Herz aus Grün und Silber - Stephanie Linnhe - E-Book

Herz aus Grün und Silber E-Book

Stephanie Linnhe

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Beschreibung

FINALIST DEUTSCHER PHANTASTIKPREIS 2015 FINALIST LOVELYBOOKS-LESERPREIS 2014 Das Leben der australischen Studentin Naya Green gleicht einem Albtraum: Nachts träumt sie von Schlangen, ein Tier verirrt sich in das Auto ihrer Cousine und sogar in ihr Zimmer. Was ihre Eltern für Halluzinationen halten, bereitet Naya schlaflose Nächte. Als sie von Amelia Steer kontaktiert wird, die auf ihrer Farm Hilfe für junge Frauen mit traumatischen Erlebnissen anbietet, scheint das die ideale Lösung zu sein. In dem kleinen Ort Meelah trifft Naya nicht nur auf den attraktiven Chase, der seine eigenen Geheimnisse hütet. Sie findet auch heraus, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als sie jemals geahnt hat. Und dass manche Kriege zu alt sind, um zwischen den Fronten zu bestehen. Leserstimmen: "Romance und Fantasy vom Feinsten. Die Liebesgeschichte ist einfach schön, ohne dabei zu kitschig zu wirken." (Sonja, Amazon,de) "Fantasy für's Herz" (Alanya, Amazon.de) "Spannend und mal etwas anderes als Vampire,Werwölfe und Co!! Ich konnte es kaum aus der Hand geben." (Stephanie Ertli, Amazon.de) "Ein Fantasyroman, der alles hat, was man sich nur wünschen kann. Ein tolles Buch!" (Sonjalein1985, Lovelybooks) "Die Geschichte ist toll und bildliche erzählt. Ich mag den Schreibstil sehr und freue mich auf mehr!" (IrisVill, Lovelybooks)

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Die Autorin Stephanie Linnhe wuchs im nördlichen Ruhrgebiet auf. Nach dem Publizistikstudium ging sie für ein Jahr nach Australien und arbeitete als Story Writer sowie als Tourguide mit Schwerpunkt in Sydney. Zurück in Europa, führten Projekte sie in die Schweiz und nach England, bis sie 2008 in die Welt der Computerspiele eintauchte. Seitdem kümmert sie sich um die Texte eines Karlsruher Onlinespiel-Anbieters, schreibt nebenher für Zeitungen und Zeitschriften, mischt hin und wieder bei Filmdokumentationen mit und versucht, das alles mit permanenter Reisewut zu vereinen.

Das Buch

Stephanie Linnhe

Herz aus Grün und Silber

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

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Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Oktober 2014 (3) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © Finepic® Autorenfoto: © privat

ISBN 978-3-95818-015-4

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

Köln, September 1963

Angst schärft die Sinne, Panik dagegen verfälscht sie. Thea wusste nicht, wo sie diesen Satz aufgeschnappt hatte, aber jetzt erkannte sie die Wahrheit darin – und wie grausam diese sein konnte. Ihr Atem schmerzte in ihrer Kehle, als würde er aus unzähligen Klingen bestehen. Sie hörte ihre eigenen Schritte und auch Maryas kaum, während die in ihrem Rücken wie Gewehrfeuer klangen.

Die Straße vor ihnen war menschenleer, lediglich gesäumt von Mehrstockhäusern, Laternen und Abfalltonnen – stumme Zeugen ihrer Verzweiflung. Selbst Maryas Finger, die sich um ihre gekrampft hatten, fühlten sich an, als stammten sie nicht von dieser Welt.

Trotz allem, das ungewollt in ihrem Leben aufgetaucht war, hatte Thea stets geglaubt, friedlich im Kreis ihrer Familie zu sterben. Sie dachte an ihre Tochter, und allein das gab ihr die Kraft, weiterzulaufen. Die Kleine war sicher. Egal, was geschah, die Männer würden sie nicht bekommen.

»Nach rechts!« Marya wartete nicht, bis sie reagierte, sondern zerrte sie in die nächste Seitenstraße. Ein Ruck lief durch Theas Körper, doch es schmerzte nicht. Im Gegenteil, es kam ihr ebenso unwirklich vor wie der Regen auf ihrem Gesicht oder die Füße, in denen es pochte und riss. Sie hatte einen Schuh verloren, irgendwann auf dieser Jagd durch die nachtdunkle Stadt. Wo, wusste sie nicht mehr. Vielleicht wusste Marya es. Letztlich war es egal. Sie würde vielleicht sterben, sie war zu schwach, um sich zu wehren. Der einzige Grund, um weiterzuleben, war ihre Kleine mit den großen Augen und dem widerspenstigen Haar. Doch sie hatte Angst, die Männer zu ihr zu führen. Vielleicht war es einfach besser, aufzugeben, sich nicht mehr verstellen und verstecken zu müssen.

Ihre Grübeleien verdrängten die Panik und ließen Angst zurück. Ziegelmauern und Plakate, an deren Ecken der Wind zupfte, zogen vorbei. Eine Katze verschwand fauchend unter einer Plane. Grau und das Gelb der Laternen – mehr Farben gab es hier nicht. Vor ihnen schälte sich eine Straße aus der Dunkelheit.

Marya blieb vor ihr stehen. Ihr Atem rasselte. Ihre Brust hob und senkte sich, und ihre schwarzen Locken klebten an Hals und Schultern. »Wir trennen uns«, sagte sie und drückte Theas Hand. Auch sie hatte Angst – das bewies der schwere Akzent, der immer dann durchsickerte, wenn sie aufgeregt war. »Hörst du? Ich laufe links weiter, du rechts. Vielleicht verwirren wir sie dadurch.«

Thea nickte. Es blieb nichts zu sagen in dieser Welt, die sich gegen sie verschworen hatte. Sie sah zu, wie Marya in die Dunkelheit eintauchte – Vertraute, Schwester, Leidensgefährtin. Dann drehte sie sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Jetzt, da sie allein war und niemand mehr hatte, der sie weiterzerrte, verschwand auch der Rest der Benommenheit. Thea atmete tiefer, lief schneller, und doch verlor sich das Echo hinter ihr, das keines war, niemals.

Ihr Weg endete in einer Sackgasse. Die Steine mauerten sich vor ihr in die Höhe und schienen sie zu verspotten. Theas Schultern sackten herab, sie spürte Nässe auf ihren Wangen. Sie hätte in ihrer Trance bleiben sollen, vielleicht wäre dann der Tod weniger schlimm gewesen. Jetzt spürte sie, wie ihre Hände zitterten und ihre Knie drohten nachzugeben. Sie schluchzte auf und presste erschrocken beide Hände auf den Mund.

Die Schritte waren ganz nah. Die Männer hatten sich nicht wie erhofft aufgeteilt, sondern entschieden, zumindest bei einer Beute auf Nummer sicher zu gehen. Und sie hatten Thea gewählt.

Sie wich bis zu der Mauer zurück, die ihr Schicksal besiegelte, und sah zwei Gestalten in die Gasse treten. Sie waren ebenso grau wie die Häuserwände und der Boden zu ihren Füßen, selbst wie der Himmel. Ihre Rufe waren verstummt, und sie kamen langsam näher. Massige, bedrohliche Schatten. Ihre Beute befand sich direkt vor ihnen, doch sie hatten gelernt, trotzdem vorsichtig zu sein. Als sie das Licht der Straßenlaterne erreichten, schimmerten die Waffen in ihren Händen schwarz und braun. Dann sah Thea ihre Gesichter. Das eine war hager und wurde von der Nase und strähnigen Haaren dominiert, die seitlich in die Stirn fielen. Der zweite Mann war mehrere Handbreit kleiner und trug sein dunkles Haar kurz und in der Mitte gescheitelt. Trotz aller Unterschiede ähnelten sie sich durch die Entschlossenheit und den Hass auf ihren Zügen.

Thea versuchte, sich kleiner zu machen, als sie es ohnehin war. »Bitte.« Sie stolperte über dieses eine Wort. Ihre Zunge war so schwer wie ihre Kleidung, die den Regen aufgesogen hatte. »Ich tue niemandem etwas. Ich will einfach nur nach Hause.« Sie klang wie ein Kind, nicht wie eine junge Frau.

Die Männer gingen weiter, als hätten sie nichts gehört.

Thea hob die Hände und hielt sie vor ihr Gesicht, so als könnte sie alles abwehren, Kugeln und Hass und Misstrauen. Die Männer blieben auf der Stelle stehen, rissen ihre Waffen in die Höhe und zielten.

»Nimm die Hände runter!«, brüllte einer. Seine Stimme hätte schön klingen können, wäre da nicht all die Wut gewesen. Und die Angst. Die Männer hatten Angst vor ihr.

In der Dunkelheit zu Theas Füßen bewegte sich etwas. Sie sah nicht hin, sah nichts mehr bis auf das süße Lächeln ihrer Tochter, als sie die Augen schloss. Eine Bewegung an ihrem nackten Fuß verlieh ihr die nötige Stärke, um sich nicht mehr zu rühren. Dann war auch diese verschwunden, und sie war allein. Die Mauer in ihrem Rücken war so kalt, so kalt. Die Männer schrien etwas, aber sie verstand nicht.

