küssendes Paar bei Skara Brae

Rauchende Hafenarbeiterin, dreckverschmiert, mit kleinem schwarzem Hund

Drei gutgebaute junge Männer im Kilt, mit nackten Oberkörpern und Rosen in den Händen

Biker mit »Scotland«-Tattoo im Hafen vom Stromness

Alte Frau schwenkt Schottlandfahne im Pub

Kleines Schaf steht auf dem Rücken eines großen Schafs

Junge Frau mit Lamm auf dem Arm im Sonnenuntergang

Orkney-Sehenswürdigkeiten

(zum Beispiel Rundkirche von Orphir, Maes Howe –

mindestens fünf)

Marius las noch einmal und riss sich zusammen, um nicht aufzulachen, ungläubig zu schnauben oder andere Überraschungslaute von sich zu geben. Und er hatte geglaubt, es handle sich um eine Liste der Sehenswürdigkeiten auf den Orkneys, die sie aus bestimmten Winkeln fotografiert haben wollte, die sie nicht im Internet fand!

»Du hast ziemlich … konkrete Vorstellungen«, versuchte er einen Vorstoß und erntete hoheitliches Nicken.

Und vor allem ziemlich seltsame. Eine Hafenarbeiterin? Enten in Herzform?

»Worum genau soll es in deinem Buch gehen?« Sosehr er es auch versuchte, er konnte die Bilder nicht zu einer Geschichte zusammensetzen. Zumindest nicht spontan und ohne Alkohol.

Magdalenas Lippen bildeten einen Strich und lockerten sich wieder. »Ich verrate Privatpersonen nie die komplette Handlung einer Geschichte, ehe sie fertig ist.«

Marius nickte, das hatte er sich bereits gedacht. Nachdenklich ging er die Liste ein drittes Mal durch. »Einen Teil der Motive könnten wir hier nachstellen. Oder zusammenschneiden, wie zum Beispiel das mit der Katze.« Er fuhr die Zeilen mit den Fingern entlang. Wenn er die Dinge abhandelte und von der Liste strich, die er am Computer nachbearbeiten konnte, sah die vielleicht gar nicht mehr so wahnsinnig aus. Wahnsinnig verrückt oder auch wahnsinnig schwer zu erledigen.

Seine Tante schüttelte den Kopf. »Nein. Sämtliche Bilder müssen von den Orkneys stammen. Kein Pfusch. Ich möchte das Licht von dort, das Originalgras, die echten Gefühle und Gesichtsausdrücke, alles.«

»Aber das kann ich echt aussehen lassen, Tante Magdalena, das sollte nicht das Problem sein. Dafür gibt es Programme, die …«

Erneutes Kopfschütteln, energischer dieses Mal. »Keine Nachbearbeitung.«

Nun brachte sie ihn wirklich aus dem Konzept. »Was?«

»Es soll alles authentisch sein. Wenn ich weiß, dass es das nicht ist, kann ich damit nicht arbeiten. Ich brauche Originalbilder.«

Marius sah noch einmal auf das Blatt Papier, doch ohne zu lesen. Langsam faltete er es zusammen. Dieser Job entpuppte sich als Drahtseilakt.

Magdalena beäugte ihn, als überlegte sie, ob sie ihm wirklich ihre kostbare Liste anvertrauen wollte. »Also? Bekommst du das hin?«

Die Aufforderung in ihrer Stimme weckte seinen Ehrgeiz. Hatte er wirklich geglaubt, eine Tour durch Südostasien könnte ihn an seine Grenzen bringen? Die echte Herausforderung wartete in Schottland!

Marius stand auf, nahm die Kameratasche und schulterte sie. »Wann, sagtest du, geht der Flug morgen?«

4

Es lag am Linksverkehr. Zumindest redete sich Liska das wieder und wieder ein, nachdem der Mann vom Autoverleih sie allein gelassen und sie sich in den kleinen roten Renault gesetzt hatte. Es musste einfach am Linksverkehr liegen, anders konnte sie sich nicht erklären, dass ihre Hände zitterten, als herrschte tiefster Winter.

