Integration ausländischer Mitarbeiter in die Pflege -  - E-Book

Integration ausländischer Mitarbeiter in die Pflege E-Book

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Beschreibung

Der Mangel an Fachkräften in der Pflege ist eklatant. Der Personalbedarf durch Pensionierungen von etwa 269.000 Pflegefachpersonen in den nächsten zehn Jahren wird stark steigen. Zur Verbesserung der Situation fordern Berufsverbände bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen, eine angemessene Personalausstattung und Vergütung, höhere Investitionen in die Ausbildung und berufliche Weiterentwicklung und mehr Entscheidungsbefugnisse für Pflegefachpersonen im Gesundheitssystem. Die Anwerbung und Integration ausländischer Pflegefachpersonen ist ein wichtiges Element, um den Fachkräftemangel zu verringern. Das Fachbuch zur Integration ausländischer Mitarbeiter_innen in die Pflege bietet  •Forschungsergebnisse und pädagogische Erfahrungen zur Begleitung und Integration ausländischer Pflegekräfte  •gesetzliche Bestimmungen zur beruflichen Anerkennung ausländischer Pflegekräfte und Bedarfsanalysen  •Pflegepädagog_innen Hinweise zur Konzept- und Curriculumentwicklung sowie zur Begleitung von ausländischen Pflegepersonen bezüglich fachlicher, sprachlicher und transkultureller Kompetenzen •Pflegemanager_innen Handlungsempfehlungen für die Personalentwicklung und Förderung der Zusammenarbeit mit ausländischen Fachpersonen  •Pflegefachpersonen Handlungsempfehlungen und Beispiele zur Entwicklung transkultureller Kompetenzen im Umgang mit Menschen mit Migrationserfahrungen und zur Rollenentwicklung eines in Sachen Diversität und Transkulturalität versierten Kulturbegleiters in der Pflegepraxis.  Bossle/Kunhardt, das Fachbuch zur beruflichen Integration -ausländischer Pflegefachkräfte in der Pflege.   Die in diesem Buch enthaltenen Arbeitsmaterialien können nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.

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Seitenzahl: 506

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Michael Bossle

Horst Kunhardt

(Hrsg.)

Integration ausländischer Mitarbeiter in die Pflege

Theorien, Konzepte sowie pädagogische Erfahrungen und Rahmenempfehlungen für die Praxis

unter Mitarbeit von

Elisabeth Bauermann

Sandra Bensch

Beate Blättner (†)

Nadja Brenning

Lena Budecker

Ariadna Fürstenau

Jessica Gerstmeier-Nehmer

Natalie Hubenthal

Gregor Jaburek

Tanja Jänicke-Stöger

Dorothee Kühnau

Eva Liedtke

Kathrin Martin

Julia Maushammer

Nadja Noll

Birgit Rathwallner

Lukas Schmidbauer

André Soboczenski

Valerie Tothova

Monika Wagner

Integration ausländischer Mitarbeiter in die Pflege

Michael Bossle, Horst Kunhardt (Hrsg.)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Franz Wagner, Berlin; Angelika Zegelin, Dortmund

Prof. Dr. Michael Bossle (Hrsg.). Deggendorf, Studiengangleitung Master Berufspädagogik Gesundheit und Pflege (M. A.), TH Deggendorf

[email protected]

Prof. Dr. biol. hum. Horst Kunhardt. Leiter des Kompetenzzentrums Bad Kötzting, TH Deggendorf

[email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z.Hd.: Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Lena-Marie Wimmel, Martina Kasper, Rita Madathipurath

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/Eric Audras

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96157-6)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76157-2)

ISBN 978-3-456-86157-9

https://doi.org/10.1024/86157-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der PflegeGregor C. Jaburek

1.1 Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte

1.2 Anerkennungsverfahren

1.2.1 Gleichwertigkeitsprüfung

1.2.2 Anpassungsmaßnahmen

1.3 Ausblick

2 Synergien in internationalen Teams gewinnbringend nutzenAriadna Fürstenau

2.1 Status quo

2.2 Das Verständnis von Kultur

2.3 Von Inter- und Multikulturalität zur Transkulturalität

2.3.1 Transkulturalität

2.3.2 Transkulturelle Kompetenz

2.4 Synergien gewinnbringend verwenden

3 Arbeitsmigration – Welche Rolle spielen kulturelle Zuschreibungen?Nadja Brenning

3.1 Einleitung

3.2 Kultur in der Pflege

3.2.1 Exkurs: Kulturbegriff

3.3 Historische Entwicklung des institutionalisierten Pflegeexports

3.3.1 Situation in Deutschland

3.4 Personaldienstleister beeinflussen Wahrnehmung kultureller Eigenschaften

3.4.1 Zuschreibung kultureller Eigenschaften durch Arbeitgeber_innen

3.4.2 Konfliktpotenzial durch Stereotypisierung

3.4.3 Stereotypisierungsprozess

3.5 Fazit

4 Berufliche Selbstverständnisse einheimischer und ausländischer PflegefachpersonenLena Susanne Budecker und Sandra Bensch