Sie hörte das Klicken der Waffen. Sie hörte sogar die Schüsse, ehe etwas sie von der Welt trennte und für immer mit sich nahm.

Sydney, Gegenwart1

Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in der Wahrnehmung wäre.(Thomas von Aquin)

Die Lichter des Krankenwagens tauchten die Umgebung in einen Pulsschlag aus Blau und Rot und ließen Einzelheiten für kurze Momente sichtbar werden: Straße, Menschen, Fahrzeuge, Füße.

Naya drückte ihr Kinn fester auf die Knie und starrte auf ihre nackten Zehen. Blut hatte sich unter die Nägel gegraben und sie in die einer Toten verwandelt: Halbmonde, die im Dunkel der Nacht verschwanden, um dann aufzutauchen, wieder und wieder. Immerhin war der Anblick ihrer Füße vertraut, anders als die raue Decke, die ihr ein Sanitäter um die Schultern gelegt hatte. Der grobe Stoff roch muffig, nach Staub und Fabrik. Er verlieh ihr nicht den erhofften Kokon aus Wärme und Geborgenheit, sondern isolierte sie auf seltsame Weise von dem Ameisenhaufen an Polizei, Männern der Ambulanz von New South Wales und Schaulustigen, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite bemühten, so diskret wie möglich herüberzustarren. Irgendwo lagen ihre Schuhe.

Neben ihr setzte ein Scheppern und Knirschen ein: Claires Auto wurde abgeschleppt. Naya sah nicht hin, stellte sich aber die Dellen in der Karosserie vor, aus den Angeln gerissene Türen und Qualm, der aus der Motorhaube des Holden Camira kroch. Nach dem Unfall hatte ein Mann in Schutzkleidung sie hinausgezogen und über die Straße getragen. Sie hatte nicht zurückgeblickt, doch in ihrer Vorstellung musste jeder Wagen, der sich mehrmals überschlug, aussehen, als hätte die Faust eines Riesen ihn zerquetschen wollen.

Seltsamerweise ängstigte auch dieses Bild sie nicht, und so schob sie es zur Seite. Ihre Gedanken wanderten weiter zu Claire. Ihre Cousine saß eine Armlänge entfernt neben ihr und war ebenfalls in eine Decke gehüllt. Sie hatte die Augen geschlossen, der Kopf lehnte an einer Tür des Ambulanzwagens.

Naya wusste, dass sie sich bei Claire entschuldigen sollte, doch selbst dazu konnte sie sich nicht aufraffen. Ein Schleier hatte sich über die Welt gelegt. Sie wirkte wie eine Theaterinszenierung, an der Naya nicht teilnehmen wollte. Womöglich konnte sie es auch gar nicht, da ihr Kopf in den letzten Minuten – Stunden? – zu schwer geworden war, um ihn zu heben. Sie hätte es ausprobieren müssen, um die Antwort darauf zu finden, nur war sie daran nicht interessiert.

Abgesehen davon: Was sollte sie Claire sagen? Dass es ihr leidtat, einen Unfall verursacht zu haben, der sie beide das Leben hätte kosten können?

Es war nicht der so vertraute Klang ihres Namens, der sie aus ihrer Starre riss, sondern vielmehr eine Bewegung in ihrem Augenwinkel. Sie schickte eine Eisschicht unter ihre Haut, die seltsamerweise brannte.

Naya keuchte, robbte ein Stück zurück und zog ihre Zehen unter die Decke. Schweiß bildete sich in ihrem Nacken, auf den Armen und zwischen ihren Brüsten, während sie auf den Boden starrte. Doch da war nichts. Lediglich die sich noch immer drehenden Lichter der Ambulanz ließen die Schatten tanzen.

»Claire?! Naya!«

Onkel Lewis schob sich durch die Reihen der Männer und malte Risse in die Schicht aus Angst und Schrecken, schaffte es jedoch nicht, sie vollends zu zerstören. Seine Stirn lag vor Sorge in Falten, seine Lippen bildeten eine weiße Linie. Er rannte auf den Wagen zu, zog Claire in seine Arme und küsste ihren Scheitel, um sie dann von sich zu drücken und von oben bis unten mit Blicken abzutasten. Er trug Lederschuhe zu einer Jogginghose und einem weißen T-Shirt.

»Bist du verletzt? Hast du dir etwas gebrochen? Oder Kopfweh?« Er schob Claires Honiglocken beiseite und berührte ihre Schläfen, als würde er ihre Schmerzen fühlen können.

Claire schüttelte ihren Kopf. »Alles okay, Dad. Ich will nur nach Hause.« Sie sah Naya nicht an.

Onkel Lewis nickte und zog die Decke wieder vor Claires Brust zusammen. Trotz der Wärme, die Sydneys Straßen selbst in der Nacht abgaben, schien jeder zu denken, dass Unfallopfer froren.

Wahrscheinlich war das auch so, wenn man unter Schock stand und der Blutdruck in den Keller gesaust war. Naya spürte jedoch nichts außer Hitze durch ihren Körper toben. Ihr Blick flackerte zwischen ihrem Onkel und dem Boden hin und her.

Dort ist nichts.

Eine Berührung an ihrem Bein brachte die Hitze zum Überkochen. Naya zuckte zusammen.

»Hey, ganz ruhig. Ich bin es nur.« Onkel Lewis beugte sich zu ihr herab, bis sein Gesicht auf einer Höhe mit ihrem war. »Ist mit dir alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?«

Seine gewitterblauen Augen ähnelten so sehr denen ihres Vaters, dass sie schlucken musste. Sie wollte nicht aus dem Schutz der Decke heraus, wollte den Wagen nicht verlassen. Vor allem wollte sie keinen Fuß auf diesen Boden setzen.

Onkel Lewis runzelte die Stirn. »Naya?«

Sie räusperte sich. »Mir geht’s gut.« Ihre Stimme schabte durch ihren Hals und klang nach Blech und Stein.

Onkel Lewis zog seine Hand zurück und setzte sich vorsichtig zwischen die beiden Mädchen. Er legte einen Arm um Claire und atmete erleichtert auf, als sie ihren Kopf auf seine Schulter fallen ließ. Seine freie Hand legte er auf Nayas Schulter. »Ich habe deine Eltern angerufen. Sie sind sofort aufgebrochen und auf dem Weg zu eurem Haus. Ich bringe dich hin.«

Naya schwieg. Ihre Eltern konnten ihr auch nicht helfen.

Onkel Lewis strich Claire über das Haar, tätschelte unbeholfen Nayas Schulter und musterte die Männer, die sich um einen Polizisten drängten. Einer von ihnen bemerkte ihn, löste sich von der Gruppe und hielt auf sie zu.

Ihre Eltern – das Geschäftsessen, auf das sie sich so lange vorbereitet hatten und das sie nun wegen ihr abbrachen. Naya zog die Decke über ihr Kinn. Sie hatte es geschafft, gleich einer Handvoll Leuten den Abend zu verderben. Als sie zu Claire schielte, hob ihre Cousine den Kopf und blickte sie zum ersten Mal seit dem Unfall an. Einen Atemzug später sah sie wieder weg, doch der Moment hatte genügt. Claire gab Naya die Schuld an dem, was geschehen war.

Und sie hatte recht.

»Sie hat Claire ins Lenkrad gegriffen, weil sie dachte, dass eine Schlange durch das Auto kriecht. Eine verdammte Schlange, Marion! Das hat nichts mit Schreckhaftigkeit zu tun.« Die Stimme ihres Vaters erhob sich aus dem Gemurmel ihrer Eltern und wurde sofort vom vorwurfsvollen Ton ihrer Mutter zurückgerissen. Eine Tür schlug zu und isolierte die Stimmen mit all ihren Vermutungen, Emotionen und Schlussfolgerungen.

Naya lag im Bett ihres alten Zimmers, aus dem sie vor über einem halben Jahr ausgezogen war, und starrte an die Decke. Ihre Eltern stritten sich selten, und nun taten sie es wegen ihr. Natürlich, sie glaubten ihr nicht. Sie hatte sich nicht bewegt, seitdem ihre Mutter ihr einen Teller Suppe hingestellt und sie zugedeckt hatte. Die Schreibtischlampe neben dem Fenster streute Licht über den Fußboden und spiegelte sich in der Glasscheibe. Es genügte, um die Schatten im Raum zu vertreiben – und um nachzusehen, ob sie auch wirklich allein war. Doch dazu konnte Naya sich ebenso wenig aufraffen wie dazu, sich auf die Seite zu drehen oder einen Schluck Wasser zu trinken, obwohl ihre Kehle vor Trockenheit schmerzte. Es war, als hätte ihr Wille ebenso Schaden genommen wie Claires Wagen.

Eine verdammte Schlange, Marion!