Sie warf einen Blick auf die Temperaturanzeige: zehn Grad Außentemperatur und mehr als doppelt so viel im Wagen. Nein, an der Kälte lag es nicht – zumindest nicht an der, die mit einem Thermometer gemessen werden konnte.

Mit wild klopfendem Herzen stellte sie den Motor ab, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Hafenlärm drang gedämpft zu ihr durch, und sie konnte beinahe fühlen, wie er um das Auto strömte und nach Lücken suchte, um hereinzukriechen: Möwen, Menschen, Fahrzeuge und, weiter weg, das Dröhnen des Signalhorns draußen am Kai. In ihrer Vorstellung kletterte Liska in letzter Sekunde auf die Fähre, die sie zurück nach Aberdeen bringen würde, weg von der Einsamkeit der Orkneys.

Nein, das passte nicht ganz – Abgeschiedenheit traf es eher. Zu ihrem Leidwesen war der Ort alles andere als einsam. Im Gegenteil, das Leben dort draußen prasselte so sehr auf sie ein, dass sie am liebsten geschrien hätte. Momentan wollte sie einfach nur im Ferienhaus ihrer Oma die Tür hinter sich ins Schloss ziehen, aber dafür musste sie erst einmal hinkommen.

Liska atmete tief ein und aus, ehe sie die Augen wieder öffnete. Sie fühlte sich beobachtet, doch bis auf eine Möwe, die neben dem Wagen saß und darauf wartete, dass jemand sich gnädig zeigte und Futter auf den Boden streute, beachtete sie niemand. Der Insel war sie gleichgültig. Den Menschen hier auch. Wahrscheinlich erinnerte sich niemand mehr an das, was damals passiert war.

Der Gedanke machte sie auf gewisse Weise wütend. Sie erinnerte sich an alles, an jedes winzige Geräusch im Haus, als sie von dem Unfall erfahren hatte. An den Wind, der durch das undichte Fenster pfiff, an das Blöken der elenden Schafe und das Ticken der Wanduhr. An die Stimme ihrer Oma, die so tonlos war und doch das Zittern nicht verbergen konnte. Nur an die Stimmen ihrer Eltern erinnerte sie sich nicht mehr. Damals hatte sie es noch gekonnt.

Es kam ihr unfair vor, wie eine Waagschale, die jemand zu schwer beladen hatte, um noch ein passendes Gegengewicht finden zu können. Liska schluckte hart. Wie konnten die Leute hier alles vergessen haben?

Eine Bewegung zu ihrer Linken ließ sie zusammenzucken. Zwei Hafenarbeiter liefen vorbei, Plastikeimer in den Händen. Der jüngere von beiden warf einen flüchtigen Blick in den Wagen. Liska setzte sich aufrecht hin und ließ den Motor an. Ihr Knie zitterte, als sie die Kupplung kommen ließ, und sie fühlte sich wie damals, als sie nach der Fahrprüfung zum ersten Mal allein in einem Auto gesessen hatte. Es wurde besser, als sie an Geschwindigkeit zulegte. Die vertrauten Handgriffe beruhigten sie, und sie dankte dem Mann von der Vermietung stumm, dass er nur noch Schaltwagen im Angebot gehabt hatte und sie auf diese Weise beschäftigt hielt.

Das Navigationsgerät blieb dunkel. Sie kannte die Strecke auswendig, selbst nach all den Jahren. Nach der nächsten Kurve schimmerte das Wasser rechts von ihr. Die Fähre zurück nach Aberdeen war zu einem verschwommenen Fleck geworden und schien ihr zuzuraunen, dass es keine Fluchtmöglichkeit mehr gab.

Liska schaltete das Radio ein und wählte den ersten Sender, der nicht knisterte und rauschte. Eine dunkle Stimme mit starkem Akzent pries die Vorteile der lokalen Produkte. Sie lauschte dem Singsang, während sie auf die Straße starrte und das Gefühl hatte, einen Fehler zu begehen. Erst als Regentropfen auf die Windschutzscheibe trafen und innerhalb weniger Sekunden immer größer wurden, blinzelte sie.

Der Himmel hatte sich dunkler gefärbt. Unzählige Grautöne flossen dort oben ineinander, und der düsterste setzte sich durch. Obwohl Liskas Bein nun noch mehr zitterte, war sie beinahe froh darüber, dass die Landschaft verschwamm – so würde sie nicht allzu viel von der Stelle sehen, an der ihre Eltern gestorben waren.

Sie ging vom Gas und fuhr so langsam, dass kurz darauf zwei Fahrzeuge hupend an ihr vorbeizogen. Ihr war es gleichgültig. Sie hatte Zeit, dieser Marius Rogall würde erst morgen eintreffen. Doch sie brauchte den Tag, um sich einzuleben. Vorzubereiten.

Zu wappnen.

Die Fahrt bis zum Haus ihrer Oma am Rand von Finstown dauerte normalerweise keine Viertelstunde. Dieses Mal verließ sie erst nach zwanzig Minuten die A965 und bog in die Heddle Road ein. Wie auf ein Stichwort ließ der Regen nach. Liska atmete auf, als sie das erste Haus auf der rechten Seite entdeckte. Sie hatte es geschafft – sie hatte die Stelle passiert und war ruhig geblieben. Nicht einmal ihr Herz hatte schneller schlagen können, da es ohnehin bereits raste, als wäre sie den Weg nicht gefahren, sondern gerannt.

Sie ließ zwei weitere Cottages, gefühlt endlose Wiesen und unzählige Schafe hinter sich, ehe sie auf der linken Seite das weißgetünchte Seaflower entdeckte.

Der Sturm im vergangenen Jahr hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Zwar ragten die beiden so typischen Schornsteine noch immer tapfer in die Höhe, aber das Dach glich an manchen Stellen einem Flickwerk. Bisher hatte ihre Oma es nur provisorisch reparieren lassen können, so dass es nicht feucht wurde und keine größeren Schäden entstanden. An zwei Stellen der hellen Fassade prangten hässliche dunkle Flecken – dort, wo Stücke herausgebrochen waren, vermutlich durch herabfallende Schindeln abgesprengt. Bald würde das ganz anders aussehen.

Liska straffte die Schultern, als sie ein letztes Mal abbog und auf dem festgestampften Rund neben dem Seaflower parkte. Wenn sie die Insel in wenigen Tagen verließ, dann in dem Wissen, das verdammte Haus gerettet zu haben.

Ihre Rückkehr nach Mainland fühlte sich an wie eine zähe Masse, die sich in ihr zusammenballte und wieder auseinanderzog, ihr aber so oder so jede Bewegung erschwerte. Die Insel kam ihr kleiner vor als früher, wie ein Gefängnis, das ihr die Möglichkeit zu atmen nahm, doch gleichzeitig auch unendlich groß, voller Gefahren und Risiken, die sie nicht einschätzen konnte.

Die sie nicht kommen sah.

Liska fluchte, öffnete die Tür und stieg aus, schließlich konnte sie sich nicht ewig im Wagen verkriechen. Feiner Regen benetzte ihr Gesicht, der Wind fuhr durch ihre Haare und konnte sich nicht entscheiden, aus welcher Richtung er kommen wollte. Rasch ging sie zum Kofferraum, holte ihre Reisetasche heraus und machte sich auf den Weg.

