In den Wald - Franz Orghandl - E-Book

In den Wald E-Book

Franz Orghandl

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Beschreibung

Nie darf Nina in den Büschen des Beserlparks so spielen, wie man spielt, wenn man kein Langweiler ist. Doch im Wald darf sie alles. Weil Mama und Papa nicht an den Wald glauben. Und da sind sie selbst schuld. Doch nicht nur Nina braucht den Wald und bald ist guter Rat teuer.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Neue Rechtschreibung

© 2019 by Obelisk Verlag, Innsbruck Wien

Lektorat: Saskia Hula / Regina Zwerger

Coverentwurf: Matze Döbele

Alle Rechte vorbehalten

Druck und Bindung: Finidr, s.r.o. Český Těšín, Tschechien

ISBN 978-3-85197-922-0

eISBN 978-3-99128-062-0

www.obelisk-verlag.at

Franz Orghandl

In den Wald

mit Illustrationenvon Matze Döbele

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Die Autorin

Der Illustrator

1.

Und es stimmte:

Im großen dunklen Schrank, hinter den gebügelten Hemden und am Stoß Tischtüchern und Bettüberwürfen vorbei, ging es in den tiefen Wald.

Der Wald hatte ein hohes, schattiges Dach und einen dicken Nadelteppich. Nur hie und da fielen goldene Sonnenstreifen durch seine Wipfel in die grüne Dämmerung.

Das alles war gut, denn um die Wohnung gab es nur das graue Haus und um das Haus nur die grauen Gassen, und der Beserlpark war auch grau, außer der Regen wusch ihn kurz in Farbe.

Nina mochte die Wohnung und sie mochte das graue Haus und die grauen Gassen und auch den staubigen Beserlpark. Aber den Wald mochte sie noch lieber.

Nie durfte sie im Beserlpark so in seinen Büschen spielen, wie man in den Büschen spielt, wenn man kein Langweiler ist, denn sobald es Abend wurde, gingen hier alle Männer aufs Klo. Das stank aber auch noch am Tag.

Mama sagte dann:

„Solche Schweine!“

Und Papa:

„Ich mach so was nicht!“

Im Wald roch es nach Tannenharz und Pilzen. Das Harz hing leuchtend an den Stämmen, es war dick wie Honig. Die Pilze wuchsen zwischen den Wurzeln. In manchen wohnten kleine Würmer, auf anderen Käfer mit glänzenden Panzern. Auf einer Lichtung, wo die Vögel sangen, stand ein tiefer steinerner Brunnen. Er war mit Flechten und Moos bewachsen. Dort holte Konstantin Mayer sein Wasser.

Konstantin Mayer wohnte in einem hohlen Baum am Rande der Lichtung. Er hatte hellblaues Haar und dunkelblaue Augen und war so groß wie Nina. Doch er konnte nicht durch den Schrank zu ihr kommen, niemals. Denn dort, wo Nina hindurch schlüpfte, sah Konstantin Mayer nur noch mehr Wald.

Und wenn Nina wütend brüllte:

„Geh einfach weiter!“,

so lief er mitten ins Unterholz.

Und er brüllte zurück:

„Du versteckst dich doch irgendwo, hör auf zu lügen!“

Es war für ihn nämlich genauso wie für Mama und Papa auf der anderen Seite, die dort nur die Schrankwand sahen. Deshalb glaubte Konstantin Mayer nicht an Mama und Papa, und Mama und Papa glaubten nicht an Konstantin Mayer.

Das machte Nina sehr wütend, denn sie verlangte, dass man ihr glaubte.

„Verdammt noch mal, wenn ich es aber sage!“, sagte sie zu Konstantin Mayer.

Und:

„Verdammt noch mal, wenn ich es aber sage!“, zu Mama und Papa.

Aber das Ganze hatte auch etwas Gutes. Sie konnte im Wald tun und lassen, was sie wollte, Mama und Papa glaubten ja sowieso nicht daran. Sie konnte auf die höchsten Bäume klettern und tief in den Brunnen tauchen. Und das Beste: Sie konnte hinaus in die Nacht.

Wenn es finster wurde, war es am schönsten. Die Farben schwanden, es gab Geräusche, die man am Tag nicht hörte. Es gab Glühwürmchen und Tau an den Grashalmen der Lichtung. Und wenn der Mond hell schien, sah man den Nebel darüber kriechen.

Um des Nachts den Wald besuchen zu können, legte sich Nina ganz brav und rechtzeitig ins Bett. Anstatt aufzustampfen und zu rufen, sie wolle auch den Krimi schauen, ließ sie Mama und Papa alleine fernsehen.

Hätte Nina gesagt, sie ginge noch in den Wald, hätten Mama und Papa nichts dagegen haben können, weil sie ja gar nicht an den Wald glaubten. Doch hätten sie gewusst, dass sie noch in den Schrank wollte, hätten sie behauptet, dazu wäre es schon zu spät. Was natürlich Blödsinn war, wie sie selbst wissen mussten, denn wie konnte es zu spät werden, um in einen Schrank zu gehen? Davon hatte noch keiner gehört. Behauptet hätten sie es aber doch, und zu zweit behaupten geht einfach.

