In Furcht und Hoffnung - Emanuel Tobias Wiesner - E-Book

In Furcht und Hoffnung E-Book

Emanuel Tobias Wiesner

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Beschreibung

Verletzt, verbittert und verloren: Das ist Erian, ein junger und vom Leben gezeichneter Mann. Um einen tragischen Verlust zu verarbeiten, begibt er sich notgedrungen auf eine fantastische, aber schmerzhafte Odyssee in die Abgründe seiner eigenen Seele. Sein Innerstes wird dadurch zum Schauplatz von finsteren Abenteuern, in denen er sich seinen Dämonen mit Schwert und Verstand stellen muss. So erkämpft Erian sich ein Heim für sein Herz, welches ihm neuen Lebenswillen schenkt und ihn stärker werden lässt, als er jemals für möglich hielt.

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Seitenzahl: 118

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Mit Dank an Alexander, Robin, Katja, Rahel, Alicia, Darja und meinen Vater

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Erstes Kapitel: Zeitalter

Zweites Kapitel: Memorium

Drittes Kapitel: Die Klauen

Viertes Kapitel: Dämonen

Fünftes Kapitel: Mahnmal

Sechstes Kapitel: Der Ausgang

Epilog

Prolog

Die Natur singt ein wunderschönes und ruhiges Lied, sie erzählt von der Verheißung des Glücks. Tiere, die mit unterschiedlichen Lauten zueinander sprechen. Ein eindringliches Flüstern zwischen hier und dort, Leben unter jedem Grashalm.

Von hellem Pfeifen, über leises Schnattern bis hin zu tiefem Krächzen dringen all diese Stimmen an meine Ohren. So manch Schönheit dieser Welt, die nur von Gefühlen beschrieben werden kann, passiert doch so beiläufig. Langsam versteht der Körper, dass die Zeit gekommen ist und erwacht.

Danach der Wind, der Hauch dieser Welt und sogleich warme Luft auf der Haut. Eine nahezu perfekte Brise streift über den Leib.

Die Härchen auf meinen Armen stellen sich auf. Es sollte kalt werden, jeden Moment, jede Sekunde. Dennoch fühle ich nur mich – und wie alle Kraft der Sonne in mich fließt. Wie jede einzelne Pore das Licht in sich aufsaugt, als wären es kleine gierige Wesen. Energien, die von meinen Gliedern direkt in mein hungriges Herz fließen, lassen mich aus meinem Schlaf erwachen.

Es ist ein harter, aber warmer Untergrund auf dem ich liege, der sich leicht uneben an meinen Rücken schmiegt. Die Adern meiner Beine füllen sich mit heißem Lebenssaft. Angestachelt von den Liedern um mich herum erstarkt mein Körper, mein Geist erhebt sich und mein Leben beginnt. Ich spüre wie eine unerschütterliche Macht mir die Augenlider bewegt, wie sie immer kräftiger wird.

Ich öffne meine Augen und ich sehe einen Traum. Einen Ort, der eine Symphonie meiner Gedanken repräsentiert. Diesen einen Ort, den ich Heimat nenne. Einen Platz, der nur für meine Seele geschaffen ist. Ein Ort, der nur für mich geschaffen ist. Fern von allem, was mich zweifeln ließe, an mir oder an den Menschen.

Ein Ort, so warm wie mein Herz. Ein Ort, so hell wie mein geisterhaftes Bild. Sternenlicht, das direkt meine Seele aufwärmt.

Mit müden Augen richte ich mich auf, sehe den weißen Marmor unter mir. Meine Hände nun da, um mich zu stützen. Ein Blick nach links, zu den sagenhaften Geräuschen.

Rot inmitten von blendendem Grün, das auf den ersten Blick alles zu verschlingen versucht. Aber das Rot behauptet sich.

Meine Glieder, eingerostet vom ewgen Schlaf, versuchen mich mit vereinten Kräften aufzurichten. Taumelnd, aber zielstrebig mache ich mich auf, um die Wiese zu betreten. Mein dunkles Beinkleid fällt bis zum Schienbein herab und umspielt dieses im Takt des Windes. Mit jedem Schritt spüre ich meine Beine mehr und erlange dabei die Gewissheit, dass sie mich bestimmt ans Ende dieser Reise tragen werden.

Meine trübe, müde Sicht nun klarer, mein Verstand den Tiefen meines Geistes entstiegen. Einzelne Bilder tauchen vor mir auf, rätselhafte Umrisse zeigen Gesichter auf. Mit meinen Händen versuche ich die Erinnerung zu verscheuchen, strauchle und stürze auf meine Knie, die im weichen Gras landen.