Das Haus brauchte nicht nur ein neues Dach, sondern auch einen frischen Anstrich. Die Farbe war an manchen Stellen abgeblättert, an anderen unschön verfärbt. Ranken hatten sich an einer Ecke sowie neben dem Türrahmen hochgearbeitet, und eine Hortensie wuchs tapfer an der windgeschützten Seite. Alles zusammen verströmte eine seltsame Mischung aus Geborgenheit und Ablehnung. Liska hielt ihre Tasche fester. Wenn sie diesen Auftrag hinter sich bringen wollte, musste sie aufhören, jeden Eindruck und jede noch so winzige Gefühlswallung zu analysieren! Handeln war das Zauberwort für all jene, die sich nicht ablenken lassen wollten.

»Augen zu und durch«, murmelte sie, umrundete eine Pfütze und hielt auf die Blumentöpfe neben der Tür zu, wobei sie es vermied, die weitläufige Landschaft zu betrachten. Sie wusste, dass sie von hier bei klarem Wetter das Wasser sehen konnte und dass Wolken und Regen sie soeben daran hinderten.

Der Schlüssel lag wie versprochen unter dem kleinsten Keramiktopf. Ein Klischeeversteck, aber hier durchaus machbar. Liska konnte sich nicht erinnern, jemals von einem Einbruch gehört zu haben, und solange die Einheimischen mit Maßnahmen wie dieser lebten, war es auch für sie und ihre Oma kein Problem.

Sie schloss auf, atmete ein letztes Mal durch und ließ die Weite hinter sich. Die Tür schlug ins Schloss, das Geräusch kam ihr unnatürlich laut vor.

Die Stille im Haus umso gespenstischer. Sie stand in der kleinen Diele, die bis auf ein Bild, etwas Dekoration an der Wand sowie einem Regenmantel samt Gummistiefeln leer war. Zu ihrem Erstaunen roch es frisch und angenehm. Sie ließ die Tasche fallen, schlüpfte aus den Schuhen, betrat den Wohnraum und sah sich um.

Die beiden Fenster gingen in Richtung See, auf dem breiten Sims davor waren Kissen platziert. Es gab nur wenige Möbelstücke. Ihre Oma hielt nichts davon, den Raum mit zu viel Holz zu füllen. »Es soll ja genug Platz für den Menschen bleiben«, pflegte sie zu sagen. Neben einem Tisch, einer Sitzecke, einem Schrank sowie einem Bücherregal gab es überwiegend Nippes. Vor dem Kamin stand ein Korb mit Holz und Zeitungspapier.

Nichts hatte sich verändert, zumindest schien es auf den ersten Blick so. An die größeren Details erinnerte Liska sich augenblicklich, die kleineren kamen nach und nach zurück, wie ein Puzzle, das sich zusammensetzte und von dem man bereits wusste, was es letztlich darstellen würde.

Hinter ihr befand sich die offene Küche, von einer Thekenzeile abgetrennt. Sie wandte sich um: Ein Kuchen, rund und ordentlich mit hellem Zuckerguss, stand dort auf einer silbernen Platte, daneben lag etwas Helles. Verwundert trat Liska näher: Es war ein Notizzettel, säuberlich mit einer gleichmäßigen Handschrift gefüllt.

Liebe Liska,

wir freuen uns, dass du nach so vielen Jahren deinen Weg zurück nach Finstown gefunden hast. Herzlich willkommen! In der Küche steht Tee, mach es dir erst einmal gemütlich. Und wenn etwas ist, hab bitte keine Scheu, uns zu fragen. Du weißt ja bestimmt noch, wo wir wohnen. Wir freuen uns, dich bald zu sehen.