4.1 Hintergrund

4.2 Berufliche Identität: allgemein und spezifisch-pflegerisch

4.3 Anerkennungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland

4.4 Faire Anwerbung von Pflegenden für Deutschland

4.5 Mehrdimensionaler Ansatz und konkretes Traineeprogramm

4.6 Diskussion und Fazit

5 Wechselwirkungen zwischen mitgebrachten und bestehenden BerufszuschreibungenNatalie Hubenthal und Beate Blättner (†)

5.1 Einleitung

5.2 Literaturanalyse

5.3 Theoretische Rahmung

5.3.1 Pflegende im Spannungsfeld verschieden organisierter Handlungserwartungen

5.3.2 Rollenverhandlung in Pflegeteams

5.4 Forschungsfragen

5.5 Methodik

5.6 Ergebnisse

5.7 Diskussion

5.8 Ausblicke und Perspektiven

6 Kompetenzzentrum Bad Kötzting – Aufgaben, Ziele, WegführungHorst Kunhardt

7 Sprachsensible Kompetenzentwicklung an verschiedenen LernortenElisabeth Bauermann

7.1 Situationsanalyse – Begleitkurs im Kompetenzzentrum Bad Kötzting

7.2 Herausforderungen für Pflegefachkräfte

7.3 Herausforderungen für Lernbegleitende

7.4 Spracherwerb und Handlungsempfehlungen

7.4.1 Sprachliche Fähigkeiten

7.4.1.1 Rezeptive Fähigkeiten: Hören und Lesen

7.4.1.2 Produktive Fähigkeiten: Sprechen und Schreiben

7.4.2 Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen

7.4.3 Mündlichkeit und Schriftlichkeit

7.4.4 Bildungssprache im sprachsensiblen Pflegeunterricht

7.4.5 Stolpersteine der deutschen Sprache

7.4.6 Mehrsprachigkeit als Ressource

7.4.7 Fossilisierung & Fehlerkorrektur

7.4.8 Neuer Schwerpunkt im Referenzrahmen für Sprachen

7.4.8.1 Aktivitäten in der Mediation

7.4.8.2 Strategien zur Erläuterung eines neuen Konzeptes

7.5 Sprachliches Scaffolding nach Josef Leisen

7.5.1 Leitideen

7.5.2 Methodenwerkzeuge

7.6 Fazit

8 Curriculumentwicklung Begleitkurs am Kompetenzzentrum Bad KötztingMichael Bossle

8.1 Struktur

8.2 Thematisch-inhaltliche Herausforderungen

8.3 Pädagogischer Rahmen

8.3.1 Gegenstandsbezogene Verknüpfungen

8.3.2 Fachdidaktische Bezüge

8.4 Kursaufbau und Methodik

8.5 Verständnis individualisierter Lernbegleitung

8.6 Seminarübersicht: Module und Lernfelder

9 Entwicklung eines Assessmentverfahrens zur LernbedarfsermittlungTanja Jänicke-Stöger

9.1 Berufliche Handlungskompetenz in der Pflege

9.2 Sprachliche Anforderungen an Pflegende in Deutschland

9.3 Identifizierung von geeigneten Assessmentinstrumenten

9.3.1 Assessments zur Einschätzung der Pflegekompetenz

9.3.2 Assessments zur Einschätzung der Sprachkompetenz

9.4 Umsetzung des Assessments in Bildungseinrichtungen

9.5 Fazit

10 Angebots- und Bedarfsanalyse am KompetenzzentrumBirgit Rathwallner

10.1 Methodisches Vorgehen

10.2 Ergebnisse der Angebots- und Bedarfsanalyse

10.2.1 Kurzbeschreibung der Stichprobe

10.2.2 Bekanntheit des Kompetenzzentrums und Kursangebote

10.2.3 Zeitliche Struktur der Kursangebote

10.2.4 Organisationale Rahmenbedingungen

10.2.5 Themen zukünftiger Bildungsangebote am Kompetenzzentrum

10.2.6 Übernahme der entstehenden Kosten

10.2.7 Freistellung der Arbeitszeit

10.3 Ausblick für eine Weiterführung des Kompetenzzentrums

11 Digitales Know-how von Pflegenden im GrenzraumBirgit Rathwallner und André Soboczenski

11.1 Methodisches Vorgehen

11.2 Ausgewählte Ergebnisse

11.2.1 Beschreibung der Stichprobe

11.2.2 Gerätenutzung und Grundkompetenzen

11.2.3 Einschätzung der Internetkenntnisse

11.2.4 Computereinsatz im Pflegealltag

11.2.5 Unterstützungs- und Schulungsangebote

11.3 Ausblick und Perspektiven

12 Weiterentwicklung der Kurse am KompetenzzentrumBirgit Rathwallner und Tanja Jänicke-Stöger

12.1 Vorüberlegungen zum Entwicklungsprozess des modularen Baukastens

12.2 Entwicklungsschritte des Baukastensystems

12.3 Der modulare Baukasten

12.4 Grundlagen zum Lernen im Skills Lab

12.5 Umsetzung eines Fallszenarios im Skills Lab

12.6 Fazit

13 Steigerung des Bekanntheitsgrades durch VernetzungAndré Soboczenski

13.1 Kooperationen

13.2 Netzwerkkonferenzen

13.3 Öffentlichkeitsarbeit

13.3.1 Veröffentlichung von Presseberichten

13.3.2 Vorträge zum Kompetenzzentrum Bad Kötzting

13.3.3 Fachveröffentlichungen und Zeitschriften

13.4 IT-gestützte Lern- und Vernetzungsplattform

13.5 Ausblick und Perspektiven

14 Szenarienarbeit zur Fortführung des KompetenzzentrumsBirgit Rathwallner, André Soboczenski, Michael Bossle und Horst Kunhardt

14.1 Aufbau eines digitalen Kompetenzzentrums

14.2 Realisierung eines mobilen Kompetenzzentrums

14.3 Schaffung eines Vorbereitungslehrgangs auf die Kenntnisprüfung

14.4 Etablierung eines Kursangebots für den Wiedereinstieg

14.5 Entwicklung eines Fortbildungsprogramms für Pflegeberufe

14.6 Perspektiven zur Fortführung des Kompetenzzentrums

15 Synergieeffekte zwischen Gesundheitscampus und GesundheitsregionPlusKathrin Martin, Eva Liedtke und Lukas Schmidbauer

15.1 Gesundheitscampus der THD in Bad Kötzting

15.1.1 Gesundheit und Versorgung im ländlichen Raum

15.1.2 Technologie Campus der THD

15.1.3 Überblick über den Gesundheitscampus

15.1.3.1 Themen und Aufgaben

15.1.3.2 Visionen und Leitbild des Gesundheitscampus

15.1.4 Projekte

15.1.4.1 Kompetenzzentrum (abgeschlossen)

15.1.4.2 Inno4health

15.1.4.3 Gemeinsam fit bleiben!

15.1.4.4 Digi4Care (Projektvorhaben Interreg B)

15.1.4.5 T!RAUM

15.2 GesundheitsregionPlus des Landkreises Cham

15.2.1 Die GesundheitsregionPlus – kommunales Gesundheitsmanagement

15.2.1.1 „Gesundheitsnetzwerke“ zur Bewältigung gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen

15.2.1.2 Vorgänger-Modelle und aktive Gesundheitsnetzwerke

15.2.1.3 Konzept der GesundheitsregionPlus

15.2.2 Die GesundheitsregionPlus im Landkreis Cham

15.2.2.1 Regionale Herausforderungen im Landkreis Cham

15.2.2.2 Bisherige Tätigkeiten im Handlungsfeld Pflege

15.3 Zusammenarbeit zwischen GesundheitsregionPlus und Gesundheitscampus

16 Unterstützungsimpulse für Betreuungskräfte in PrivathaushaltenBirgit Rathwallner

16.1 Einleitung

16.2 Vielfältige Herausforderungen der Betreuungskräfte

16.3 Berührungspunkte in den Privathaushalten

16.4 Impulse zur Unterstützung von häuslichen Betreuungskräften

16.4.1 Transfer in eine reguläre Beschäftigung

16.4.2 Einbettung in das Versorgungssystem

16.4.3 Entwicklung von Bildungsangeboten

16.4.4 Stärkung individueller Ressourcen

16.5 Fazit

17 Transkulturelle PflegeValérie Tóthová

17.1 Einführung

17.2 Transkulturelle Pflege – Forschungsaktivitäten

17.3 Transkulturelle Pflege im Bachelor-Studiengang

17.4 Transkulturelle Pflege im Master-Studiengang

17.5 Fazit

18 Ressourcenorientiertes Sprach- und Kompetenztraining internationaler PflegefachpersonenNadja Noll und Beate Blättner (†)

18.1 Statusverlust von Pflegefachpersonen im Berufsanerkennungsverfahren

18.2 Konzeption und Durchführung des ressourcenorientierten Kompetenztrainings

18.3 Ergebnisse der Evaluation des Konzeptes

18.3.1 Vertiefung ausgewählter Pflegethemen

18.3.2 Sprachkompetenz fördern und trainieren

18.3.3 Praxisnähe und Handlungsorientierung

18.4 Ausblick und Perspektiven

19 Der Anpassungslehrgang – Erfahrung aus der DurchführungJessica Gerstmeier-Nehmer

19.1 Der Anpassungslehrgang

19.1.1 Fachsprache und Kommunikation

19.1.2 Pflege und Pflegeprozess

19.1.3 Recht und Verwaltung

19.1.4 Praktische Übungen

19.2 Ausblick und Perspektiven

20 Kulturabenteuer − die praktische Umsetzung theoretischer KonzepteDorothee Kühnau

20.1 Einführung

20.2 Strudelparty! Die praktische Umsetzung

20.3 Von der Strudelparty zum Kulturabenteuer

20.4 Kulturabenteuer − Bewertung

21 Schmerzerleben − eine Frage der KulturJulia Maushammer

21.1 Andere Kulturen – anderes Schmerzerleben

21.2 Strategien zur Schmerzbewältigung

21.3 Transkulturelle Kompetenz und Schmerz

22 Fragen − Fakten − Fingerfood − interkulturellMonika Wagner

22.1 Rekrutierung am KH Barmherzige Brüder Regensburg

22.2 Der Weg zur beruflichen Anerkennung

22.3 Der interkulturelle, offene Stammtisch

22.4 Ressourcen nutzen

Literaturverzeichnis

Anhang Lernmaterialien

Lernen im Skills Lab – Szenario Frau Bader

Beratungstag am Kompetenzzentrum Bad Kötzting

Kursverlauf des Begleitkurses zur beruflichen Anerkennung

Lerntagebuch des Begleitkurses zur pflegeberuflichen Anerkennung

Lerntagebuch der Technischen Hochschule Deggendorf

„Mein Lerntagebuch“ (Langversion)

Lernberatungsgespräch – LeitfadenElisabeth Bauernmann

„Mein Lerntagebuch“

Seminar 1

Seminar 2

Seminar 3

Seminar 4

Seminar 5

Lernlandkarten

Herausgeber- und Autor*innenverzeichnis

Hinweise zum Zusatzmaterial

Sachwortverzeichnis

|13|Vorwort

Weltweit stehen viele Länder vor der Herausforderung einer sogenannten doppelten Demografie. Darunter ist die Zunahme von Menschen mit Pflegebedarf, die wiederum mit einer Abnahme von Fachkräften im Pflegebereich und weiteren Gesundheitsberufen einhergeht, zu verstehen. Schätzungen für den Bedarf an Pflegekräften im ambulanten und stationären Bereich bis zum Jahr 2025 in Deutschland gehen von bis zu 500 000 fehlenden Fachkräften aus.

Auch weitere Länder, z. B. die USA, Kanada oder Großbritannien, rekrutieren bereits Pflegefachkräfte in afrikanischen und asiatischen Ländern. Große Lohnunterschiede und bessere Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Ländern führen dazu, dass Pflegekräfte aus wirtschaftlich schwächeren Ländern in wirtschaftlich stärkere Länder mit einem hohen Pflegebedarf auswandern. Die Corona-Pandemie hat dabei die Probleme des Fachkräftemangels bei Pflegeberufen zusätzlich verschärft. Zu Recht hat deswegen die WHO (World Health Organization) einen Global Code of Practice herausgegeben, der Regeln für die internationale Anwerbung von Gesundheitspersonal vorgibt. Idealerweise kommt es dabei zu bilateralen Projekten in Form von Ausbildung und Unterstützung für die Gesundheitsversorgung in wirtschaftlich schwächeren Ländern, aus denen Pflegekräfte in wirtschaftlich stärkere Länder abwandern. In der Realität zeigt sich häufig eine Einbahnstraße, bei der die Abwanderung von Fachkräften, zu einer zusätzlichen Schwächung der Gesundheitssysteme in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern führt.

In Deutschland ist die Anerkennung von Abschlüssen in Gesundheitsberufen gesetzlich geregelt und wird von den jeweiligen Länderregierungen und den jeweils nachgeordneten Behörden vorgenommen. Dies bedeutet eine Prüfung der im Ausland erworbenen Abschlüsse und eine Kenntnisprüfung der fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland. Es zeigt sich jedoch, dass ein gewisser Anteil der Bewerberinnen und Bewerber mit einem im Ausland erworbenen Abschluss die Kenntnisprüfung nicht im ersten Anlauf besteht und deshalb ihre Kompetenzen weiter ausbauen müssen. Genau hier setzt das Projekt „Kompetenzzentrum in Bad Kötzting für die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften und Gesundheitsberufen im bayerisch-tschechischen Grenzraum“ der Technischen Hochschule Deggendorf an, das vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat im Zeitraum 2016 bis 2019 gefördert wurde.

Grenzräume sind überwiegend ländlich strukturiert und stehen deshalb ebenso vor Herausforderungen der doppelten Demografie. Einrichtungen der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Grenzregionen brauchen hier dringend Konzepte für die zum Teil langen Anfahrtswege zu den Pflegebedürftigen im am|14|bulanten Bereich. Auch die Bewältigung der Abwanderungsbewegungen von Fachkräften in die Ballungsräume aus dem stationären Bereich und die sich stetig negativ verändernden Rahmenbedingungen der Gesundheitseinrichtungen stellen große Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft dar. Hier ist v. a. die konstruktive Zusammenarbeit von Politik, Stakeholdern der Gesundheits- und Pflegeversorgung, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und der Gesellschaft gefordert.