Das Bild ist fort, ich greife nach dem pulsierendem Grün. Meine Finger umschließen die Pflanzen, immer fester, mein Verstand beruhigt sich.

Frische Luft strömt in meine Lungen und schenkt mir meine Macht. Meine Füße spüren jeden Halm, jedes noch so kleine und große Gewächs. Die absolute Zufriedenheit, in die ich mich einwickeln will. Ein früher Sommer, den ich einatmen will. Blütenduft, der mir sagt: ich bin zu Hause.

Langsam entsteige ich dem kniehohen Teppich aus Blumen, der meine Heimstatt schmückt. Alle gesammelte Entschlossenheit fließt in meine Beine und presst meine Füße in den weichen Boden – ich setze an.

Eine Wiese, über die ich so schnell zu laufen vermag, wie niemals zuvor. So hoch springen kann, wie niemals zuvor. So weit sehen kann, wie niemals zuvor. So hoch und fern fliegen kann wie niemals zuvor.

Ein Ort, an dem das Einzige, was kontrolliert oder bestimmt, mein eigenes Glück ist. Der Weg zu diesem Zuhause ist nicht sichtbar, und genau das macht jeden Schritt erstrebenswert.

Nur wer seine Grenzen kennt, kann sie weiter stecken. Ich steige in die Sonne auf.

Erstes Kapitel: Zeitalter

Einst erzählte ich von Albträumen. Ich erzählte sehr viel darüber. Über alle Dämonen, die sich in mir auftaten. Über alles, vor dem ich Furcht verspürte, in mir. Über die grenzenlose zerstörerische Macht der Gedanken, meines Geistes und meiner Seele.

Bei der ich stets die Angst hatte, sie würde sich manifestieren – als unzählige bösartige Absichten. Dann als Taten und als Schmerz. Bei allen Dingen, die ich schwor und bei meinen Prinzipien. Die Dinge, die aus mir das machten, was ich einst war: Erian – das ist mein Name.

Dennoch werden die Möglichkeiten des Mannes, der ich hätte werden können immer weniger und weniger. Und schlussendlich bleibe nur ich selbst übrig. Und das ist jemand, der Angst hat. Jemand der noch mehr Ängste als jemals zuvor hat. Aber nicht vor den eigenen Dämonen. Vor den Untieren in anderen Menschen. Vor den Bestien, die Menschen sind.

Welch zerborstenes Herz auch immer in meiner Brust schlagen mag. Welch Geist in meinem Kopf sein mag und welch Emotionen in meinem Bauch sein mögen. Welch Seele all dies verbindet. Ich werde wieder auferstehen, im Glanz eines neuen Zeitalters. Ich vermag sie nicht mehr zu zählen, die Leben. Alles Geschehene in einen Blick zu bekommen. Der Tod müsste sich mehrere Stunden Zeit nehmen, damit meine sterbliche Existenz noch einmal an mir vorbei ziehen könnte.

Ob ließ ich es vorbeiziehen, wartend auf eine bessere Zukunft, die mir meine Träume erfüllt. Und jedes Mal waren es genau diese allertiefsten Sehnsüchte, die zum Sarg des vorangegangenen Lebens führten.

Die Zeitalter, die nicht mit Pauken und Fanfaren eingeleitet werden würden, sondern mit einem einfachen Lächeln. Aber mit dem Gefühl dessen, dass es etwas Neues sein wird, dass auf dem

Grab meiner Erinnerungen wachsen möge. Und offensichtlich lässt mich genau diese Freude weitermachen.

Dies ist gewiss, denn ich habe es erlebt. Öfter als ich es jemals wollte. Dann gibt es noch jene Momente, in denen das Streben nach etwas Höherem erlischt und der Geist sich niederlassen will. Sodass die angestrengte Seele endlich reisen kann, wohin diese will. Man weder Fesseln, noch Ketten im Kopf hat. Alles möglich ist. Aber man sich dennoch für eine Sache entscheidet: Für die des Herzens.

Denn ich vermag dem Menschen, der ich selbst im Herzen bin, nicht zu entfliehen. Gutes möchte man tun. Sich selbst hergeben, nicht für jemanden da zu sein, sondern wegen anderen hier zu sein. All das geben, was man nie hatte und niemals erleben durfte.