Herzlichst, Fiona und William Brookmyre

Liska drehte die Notiz um: Auf der Rückseite befand sich eine Skizze der Gegend, die Linien so gerade, als hätte man sie mit einem Lineal gezogen. Ein Kreis markierte das Seaflower, ein dickes Kreuz das Haus der Brookmyres. Natürlich erinnerte sie sich an den Weg, allerdings hatte sie nicht vor, das Ehepaar aufzusuchen. Es gab keinen Grund. Die Brookmyres hatten ab und zu auf sie aufgepasst, als sie klein gewesen war, und Fionas Backkünste hatten sogar die ihrer Oma in den Schatten gestellt. Zudem hatte sie es geliebt, Williams Geschichten zu lauschen, die so unglaublich bildhaft gewesen waren, selbst bei seiner strengen Stimme. Mittlerweile mussten die beiden um die achtzig sein, da war es für alle besser, wenn sie ihnen keine Umstände machte.

Liska faltete den Zettel zusammen, bis die Zeichnung nicht mehr zu sehen war, und legte ihn zurück. Sie würde niemanden besuchen. Schließlich war sie nicht hier, um Fragen zu beantworten oder, schlimmer noch, Bindungen zu erneuern, die zum Glück so ausgeleiert waren, dass sie es nicht bemerken würde, wenn sie rissen. Zudem stand ihr momentan weder der Sinn nach alten Geschichten noch nach Fragen zu ihrem Privatleben. Fragen, die alte Menschen nun einmal so stellten, wenn sie nie aus der Einöde hinauskamen, in der sie lebten.

Sie betrachtete den Kuchen, brach eine Ecke ab und roch daran. Das Aroma von Nuss und Honig stieg ihr in die Nase, und ihr Magen reagierte augenblicklich. Sie zögerte, legte das Stück dann aber zurück. Sie hatte den halben Koffer voller Lebensmittel gepackt, damit sie sich auf Mainland nicht lange mit Einkäufen aufhalten musste. Zumindest nicht heute. Morgen sah die Sache vielleicht schon ganz anders aus, denn sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was dieser Marius Rogall, für den sie die Fremdenführerin spielen sollte, für Wünsche und Ansprüche mitbrachte.

Sosehr sie sich über die Finanzspritze für ihre Oma freute … die Schriftstellerin de Vries konnte nicht ganz normal sein. Wer schickte denn schon zu Recherchezwecken seinen Neffen nach Schottland, um ein paar Fotos zu machen, wenn er ebenso gut im Internet suchen konnte?

Liska trat an das Küchenfenster und warf einen Blick nach draußen. Es hatte aufgehört zu regnen, leichter Nebel lag über den Wiesen und hüllte die Umgebung in Unwirklichkeit. Sie hob eine Hand, um sie gegen das Fenster zu pressen, überlegte es sich dann aber anders. Die Landschaft verschwamm vor ihren Augen, und sie schloss sie in dem Versuch, etwas von sich abzuhalten, das sie selbst nicht greifen konnte.

Der nächste Morgen katapultierte sie zurück in eine Welt, die sie sogar in der Nacht nicht ganz aus ihren Klauen gelassen hatte. Liska erwachte in derselben Position, in der sie eingeschlafen war – auf dem Rücken, beide Arme eng an den Körper gepresst.

Viel Schlaf hatte sie nicht bekommen. Sie hatte vergessen, wie stark und unnachgiebig der Wind auf den Orkneys sein konnte. Die halbe Nacht hatte er an den Ecken des Hauses gerüttelt und Pfeiftöne erzeugt, die sie jedes Mal erneut hatten zusammenzucken lassen. Zwischenzeitlich war sie in einen Dämmerschlaf gesunken, doch stets aufgeschreckt. Die Umgebung fühlte sich einfach zu fremd an, das Bett zu weich und die Laken zu klamm. Zudem war es kalt, da sie vergessen hatte, die Heizung im Schlafzimmer aufzudrehen. Aber sie konnte sich nicht überwinden, aufzustehen und sie anzustellen. Sie konnte sich zu überhaupt nichts überwinden. Stattdessen lag sie, ohne einen Muskel zu rühren, unter der Decke und starrte ins Nichts, während sie die Bilder verdrängte, die ein Teil von ihr waren, sich aber nicht so anfühlten.