Die Technische Hochschule Deggendorf geht seit vielen Jahren konsequent den Weg, Forschungseinrichtungen in Form von Technologiecampus im ländlichen Raum als Anlaufstelle für anwendungsorientierte Forschungsprojekte für die Wirtschaft zu etablieren. Das Pendant zu den Technologiecampus für die Wirtschaft und dem Technologietransfer ist der Gesundheitscampus Bad Kötzting mit Schwerpunkten in der Gesundheitsförderung, Prävention und dem grenzüberschreitenden Gesundheitsmanagement für den Gesundheitsbereich. Am Gesundheitscampus Bad Kötzting werden Konzepte entwickelt, implementiert und evaluiert, die wiederum Lösungen für die Versorgungsherausforderungen des Gesundheitsbereichs im ländlichen Raum und deren Grenzregionen entwickeln sollen.

Das vorliegende Buch greift aus diesem Portfolio unterschiedliche Themen und Herausforderungen zur Integration ausländischer Mitarbeiter in der Pflege auf. Dazu werden zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege beschrieben und anschließend die Herausforderungen zu Inter-, Multi- und Transkulturalität. Es werden Merkmale und Problemstellungen internationaler Pflegeteams beschrieben und Lösungen vorgestellt.

Ein Schwerpunkt des Buches befasst sich mit der Rolle der Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben. Es wird ein Beispielcurriculum vorgestellt, das fachliche, sprachliche und transkulturelle Kompetenzen für Pflegeberufe beinhaltet. Besondere Bedeutung wird dabei auf den dualen Aspekt gelegt, d. h. auch die Entwicklung von Kompetenzen im Management von internationalen Teams bei in Deutschland ausgebildeten Pflegekräften wird thematisiert.

Die Beiträge aus dem Kompetenzzentrum umfassen verschiedenste Generationen des Projekts. Zum einen diejenigen Beiträge, die sich mit der Konzeption von Lernangeboten und Begleitmaterialien befasst haben. Auch konkrete Abschlussarbeiten aus dem Zertifikatskurs „Kulturbegleiter“ sind zu finden. Dieses hochschulische Zertifikat war ein Ergebnis des Gesamtprojekts.

Zum anderen wird die Phase der Generation „Verstetigung und Nachhaltigkeit“ abgearbeitet. Gerade für ländliche Regionen ist das Thema der Vernetzung der jeweiligen Angebote sowie deren Sichtbarkeit essenziell. Die Verbindung vom Gesundheitscampus der Technischen Hochschule Deggendorf und der GesundheitsregionPlus im Landkreis Cham bietet vielfältige Potenziale zur Vernetzung, zur Standortsicherung und zur Weiterentwicklung der bestehenden Angebote.

Die Fragen „Wie kann ein Kompetenzzentrum mit Ausrichtung auf internationale Gesundheitsberufe und Gesundheitsarbeit finanziell weiter bestehen und welche Themen treiben die Region dazu an?“ werden dazu aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Eine Gesamtschau auf die Projektarbeit findet sich im Projektendbericht der Hochschule auf https://www.th-deg.de/gesundheitscampus-bad-koetzting.

Den Abschluss des Buches bildet ein umfangreicher Anhang mit hohem Praxisbezug, der Lernmaterialien zur Verfügung stellt, die für weitere Projekte und Anwendungsbereiche genutzt werden können.

Die beiden Herausgeber danken dem fördernden Ministerium für die Möglichkeit, diese Konzepte aus der Theorie in die Praxis zu disseminieren und sie damit für eine größere Gruppe nutzbar zu machen.

|15|Ganz besonderer Dank gilt allen Autorinnen und Autoren der Buchkapitel, die mit ihrem Theorie- und Praxiswissen ganz wesentlich zu der wichtigen Aufgabe des Wissenstransfers in die Gesellschaft beigetragen haben. Frau Beate Blättner ist während der Arbeit am Aufsatz mit Frau Hubenthal leider verstorben. Ihren Angehörigen gilt unser Mitgefühl.

Weiterer Dank in der Mitarbeit zum Buch gilt Frau Birgit Rathwallner und Nadja Brenning, die uns mit ihrem pflege- und kulturwissenschaftlichen Blick mit Rat und Tat bei der Umsetzung des Buches zur Seite standen.

März 2022

Prof. Dr. Michael Boßle

Prof. Dr. Horst Kunhardt

|17|1  Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege

Gregor C. Jaburek

Dieser Beitrag gibt einen kurzen, zusammenfassenden Überblick über das Verfahren der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege. Er gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

1.1  Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in der Pflege gewinnt die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte immer mehr an Bedeutung. Bedingt durch den demografischen Wandel wird die Zahl der Pflegebedürftigen auch in Deutschland massiv steigen. Bund und Länder haben erkannt, dass die Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte unabdingbarer, zentraler Baustein und Hauptstoßrichtung einer Strategie ist, die dem Fachkräftemangel nachhaltig begegnet. Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“ beschlossene Maßnahmen und Programme wie „triple win“ der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Verbund mit weiteren Aktivitäten, z. B. der Deutschen Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe im Bereich der Unterstützung und Beschleunigung notwendiger Antragsverfahren, zeigen als Gegenschlag bereits Wirkung: Allein in Bayern stieg die Zahl von Anträgen auf Anerkennung von 862 im Jahr 2013 auf 3993 im Jahr 2019 und auf 2628 im Jahr 2020 (Bundesagentur für Arbeit, persönliche Mitteilung, 01.10.2020). Bereits heute stammt ca. ein Drittel der Berufseinsteiger im Bereich der Pflegefachberufe aus dem Ausland. Grundsätzlich ist die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte nicht originäre Aufgabe des Staates, sondern der Arbeitgeber im Pflegesektor, da nur sie verlässlich beurteilen können, wie viele Fachkräfte mit welchen Qualifikationen konkret benötigt werden. Der Staat flankiert die Aktivitäten der Arbeitgeber mit Beratungs- und etablierten Anwerbeprogrammen. Speziell in Bayern wird mit der Koordinierungs- und Beratungsstelle Berufsanerkennung seit 2021 ein besonderer Fokus auf die Beratung von Arbeitgeber_innen, Fachkräften und Personalvermittlungsagenturen gelegt, insbesondere an der Schnittstelle zwischen aufenthaltsrechtlichem Verfahren und Anerkennungsverfahren vor dem Hintergrund des neu eingeführten beschleunigten Fachkräfteverfahrens nach § 81a Aufenthaltsgesetz.

1.2  Anerkennungsverfahren

Pflegefachkräfte mit ausländischer Berufsqualifikation müssen ihre Qualifikation in Deutschland anerkennen lassen, um die Berufsbezeichnungen „Pflegefachmann“ bzw. „Pflegefachfrau“, „Gesundheits- und Krankenpfleger“ bzw. „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ und „Altenpfleger“ bzw. „Altenpflegerin“ |18|führen zu dürfen (§§ 1 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2 des Pflegeberufegesetzes [PflBG]). Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung ist gemäß § 2 Nr. 1 PflBG auf Antrag zu erteilen, wenn die antragstellende Person die durch das PflBG vorgeschriebene berufliche oder hochschulische Ausbildung absolviert und die staatliche Abschlussprüfung bestanden hat. §§ 40 ff. PflBG regeln, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung bei ausländischen Berufsabschlüssen erteilt wird. Die Dauer des Verwaltungsverfahrens zur Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse normiert § 43 Abs. 3 der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV): Danach darf das Verfahren längstens vier Monate bei Drittstaatsanträgen und drei Monate bei EU-Anträgen jeweils ab Vollständigkeit der Antragsunterlagen dauern.

1.2.1  Gleichwertigkeitsprüfung

Das Herzstück des Anerkennungsverfahrens bildet die Gleichwertigkeitsprüfung: Die zuständige Behörde prüft, ob der im Ausland erworbene Ausbildungsstand als gleichwertig mit dem deutschen Ausbildungsstand angesehen werden kann. Relevanz hat dies in der Praxis hauptsächlich für Drittstaaten. Allein in Bayern wurden im Jahr 2020 trotz pandemiebedingtem Rückgang 1968 Anträge auf Anerkennung als Gesundheits- und Krankenpfleger_in aus Drittstaaten gestellt und 660 aus EU-Staaten. Einen erheblichen Teil der Anträge machen in Bayern solche aus Bosnien-Herzegowina, den Philippinen und Serbien aus (Abfrage bei den Bezirksregierungen durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege). Wie bei solchen Drittstaaten zu verfahren ist, umschreibt § 40 Abs. 2 PflBG: Der Ausbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der deutschen Ausbildung aufweist. Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn

die Ausbildung hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Themenbereiche oder Bereiche der praktischen Ausbildung umfasst, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die nach deutschem Recht vorgeschrieben sind, oder

der Beruf der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, der Beruf der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder der Beruf der Altenpflegerin oder des Altenpflegers eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die im Herkunftsstaat der antragstellenden Person nicht Bestandteil des Berufs sind, der dem der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder der Altenpflegerin oder des Altenpflegers entspricht, und wenn sich die Ausbildung für die jeweiligen Tätigkeiten auf Themenbereiche oder Bereiche der praktischen Ausbildung nach deutschem Recht beziehen, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von der ausländischen Ausbildung abgedeckt sind, und

die antragstellende Person diese Unterschiede nicht durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgleichen kann, die sie im Rahmen ihrer tatsächlichen und rechtmäßigen Ausübung des Berufs der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder der Altenpflegerin oder des Altenpflegers in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben hat, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind. Themenbereiche oder Bereiche der praktischen Ausbildung unterscheiden sich wesentlich, wenn die nachgewiesene Ausbildung der antragstellenden Person wesentliche inhaltliche Abweichungen hin|19|sichtlich der Kenntnisse und Fähigkeiten aufweist, die eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder der Altenpflegerin oder des Altenpflegers in Deutschland sind.

Eine ausländische Ausbildung ist also gleichwertig mit der deutschen Ausbildung, wenn sie nicht „wesentlich“ anders als die deutsche Ausbildung ist. Die Vorschrift erscheint insofern missglückt, als dass sie keinen Anhaltspunkt dafür liefert, wann genau diese Gleichwertigkeit des ausländischen Ausbildungsstandes vorliegt – die Auslegung des Begriffs des „wesentlichen“ Unterschiedes bereitet auch in der Vollzugspraxis erhebliche Schwierigkeiten. Die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes bemisst sich jedenfalls nach objektiven Umständen. Maßgeblich ist insoweit der Ausbildungsstand, der sich aufgrund des vom Antragsteller absolvierten konkreten Ausbildungsgangs ergibt (Jaburek, 2019). Irrelevant ist jedoch, ob die Ausbildung gleich gestaltet ist (Kreutz & Opolony, 2019) (unter Hinweis darauf, dass mit Blick auf das EU-Recht [RL 2005/36/EG] die Ausbildungsdauer kein Kriterium für einen wesentlichen Unterschied ist). Es ist ein Vergleich des deutschen Ausbildungsstandes mit dem Ausbildungsstand, der sich nach Abschluss der ausländischen Ausbildung des Bewerbers ergibt, vorzunehmen. Dessen konkreter Ausbildungsgang ist nachzuzeichnen und in eine wertende Relation zu den deutschen Ausbildungsanforderungen zu setzen.

Üblicherweise wird zunächst geprüft, ob die Ausbildung dem im Anerkennungsantrag bezeichneten deutschen Beruf von seinem Niveau und seiner Struktur her entspricht, mindestens jedoch über das Niveau einer deutschen Ausbildung zum Pflegefachhelfer bzw. zur Pflegefachhelferin hinausgeht (Referenzberuf) (Schilling, 2021). Die sich anschließende Gleichwertigkeitsprüfung umfasst folgende Schritte:

Im Sinne von § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PflBG sind Unterschiede wesentlich, wenn die ausländische Ausbildung Kompetenzschwerpunkte nach Anlage 2 zur PflAPrV und Pflichteinsätze nach Anlage 7 PflAPrV umfasst, die sich wesentlich von den nach deutschem Recht geregelten unterscheiden (Schilling, 2021). Aus § 40 Abs. 2 Satz 3 PflBG folgt im Umkehrschluss, dass es Ausbildungsinhalte geben kann (z. B. das Berufsrecht), die trotz Abweichung von der deutschen Ausbildung nicht zu einem wesentlichen Unterschied führen (Schilling, 2021).

Wesentliche Unterschiede nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 PflBG im Hinblick auf reglementierte Tätigkeiten i. S. des § 3 Abs. 5 BQFG liegen regelmäßig vor, wenn sich das Ausbildungsziel der ausländischen Pflegeausbildung vom deutschen Ausbildungsziel dergestalt unterscheidet, dass eine oder mehrere der in § 5 Abs. 3 PflBG aufgeführten Aufgaben nicht Bestandteil des entsprechenden Berufs sind.