Dies führt uns alle in dieser Reise immer wieder zu denselben Geschehnissen, die schließlich doch wieder Erinnerungen werden. Erinnerungen, die nur von Tränen getragen werden können. Den Schmerz als ständigen Begleiter akzeptiert jeder – ab einem gewissen Punkt. Nämlich dann, wenn der kalte Wind wieder durch das Innerste fegt, und nur aufwirbelt anstatt mit sich zu tragen. Nicht einmal warum ist gewiss. Es tut einfach nur weh.

Und auch dies ist gewiss. Ich habe es öfter erlebt, als ich es jemals wollte und öfter, als ich es jemals jemanden wünschen würde.

Man sieht sich zu dem Menschen hingezogen, der man gerne sein möchte. Zu diesem einen Ort – seinem Ort – möchte die Seele wieder gelangen. Ein Ort, den es nicht gibt, aber genau dort bin ich.

Zu viel Zeit, Jahrhunderte, scheinen vergangen.

Dieser Ort, der für immer verloren gegangen mag.

Dieser Ort, der irgendwo in den hintersten Ecken meiner Erinnerungen existiert. Hinter so viel Trauer und Verzweiflung. Hinter all den Leben, die gelebt waren. Und dieses Grab, in dem eine Dekade oder gar Jahrtausende begraben liegen, will wieder geöffnet werden. Um Gewissheit zu erlangen und um die Wahrheit zu sehen. Nichts als die Wahrheit – fast um ein Ziel wegen – dass diese unendliche Erschöpfung ein Ende haben mag.

Abwägen, denn ohne Böses kann man das Gute nicht beschreiben. Ohne Fehler keine Schönheit, ohne Tränen kein Licht.

Aus der Finsternis die mir aufgebunden ward, entsteigen nun die Fragen. Sollte es einen Irrtum in meinem Leben gegeben haben? Diese Welt hat keinen Bestand ohne meine eigene Wahrheit. Die meiner Seele. Nach Ehrlichkeit zu suchen ist vergebens.

Allein aus dem Erlebten zu lernen schafft eine neue Version des Lebens. Lässt zu, dass man mehr aus sich macht, als man ist.

Und ich werde nicht daran zerbrechen wie gefrorenes Eis, das zu Boden stürzt! Niemals.

Und dies ist wohl das Allertraurigste was diese Welt jemals hervorzubringen vermocht hat.

Wie lange soll dies weitergehen? Wie oft soll ich noch fallen und wieder auferstehen unter neuen Propheten in meinem Geist? Wie oft müssen neue Stücke erdacht, neue Lieder gespielt werden, die mir Kraft geben?

Welche Talismane und Amulette werde ich tragen müssen? Welchen Teil meiner Selbst muss ich dieses Mal vernichten? Wie lange muss ich noch so leben? Und endlich, hinter all diesen Wegen, erkenne ich es.

Mein Intellekt begreift, dass die Zeit selbst, die einen als Raubtier durch die Welt jagt, nicht allmächtig ist. Sie vermag es nicht alles aus zu radieren, was gelebt wurde. Nur die Seele ist dazu im Stande, Handlungen und Fehltritte vergessen zu machen. Sie zu einem neuen Teil von dem machen, was man werden kann. Wenn man nicht nach Wahrheit sondern nach Weisheit strebt.

Aus allem soll man Lernen. Für was lernen, stellt sich dann immer die Frage. Für das ultimative Glück, in das man sich betten kann? Vielleicht auch für die unwiderlegbare Tatsache, zu wissen, dass selbst aller Schmerz irgendwann ein Ende hat. Doch was ist dieser grausame Triumph des Lebens wenn man alles weiß? Alles immer und immer wieder erlebt zu haben und auch genau das in anderen Menschen findet.

Das alles führt dazu, dass ich diese unendliche Beschränktheit im Leben erkenne. Genauso wenig wie Gewinn das höchste Glück darstellt, stellt Verlust nicht das stärkste Leid dar.

Sollte Glück schenken nicht zum Glücklichsein führen? Das trifft wohl ab und an zu. Doch was, wenn das verursachte Glück sein eigenes Leid darstellt? Wenn alles, wofür man einsteht, zu Trauer führt? Wenn alles erzwungen wird? Niemand sollte etwas mehr lieben als sich selbst.

Der Gedanke daran, dass ich einst dachte, ich müsste der Welt das zurückgeben was ich ihr abverlangte. Eine gewisse Übelkeit macht sich in mir breit – denn ich wollte alles wieder gut machen. Ich wollte geben, was ich einst nahm.