Vor dem Fernseher saßen Mama und Papa immer lange und gingen nicht weiter als in die Küche oder aufs Klo. Nina konnte ganz ungestört von ihrem Zimmer über den Gang in das dunkle Elternschlafzimmer schlüpfen und dort in den stockfinsteren Schrank.

Manch ein Kind hätte vielleicht ein bisschen Angst gehabt, und auch Nina gruselte es, wenn auch sehr wenig, wenn sie sich an den Hemden vorbei tastete und am Stoß Tischtüchern und Überwürfen vorbeischob, bis sie den kühlen Abendhauch auf ihrer Haut spürte.

Es dauerte eine kleine Weile, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten und sie den vertrauten Weg erkennen konnte, an dem ein Bach glitzerte. Dort, wo am Tag die Sonne durch die hohen Wipfel brach, erschienen jetzt die Sterne. Über der Lichtung, wo am Tag die Vögel flogen, strichen nun Fledermäuse durch die Luft. Manchmal schrie eine Eule, und flog sie dicht über Nina hinweg, konnte die ihren Flügelschlag hören.

Dann lauschte sie, wo es im Gehölz knackte. Dort molk Konstantin Mayer dicke Halme, um Schaumkuchen zu backen, oder pflückte Knospen, aus denen er Marmelade und Sirup machte.

2.

Konstantin Mayers Augen kannten die Finsternis so gut, dass er kein Licht brauchte.

„Kommst du wieder von deinen Eltern?“, fragte er.

Nina wusste schon, dass er sich über sie lustig machte.

„Ja!“, sagte sie trotzdem.

„Aha“, sagte Konstantin Mayer. „Und wie viele sind das?“

„Zwei!“, sagte Nina ärgerlich, denn sie hatte es ihm schon oft genug erzählt.

„Und wie sehen die aus?“, fragte Konstantin Mayer weiter und Nina hörte sehr wohl den Spott in seiner Stimme.

„Na so groß“, Nina sprang auf einen Baumstumpf und streckte den Arm in die Höhe, „und solche Haare“, und sie deutete auf Mamas kurzes Haar und das etwas längere von Papa.

Da lachte Konstantin Mayer.

„Wer soll schon so groß sein?“

Er schüttelte den Kopf.

„Eltern sind so groß!“, rief Nina.

„Und wozu brauchst du sie?“, fragte Konstantin Mayer.

Nina war sich nicht ganz sicher.

„Für sehr viele Dinge“, sagte sie.

Konstantin Mayer drückte Nina den Krug mit Halmmilch in die Hand. Er selbst balancierte die Schüssel voll Knospen zurück zur ehrwürdigen hohlen Eiche, in der er wohnte.

Vor dem Baum machte Konstantin Mayer Feuer, um den Schaumkuchen zu backen und die Knospen aufzukochen. In die Eiche hinein setzte er eine besonders fette Glühwürmchendame, der viele Verehrer gerne Gesellschaft leisten wollten. Nina bereitete ihnen ein schönes Plätzchen in einem großen Blütenkelch, so dass sie lange bleiben und leuchten wollten. Nun brauchten sie noch Wasser. Und Nina wollte auch Salat.

„Nur Süßes mag ich nicht!“, sagte sie, denn nur Süßes mochte sie nicht.

Vor allem aber wollte sie in den Brunnen hinabtauchen. Dort gab es Brunnenkraut zu ernten. Gemeinsam mit Konstantin Mayer saß sie am steinernen Rand und wartete, bis der Mond höher gestiegen war und auf den Grund leuchtete.

Nina ließ sich mit dem Krautriffel in der Hand in das silberne Wasser gleiten. Wenn sie im Wald war, konnte sie lange unter Wasser bleiben, nichts hatte Eile. Sie zog ihre Kreise über dem kiesenen Grund, auf dem das Brunnenkraut spross. Nur die reifsten Triebspitzen riffelte sie vorsichtig ab, denn von wem man isst, den soll man gut behandeln. Sie drehte sich auf den Rücken, um den Mond hoch oben über der Wasseroberfläche zu betrachten. Er schien verschwommen, doch vertraut auf sie herab. So, wie er es auch über dem Beserlpark tat, wenn sie mit Papa spät vom Schwimmen heimkam.

Da wabberte ein schrilles Geräusch zu ihr herab. Ein Geräusch, wie es bisher im Wald nicht zu hören gewesen war.

Konstantin Mayers Kopf tauchte schemenhaft über dem Brunnenrand auf.

„Was ist das?“, trug es seine aufgeregte Stimme zu Nina.

Nina tauchte auf. Sie musste sich einen Moment besinnen.

„Das Telefon“, antwortete sie.

„Das was?“, rief Konstantin Mayer und hielt sich entgeistert die Ohren zu.

„Unser Telefon!“, rief Nina, der nun auch einfiel, wo dieses stand.

Auf dem Holzboden vor dem Elternschlafzimmer und mit bester Sicht auf ihr leeres Bett, wenn die Türe weit genug offen stand. Nina übergab hastig ihre Ernte und rannte los.

„Sag ihm, es soll aufhören!“, schrie ihr Konstantin Mayer hinterher.

Doch Nina war froh, dass es noch läutete, denn so wusste sie, dass noch keiner abgehoben hatte. Papa und Mama diskutierten nämlich gerne, wer rangehen musste, wenn sie es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatten.