In königlichem Auftrag - Mary Hooper - E-Book

In königlichem Auftrag E-Book

Mary Hooper

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Beschreibung

England zum Ende des 16. Jahrhunderts: Offiziell ist sie als einfaches Kindermädchen im Haus des königlichen Magiers Dr. Dee beschäftigt, doch insgeheim hält die junge Lucy als Spionin im Dienste der Königin Elizabeth I. Ausschau nach Verrätern – und entdeckt dabei noch manch anderes dunkles Geheimnis...

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MARY HOOPER

Aus dem Englischen von Marlies Ruß

Impressum

Vollständige eBook-Ausgabe der Buchausgabe

bloomoon, München 2013

Copyright © Mary Hooper, 2008

Titel der Originalausgabe: By Royal Command

Die Originalausgabe erschien 2008 bei Bloomsbury, London.

© 2013 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH, München

Der Titel erschien erstmals 2008 im Bloomsbury Verlag GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Text: Mary Hooper

Übersetzung: Marlies Ruß

Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg, unter Verwendung des Designs der englischen Ausgabe von © Ian Butterworth und einer Fotografie von © Jeff Cottenden

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978-3-7607-9929-2

ISBN Printausgabe 978-3-7607-9930-8

www.bloomoon-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Inhaltsübersicht

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

ANMERKUNGEN DER AUTORIN

DIE KÖNIGIN UND IHRE VEREHRER

DER WAHRE DR. DEE

FESTE AM KÖNIGLICHEN HOF

DIE PURITANER

MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND

WINTERJAHRMARKT AUF DER THEMSE

DIE HOFDAMEN

Glossar

Für die Twyford-Soirée-Runde: Ihr seid alle auf diesen Seiten.

Die erste Dezemberhälfte war trostlos, ununterbrochen nieselte es draußen, und es schien gar nie richtig Tag werden zu wollen, bis am fünfzehnten des Monats der Regen endlich aufhörte. Nichtsdestotrotz war alles, was ich berührte, klamm und feucht, einschließlich meiner Kleider und meiner Haare. Der Weg am Fluss entlang durch Mortlake hatte sich unter den Hufen der Pferde in einen grauschwarzen Morast verwandelt. Als ich am Nachmittag aus dem Fenster spähte, um nach Isabelle Ausschau zu halten, war ein zäher grauer Nebel vom Fluss heraufgekrochen, hatte sich in den überhängenden Bäumen festgesetzt und tropfte als Nässe von den kahlen Ästen und Zweigen.

Solch ein trüber Tag war sicherlich nicht die beste Zeit, um einen Besuch zu machen, schon gar nicht für jemanden wie Isabelle, der das Haus des Zauberers absolut nicht geheuer war, weshalb sie auch kaum je einen Fuß hinein gesetzt hatte. Ich hatte sie jedoch für heute eingeladen, weil die Familie an diesem Tag einen Ausflug unternahm. Dies kam nicht allzu oft vor, denn Dr.Dee, mein Dienstherr, war immer sehr beschäftigt und verschanzte sich die meiste Zeit in seiner Bibliothek. Aus dem Haus ging er eigentlich nur, wenn seine Gegenwart am Hofe der Königin erwünscht war.

An diesem Tag, einem Sonntag, war jedoch anlässlich seines Geburtstags die gesamte Familie einschließlich der beiden Töchter Beth und Merryl, als deren Kindermädchen ich angestellt war, zu einem entfernten Nachbarn in Barn Elms eingeladen worden. Mistress Allen, Mistress Dees Kammerzofe, war ebenfalls mitgegangen, und Mistress Midge, unsere Köchin und Haushälterin, nutzte den freien Tag, um ihre greise Schwester in Chiswyck, auf der anderen Flussseite, zu besuchen.

Ich setzte den Wasserkessel auf den Herd und beugte mich noch einmal über die steinerne Spüle, um nachzusehen, ob Isabelle kam. Wir waren Freundinnen geworden, kurz nachdem ich meine Stelle in Mortlake angetreten hatte, und hatten viele Gemeinsamkeiten – auch wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht als Hausmädchen verdiente, sondern auf dem Markt Waren kaufte und wieder verkaufte.

Während ich noch angestrengt und voller Vorfreude hinausspähte, tauchten auf einmal die Umrisse einer Gestalt im Nebel auf, die sich im nächsten Augenblick als Isabelle entpuppte. Sie setzte jeden Schritt höchst vorsichtig, hob dabei ihren Rock hoch, und ich sah, dass sie sich hohe Holzschuhe wie eine Art Stelzen über die Schuhe gezogen hatte, um nicht mitten im Schlamm zu stehen.

Rasch lief ich mit einer Kerze in der Hand zur Tür hinaus und durch den gemauerten Durchgang bis zum Weg, um sie zu begrüßen.

»Scheußlich ist das draußen, die Wege bestehen nur noch aus Schlammlöchern«, klagte sie, als sie an der Tür ihre Holzschuhe ablegte und ihren Mantel aufhängte, »und als ich über den Marktplatz ging, fuhr ein Karren mit solcher Geschwindigkeit vorbei, dass er mich von oben bis unten mit Dreck vollgespritzt hat.«

Ich begutachtete sie und musste unwillkürlich lachen, da nicht nur ihr ganzes Kleid vorne mit Spritzern übersät, sondern auch ihr Gesicht über und über braun gepunktet war.

»Lass das Kleid trocknen, dann bürsten wir es ab, bevor du gehst«, schlug ich vor. Ich reichte ihr einen sauberen Lumpen. »Und damit kannst du dir das Gesicht abwaschen.«

Sie tauchte den Lumpen in einen Eimer mit eiskaltem Wasser, tupfte sich damit die vor Kälte geröteten Wangen ab und rubbelte gleich noch heftiger, als sie ihr Spiegelbild in einem Kupferkessel entdeckte. Nachdem ihr Gesicht zu ihrer Zufriedenheit gesäubert war, steckte sie ein paar Strähnen ihres langen dunklen Haars, die sich gelöst hatten, wieder in den Knoten an ihrem Hinterkopf zurück. Dabei warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter und fragte: »Und es ist ganz sicher niemand zu Hause?«

»Ganz sicher«, beruhigte ich sie. »Wir sind heute Morgen alle wie üblich in die Kirche gegangen, dann habe ich Beth und Merryl zurechtgemacht, und die Familie ist in einer Kutsche abgefahren.«

»In einer Kutsche!«, rief sie bewundernd aus, denn in unserer Gegend waren Kutschen noch eher eine Seltenheit. »Das hätte ich zu gerne gesehen. War sie sehr prunkvoll?«

Ich schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Dr.Dee sprach zwar von einer Kutsche, aber ich hätte es schlicht einen gemieteten Pferdewagen genannt.«

»Und sie kommen bestimmt nicht unerwartet zurück?«

»Bestimmt nicht«, versicherte ich ihr. »Mistress Midge sagte sogar, Dr.Dee sei so angetan davon, bei einer so noblen Familie zum Essen eingeladen zu sein, dass er wahrscheinlich bis Mitternacht dort aushalten werde – oder bis ihn seine Gastgeber vor die Tür setzen.«

»Wer sind denn die Gastgeber?«

»Nun«, sagte ich bedeutungsvoll, »es ist Sir Francis Walsingham.«

»Der!« Isabelles Gesicht glühte vor Interesse. »Er ist ja ständig in aller Munde mit seinem Spionagenetzwerk für die Königin. Hast du ihn je zu Gesicht bekommen?«

»Noch nie«, sagte ich. »Aber seine Frau, Lady Walsingham, schon. Sie war drei oder vier Mal hier, um der Mistress nach der Niederkunft einen Besuch abzustatten.«

»Und war sie sehr fein angezogen?«

»Und wie«, antwortete ich und musste an das Kleid aus leuchtender saphirblauer, changierender Seide denken, das sie bei ihrem letzten Besuch getragen hatte, und den dazugehörigen rosarot gefütterten Umhang.

»War sie freundlich?«

»Das kann ich kaum sagen«, musste ich zugeben. »Ich habe sie zwar eingelassen und in Mistress Dees Kammer geführt und ganz tief und ehrerbietig vor ihr geknickst, aber sie hat mich gar nicht wahrgenommen.«

»Ach«, seufzte Isabelle schulterzuckend. »So ist es immer. Wer achtet denn schon auf unsereins?«

»Es könnte allerdings sein, dass ich ihr eines Tages wieder begegne… «, sagte ich mit einem bedeutungsschweren Unterton.

»Oh, natürlich!«, rief Isabelle aus. »Aber du hast noch nichts gehört?«

Ich schüttelte ein wenig niedergeschlagen den Kopf. Ich hatte Ihrer Gnaden, der Königin Elisabeth, einen gewissen Dienst erweisen können, und diese hochstehende Dame hatte mir durch ihren Hofnarren, Tomas, ausrichten lassen, dass sie mir überaus dankbar sei und ich damit rechnen dürfe, erneut für sie tätig zu werden. Zuerst hatte ich schon gedacht, dass ich an den Hof gerufen würde und eine ihrer Hofdamen werden solle, doch Tomas hatte mir ganz offen und unmissverständlich erklärt, dass nur adlige und höchst gebildete junge Damen für eine solche Position im direkten Umfeld der Königin infrage kämen. Ich hingegen solle mich bereithalten, um für die Königin einen Auftrag auszuführen, sobald sich ein Bedarf dafür ergebe – einen vermutlich geheimen Auftrag für Sir Thomas Walsingham, der ein verdecktes Netzwerk von Spionen im Dienste Ihrer Majestät befehligte.

»Nun, es sind ja erst einige Wochen vergangen«, sagte ich, doch in Wirklichkeit brannte ich vor Ungeduld und hätte am liebsten gleich heute angefangen, der Königin zu dienen, denn ich verehrte sie sehr und hätte alles für sie gegeben.

Isabelle rieb die Handflächen aneinander, um sich zu wärmen, und sah sich staunend in der Küche um. »Was für eine reich ausgestattete Küche – so viele Pfannen und Kellen und Kochutensilien«, sagte sie. »Und dieser riesige Tisch – meine Güte, unsere gesamte Bettkammer zu Hause würde darauf passen.«

Ich nickte, da ich wusste, in was für einem ärmlichen Häuschen Isabelles Familie wohnte: Der Wohnraum bestand aus kaum mehr als der Feuerstelle mit einem Kessel zum Kochen darüber. »Dr.Dee hat inzwischen etwas mehr Geld zur Verfügung«, erzählte ich ihr. Er hatte vor Kurzem einem adligen Herrn einen Dienst erwiesen und dafür eine reichliche Entlohnung erhalten. »In den letzten zwei Wochen hatten wir jeden Tag Fleisch zu essen. Sogar an den Fischtagen«, fügte ich noch hinzu.

Isabelle machte große Augen, doch dann schlugen die kupfernen Backformen auf dem Bord über uns sie wieder in ihren Bann. Sie streckte die Hand nach einer aus, um sie herunterzuholen und genauer in Augenschein zu nehmen, als auf einmal ein hohes, kreischendes Gelächter ertönte und eine der Formen sich vor unseren Augen bewegte. Isabelle stieß einen Schrei aus und sprang erschrocken einen Schritt zurück. »Zauberei!«

Ich musste laut lachen. »Nein, nein, das ist nur das Äffchen«, beruhigte ich sie. »Ein Besuch bei den Walsinghams wäre dann doch zu viel der Ehre für ihn gewesen, und so musste er heute hier bei mir bleiben.«

Isabelle war leichenblass geworden.

»Vor Narren-Tom brauchst du dich nicht zu fürchten«, sagte ich – so nämlich hieß das Äffchen, benannt nach dem Hofnarren der Königin. »Und auch nicht vor diesem Haus. Es gibt hier nichts Gefährliches.«

»Solange der Zauberer nicht vorzeitig zurückkehrt.«

»Das wird er nicht!«

»Oder MrKelly«, sagte sie. MrKelly war Dr.Dees Partner, mit dem zusammen er seine Alchemie betrieb.

»MrKelly ist nach London gefahren, um nach einem Schatz in der Themse zu suchen«, sagte ich und setzte mit gedämpfter Stimme hinzu, obgleich niemand da war, der uns hätte belauschen können: »Er sagte, ein Engel habe ihm verraten, wo er liegt.«

»Stimmt das wirklich?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Es stimmt jedenfalls, dass er losgezogen ist, um im Schlamm der Themse herumzustochern. Aber ob ihm tatsächlich ein Engel diesen Auftrag erteilt hat, das vermag ich nicht zu sagen.«

Isabelle druckste ein wenig herum. »Du bist dir also ganz sicher, dass keine Zauberei und Magie in diesem Haus am Werke sind? Dass sich keine Dämonen im Kamin verbergen oder Elfen in den Schaumkellen?«

»Ich habe jedenfalls noch keine entdeckt!« Lächelnd nahm ich den Kessel vom Feuer und goss heißes Wasser in zwei Gläser, die ich vorher mit gemahlenem Zimt, Pfefferkörnern und Lorbeerblättern versehen hatte; dann goss ich jeweils eine kleine Menge Rotwein dazu, der vom gestrigen Abendessen übrig geblieben war. »So, hier hast du was zum Aufwärmen«, sagte ich und reichte ihr ein Glas.

Sie nahm ein paar Schlucke davon, stellte es auf dem Tisch ab und streckte die Hand zu Narren-Tom hinauf. Das kleine Geschöpf rannte plappernd an ihrem Arm hinauf, machte es sich auf ihrer Schulter gemütlich und fing an, ihr die Haarnadeln herauszuziehen und sie auf den Küchenboden zu werfen, wo sie in den Binsen verloren gingen. »Er hat ein richtig hübsches Gesicht«, sagte sie. »Ist er stubenrein?«

Ich schüttelte den Kopf und zog zur Verdeutlichung die Nase hoch. »Affen sind nicht so süß wie Katzen. Ehrlich gesagt, sie sind überhaupt nicht süß«, fügte ich kichernd hinzu, weil Narren-Tom eben Isabelles Arm heruntergerannt war, sich mit dem Schwanz an ihren Ellbogen hängte und anfing, Wasser zu lassen.

Isabelle schrie auf und schüttelte ihn ab, woraufhin er mitten auf den Tisch floh und in einer großen Tonschüssel verschwand. Isabelle strich sich mit einem erbosten Seufzer den Rock glatt und setzte dann ihren Rundgang durch die Küche fort. »Wie riesig… und so viel feines Geschirr und Zinn… «

»Und im Speisezimmer steht noch viel mehr«, sagte ich. »Dr.Dee hat es erst kürzlich wieder öffnen lassen, weil er nun wieder öfter Gäste einladen will.« Ich nippte an meinem heißen Getränk. »Mistress Midge sagt, auf diesem Wege will er mehr wohlhabende Kundschaft anziehen.«

»Und was für Dienste sind das, die er ihnen anbietet?«, fragte Isabelle.

»Sie stellen ihm allerlei Fragen – über ihre Gesundheit und die Liebe und das Geld, und er sagt ihnen, was sie gerne hören möchten.«

»Und vollbringt er Magisches? Zauberei?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Er deutet ihre Träume, sagt voraus, was das Erscheinen eines Kometen am Himmel zu bedeuten hat, erstellt Tabellen, um zu ermitteln, wann der günstigste Tag für eine bestimmte Unternehmung ist, oder blickt in die Zukunft und sagt ihnen, ob sie eine bestimmte Person heiraten werden – aber ob dies mit Magie zu tun hat, wüsste ich nicht zu sagen.«

»Und spricht er immer noch mit den Toten?«, fragte sie ängstlich.

»Die Leute behaupten es.«

»Die Leute behaupten auch, er spräche mit Engeln.«

Ich nickte. »Allerdings nur durch MrKelly. Nur der sieht und hört sie. Oder behauptet es jedenfalls«, fügte ich nachdenklich hinzu.

»Du selbst hast hier also noch nie irgendwelche Geister gesehen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, obwohl ich einmal hörte, wie MrKelly mit ihnen redete und ihnen Fragen stellte… «

»Aber wie kamst du denn dazu?«, fragte sie erschrocken. »Haben sie dich etwa zusehen lassen?«

»Nein!«, erwiderte ich lachend. Isabelle wusste schon um meine übergroße Neugier in diesen Dingen, und so fügte ich ganz ungeniert hinzu: »Ich habe an der Tür gelauscht!«

»Dann hat er also nur so getan als ob?«

»Vielleicht.« Denn obwohl ich damals MrKellys Fragen an die Engel verstanden hatte, hatte ich keine einzige Antwort von ihnen vernommen. »Aber Dr.Dee glaubt daran, denn er schreibt jedes Engelswort auf, das ihm MrKelly weitergibt.«

Isabelle fröstelte. »Ich hätte wahrlich kein Bedürfnis, mit Geistern oder Engeln zu sprechen… oder in einem Haus zu leben, wo welche gesehen werden könnten.«

Ich hielt es für das Beste, das Thema zu wechseln, bevor sie sich so sehr ängstigte, dass sie auf und davon rannte. »Möchtest du dir die feinen Sachen hier im Haus ansehen?«, fragte ich daher, denn das war mit ein Grund, warum sie zu Besuch gekommen war.