Einen Ausgleich wesentlicher Unterschiede durch im Wege der Berufserfahrung oder des lebenslangen Lernens erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglicht § 40 Abs. 2 Satz 2 PflBG. Berufserfahrungszeiten sollten idealerweise aktuell sein, eine mehrjährige Dauer aufweisen und im Bereich der allgemeinen Pflege angesiedelt sein. Grundsätzlich ist es möglich, Defizite teilweise auszugleichen, was sich auch auf Inhalt und Dauer von Anpassungsmaßnahmen auswirkt. Mangels verfügbarer Nachweise wie z. B. Arbeitszeugnisse läuft die Vorschrift in der Praxis allerdings oft leer (Schilling, 2021).

Für die Anerkennung von EU-/EWR-Ausbildungen enthalten die §§ 41 f. PflBG erleichterte Voraussetzungen bei Vorlage entsprechender Bescheinigungen, die zur sofortigen Anerkennung führen.

Welche Unterlagen sich die zuständige Behörde zur Prüfung der Gleichwertigkeit vorlegen lassen kann und darf, regelt das Gesetz nicht. Von zentraler Bedeutung ist neben Ausbildungsnachweisen, Lebenslauf und Führungszeugnis die Vorlage eines B2-Sprachzerti|20|fikats (GER), das spätestens zum Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung vorliegen muss. Eine Rechtsgrundlage, nach der die zuständigen Behörden die Vorlage des B2-Zertifikats bereits zum Beginn einer Anpassungsmaßnahme verlangen könnten, besteht demgegenüber nicht.

1.2.2  Anpassungsmaßnahmen

Stellt die Behörde hinsichtlich der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation wesentliche Unterschiede fest, erteilt sie der antragstellenden Person einen rechtsmittelfähigen Bescheid gemäß § 43 Abs. 4 PflAPrV, der insbesondere die Themenbereiche oder Ausbildungsbestandteile benennt, bei denen wesentliche Unterschiede festgestellt wurden (sog. Defizitbescheid) (Jaburek, 2019). Bestehen wesentliche Unterschiede zwischen der ausländischen Berufsausbildung und der deutschen Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger_in bzw. zum Pflegefachmann/-frau, müssen die Anerkennungssuchenden den Ausgleich dieser Defizite nachweisen, bevor sie die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung erhalten können. Gemäss § 40 Abs. 3 PflBG ist dieser Nachweis nach Wahl der Anerkennungssuchenden durch eine Kenntnisprüfung (Kreutz & Opolony, 2019) oder einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang (Kreutz & Opolony, 2019) zu erbringen.

Ziel des Anpassungslehrgangs nach § 40 Abs. 3 Satz 2 PflBG ist gemäß § 44 PflAPrV, festzustellen, dass Teilnehmende über die Kompetenzen verfügen, die zur Ausübung des Berufs der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, des Berufs der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder des Berufs der Altenpflegerin oder des Altenpflegers erforderlich sind. Die zuständige Behörde legt die Dauer und die Inhalte des Anpassungslehrgangs so fest, dass das Ziel des Anpassungslehrgangs erreicht werden kann. Dabei ist es schon nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 2 PflAPrV nicht zulässig, dass die Behörden diese Aufgaben auf Pflegeschulen abwälzen, die dann in Eigenregie über Inhalte und Dauer des Anpassungslehrgangs entscheiden. Der Anpassungslehrgang wird entsprechend dem Ziel des Anpassungslehrgangs in Form von theoretischem und praktischem Unterricht, einer praktischen Ausbildung mit theoretischer Unterweisung oder beidem durchgeführt. Er schließt mit einer Prüfung über die vermittelten Kompetenzen in Form eines Abschlussgespräches ab. In der Praxis kommt die Festlegung der maximalen Dauer von drei Jahren kaum vor, da bei entsprechenden Defiziten schon das Vorliegen eines Referenzberufes fraglich ist (Schilling, 2021).

In der Kenntnisprüfung gemäß § 45 PflAPrV hat die zu prüfende Person nachzuweisen, dass sie über die Kompetenzen verfügt, die zur Ausübung des Berufs der Pflegefachfrau oder des Pflegefachmanns, des Berufs der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers oder des Berufs der Altenpflegerin oder des Altenpflegers erforderlich sind. Die Kenntnisprüfung umfasst einen mündlichen und einen praktischen Teil. Inhaltlich erstreckt sie sich auf den Prüfungsstoff der „regulären“ staatlichen Abschlussprüfung, ist mit dieser aber nicht voll identisch, da dies nicht zumutbar wäre (Schilling, 2021). Sie ist erfolgreich abgeschlossen, wenn die zu prüfende Person beide Prüfungsteile bestanden hat. Gegenstand der Kenntnisprüfung sind die in § 45 Abs. 1 Satz 4 PflAPrV genannten Kompetenzbereiche. Im mündlichen Teil der Prüfung ist eine komplexe Aufgabenstellung zu bearbeiten, die Anforderungen aus mindestens drei verschiedenen Kompetenzbereichen enthält. Die Prüfungsaufgabe besteht in der Bearbeitung einer Fallsituation aus einem anderen Versorgungskontext als dem der praktischen Prüfung und bezieht sich bei Personen, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 PflBG beantragen, auf eine andere Altersstufe der zu pflegenden Menschen. Im praktischen Teil der Kenntnisprüfung hat die zu prüfende Person in mindestens zwei und höchstens vier |21|Pflegesituationen nachzuweisen, dass sie die vorbehaltenen Tätigkeiten wahrnehmen und damit die erforderlichen Pflegeprozesse und die Pflegediagnostik verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren kann. Im Rahmen der pflegerischen Versorgung hat eine situationsangemessene Kommunikation mit den zu pflegenden Menschen, ihren Bezugspersonen und den beruflich in die Versorgung eingebundenen Personen deutlich zu werden. Die zuständige Behörde legt einen Einsatzbereich, der im Sinne der Anlage 7 zur PflAPrV als Pflichteinsatz aufgeführt ist, sowie die Zahl der Pflegesituationen fest.

Für ausländische Ausbildungen aus EU-/EWR-Staaten enthalten die §§ 41 Abs. 3 Satz 2 PflBG, 46 und 47 PflAPrV gesonderte Regelungen.