Naya schloss die Augen, krallte die Finger in das Laken und biss die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Unter ihren Lidern brannte es, doch sie durfte die Beherrschung nicht verlieren. Der Grat zwischen Überzeugung und Wahnsinn war erstaunlich schmal, das hatte sie festgestellt, seitdem sie darauf tanzte. Sie wusste, was sie in Claires Auto gesehen hatte. Sie hätte ihre Cousine lediglich bitten müssen, sofort anzuhalten und den Wagen zu verlassen, aber da hatten ihre Instinkte bereits die Kontrolle übernommen. Sie hatte geschrien und getobt, und dann hatte sie das Lenkrad zur Seite gerissen. Das bedeutete nicht, dass sie wahnsinnig geworden war oder fantasierte, auch wenn ihr Vater das vielleicht glaubte. Es gab verdammte Schlangen auf dem gesamten Kontinent, selbst in den Städten. Nur, weil sie in der letzten Zeit häufiger von den Biestern träumte, hieß das nicht, dass ihre Fantasie mit ihr durchging. Schlangen krochen in Autos, weil es dort warm war. Diese Logik ließ sich nicht durch Wahnvorstellungen ersetzen, auch wenn ihre Eltern den Vorfall so zu erklären versuchten. Sie klammerten sich an Worte wie Trauma oder Schock und suchten die Ursachen dafür überall: in Nayas Skepsis gegenüber Claires Fahrkünsten (die sehr durchschnittlich waren) oder in jenem Tag vor über zehn Jahren, als sie sich am Touristenzentrum des Uluru-Kata-Tjuta-National-parks allein auf den Weg gemacht und wirklich eine Schlange gesehen hatte. Nur hier in Sydney mit all seinen Bewohnern vermutete niemand abstoßende Schuppenkörper mit lidlosen Augen und Giftzähnen. Beinahe so, als wäre Australien zweigeteilt und ein Teil streng vom anderen isoliert.

Naya biss die Zähne zusammen. Es war nicht nur Unsinn, so zu denken, sondern auch gefährlich. Wenn man die Augen vor Dingen verschloss, die einem nicht gefielen, gab man ihnen lediglich die Macht, zu wachsen und eines Tages zu einer wirklich unangenehmen Überraschung zu werden.

Sie holte tief Luft und wünschte sich zurück in die Zeit, als ihre Welt noch in Ordnung gewesen war. Die Zeit vor den Albträumen. Naya wusste nicht mehr, wann genau sie begonnen hatten, doch sie handelten stets von Schlangen. Nach jedem Traum wachte sie schweißgebadet auf.

Ein Schaben an der Tür erschreckte sie so sehr, dass sie sich kerzengerade aufsetzte. Dann begriff sie, dass jemand die Türklinke herabdrückte. Kurz darauf huschte Phoebe in das Zimmer, begleitet von einem goldenen Lichtstrahl aus der Diele. Naya atmete auf und beobachtete, wie ihre kleine Schwester die Tür mit beiden Händen zudrückte und dabei ächzte, als würde es ihre letzte Kraft kosten. Phoebes viel zu große Füße klatschten auf das Laminat, als sie auf das Bett zustürmte und sich hineinwarf.

Naya blieb nichts anderes übrig, als bis zur Wand zu rücken, um Platz zu schaffen. Die Starre fiel von ihr ab, als Phoebe sich an sie kuschelte und die Spargelärmchen um ihren Hals warf.

»Wie sah die Schlange in Claires Auto aus?«, fragte sie, bereits wieder im Halbschlaf. Ihr Haar kitzelte Nayas Wange. Es roch nach Phoebes Kinder-Orangenshampoo und Sauberkeit.

Ein Lächeln stahl sich auf Nayas Lippen. »Es war zu dunkel. Ich konnte nur einen Schatten erkennen«, sagte sie und streichelte Phoebes Stirn.

»War sie groß?«

»Nein«, flüsterte Naya, legte sich ebenfalls wieder hin und schloss die Augen. Lieber log sie, als ihrer Schwester Angst zu machen. »Ganz klein.«

Phoebe kicherte und war kurz darauf eingeschlafen. Ihr gleichmäßiger Atem und die Wärme der Bettdecke hüllten Naya endlich in die Geborgenheit, die sie gesucht hatte, und gaben ihr das Gefühl, wieder ein Kind zu sein.

In ihrer Wohnung in Newtown brannte Licht. Naya zog ihren Schlüssel aus der Tasche und bemerkte, dass die Tür nur angelehnt war. Mit klopfendem Herzen drückte sie gegen das Holz und blinzelte in den Flur. »Hallo?«

Niemand antwortete. Naya schloss die Tür hinter sich und ging in das Wohnzimmer. Auf dem Tisch stapelten sich leere Pizzakartons und Zeitschriften. Etwas raschelte, die Schachteln bewegten sich, eine fiel zu Boden. Teigreste trafen Nayas Beine. Die Berührung war zart, beinahe liebevoll. Dann verstärkte sich der Druck an den Knöcheln.

Naya sah hinab auf braune und weiße Schuppen auf einem länglichen Körper. Die Schlange wickelte sich träge um ihre Fußgelenke, dann hob sie ihren Dreieckskopf. Naya starrte in Kohleaugen, die direkt aus der Hölle stammten. Das Schlangenmaul öffnete sich.

Mit einem Knall zersprang das Glas der Deckenlampe und riss alle Farben davon.

Keuchend sprang Naya aus dem Bett und bemerkte voller Panik, dass es dunkel war und keine Neonlichtreklame durch das Fenster blinkte. Sie war also noch immer im Haus ihrer Eltern in Neutral Bay, nicht in ihrer Wohnung in Newtown. Phoebe lag nicht mehr in ihrem Bett, und jemand hatte die Schreibtischlampe ausgeknipst.

Die Angst ließ Naya stolpern und trieb sie gleichzeitig an. Die Verbindung von Traumerinnerungen und Dunkelheit zerrte an ihrer Beherrschung. »Wo bist du? Wo bist du, verdammt nochmal!« Sie tastete nach dem Lichtschalter. Ein Nagel brach, als sie ihre Hand gegen die Wand schlug. Der Atem kam in kurzen Stößen, in ihrem Kopf kreischte ein Stimmchen ihr zu, sich zu beeilen. Sie wollte nur noch weg von hier. Tränen liefen über ihre Wangen, aber sie versuchte, sich zusammenzureißen. Lauerte in den Zimmerecken etwas auf sie? Kroch etwas auf ihre Füße zu, im Wettlauf mit ihrem Versuch, Licht zu machen? Der Gedanke, jede Sekunde eine Berührung zu spüren, schnürte ihr die Kehle zu.

Endlich fand sie den Lichtschalter und schlug so fest darauf, dass das Plastik splitterte. Das Zimmer wurde in warmes Orange getaucht.

So schnell sie konnte, drehte Naya sich um die eigene Achse und suchte den Boden ab. Ihre Haare fielen in die Stirn und nahmen ihr einen Teil der Sicht. Dennoch bemerkte sie den dunklen Schatten, der unter dem Bett verschwand.

Ihr wurde eiskalt. Sie zitterte und lief rückwärts, bis sie sich gegen die Wand presste. Von hier konnte sie unter das Bett blicken, wenn sie sich nur ein wenig herabbeugte. Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber sie musste auf Nummer sicher gehen. Wenn dort wirklich etwas war, durfte es nicht frei durch das Haus kriechen, nicht mit Phoebe im Nebenzimmer. Außerdem: Nie wieder in Ruhe einschlafen? Dieses Zimmer niemals wieder betreten?

Du darfst deinen Ängsten nicht die Macht geben, zu wachsen.

Sie sah zur Tür. Würde sie es schaffen, zu flüchten, wenn sich wirklich eine Schlange im Zimmer befand? Wie schnell waren diese Biester eigentlich? Nayas Gedanken rasten. Sollte sie ihren Vater holen?

Ausgeschlossen.

So kurz nach dem Unfall würde er alles, was sie sah, für eine Wahnvorstellung halten, erzeugt durch Trauma und extremen Stress. Nein, hier musste sie allein durch. Naya atmete tief ein und ballte ihre Hände zu Fäusten. Schweißtropfen liefen über ihre Stirn und an der Nase herab, als sie langsam in die Hocke ging. Nur keine hektischen Bewegungen. Sie zuckte zusammen, als eine dicke Haarsträhne von ihrer Schulter rutschte und mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden traf.

Unter dem Bett war nichts.

2

Suche nichts zu verbergen, denn die Zeit, die alles sieht und hört, deckt es doch auf.(Sophokles)

»Die junge Dame in der vorletzten Reihe, rotes Shirt, braunes Haar. Wie heißen Sie?«

Naya begriff erst, dass sie gemeint war, als sie die Blicke ihrer Kommilitonen bemerkte und selbst die Leute in der Reihe vor ihr sich zu ihr umwandten. Jemand kicherte. Hitze flammte über ihre Wangen.