Sie schob sich ein paar Haarsträhnen hinters Ohr, die sich gelöst hatten, als Narren-Tom ihr die Haarnadeln herausgezogen hatte. »Ich weiß nicht recht… «

»Ich werde den Geistern sagen, sie mögen doch bitte in ihren Verstecken bleiben«, zog ich sie auf.

Sie lächelte halbherzig. »Du hältst mich für töricht, aber du solltest mal die Geschichten hören, die man sich über dieses Haus erzählt. Dass Dr.Dee sich an Leichen zu schaffen macht und dass der Teufel zweimal die Woche zum Essen kommt!«

»Ich kann dir Brief und Siegel geben, dass er nicht zu uns zum Essen kommt«, widersprach ich fest. »Das würde Mistress Midge absolut nicht dulden.«

Ich zeigte ihr zuerst das Speisezimmer, denn es war erst kürzlich mit neuen Wandteppichen ausgestattet worden, besaß einen geschnitzten Kamin und hatte eine neue Anrichte und eine Eichentruhe zu bieten. Die Letztere öffnete ich, und wir schüttelten das feine Tischleinen aus, das sich darin befand. Mistress Midge hatte mir erzählt, dass die Damasttischtücher und -servietten aus Holland geliefert worden waren. Auch der gemusterte Orientteppich und der riesige Spiegel aus Venedig wurden gebührend bewundert, ebenso wie die Kristallgläser und das schimmernde Zinngeschirr. Dann räumten wir alles wieder so auf, wie wir es vorgefunden hatten, und folgten dem langen dunklen Gang, der zur Bibliothek führte, denn ich hatte vor, Isabelle die wahren Schätze dieses Hauses zu zeigen.

Die Tür zu Dr.Dees Bibliothek war mit hartem schwarzem Lack überzogen, der im Falle eines Feuers die wertvollen Bücher vor den Flammen schützen sollte. Ich öffnete sie und ging voraus, um die Kerzen im Raum zu entzünden. Isabelle musste ich buchstäblich am Ärmel ziehen, um sie überhaupt dazu zu bewegen, einzutreten, denn sie stand mit offenem Mund und aufgerissenen Augen auf der Türschwelle wie ein Dorftrottel auf einem Hochzeitsfest.

Ich kicherte, weil ich mich sehr wohl daran erinnerte, dass ich genauso dagestanden hatte, als ich das erste Mal diesen Raum betrat. Sie deutete auf die nahtlos mit Bücherregalen gesäumten Wände ringsum, auf das Buntglasfenster, die ausgestopften Vögel und Tiere, die Muscheln und Wurzeln und eigenartigen Fläschchen mit farbigen Flüssigkeiten, und sie brachte kein Wort heraus. Und dann entdeckte sie die Alligatoren, die an Ketten an der Zimmerdecke aufgehängt waren, und stieß einen Schrei aus.

»Sie sind völlig ungefährlich«, versicherte ich ihr rasch. »Sie sind tot und waren es schon, bevor sie nach England gebracht wurden.«

»Aber… aber… so etwas habe ich noch nie gesehen«, stammelte sie und starrte ehrfürchtig hinauf. »Und diese Geschöpfe waren einmal lebendig?«

Ich bestätigte es, und schließlich ließ sie den Blick wieder sinken, ging zu einer Regalwand, schaute staunend daran hinauf, berührte die vergoldeten Buchstaben auf den Buchrücken und ließ den Finger über eine Reihe von ihnen hinweggleiten wie über die Tastatur eines Spinetts. Dann wanderte sie zu einem ausgestopften grünen Vogel weiter, der auf einem Zweig saß, betastete die Innenseite einer Perlenmuschel und wich entsetzt einen Schritt vor dem grinsenden Totenschädel zurück, den Dr.Dee immer in seiner Nähe hatte.

Sie zeigte auf eine Ansammlung von Glasfläschchen, Röhrchen und einen Brenner, die auf einem Bord arrangiert waren. »Wofür sind all diese Dinge?«

»Die sind erst ganz neu angekommen«, berichtete ich, »und ich glaube – das hat mir Beth erzählt–, dass man damit Flüssigkeiten trennen und wieder mit anderen vermischen kann.« Ich senkte erneut die Stimme – dazu verleitete einen die Atmosphäre in der Bibliothek immer ganz automatisch, egal ob jemand in der Nähe war oder nicht. »Damit versuchen Dr.Dee und MrKelly schlichtes Metall in Gold zu verwandeln«, raunte ich ihr zu.