Konnten die eigenen Erinnerungen fremd werden?

Irgendwann schaffte sie es, aufzustehen, sich ins Bad zu schleppen und sich anzuziehen. Im Haus war es kalt, und nachdem sie die Heizung angeworfen und gelauscht hatte, wie die Rohre knackten und ratterten, konnte sie endlich duschen. Kurz darauf saß sie mit einer Schüssel Müsli und heißem Kaffee am Wohnzimmertisch. Fiona Brookmyres Kuchen stand noch immer auf der Theke – sie hatte vergessen, ihn abzudecken oder einzuwickeln, und er war trocken geworden.

Der gestrige Tag war voller Eindrücke gewesen, die unangenehm an ihr zerrten, aber weitgehend mit Hilfe des Fernsehers bekämpft werden konnten. Jetzt blieb ihr noch ungefähr eine halbe Stunde, bis sie Marius Rogall am Hafen abholen musste.

Liska stellte das Geschirr in die Spüle und band sich nach einem Blick aus dem Fenster die Haare zusammen. Der Wind hatte zwar nachgelassen, doch das bedeutete nicht, dass er sich in ein laues Lüftchen verwandelt hatte.

Als ihre Mutter noch lebte, hatte sie ihr am Abend stets die Haare mit einem groben Kamm entknotet, nachdem sie den ganzen Tag über draußen gespielt hatte und Schafen hinterhergerannt war.

Energischer als nötig schlang sie das Haargummi um den Zopf, ging in die Diele und schlüpfte in Schuhe und Jacke. Sie riss die Tür auf … und erschrak. Nicht wegen des Windes, sondern weil ein Mädchen vor der Haustür stand. Sie schätzte die Kleine auf acht Jahre, vielleicht etwas älter. Sie trug die passende Kleidung für dieses Wetter: Gummistiefel und eine regenfeste Jacke, die ihr bis zu den Knien ging. Die Spitzen zweier Zöpfe klebten darauf fest.

»Hast du meine Katze gesehen?«, fragte sie und beäugte Liska mit schräg gelegtem Kopf.

Außer ihr war niemand zu sehen. Liska wartete noch eine Weile, doch als die Kleine sie lediglich mit einer Mischung aus Trotz und Erwartung anblickte, zog sie die Tür hinter sich zu und schloss ab.

»Nein. Zumindest ist keine im Haus, tut mir leid«, sagte sie und musterte das Mädchen genauer. »Wohnst du hier?«

»Da hinten.« Es schleuderte eine kleine Hand zur Seite und fasste damit einen guten Teil der Insel ein. »Wir haben drei Katzen, aber Molly ist ganz allein meine.«

»Das ist schön«, sagte Liska. »Soll ich dich nach Hause bringen? Ich fahre mit dem Auto.« Sie zeigte auf den Renault und erhielt einen Blick zur Antwort, der ihr verriet, wie überflüssig die Geste gewesen war.

»Nein«, sagte die Kleine und malte mit einer Stiefelspitze in der nächsten Pfütze herum, nur um dann mit dem Fuß aufzustampfen. Schlamm spritzte nach allen Seiten und traf auf Liskas Jacke und Jeans.

»Na wunderbar«, murmelte sie, betrachtete kurz das Malheur, zog ihr Handy hervor und warf einen Blick darauf. Zum Umziehen blieb ihr definitiv keine Zeit mehr. »Hör zu … wie heißt du eigentlich?«

»Emma.«

»Also gut, Emma. Das Haus hier gehört meiner Oma …«

»Hat sie Haustiere?« Emmas Interesse schien geweckt.

»Was? Nein, hat sie nicht. Was ich meinte, war, hier gibt es nichts zum Spielen. Und wenn deine Katze nicht hier ist, gehst du doch besser wieder zu deinen Eltern, was meinst du?«