»Naya Green«, sagte sie und sah nach vorn, wo sich das Licht der Deckenbeleuchtung auf der Brille ihres Dozenten spiegelte. Professor Opperman rückte sie zurecht, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

»Miss Green. Was auch immer Sie auf dem Boden zu finden hoffen, ich versichere Ihnen, dass alles, was hier vorn stattfindet, Ihnen mehr Vorteile im Studium verschafft.«

Naya grub ihre Zähne in die Unterlippe, dann nickte sie. Jede Erklärung würde nur nach einer Ausrede klingen. Zudem war sie wütend auf sich selbst. Sie musste aufhören, andauernd den Boden im Auge zu behalten, so als würde es in der Universität vor Schlangen nur so wimmeln. Damit machte sie sich lediglich das Leben schwer. Die Einführung in die Geschichte derKulturtheorien war außerdem nicht so trocken, wie sie befürchtet hatte – im Gegenteil. Heute sprach Opperman über die tiefe religiöse Bedeutung der Körperbemalungen der Aborigines, deren Farbe aus Ocker, verschiedenen Lehmarten und Ölen angerührt wurde. Die Muster aus gepunkteten Linien, Schraffuren und anderen Formen verrieten nicht nur die soziale Position oder das Verhältnis des Bemalten zu seiner Familiengruppe, seinen Vorfahren, Totemtieren und Landesteilen, sondern sollten ihm auch die Kraft verleihen, sich seiner spirituellen Existenz anzunähern. Naya gefiel die Art, wie der Professor seinen Vortrag mit Beispielen auflockerte, und mit der Zeit vergaß sie vollkommen, auf ihre Füße zu sehen.

Nach der Vorlesung besorgte sie sich einen Becher Kaffee und machte sich auf den Weg nach draußen. Sonnenschein empfing sie, und sie blieb stehen und blinzelte, bis ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Die Wärme sorgte dafür, dass sie sich augenblicklich besser fühlte. Sie lief weiter, vorbei am Gebäude und dem Steinrondell, auf dem sich die Studenten drängelten, zum Stammtreffpunkt mit ihren Freunden. Der Alltag an der Universität von Sydney mit seinem Stimmengewirr und Gelächter ließ die Schrecken der vergangenen Nacht zu einem Schatten verblassen.

»Hey, Naya! Hier drüben!« Jemand winkte ihr von der Grünfläche vor den neugotischen Gebäuden aus zu. Sie änderte die Richtung, stolperte beinahe über ein auf dem Boden liegendes Pärchen, murmelte eine Entschuldigung und ließ sich kurz darauf zwischen Lanie Heslin und Eve Saunders auf den Rasen fallen. Eve hatte dieses Lächeln auf den Lippen, für das viele sie auf den ersten Blick mochten.

Naya grüßte in die Runde. »Hey. Wie lange sitzt ihr schon hier?«

»Fast eine Stunde«, sagte Jossi, riss ihr den Pappbecher aus der Hand und spähte hinein. »Leer.« Er legte seinen Kopf nach hinten, schüttete den letzten Tropfen auf seine Zunge und zerdrückte den Becher dann mit eindeutigem Bedauern. »Che palle!« Naya schüttelte den Kopf. Jossi – eigentlich Giuseppe – war wohl der einzige Italiener der Welt, dem es egal war, ob man ihm ein Instantgebräu oder frischen Espresso vorsetzte. Er war süchtig nach jeder Sorte Kaffee, selbst wenn der Geschmack an Dinge erinnerte, die längst verfault waren. Sie angelte einen Cupcake aus der Pappschachtel, die in der Mitte der kleinen Gruppe auf dem Boden stand. »Wie steht es mit Plänen für heute Abend?«

»Du siehst fit aus«, sagte Sienna, die Fünfte im Bunde, statt einer Antwort.

Naya blinzelte. »Was meinst du?«

Gerade aus dem Mund der durchtrainierten Schwarzhaarigen klang die Bemerkung seltsam. Sienna deutete auf den Bluterguss an Nayas Oberarm, der so groß war wie ihre Faust. Die feinen Schnitte darauf waren bereits verschorft. »Dein Unfall. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du heute zur Vorlesung kommst. Meine Eltern hätten sich wahrscheinlich den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung besorgt, um mich einzusperren, damit ich erst einmal im Bett bleibe.«

Nayas Blick wanderte zu ihrer Schulter. »Ich wollte nicht den ganzen Tag auf weiße Wände starren und daran denken, was passiert ist«, sagte sie und rieb über ihre Haut, als könnte sie die Erinnerung an den Unfall wegwischen. Es sah wirklich nicht mehr so schlimm aus, aber sie hatte schon immer eine gute Wundheilung besessen. Die Prellungen an ihren Schultern wurden durch ihr langes Haar verdeckt, das sie heute offen trug, um keine Gerüchte zu schüren oder zu viel Neugier zu wecken. Es genügte, wenn Claire sie mied und somit daran erinnerte, was geschehen war.

»Eine weise Entscheidung«, sagte Eve, streckte sich und zupfte ihre Kastaniensträhnen in Form. Ein leiser Summton ertönte. Sie griff nach ihrem Handy, warf einen Blick darauf und kicherte leise, woraufhin Sienna sofort näher rückte und ihr über die Schulter spähte. Jossi verdrehte die Augen, sprang auf, wedelte vielsagend mit dem Kaffeebecher und verschwand.

Lanie rückte näher und klaute den angebissenen Cupcake aus Nayas Fingern. »Wir wollten heute Abend in die neue Bar in den Rocks«, sagte sie leise. »Bist du dabei?«

»Vielleicht. Ich bin nicht sicher, ob es so eine gute Idee ist, rauszugehen.« Lanie sah sie nachdenklich an. »Du musst einfach aufhören zu grübeln. Im Excelsior gibt es keine Schlangen, fertig. In Claires Auto hat sich dagegen vermutlich eine eingeschlichen. Das ist meinem Ex auch schon mal passiert. Du hast halt eine Phobie. Da ist es kein Wunder, dass du diese Viecher überall vermutest, wenn du erst einmal einer begegnet bist.«

Naya rieb ihre Handflächen gegeneinander. »Ich habe aber keine Lust, etwas zu vermuten«, murmelte sie. »Es macht mich wahnsinnig. Ich will entweder wissen, dass eine Schlange da ist, damit ich rennen kann, oder ich will mir den Kopf erst gar nicht zerbrechen, ob etwas da sein könnte. Sonst schaue ich ja den Rest meines Lebens in jede dunkle Ecke.«

»Klingt einleuchtend.« Lanie kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Es gibt Therapeuten dafür.«

Naya verengte ihre Augen. »Fang du nicht auch noch an.«

Lanie zupfte einige Grashalme aus dem Boden und warf sie Naya an den Kopf. »Für Phobien, meinte ich. Als Michelle hergezogen ist, hat sie bei jeder Kakerlake einen Anfall bekommen, weißt du noch? Sie konnte keinen Fuß mehr in dieses Restaurant am Darling Harbour setzen. Ihre Eltern haben sie dann zu einem Therapeuten geschickt. Ein alter Knacker, aber seinen Job hatte er drauf. Hinterher hat sie die hässlichen Viecher sogar anfassen können.«

»Ich sehne mich nicht gerade danach, mir eine Schlange um die Hand zu wickeln«, seufzte Naya und starrte auf ihre Fingernägel. »Aber vielleicht hast du recht.«

»Natürlich habe ich das. Übrigens auch damit, dass du dich mit schönen Dingen ablenken solltest. Immerhin sind wir im ersten Semester und da erwartet man von uns, viel zu feiern.« Sie grinste über das ganze Gesicht.

Gegen ihren Willen musste Naya schmunzeln. Lanies Begeisterung war schon immer ansteckend gewesen. »Der Abend wird sicher aufregend, wenn ich bei jeder Bewegung in meiner Nähe zu kreischen beginne«, gab sie zu bedenken.

Lanie kicherte. »Andere müssen Unmengen von Alkohol in sich hineinschütten, um richtig aus sich herauszugehen.«

Naya überlegte, ihr etwas an den Kopf zu werfen, beließ es dann aber bei einem Schnauben. »Wir werden sehen. Falls ich mitkomme, muss ich anschließend mit dem Zug nach Hause fahren. Momentan bin ich nicht so wild darauf, in einem Auto zu sitzen.«

Lanie schnalzte mit der Zunge. »Wo es doch jemanden gibt, der dich so gern bringen würde.« Sie deutete zum Gebäude hinüber. »Wie auf ein Stichwort … Cooper ist gerade auf dem Weg zu uns.«

Da sich alle anderen umdrehten, verzichtete Naya darauf. Stattdessen knabberte sie an einem zweiten Cupcake und überlegte sich, wie sie reagieren sollte, wenn Cooper Griffith jeden Moment grüßte. Sie mochte ihn, war sich aber noch nicht sicher, ob da mehr als nur Freundschaft war. Und sie wollte ihm ganz sicher kein so idiotisch-verliebtes Grinsen zuwerfen, wie Eve es soeben tat. Sie blickte wie beiläufig hoch und blinzelte in die Sonne, als Coopers lange Beine vor ihr stehen blieben.

»Hallo«, grinste er in die Runde und ließ sich neben Naya ins Gras fallen. Seine nackten Arme berührten ihre Haut. »Hey.«

Er war so groß, dass sie immer zu ihm hochsehen musste, wenn sie sich zwischen den Kursen auf den Gängen der Uni trafen. Nun betrachtete sie die kaum sichtbare Narbe an der Oberlippe und das ein wenig zu stark ausgeprägte Kinn. Genau das machte Coopers Gesicht so interessant und brachte einen Hauch Gefahr in das Blinzeln des blonden Surferboys. Aber genau das war er für sie: interessant, nicht mehr und nicht weniger. Leider grübelte sie momentan zu sehr über andere Dinge nach, um sich stärker mit ihren möglicherweise für Cooper vorhandenen Gefühlen befassen zu können. Sie hob ihr Kinn, um in das Sturmwetterblau seiner Augen zu schauen. Es wirkte trüb.

»Hallo, Coop. Müde?«

Zwei dunkle Linien hatten sich zwischen seine Augenbrauen gegraben. Er schüttelte den Kopf. »Eher besorgt. Was ist dran an der Geschichte, dass du gestern in einem Auto gesessen haben sollst, das sich mehrmals überschlagen hat?«

Naya schaffte es, zu lächeln. »So schlimm war es nicht. Wir haben uns gedreht und der Wagen ist gekippt, aber mir geht es gut. Ich habe ein paar Prellungen, aber die spüre ich kaum noch.« Wie zum Beweis streckte sie ihre Arme aus. Die Schatten darauf waren im Sonnenlicht kaum zu sehen.

Die Sorge in Coopers Gesicht wich einer einzigen großen Frage.

»Und dann hockst du hier, als sei nichts geschehen? Wie ist das denn genau passiert?«

Naya zog ihre Arme zurück und verschränkte sie vor dem Oberkörper. Sie hatte sich so sehr bemüht, den Unfall und die Schlangen zu verdrängen, dass sie nicht wusste, was sie antworten sollte.

»Claire hat die Kontrolle über den Wagen verloren«, murmelte sie.

»Claire?«

»Meine Cousine.« Lanie zwinkerte. »Bist du mit den Vorlesungen für heute durch, Coop?«, mischte sie sich ein.

Er hob die Augenbrauen. »Eigentlich schon, aber ich wollte mich noch bei Professor Lewitt melden, wegen der Assistenz beim nächsten Projekt.«

»Du hast nur Augen für deine Dozenten«, grinste Lanie. Ein rascher Blick streifte Naya. »Das stimmt so nicht, aber ich gebe mir Mühe. So soll es ja an der Uni sein, sagt man: Verpflichtungen über Verpflichtungen.« Das Lachen tanzte in seinen Worten. Er sprang auf. »Muss noch jemand von euch zurück zum Hauptgebäude?«

Naya sah auf ihr Handy. »Ich muss gleich zur nächsten Vorlesung.« Cooper strahlte. »Super. Ich hole mir noch etwas zu trinken. Treffen wir uns am Eingang?«

»Ja, gut.«

Er winkte und machte sich auf den Weg. Eve hielt noch immer ihr Handy in der Hand, aber starrte ihm hinterher, bis er hinter einer Menschentraube verschwand. Ihre Augen glänzten, als sie eine Grimasse in Nayas Richtung zog. »Eigentlich hat er recht, du solltest nicht hier herumsitzen. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn du noch eine Weile zu Hause bleibst.«

Lanie lachte und schleuderte einen Klumpen aus Gras und Erde in Eves Richtung. »Was, genügt nun ein Blick auf Coops Hinterteil, um dich eifersüchtig zu machen? Du solltest froh sein, dass es Naya gut geht!«

Eve duckte sich. »Bin ich ja«, sagte sie und giggelte, als hätte sie einen Scherz gemacht. »Ich wäre nach einem solchen Unfall wirklich fertig mit der Welt.«

Es klang wie ein Kompliment, doch Naya bemerkte den Seitenblick, mit dem Eve sie streifte. Plötzlich fühlte sie sich auf eine gewisse Weise schuldig. Es stimmte, Claire hatte weitaus mehr abbekommen. Naya dagegen hatte ihren Eltern am Morgen versichert, dass es ihr gut ging und sie zur Uni wollte, um sich mit anderen, alltäglichen Dingen zu beschäftigen. Niemand hatte diesen Wunsch infrage gestellt oder darauf bestanden, sie zur Untersuchung zu schicken. Solange sie sich erinnern konnte, war sie selten krank gewesen und wenn, hatte sie sich schnell erholt. Dass der Arzt sie am Unfallort untersucht hatte, genügte ihren Eltern daher vollkommen.

Und doch war die eigentliche Wunde wieder aufgerissen. Die Schatten lauerten noch immer und warteten auf den passenden Augenblick, um wieder an die Oberfläche zu kriechen. Und Eves Bemerkung hatte die Sonne über dem Campus ein Stück verdrängt, sodass die Dunkelheit erneut näherschleichen konnte.

»Ich geh dann auch mal«, sagte sie und sprang etwas zu hastig auf. Lanie tat es ihr gleich und schnappte sich ihre Tasche. »Wir sehen uns heut Abend!« Sie hakte sich bei Naya ein und zerrte sie von den anderen weg. »Du darfst dir nicht alles so zu Herzen nehmen.«

Naya wollte etwas erwidern, schwieg dann aber. Lanie hatte recht, aber sie konnte eben nicht aus ihrer Haut. Um sich abzulenken, betrachtete sie die Mauern und Türme der Uni. Die Gebäude sahen viel älter aus, als sie waren, so als hätte der Erbauer sich nicht an einem idealisierten Mittelalterbild orientiert, sondern selbst vor Jahrhunderten gelebt. Er führte den Betrachter auf eine Zeitreise, die von Geheimnissen wisperte und es mühelos schaffte, die Schrecken der Gegenwart zu verdrängen.

Naya atmete tief ein, legte ihren Kopf in den Nacken und blickte in den klaren, blauen Himmel. Sie mochte den Hauptcampus. Hier warteten unzählige Herausforderungen auf sie, aber sie musste keine allein durchstehen. Je mehr Leute in ihrer Nähe waren, desto sicherer fühlte sie sich. Selbst die angriffslustigste Schlange würde dieses Gelände meiden, wo Studenten lachten, faulenzten oder auf der Suche nach dem nächsten Kursraum durch die Gegend hetzten.

»Hey!« Lanie zerrte sie ein Stück zur Seite. »Nicht auf den Boden zu schauen, ist auch keine Lösung.«

Jemand blieb direkt vor ihr stehen. Naya riss ihre Aufmerksamkeit vom Himmel los, hob erschrocken ihre Hände vor den Körper und berührte dabei die Brust des jungen Mannes, so nah stand sie vor ihm. Verlegen ließ sie ihre Arme sinken und blickte in zwei graue Augen. Hätte Lanie sie nicht weggezogen, hätte sie ihn in vollem Lauf umgerannt.

»Tut mir leid«, sagte sie und trat mit roten Wangen zurück. »Ich habe dich wirklich nicht gesehen.«

Er warf einen nachdenklichen Blick in den Himmel. »In der Nacht sieht man da den Zentauren und dort das Kreuz des Südens.« Er rieb sich über die Bartstoppeln am Kinn, dann sah er Naya wieder an. »Mehr Sternbilder kenne ich leider nicht, aber ich kann irgendwie verstehen, dass sie dich faszinieren.« Grüne Funken schienen in seinen Pupillen aufzuleuchten.

Unwillkürlich lächelte Naya. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Seine Haare waren kurz und am Oberkopf ein wenig länger als an den Seiten. Sie besaßen die Farbe von dunklem Weizen und waren so verwuschelt, als wäre er soeben aus dem Bett gefallen. Der Dreitagebart vervollständigte den Eindruck, schaffte es aber nicht, die kleine Narbe an der Unterlippe zu verdecken. Trotzdem wirkte der Fremde, der sie um einen halben Kopf überragte, nicht müde, im Gegenteil. Er trug ein verwaschenes Shirt und feste Schuhe, die dringend geputzt werden mussten, und sah aus, als ob er noch etwas zu erledigen hatte.

Erst als er ihr Lächeln erwiderte und seine Augenbrauen hob, begriff sie, dass sie ihn wie paralysiert anstarrte. »Ich kenne mich mit Sternen gar nicht aus«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich habe nur ...«

»Geträumt«, fiel Lanie ein, ehe Naya sich vollkommen lächerlich machen konnte. »Ich habe dich hier noch nie gesehen. In welchem Semester bist du?«

Sein Lächeln blieb, wurde jedoch distanzierter, geschäftlicher. Auf eine gewisse Weise auch wachsamer. »Ich bin kein Student, ich habe nur etwas angeliefert«, sagte er. »Meine letzte Botenfahrt heute. Wurde auch Zeit, ich bin ziemlich fertig.«

Er sah gar nicht fertig aus, fand Naya. Nur interessant. Ein kaum sichtbares Grübchen zierte sein Kinn und seine Nase besaß einen leichten Schwung, so als wäre sie einmal gebrochen gewesen. Naya schätzte ihn auf Mitte zwanzig, vielleicht ließ seine Entschlossenheit ihn aber auch ein oder zwei Jahre älter erscheinen.

Sie strich ihr Haar glatt und hielt ihm eine Hand entgegen. »Dann wünsche ich dir einen schönen Feierabend. Entschuldige noch einmal, dass ich dich beinahe umgerannt habe.«

Er nahm ihre Hand und drückte sie, nicht so vorsichtig, wie es manche Männer bei einer Frau taten, doch auch nicht so fest, dass es schmerzte. Er hatte große Hände, und seine Haut war warm. Naya fühlte zwei, drei Schwielen.

»Danke, dir auch.«

Er ließ los, drehte sich um und ging weiter, ohne sich noch einmal umzublicken. Naya bedauerte es ein wenig, obwohl ihr seine Art gefiel. Er wirkte auf eine gewisse Weise zielstrebig, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals vor einer Entscheidung zögerte.

Jemand boxte ihr leicht in den Rücken, dann hörte sie Lanie kichern.

»Naya! Seit wann lässt du dich von einem fremden Typen hypnotisieren? Zudem von einem, der irgendwie unheimlich ist?«

Sie runzelte die Stirn und ärgerte sich darüber, dass sie sich wirklich ertappt fühlte. Er hatte nicht unheimlich gewirkt, im Gegenteil. Doch sie hütete sich, zu diskutieren, wenn Lanie bereits solche Bemerkungen fallen ließ.

Jossi tauchte auf und rettete sie, indem er Lanie mit einem selbstgefälligen Grinsen in seine Arme zog. »Ciao, bella«, schnurrte er. Naya schmunzelte. »Ich melde mich später!« Sie winkte den beiden und lief los.

Cooper wartete wie abgesprochen am Eingang. Zusammen tauchten sie in die Kühle des Gebäudes und schlenderten die Gänge hinab. Der Ton ihrer Schritte veränderte sich, selbst die Nuancen der umliegenden Gespräche klangen anders. Unwillkürlich starrte Naya wieder auf den Boden, straffte dann aber ihre Schultern und ermahnte sich im Stillen, nicht albern zu sein. Wenn draußen auf dem Gelände schon keine Schlange herumkroch, würde es hier drinnen erst recht keine geben.

»Wo ist dein Raum? Ich bringe dich noch hin.«

Naya kramte in ihrer Tasche nach dem Vorlesungsplan. Wie die meisten anderen Erstsemester hatte sie noch Probleme, sich auf dem riesigen Gelände zurechtzufinden. »Ich muss zu den Sozialwissenschaften. A14«, las sie vor und sah sich um.

Cooper legte ihr eine Hand auf die Schulter und dirigierte sie sanft zur Seite. »Dort entlang.« Wie immer kannte er den Weg genau. Naya hatte noch nie erlebt, dass er nicht absolut sicher war, wenn es um eine Entscheidung ging. Daher schien es ihr wie das Natürlichste der Welt, sich seiner Führung anzuvertrauen.

Knapp zehn Minuten später betraten sie den riesigen Saal, der zu ihrer Überraschung vollkommen verlassen war. Stirnrunzelnd studierte sie noch einmal ihren Plan und verglich die dort eingetragene Nummer mit der neben den breiten Türen. »Das verstehe ich nicht. Das hier muss er sein.«

»Zur Vorlesung von Eddings?«

Naya schrak zusammen und fuhr herum. Ein Typ mit Dreadlocks und einem Skateboard in einer Hand stand in der Tür und starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ob ihr zur Vorlesung vom Eddings wollt«, wiederholte er etwas lauter und schaffte es, seine Brauen ein weiteres Stück in die Höhe zu ziehen.

Naya verglich noch einmal mit ihren Aufzeichnungen und nickte. »Genau die suche ich.«

»Fällt aus.« Ein kurzer Gruß, dann hörte sie die Rollen des Boards auf dem blanken Boden, einen lauten Warnruf und dann einen Fluch. Etwas krachte gegen die Wand.

Cooper warf einen Blick aus der Tür, schüttelte amüsiert den Kopf und ging zurück zu Naya, die soeben ihren Plan verstaute.

»Damit habe ich dann wohl frei. Ich sehe mal nach, ob ich die anderen noch erwische.« Sie hob ihren Kopf und merkte, dass Cooper direkt zwischen ihr und der Tür stand – und dass er keine Anstalten machte, beiseitezutreten oder etwas anderes anzusehen als sie. Sie konnte sein Aftershave riechen und, schwächer, ein Duschgel, das mit seiner fruchtigen Note nicht so recht dazu passen wollte. Allmählich wurde sie nervös.

»Was genau ist das eigentlich für ein Projekt, bei dem du assistieren willst?«, fragte sie schließlich, als die Spannung in der Luft unerträglich wurde.

Er lächelte, doch seine Blicke verrieten, dass er nicht über die Uni reden wollte. »Das ist nicht so wichtig«, sagte er, trat näher und legte eine Hand auf ihre Schulter.

Sein Atem war warm, zum Aftershave gesellte sich der Geruch nach Kaugummi. Mit einem Mal wünschte Naya sich, er würde wieder Abstand nehmen. Das alles ging ihr zu schnell. Sie war sich ja nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt auf dieselbe Weise mochte wie er sie. Ja, er war attraktiv und sie unterhielt sich gern mit ihm, vielleicht schmeichelte ihr auch sein Interesse, aber zu mehr war sie nicht bereit. Noch nicht. Nicht derzeit. In den vergangenen Wochen musste sie ihre Energie aufbringen, um jeden einzelnen Tag zu überstehen – von den Nächten einmal abgesehen. Sie konnte sich den Kopf jetzt nicht über andere Dinge zerbrechen.

Mit einem Mal ärgerte sie sich darüber, für eben diese Dinge blind gewesen zu sein. Immerhin war sie teilweise schuld daran, dass sie hier mit Cooper stand und ihre Freunde der festen Überzeugung waren, dass sie sich genau das gewünscht hatte. Waren ihre Signale so missverständlich gewesen? Plötzlich wusste sie, dass sie keine Beziehung mit Cooper wollte, zumindest nicht jetzt. Nicht, wenn sie sich selbst kaum kannte. Alles, was sie sich von ihm erhofft hatte, war ein Anker, der sie in der Realität hielt. In einer Realität ohne Albträume und Schlangen.

Jetzt wollte er seinen Lohn dafür.

»Coop«, begann sie und fragte sich, warum ihr die Worte schwerfielen. Immerhin hatte sie in unzähligen Filmen und Büchern und auch schon im echten Leben gelernt, wie man jemandem einen Korb gab. »Es tut mir wirklich leid, wenn ich dir ...«

Sie brach ab, als er seine Hand zu ihrem Hals wandern ließ und vorsichtig ihre Haut streichelte. Er hatte sie nicht gehört. Wollte sie nicht hören. Seine Finger arbeiteten sich zu ihrer Wange vor.

Naya drehte ihren Kopf zur Seite, doch er folgte ihrer Bewegung. »Bitte lass das«, flüsterte sie.

Seine Augen glänzten direkt vor ihren, er musste sich ein Stück hinab gebeugt haben. »Gefällt es dir etwa nicht?«, fragte er.

Naya schüttelte ihren Kopf. Das Kribbeln war von ihrer Haut verschwunden und hatte sich zu einem schweren Klumpen in ihrem Magen gesammelt. Sie wünschte sich, dass jemand hereinkommen würde, doch ihr Wunsch erfüllte sich nicht. Was hatte sie auch erwartet? Das jemand sie retten und das Durcheinander aufräumen würde, dass sie selbst angerichtet hatte? Sie presste die Lippen aufeinander. Nein, sie war kein kleines Kind mehr, auch wenn sie sich gestern Abend in ihrem alten Zimmer so gefühlt hatte. Sie schob ihre Finger unter seine und drückte sie von sich weg.

»Hör auf. Ich will das nicht.« Sie legte so viel Entschiedenheit in ihre Stimme, wie es nötig war, versuchte aber, nicht kalt zu klingen.

Cooper zögerte, dann runzelte er die Stirn. »Soll das ein Spiel sein?«

Er ließ seine Hand, wo sie war. Wie eine Frage schwebte sie zwischen ihnen.

Naya schüttelte ihren Kopf. »Nein. Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass ich mehr wollte als Freundschaft. Vielleicht wollte ich das ja zu irgendeinem Zeitpunkt auch oder … oder ich war mir nicht sicher. Aber jetzt möchte ich einfach nur mit dir befreundet sein. Verstehst du?«, sagte sie und hoffte, dass er nicht sauer war. Sie würde das Vertrauen vermissen, das sich in den letzten Wochen zwischen ihnen entwickelt hatte und zu etwas wirklich Wichtigem werden konnte, wenn sie die Richtung zuvor klärten.

Coops Lächeln nahm ab, lediglich ein Mundwinkel zuckte leicht. Er sah ihr so lange in die Augen, dass Naya unruhig von einem Bein auf das andere trat. Als er endlich nickte, löste sich das Gewicht in ihrem Inneren in Luft auf.

Sie atmete aus. »Ich bin so froh, Coop. Ich dachte schon, dass ...«

Weiter kam sie nicht. Cooper packte sie, riss sie an sich und presste seine Lippen auf ihre. Sie glühten. Eine Hand lag auf einmal auf ihrem Rücken, die andere grub er in ihr Haar und hinderte sie daran, ihr Gesicht wegzudrehen. Für den Bruchteil einer Sekunde war Naya wie erstarrt, dann wütend. Sie schlug gegen seine Brust und versuchte, ihn wegzudrücken, doch er war zu stark. Seine Zunge stieß gegen ihre Lippen, zunächst fordernd, dann so brutal, dass Naya ihre ungewollt öffnete. Es schmeckte bitter, und allmählich bekam sie Panik. Er war ihr eindeutig überlegen. Er umschlang sie nun mit beiden Armen und presste sie so eng an sich, dass sie die Muskeln unter seiner Kleidung spüren konnte. Naya hatte sich mehr als einmal gefragt, wie sie sich anfühlten, aber jetzt stieß die Härte sie einfach nur ab. Ihr wurde übel. Sie schrie, doch der Laut wurde von Cooper erstickt.