Isabelle staunte nicht schlecht über diese Nachricht. »Wenn ihnen das gelingt, werden sie über alle Maßen reich werden.«

»Tja, wenn es ihnen gelingt«, sagte ich, denn ich hatte Dr.Dee und MrKelly oft genug über die Schwierigkeiten dieser Prozedur reden hören.

Ich durchquerte die Bibliothek und hob die kleine messingbeschlagene Truhe hoch, die die zwei wertvollsten Besitztümer meines Dienstherrn barg. »Schau«, rief ich Isabelle zu, allerdings mit gedämpfter und ehrfürchtiger Stimme, denn auch wenn ich mir hinsichtlich Dr.Dees Fähigkeiten als Magier nicht ganz sicher war, so wusste ich doch aus eigener Erfahrung, dass die beiden Gegenstände in dieser Truhe geheimnisvolle und unergründliche Eigenschaften besaßen.

»Was ist da drin?«, fragte Isabelle. »Ein Schatz?«

»Mehr als ein Schatz: In dieser Schatulle befinden sich die Kristallkugel und der dunkle Spiegel.«

Isabelle kam auf Zehenspitzen zu mir her und legte zögernd die Hand auf die kleine Truhe.

»Sie ist verschlossen«, sagte ich.

»Und wenn sie es nicht wäre…?«

»Selbst dann«, sagte ich, »würde ich den Schlüssel nicht umdrehen und die Sachen herausnehmen.« Denn einmal hatte ich schon in die Kristallkugel geblickt, und was ich dort sah, hatte mich in Gefahr gebracht.

Ich hielt immer noch die kleine Truhe in den Händen, als auf einmal außerhalb des Raums ein lang gezogener leiser Seufzer ertönte. Isabelles Finger zuckten von der Truhe zurück, und sie packte mich verängstigt am Arm. »Was war das?«

Wir standen mucksmäuschenstill und lauschten, während der Seufzer sich allmählich im Raunen des Eibenlaubs auf dem Kirchplatz verlor. »Das war wohl nur… der Wind«, sagte ich, denn ich wusste natürlich, in welche Richtung ihre Gedanken wanderten.

»Der Wind war das bestimmt nicht!«, rief sie aus. »Das klang eher wie der Seufzer eines Gespensts… oder das Stöhnen irgendwelcher Geister, die Dr.Dee gerufen hat, damit sie seine Bibliothek vor Eindringlingen bewachen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nie im Leben! Das war nur eine Windbö, die den Nebel vertreibt, oder das Signalhorn eines Boots auf dem Fluss.« Ich bemühte mich um einen festen, beschwichtigenden Ton. Doch obwohl ich schon oft den Wind über den Fluss hatte pfeifen hören oder das Tuten der Fähren, die darauf verkehrten – so wie eben hatte sich das noch nie angehört.

Isabelle schauderte und zog ihr Schultertuch fester um sich. »Ich sollte jetzt besser nach Hause gehen, Lucy«, sagte sie. »Ich muss ja morgen früh um sechs auf dem Markt sein, um mir meinen Platz zu sichern.«

Ich war enttäuscht, als ich das hörte, denn ich hatte gehofft, sie würde den ganzen Abend bleiben. »Musst du wirklich schon wieder gehen?«

Sie nickte. »Ich muss sehen, dass ich früh zu Bett komme.«

»Aber wann treffen wir uns wieder?«, fragte ich, denn meine eigene Familie lebte weit weg, und außer Isabelle hatte ich keine Freunde hier.

»Sobald du auf den Markt kommst.« Sie ging zur Tür der Bibliothek, spähte ängstlich den Gang hinauf und hinunter, legte den Kopf ein wenig schräg, um auf eventuelle Geräusche zu lauschen, und trat dann hinaus.

Ich löschte die Kerzen in der Bibliothek, und wir gingen zur Küche zurück. Ich versuchte noch einmal inbrünstig, sie zum Bleiben zu überreden, doch sie lehnte beharrlich ab. Als ich sie an der Hintertür verabschiedete, redete sie mir ernst ins Gewissen. »Solange du allein bist in diesem Haus, gib acht, dass du immer zwei überkreuzte Ebereschenzweige als Schutz gegen Magie bei dir hast, jedenfalls bis eure Köchin zurückkommt. Denn jetzt, wo ich in diesem Haus war, habe ich Angst um dich.«

»Es gibt hier nichts, wovor man Angst haben müsste!«, versicherte ich ihr, doch sie hüllte sich in ihren Mantel und verabschiedete sich hastig, und ohne dass wir erst noch versucht hatten, ihr Kleid auszubürsten.

Nachdem sie gegangen war, legte ich in der Küche frisches Holz ins Feuer, setzte mich davor und dachte über mein Leben nach. Ich fragte mich, wie es wohl Ma und meiner ganzen Familie ging, und auch, wann ich wohl den Narren der Königin wiedersehen würde, denn er war lustig und charmant gewesen – und hatte außerdem silbrig-graue Augen–, und ich mochte ihn sehr. Und von ihm führten meine Gedanken nahtlos weiter zu Ihrer Majestät selbst. Ich griff nach dem kleinen Anhänger, den ich immer um den Hals trug: eine billige Münze, an sich wertlos, die jedoch das Konterfei der Königin zeigte und mir deshalb überaus teuer war, denn ich hatte unsere Königin schon immer sehr verehrt und mir schon als Kind gewünscht, ihr einmal dienen zu können.

Ich schloss die Augen und ließ meine Gedanken ziehen (was ein großer Luxus für mich war! Normalerweise bot mein Tagesablauf keine Zeit für so etwas), und wenig später kündigte ein Stampfen und Schimpfen in dem gemauerten Durchgang vor dem Haus an, dass Mistress Midge von dem Besuch bei ihrer Schwester zurück war.

Die Hintertür flog auf, und da stand sie: groß und breit, mit rotem Gesicht und höchst aufgebracht wie immer. »So ein Halsabschneider! Nicht zu fassen ist das!«, rief sie empört.

Ich schaute gespannt zu ihr auf, war jedoch kein bisschen überrascht über diesen Auftritt, denn Mistress Midge hatte einen wahren Hang zu Wutanfällen und Schimpftiraden.

»Dieser niederträchtige, nichtsnutzige Fährmann hat mir drei Pence abgeknöpft, dafür, dass er mich bei dem Nebel über den Fluss bringt! Drei Pence! Und dann besitzt er auch noch die Frechheit, seine elende Hand nach einem Trinkgeld auszustrecken, und behauptet doch glatt, bei dem schlimmen Wetter hätt’ er eigentlich überhaupt nicht ablegen sollen.«

»Es ist ja auch scheußlich draußen… «, fing ich an.

»Scheußlich? Du meine Güte, da habe ich aber schon zehnmal Schlimmeres gesehen. Mein Vater war Fährmann, der ist bei Stürmen rausgefahren, die einen glatt von den Beinen heben konnten! Das heute Abend? Pah!« Sie spuckte ins Feuer. »Gar nichts ist das!«

Ich schmunzelte verstohlen, während sie wutschnaubend durch die Küche stapfte, vor sich hin schimpfte und wetterte, schließlich ein Stück Kuchen in ihrer Tasche fand und es sich in den Mund schob. Kurz darauf ging sie zum Dünnbierfass, goss sich ein kleines Glas ein und zog einen zweiten Hocker vors Feuer, um sich zu mir zu setzen.

»Ist Eure Schwester wohlauf?« Allmählich hatte sie sich so weit beruhigt, dass ich die Frage riskieren konnte.

Sie nickte. »So rund und gesund wie eh und je. Und das mit über sechzig Jahren!«

»Und hat sie jüngst einmal die Königin zu Gesicht bekommen?«, fragte ich, denn Mistress Midges Schwester war Wäscherin im Syon House, einem Adelshaushalt, in dem die Königin manchmal zu Besuch war.

»Nicht in letzter Zeit – aber, was sagst du dazu?« Sie hielt kurz inne und trank einen kräftigen Schluck von ihrem Bier. »Ihre Gnaden hat einen neuen Verehrer: einen Franzosen und waschechten Katholiken!«

Ich rang erschrocken nach Atem. Wenn die Königin einen Katholiken heiratete, dann wäre der Unmut im Volk groß.

»Es heißt, er sei kleinwüchsig und habe ein pockennarbiges Gesicht, habe jedoch das Herz der Königin mit seinem eleganten Gerede und einem Beutel Perlen gewonnen.«

»Ist nicht wahr! Aber was ist nun mit ihren anderen Verehrern?«, fragte ich aufgeregt, denn das Liebesleben der Königin war ein allseits beliebtes Gesprächsthema. »Was ist mit dem Grafen von Leicester?«

»Genau, was ist denn nun mit dem Grafen von Leicester?«, fragte auch Mistress Midge. »Es heißt, er sei tief getroffen und seit Tagen nicht bei Hofe gewesen. Und was ist mit Francis Drake, der von seinen Reisen zurück ist und fest entschlossen, um die Königin zu werben? Und dann der junge Oxford?«

»Und Walter Raleigh?«, warf ich ein.

»In der Tat!«

Wir machten es uns vor dem Feuer bequem und verbrachten den Abend bis zur Rückkehr der Dee-Familie mit genüsslichen Spekulationen über die Königin und darüber, wen sie wohl heiraten werde, und ob es ihr wohl noch gelingen werde,

»Das hättet Ihr nicht tun dürfen«, hörte ich Dr. Dee sagen, als ich am nächsten Morgen die Bibliothek betrat, um Feuer in den beiden Kaminen anzuschüren. Er war wie üblich mit seiner langen schwarzen Gelehrtenrobe bekleidet, samt dem Käppchen auf dem Kopf oder, genauer gesagt, auf seinem grauen Haar, das so lang war, dass es sich mit seinem Bart verhedderte. Der lange Bart und das wirre Haar ließen ihn älter aussehen, als er in Wirklichkeit war, denn seine Augen waren immer noch so durchdringend blau wie die seiner beiden Töchter. »Wirklich, das hättet Ihr nicht tun dürfen. Es ist zu riskant für einen Mann in meiner Position.«

»Dummes Zeug! Ihr müsst solche Gelegenheiten wahrnehmen, wenn sie sich bieten«, erwiderte Mr Kelly, der deutlich jünger war, schärfer geschnittene Gesichtszüge hatte und einen rotbraunen Bart trug. »Außerdem benötigen wir Geld, um unsere Ziele zu erreichen. Wir brauchen teure Instrumente. Wir müssen Gold vorschießen, um Gold herstellen zu können.«

»Aber die betreffende Person hierher zu bringen! Ich wünschte, Ihr hättet das nicht getan. Es ist mir nicht recht, mit solch einer riskanten Unternehmung in Verbindung gebracht zu werden.«

»Ihr werdet über die Verbindung noch angetan sein, wenn wir erst das Geld erhalten«, sagte Mr Kelly. »Ariel hat mir mitgeteilt, es werde sich bald eine Gelegenheit bieten, durch die wir an Reichtum kommen können, und wir sollen nicht zögern, wenn es so weit sei. Diese Gelegenheit haben uns die Engel beschert, Dee.«

Ich legte Kohlen ins Feuer und machte mich so unauffällig wie möglich, denn Ariel, das wusste ich, war einer jener geisterhaften Engel, mit denen Mr Kelly zu sprechen vorgab, und ich brannte darauf, mehr darüber zu hören.

»Wir dürfen uns Ariels Wunsch nicht widersetzen«, fügte Mr Kelly feierlich hinzu.

»Schweigt!«, sagte Dr. Dee, und ich sah aus dem Augenwinkel, dass er mit dem Kopf in meine Richtung nickte, doch Mr Kelly warf verächtlich den Kopf zur Seite, als wolle er damit ausdrücken, dass man mich nicht ernst zu nehmen brauche. »Wir warten einen Tag oder so ab, bis die Familie sich Sorgen um sie macht, und senden dann einen Brief.«

»Es gefällt mir nicht«, sagte Dr. Dee. »Ihr wisst doch, wie Bedienstete tratschen und Neuigkeiten sich von Haus zu Haus verbreiten … « Plötzlich hob er die Stimme. »Bist du endlich fertig?«, rief er zu mir herüber.

Ich fegte gerade den Kohlenstaub rund um den Kamin auf – äußerst langsam natürlich, da ich brennend an ihrer Unterhaltung interessiert war. »Beinahe, Sir«, sagte ich unterwürfig. »Ich bin gleich so weit.«

»Dann beeil dich gefälligst«, wies mich Mr Kelly in scharfem Ton an.