Ich lebe nicht mehr in dieser Stadt, in dieser Ansammlung von Menschen. In der ich aber alles bekam, was ich mir damals erträumte. Und noch vieles mehr. Als ob alles, was ich erlebte, sich nach meinen Wünschen entwickelte. Aber leider auch noch sehr viel mehr. Mehr, als ein Mensch tragen oder erlebt haben sollte.

Mehr Erfahrungen und Erinnerungen als ich in meinem Kopf aufbewahren könnte. Es ist nur menschlich zu vergessen. Zu Verdrängen und wieder von vorne zu beginnen. Ständig begleitet von einer Sehnsucht nach dem Ende. Nach dem Ende allen Leids dieser Welt.

Man gibt so viel von sich, wird immer weniger und weniger. Bis nur noch das Herz selbst übrig bleibt und bei jedem Schlag dünner wird. Dann wäre es jedoch vorbei und meine Frage würde sich nie beantworten. Wofür soll der Mensch das alles lernen?

Und mit sicherer Hand führe ich meine Fingerspitzen gen Himmel,

auf dass dieses Licht möge erreichen meinen Geist,

damit das Herz, was gebrochen ward, wieder diese Luft atmen kann,

die mich einst fast um den Verstand brachte,

auf dass helle Sterne scheinen,

die Sonne weiter brennt,

dieser Planet weiterlebt,

diese Menschen lieben,

und mir erneut weisen den richtgen Weg,

damit ich zu dem finde,

was am weitesten entfernt war.

Nach all den Reisen zu fernen Orten,

was mich erkennen ließ,

dem Mann, der ich im Herzen bin, nicht zu entfliehen vermag.

Wo meine Seele vermag mich hin zu tragen,

ich werde es ehren, lieben und es mein Heim nennen.

Wird wieder der Mensch aus mir werden, der sich selbst liebt? Es ist nie leicht, als der zu leben, der man ist. Jeder Mensch hat sein Leben mit dem er zurecht kommen muss. Und beneidenswert sind die, die sich über solche Dinge keine Gedanken machen. Nach all den Lügen, nach all den Hieben und Stichen, die mir zugefügt wurden, ist meine Seele immer weiter nach innen gewandert. Versteckt sich immer und immer mehr vor der Welt. Aus Furcht davor, dass sich alles wiederholen könnte. Doch wie könnte das geschehen, nachdem ich doch hoffentlich dazu gelernt habe?

Als die Züge am Bahnhof der Entscheidungen einfuhren, entschied ich mich wohl für den falschen. Um wieder Selbstmitleid zu verspüren? Nein! Nein, diesmal nicht!

Diesmal um die Erinnerung zu ehren und Erfahrung daraus werden zu lassen. Damit ich beim nächsten Sturz nicht wieder liegen bleibe, sondern gleich aufstehe.

Doch wo soll ich beginnen?

Meine retrospektiven Gedanken liegen dort. Sichtbar in der Ecke dieses riesigen Raumes, der nur schwach beleuchtet ist. Ich vermag diesen Raum zu benennen: Es ist mein Gedächtnis. Und darin – so soll es geschehen – werde ich alle Andenken an diese Zeit in mein Bewusstsein holen. Ob gar es schmerzen wird.

Soll ich rennen? Soll ich gehen? Soll ich kriechen? Soll ich mich schleppen zu meinem Ziel? Egal. Umso mehr ich das möchte – mich wieder zu finden – desto einfacher wird es wieder werden, so wie immer. Ich bin mir dessen bewusst. Und bewusst dessen, dass es Zeit dauert und jeder äußere Einfluss diese Zeitspanne verlängern wird.

Deshalb bin ich hier. Am Rande dieses riesigen finsteren Ortes, der am Ende meiner Seele liegen mag. Hier, in dieser Welt, die zwischen Raum und Zeit existiert, eingemauert in meinem Geist.

Ich bin wach und spüre meine Sinne. Doch in der realen Welt da draußen, existiere ich aus Materie. Erian, der unter dem Himmel der Erde wandelte und mit letzter Kraft diesen riesigen steinernen Sarg in seinem Geist erschuf. Er, der jetzt erstarrt ist und in einen langen und eisigen Schlaf der Heilung in der Welt über mir gefallen ist.

Ich bin dieser Mann, sein Abbild, seine Seele, die nach einem Ausweg sucht. Dieses Grab, geschaffen von meiner Seele, ist alles, was noch von mir existiert.