Gelächter brandete draußen auf dem Gang auf und kam näher. Die Ablenkung genügte: Coopers Griff lockerte sich um eine Winzigkeit. Naya riss sich los und verpasste ihm einen heftigen Stoß mit beiden Händen. Er versuchte nicht, sie festzuhalten, wohl mehr aus Angst vor ungebetenen Zuschauern als durch Unfähigkeit. Naya ergriff die Chance, rannte an ihm vorbei und stürzte aus dem Saal. In ihrem Kopf hämmerten Wut und Enttäuschung, sie hatte sich noch nie so verraten gefühlt.

Sie achtete nicht auf die anderen Studenten, sondern umklammerte ihre Tasche mit beiden Armen und floh beinahe den Gang entlang. Der eine oder andere verwunderte Blick folgte ihr, aber niemand hielt sie auf. Ihre Hände zitterten und ihre Beine fühlten sich weich an. Der bittere Geschmack in ihrem Mund wollte einfach nicht verschwinden, und am liebsten hätte sie ausgespuckt. Noch immer konnte sie nicht glauben, was soeben geschehen war. Sie spürte, wie sich ihre Augen vor Wut mit Tränen füllten, und das machte alles nur noch schlimmer. Sie hatte Cooper vertraut, hatte sogar kurzzeitig überlegt, ihm von ihren Albträumen zu erzählen, und nun das! Ihr war jegliche Lust auf Gesellschaft vergangen, sie wollte nur noch ihre Ruhe, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie nirgendwo hinkonnte. Nicht nach Hause, wo dunkle Ecken und huschende Schatten auf sie warteten, und auch nicht zu ihren Freunden, da Coop sie dort zuerst suchen würde. Aber sie wollte nicht mit ihm reden, mit niemandem. Sie wollte einfach nur allein sein.

Sie hielt sich links, als sie wieder ins Freie trat, und lief so lange, bis die Geräusche hinter ihr leiser wurden und ihr die Sicherheit versprachen, die der Abstand mit sich brachte. Irgendwo über ihr krächzte ein Vogel, und sie legte den Kopf in den Nacken.

Der Zentaur und das Kreuz des Südens.

Seltsamerweise beruhigte sie der Gedanke an den fremden Lieferanten mit den grauen Augen. Sie ging bis zum nächsten Baum, ließ sich in das Gras sinken und lehnte ihren Rücken an den festen Stamm. Nach einer Weile schaffte sie es sogar, die Augen zu schließen und die Welt auszublenden.

Dieses Mal waren es keine Albträume, die sie in die Realität zurückrissen, obwohl sie es im ersten Moment vermutete. Schreie schnitten wie Schwerter in ihren Dämmerzustand und verdrängten ihn mit einer Brutalität, die beinahe schmerzte.

Naya riss ihre Augen auf. Augenblicklich war sie hellwach, keuchte und starrte auf ihre Füße. Sie saß noch immer auf der Wiese, ihre Füße kribbelten durch die ungewohnte Position. Lange konnte sie nicht geschlafen haben, die Sonne war nur unwesentlich weitergewandert, und in einiger Entfernung ging das Uni-Leben seinen normalen Lauf. Hastig rieb sie ihre Beine, bis das Blut stechend zurückfloss, und sprang auf.

Da war sie wieder, die alte Angst. Naya fuhr sich über die Stirn und bemühte sich, das Zittern ihrer Hand zu ignorieren. Es war nichts in ihrer Nähe, das nicht hierhergehörte, das sagte sie sich immer und immer wieder, bis der Kloß in ihrer Kehle verschwand.

Beim nächsten Schrei rannte sie los.

Je näher sie der Vorderseite des Gebäudes kam, desto mehr merkte sie, wie sehr sie sich getäuscht hatte: Nichts ging seinen normalen Lauf, und die Stimmung war so drückend, dass Naya beinahe zurückgewichen wäre. Die Studenten standen in kleinen Gruppen zusammen, tuschelten miteinander oder starrten einfach nur in Richtung des Haupteingangs. Manche hielten sich in den Armen, aus mehreren Richtungen war leises Schluchzen zu hören. Verwundert sah Naya sich um und blickte direkt in das Gesicht einer hübschen jungen Frau. Es war vom Weinen gerötet, die Augen geschwollen, doch trotzdem konnte man die Angst in ihnen flackern sehen. Eine stattliche Zahl an Dozenten mit Gesichtern aus Stein war unterwegs, telefonierte oder redete auf die Studenten ein. Naya versuchte, tief durchzuatmen, hatte aber das Gefühl, als drückte ein unsichtbares Gewicht auf ihre Brust. Etwas war geschehen. Was auch immer es war – es setzte etwas tief in ihrem Inneren in Gang und brüllte ihr zu, dass sie hier wegmusste. Obwohl sie am liebsten gerannt wäre, wusste sie, dass sie herausfinden musste, was vor sich ging. Sonst würde sie niemals wieder Ruhe haben, sobald sie einen Fuß auf den Campus setzte.

Langsam schlich sie weiter. Eine weitere Gruppe Studenten blockierte den Eingang und Naya drängelte sich zwischen ihnen hindurch. Bleiche Gesichter wandten sich zu ihr um, aber niemand sagte etwas. Manche hatten die Köpfe zwischen die Schultern gezogen, als ob sie sich gegen eine Gefahr von außen schützten.

Urplötzlich kreischte ein Mädchen auf. Eine männliche Stimme schnitt durch den gequälten Ton, tief und fest. »Geht zur Seite. Zur Seite!«

Nach und nach gehorchten die Studenten und bildeten eine Gasse. An ihrem anderen Ende erkannte Naya mehrere Männer. Sie hielten etwas zwischen sich, eine Art Trage, auf der ein regloser Körper lag, und liefen zielstrebig auf den Ausgang zu.

Naya presste sich an die Wand und öffnete die Lippen, doch weder konnte sie schreien, noch strömte Luft in ihre Lungen. Stattdessen verhakte sich ihr Blick mit den leeren Augen des Jungen, der dort lag. Sie kannte diese Augen, hatte noch vor wenigen Stunden hineingeblickt.

Es war Cooper. Sein Mund war weit aufgerissen. Weiße Sprenkel benetzten die Lippen. Er bewegte sich nicht.

Der Schock überrollte Naya und rief Erinnerungen an all die Momente wach, in denen sie wusste, dass etwas in der Nähe war, was dort nicht hingehörte. Ihr Puls pochte in ihren Ohren und überlagerte alle anderen Geräusche, hüllte sie in einen Kokon, der keinen Schutz bot, sondern lediglich Betäubung. Und die war nicht gut, wenn man aufmerksam sein musste. Wenn man die Umgebung nicht für einen winzigen Moment aus den Augen lassen durfte.

Naya beobachtete wie durch Glas, wie einer der Männer zwei Finger an Coopers Hals legte. Lange verharrte er in dieser Position. Viel zu lange. Naya versuchte zu zählen, doch sie stolperte über all die Ziffern in ihrem Kopf, die keinen Sinn ergeben wollten. Insgeheim wusste sie es bereits. Ihr wurde übel. Der Mann sagte etwas zu den anderen, aber Naya hörte ihn nicht. Sie musste ihn nicht hören, seine zitternden Hände und der erschütterte Gesichtsausdruck sprachen Bände.

Cooper war tot.

Die Luft schien viel kühler als zuvor. Naya zitterte, obwohl Jossi ihr seine Jacke um die Schultern gelegt hatte, nachdem er wie aus dem Nichts neben ihr aufgetaucht war. Immer wieder sah sie Coopers für immer erstarrte Augen vor sich. Sie ekelte sich bei der Vorstellung, dass seine Lippen, die im Tod von schaumigem Speichel bedeckt waren, sie kurz zuvor geküsst hatten, und schämte sich dafür. Wie stark sie zitterte, wurde ihr erst bewusst, als Jossi beide Arme um sie legte und sie an seine Brust zog. Er war kaum größer als sie, doch jetzt gab er ihr das Gefühl, ein Riese zu sein. Verzweifelt drängte sie sich an ihn, doch er wärmte sie nicht.

Vor einer halben Stunde waren Polizei und Rettungsdienst eingetroffen, aber Naya wusste, dass es zu spät war. Die Männer in ihren Uniformen hatten sich aufgeteilt: Zwei waren bei Cooper geblieben, während die anderen sich um die verängstigten Studenten kümmerten. Einige Mädchen waren hysterisch geworden oder hatten einen Weinkrampf bekommen, aus dem sie allein nicht mehr herausfanden. Die meisten Eltern waren verständigt worden. Manche hatten ihre Kinder bereits abgeholt, nachdem ihre Personalien aufgenommen und sie so knapp wie möglich befragt worden waren. Niemand durfte ohne Aufsicht nach Hause fahren, so lautete die Anweisung der Rettungsleute, die über den Campus patrouillierten. »Hey!« Jemand lief auf sie zu und winkte. Kurz darauf schälte sich Lanies bleiches Gesicht aus dem Dunkel. Sie schlang ihre Arme um Naya und Jossi und alle drei standen still, bis Stimmen in ihrer Nähe sie auseinanderrissen. Naya musste Lanie nur kurz ansehen, um zu ahnen, dass sie mittlerweile mehr wusste. Lanie zählte zu den neugierigsten Menschen der Welt, und so hatte sie sich zwischen Eltern und Polizisten herumgedrückt und sich auch nicht davon einschüchtern lassen, dass man sie mehrmals wegscheuchte.

»Also?«, flüsterte Naya. Eine Windböe dämpfte ihre Stimme.

Lanie zögerte und gab Jossi einen Wink. Er verstand und legte seinen Arm wieder um Naya, während Lanie selbst nach ihren Händen griff. Ihre Finger waren eiskalt. »Sie vermuten, dass er an einem anaphylaktischen Schock gestorben ist.«

Obwohl Nayas Haut bereits so kalt war, dass sie kaum noch etwas spürte, schnappte sie nach Luft, als die Kälte zu stechen begann. Nicht nur auf ihrer Haut, sondern auch darunter, überall.

Lanie fasste ihre Hand fester. »Vielleicht warten wir einfach, bis sie ihn ... bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.«

»Nein.« Naya wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, aber sie musste es wissen. »Sag es uns.«

Lanie biss auf ihrer Unterlippe herum und nickte dann. »Sie gehen von einem Schock aus, weil es so schnell ging.«

»Es?«

»Ein Fußknöchel ist geschwollen und verfärbt.« Sie holte tief Luft. »Sie haben zwei Einstiche gefunden. Cooper ist von einer Schlange gebissen worden.«

3

Was ist am Ende der Mensch anderes als eine Frage?(Rahel Varnhagen)

Selbst das Tageslicht konnte nicht anders, als sie zu umschmeicheln. Es wurde bereits schwächer; die Goldstrahlen auf dem Teppichboden zogen sich zurück und krochen, einer nach dem anderen, zum Fensterbrett empor.

Sie fürchten sich, dachte Dermot. Fürchteten sich vor der Schönheit der Frau, die neben ihm auf dem Bett lag und gegen die sie nicht bestehen konnten. Zuvor hatten sie sich über ihre Haut getastet und ihre Bräune in Pfirsichfarben getaucht.

Dermot atmete langsam aus und achtete darauf, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Er kannte Elara und ihre Launen. Momentan lag sie mit halb geschlossenen Lidern neben ihm auf dem Bett, sodass nur ein Schimmer des Meeresblaus ihrer Augen unter den Wimpern hindurchblitzte. Sie genoss die Entspannung, nachdem sie ihn gefordert hatte, immer und immer wieder. Doch selbst in einer Stimmung wie dieser konnte alles sie die Ruhe vergessen lassen – eine Bewegung, ein Lufthauch, ein plötzlicher Gedanke.

Dermot leckte behutsam das Salz von seinen Lippen. Er wollte nicht, dass sie ihn hinauswarf. Er mochte es, in ihrem Duft zu baden, ihre Haut zu spüren und sie zu beobachten, wenn sie es nicht bemerkte. Liebend gern hätte er sein Gesicht in ihrem Haar vergraben und die Stunden einfach vorbeiziehen lassen. Er sehnte sich danach, seine Arme noch einmal um Elara zu legen, einzuschlafen und genau in dieser Stellung wieder aufzuwachen. Selbst um das Frühstück am Morgen würde er sich kümmern – Rühreier mit Speck würde er schon hinbekommen, zur Not gab es immer noch Brot und Vegemite –, während Elara ihren Körper unter der Dusche zu neuem Leben erwecken konnte. Wobei …Er wagte es, einen Mundwinkel zu heben. Er hatte noch niemals bemerkt, dass ihr Körper nicht lebendig gewesen war.

Als hätte sie seine Gedanken geahnt, hob Elara ein Bein an und bewegte die Zehen.

Dermot biss sich auf die Lippe. Schlaf, beschwor er sie stumm. Entspann dich und schlaf ein.

»Du solltest bald aufbrechen, damit die alte Henne keinen Verdacht schöpft«, sagte Elara.

Er murmelte eine Antwort. Keine richtigen Worte, nur eine Aneinanderreihung von Silben. Irgendwie hoffte er, dass sie sich damit zufriedengeben würde. Zu seinem Leidwesen kannte er sie besser.

Sie setzte sich aufrecht und reckte sich. Nichts an ihr war eckig oder ungelenk, alles schien zu fließen. Ihre Rundungen glänzten matt und waren so nah, dass es Dermot in den Fingern zuckte. Elara war einfach perfekt. Sie benutzte ihren Körper nicht so wie viele andere Frauen, sondern spielte mit ihm, und es machte ihr Spaß.

Dermot konnte das voll und ganz verstehen. Sie war eine Tänzerin, nein, eine Königin, und ihr Glanz raubte ihm stets aufs Neue den Atem. Leider paarte dieser Glanz sich mit Elaras Angewohnheit, Befehle zu erteilen und keine Widerworte zu tolerieren.

Sie stieß ihn mit einem Fuß an. »Mit bald meine ich jetzt. Zieh dich an, Dermot.«

Etwas klatschte auf seinen nackten Rücken. Sein Shirt. Er roch Spuren von kaltem Zigarettenrauch, der sich in den Stoff gefressen hatte. Unwillig griff er danach und rollte sich herum. Die Stimmung war dahin und existierte nur noch in seiner Erinnerung. Ob Elara zumindest ab und zu an die Stunden dachte, die sie gemeinsam in ihrem Bett verbrachten, miteinander verschlungen wie zwei Menschen, die einfach nur hungrig auf den Körper des anderen waren? Er jedenfalls tat es, an jedem verdammten Tag auf der verdammten Farm.

Der Rippenstoff war kühl, als er ihn überstreifte, und brachte ihn dorthin zurück, wo er hergekommen war. Er wurde wieder zu Dermot Thomas, und seine Welt bestand aus Zigaretten, Pferden und größtenteils gewollter Einsamkeit auf einer Farm eine halbe Stunde nördlich von Meelah, mitten im Nichts. Einzig seine Treffen mit Elara weckten in ihm den Wunsch, sein Leben zu ändern und mehr zu sein. Bei ihr zu sein. Womöglich sogar für immer.

Ein Hauch von Trotz stieg in ihm auf. »Irgendwann sind wir vielleicht so weit, dass ich noch bei dir duschen kann.« Es hatte neckend klingen sollen, aber die Verbitterung schlug dennoch durch. Er wusste, dass seine Bemerkung ein Fehler war, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte.

Elara musterte ihn von der Seite. Unter ihrem Blick verwandelte er sich in jemanden, der ihre Zeit nur beanspruchte, statt sie zu bereichern. »Ich dachte immer, Geschäfte sind in der Welt der Männer heilig«, sagte sie. Selbst in ihrer Stimme hörte er ein Räkeln heraus. Es machte ihn schier wahnsinnig. Dermot ballte eine Hand zur Faust und versuchte, nach seiner Jeans am Boden zu angeln, ohne die Decke von seiner Beckenregion rutschen zu lassen. »Geschäfte schon«, knurrte er.

Elara wartete, bis er ihr wieder seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Erst dann hob sie eine Augenbraue. »Na also. Dann verhalte dich auch bitte wie ein Geschäftspartner und zieh das hier nicht unnötig in die Länge.« Sie deutete zur Tür.

Dermot starrte auf das Gemälde an der Wand vor ihnen. Es war eines von Elaras Werken, eine stilisierte Landschaft aus energischen, harten Pinselstrichen. Keine Schnörkel, keine Pastellfarben, keine Schattierungen. »Ich dachte, dass wir allmählich über diese Geschäftsnummer hinaus wären«, sagte er gedehnt und presste die Lippen aufeinander.

Elara schwieg. Zunächst glaubte er, dass sie wirklich über seine Worte nachdachte, aber dann drang leises Lachen an seine Ohren. Das Bett bewegte sich, als Elara sich auf die Seite rollte und ihren Kopf in eine Hand stützte. In ihren Augen glitzerte es vergnügt. Dermot tat sein Bestes, um nicht auf ihre Brüste oder die Wölbung ihrer Hüften zu starren.

»Was hast du gedacht?«, fragte sie amüsiert. »Dass wir ein Paar werden? Zusammen in Restaurants gehen, vielleicht sogar ins Theater?«

Dermot versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr Spott ihn traf. »Du weißt genau, dass ich das nicht so meinte«, sagte er und konzentrierte sich wieder auf das Bild. Linien in Schwarz, Grün und Blau.

Elaras Finger strichen über ihre Oberschenkel. »Ich sehe keinen Grund, noch länger über Nebensächliches zu diskutieren. Du hast zu tun und ich übrigens auch.« Der Spott war aus ihrer Stimme verschwunden. Sie fasste die Bettdecke und schlug sie zurück. Einen deutlicheren Rauswurf hätte sie ihm nicht liefern können.