1.3  Ausblick

Häufige Forderung seitens der Anerkennungssuchenden, der Arbeitgeber_innen und Vermittlungsagenturen ist, das Anerkennungsverfahren einheitlicher, transparenter und schneller zu machen. In der Tat verläuft das Anerkennungsverfahren z. B. in Bayern bei sieben zuständigen Regierungen heterogen. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch insofern, dass der Patientenschutz an erster Stelle steht, sodass eine Absenkung der Anforderungen, die im Anerkennungsverfahren gestellt werden, grundsätzlich nicht infrage kommt. Eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise erscheint trotz regelmäßigen Austauschs der Länder illusorisch. Was die Effizienz des Verfahrens angeht, besteht nach hier vertretener Auffassung Handlungsbedarf, da in der Praxis Unterschiede zwischen Anerkennungsbehörden im Verfahren bezüglich der Nachweise der Sprachkenntnisse, der formalen Gestaltung der Defizitbescheide, der inhaltlichen Prüfung der Gleichwertigkeit, der Berücksichtigung von Berufserfahrungszeiten, der Festsetzung von Anpassungsmaßnahmen und von Gebühren bestehen.

Mögliche Handlungsoptionen der Zukunft sind eine Harmonisierung der Verfahren durch Austausch unter den Regierungen unter Federführung einer neutralen Stelle oder evtl. auch eine „echte“ Zentralisierung mit Aufgabenübertragung auf eine Behörde. Die Entscheidung, welche Option zum Zuge kommt, trifft die Politik.

Ein schneller Veränderungsprozess durch Zentralisierung wird nach hier vertretender Auffassung favorisiert. Eine unterschiedliche Bearbeitungsweise und „Antragstourismus“ könnten damit zuverlässig beendet werden, die zeitaufwändige Prüfung der örtlichen Zuständigkeit und die Genehmigung von Anpassungsmaßnahmen in einem anderen Regierungsbezirk könnten beispielsweise entfallen. Mit konzentrierter Fachkunde könnten Synergieeffekte maximal genutzt werden.

|23|2  Synergien in internationalen Teams gewinnbringend nutzen

Ariadna Fürstenau

„Fehlende transkulturelle Kompetenz und mangelnde Sensibilisierung für die spezifischen Gesundheitsprobleme der Migrationsbevölkerung erschweren sowohl die medizinische Abklärung als auch die Behandlung und beeinflussen zudem die Therapietreue. Dies kann dazu führen, dass Krankheitssymptome falsch gedeutet oder spezifische Krankheitsbilder zu wenig differenziert diagnostiziert werden“ (Bundesamt für Gesundheit, 2008, S. 17).

2.1  Status quo

Schlüsselbegriffe: Kultursensible Gesundheitsversorgung, Kulturelle Annäherung, Interkulturelle Kompetenz, Multikulturalität, Transkulturalität

Im Zeitalter der Globalisierung und der zunehmenden Migration ist die Begegnung mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen mittlerweile Alltag im Gesundheitssektor. Gesicherte Daten zur Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind nur schwer zugänglich. Aktuell geht man davon aus, dass 20 %, d. h. jeder Fünfte der Bevölkerung in Deutschland, selbst zugewandert ist oder einen Migrationshintergrund in erster, zweiter oder dritter Generation aufweist (Robert Koch Institut, 2021). Man kann also davon ausgehen, dass sich die Zahl der Migranten sowohl auf die Patientenstruktur als auch auf die Zusammensetzung von Pflege- bzw. Ärzteteams auswirkt. So ist der Arbeitsalltag dieser Personenkreise unterschiedlicher Herkunft längst multikulturell geprägt.

Die Art des Aufenthaltes der Patient_innen unterscheidet sich hier maßgeblich: Zum einen gibt es die Migrant_innen, die im Land mittlerweile beheimatet sind, zum anderen gibt es auch die klassischen Urlaubstourist_innen, die beispielsweise während ihres Urlaubs ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen (Lenthe, 2011). Neben den Urlaubstourist_innen spricht man auch noch vom Patiententourismus. Dieser wird hauptsächlich begünstigt durch lange Wartezeiten für Behandlungen im Heimatland aufgrund des Fachärztemangels oder mangelnder hochtechnologischer, medizinischer Spezialgeräte für die Diagnostik. Einen weiteren Grund stellen oftmals die zu hohen Behandlungskosten im Heimatland dar (Bolten, 2007). Spiegelt man die Gründe für Patientenmobilität auf die Mobilität von Pflegepersonal und Ärzt_innen wider, so kann man davon ausgehen, dass die oben genannten Gründe eine entscheidende Rolle spielen, weshalb es sie nach Deutschland bewegt. Zudem hat der deutsche Gesundheitssektor einen sehr guten Ruf, was die fachliche Qualität, Technologie und gute Versorgungsdichte betrifft (Bolten, 2007).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass genannte Personengruppen von Heterogenität geprägt sind und das Zusammentreffen dieser Personenkreise uns vor viele Herausforderun|24|gen, aber auch Chancen stellt. Kommunikations- und Verständnisprobleme aufgrund unterschiedlicher Sprachen der Patient_innen und Ärzt_innen stellen hier nur eine kleide Hürde dar, da diese oftmals mittels eines/einer Dolmetschers/Dolmetscherin oder durch nonverbale Kommunikation, das klassische Gestikulieren mit Händen und Füßen, gelöst werden können. Vielmehr sind es die unterschiedlichen Wertvorstellungen, kulturellen Unterschiede, die zu Missverständnissen führen und eine Zusammenarbeit nur erschwert möglich machen. So haben unterschiedliche Kulturen und Länder beispielweise verschiedene Kommunikationsarten (verbal/nonverbal oder direkt/indirekt) oder ein unterschiedliches Schmerzempfinden. Auch die Religion oder das Sozialverhalten der Menschen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Diagnostik und den Genesungsprozess der Patient_innen. So kommen im Arbeitsalltag oftmals vollkommen unterschiedliche Medizintraditionen zum Vorschein (Bolten, 2007). Doch wie schafft man es dann in einem interkulturellen Team, sich auf andere Methoden einzulassen und die Erfahrungen der internationalen Kolleg_innen in den Arbeitsalltag einzubinden und gewinnbringend zu nutzen?

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer kultursensiblen Annäherung an die jeweils andere Kultur und in einem offenen, respektvollen und von Toleranz geprägten Miteinander, um Synergien sinnvoll nutzen zu können. Es ist essenziell, dass sich beide Parteien verstehen und verstanden werden.

Vor diesem Hintergrund wird zunächst das Verständnis von Kultur erläutert, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und sich der Komplexität der Thematik besser annähern zu können. Folgend soll aufgezeigt werden, wie multikulturelle Teams untereinander profitieren können, und das Zusammenwirken solcher Teams gewinnbringend genutzt werden kann. Dazu wird der Weg von Interkulturalität über die Multikulturalität zur Transkulturalität genauer betrachtet.

2.2  Das Verständnis von Kultur

Menschen sind überall auf der Welt miteinander vernetzt und nationale Grenzen weichen auf. „Die Lebensformen enden nicht mehr an den Grenzen der Nationalkulturen, sondern überschreiten diese, finden sich ebenso in anderen Kulturen“ (Welsch, 2000, S. 337).

Um sich der Herausforderung einer kultursensiblen Gesundheitsversorgung stellen zu können, ist zunächst die Klärung des Verständnisses von Kultur sinnvoll. Auch in der Zusammenarbeit mit und in einem multikulturellen (Pflege-)Team ist ein gemeinsames Verständnis von Kultur die Grundvoraussetzung für einen gelungen Arbeitsprozess.

Ein allgemein gültiger Kulturbegriff existiert grundsätzlich nicht, denn es gibt zahlreiche und vielfältige Definitionen, die immer abhängig vom Kontext sind, in welchem sie entstanden sind. Kultur lässt sich zunächst in einen engen und einen erweiterten Kulturbegriff untergliedern (Bolten, 2012). Der enge Kulturbegriff – geprägt von langer Tradition − kann als „Repräsentant des Schönen, Wahren und Guten“ (Bolten, 2012, S. 22) verstanden werden und entspricht dem, was wir als Hochkultur verstehen. Der enge Kulturbegriff ist statisch und nicht veränderbar. Im Sinne einer kultursensiblen Annäherung im Pflegealltag kann diese Definition von Kultur vernachlässigt werden. Der erweiterte Kulturbegriff, welcher als dynamisch charakterisiert wird, wird wiederum unterteilt in eine geschlossene und offene Variante (Bolten, 2012). Die geschlossene Form von Kultur meint mehr oder weniger unser nationales Verständnis von Kultur. Kulturen hören an den Landesgrenzen auf und werden als weitestgehend homogene Einheiten beschrieben (Bolten, 2012). Das klassische „Containerdenken“ kann mit dieser Form von Kultur gleichgestellt werden. Problematisch hierbei ist jedoch, dass im Zuge der Globalisierung mitsamt seiner Migrationsströme solch ein Tunneldenken längst überholt ist (Stagge, 2016), denn je näher man an eine Kultur heranzoomt, desto heterogener erscheint diese (Bolten, 2012) – so die |25|offene Variante des Kulturbegriffes. Wie ist das zu verstehen? Nehmen wir als Beispiel eine Patientin, welche mit einem Kopftuch in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Dem ersten Blick nach und nur nach dem Äußeren beurteilt, scheint es einfach, die Patientin als türkischstämmig abzuspeichern. Im Sinne des klassischen Containerdenkens bilden wir automatisch Vorurteile auf Basis von Stereotypen, welche wir zu dieser Kultur besitzen. Betrachtet man nun die Patientin genauer und zoomt sozusagen an die Person heran, so stellt man fest, dass die Patientin in Deutschland geboren ist und viele Werte, die man als klassisch Deutsch bezeichnen würde, wie z. B. eine sehr direkte Kommunikationsform oder ein geringeres Schamgefühl gegenüber Nacktheit, aufweist. Denn die Person ist in Deutschland geboren, nimmt Werte dieser Kultur (automatisch) an, weist aber natürlich auch Kulturmerkmale ihrer türkischen Herkunft auf, wie hier in dem Beispiel das Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen. Das heißt also, je näher wir an ein Individuum heranzoomen, desto heterogener erscheint dieses. Der offene Kulturbegriff und damit auch unsere eigene Kultur sind dynamisch und veränderbar. Wir nehmen verschiedene Werte als Individuum auf und machen diese zu unseren eigenen Werten und entwickeln so unsere eigene Kultur stetig weiter. Dies kann beispielsweise durch einen längeren Aufenthalt in einem fremden Land oder durch Migrationshintergründe in der eigenen Familie passieren. Das einzelne Individuum versteht sich als Mitglied diverser Lebenswelten und eindeutige Zuordnungsversuche werden zunehmend schwieriger, denn die Kulturen verstehen sich nicht als klar abgegrenzte homogene Einheiten. Ganz im Gegenteil, die kulturellen Grenzen erscheinen unscharf („fuzzy culture“) (Bolten, 2012). Inwiefern man sich mit den diversen Lebenswelten identifiziert und diese zu seinem „Eigen“ macht, hängt davon ab, wie relevant, wie plausibel und wie normal das Handeln einem erscheint. Stimmen alle drei Faktoren, so ermöglicht dies Routinehandeln (Bolten, 2018) und das Handeln wird unserer Kultur zu eigen. Dadurch, dass unsere eigene Kultur von Vielfalt geprägt ist, ist es schwer, sich kulturspezifisches Wissen anzueignen, denn die Grenzen verschwimmen immer mehr. So geht der eindeutige Appell, sich durch eine kulturallgemeine Sichtweise an sein Gegenüber anzunähern, fähig zu sein, sich auf andere Kulturen einzulassen, sich mit diesen auseinanderzusetzen und die Interaktion zwischen diesen Kulturen (die eigene und die fremde) zu erleichtern.

2.3  Von Inter- und Multikulturalität zur Transkulturalität

Setzt man sich nun mit dem Begriff der Interkulturalität auseinander, so versteht man darunter die Begegnung zwischen zwei Kulturen „und damit eine zu starke Fokussierung auf die (vermeintliche) Kultur der interagierenden Akteur_innen“ (Peters et al., 2013, S. 66). Trotzdem ist interkulturelle Kompetenz in einer multikulturell geprägten Lebenswelt, welche sich aus mehreren Kulturen zusammensetzt, unabdingbar, denn sie fokussiert sich auf die „Beziehungen der unterschiedlichen Lebenswelten zueinander und ihre Interaktionen untereinander“ (Bolten, 2012, S. 39). Wie jedoch ist Multikulturalität zu verstehen? Insgesamt lässt sich diese in drei Varianten unterteilen. Die erste Variante von Multikulturalität ist geprägt von Ignoranz. Sie verlangt strikte Anpassung an die eigene Kultur (Leitkultur). Eine Unterordnung unter die Leitkultur ist Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Kulturelle Eigenheiten anderer Kulturen werden verdrängt, um das scheinbar friedliche Miteinander nicht zu gefährden. Diese Variante der Multikulturalität ist zudem von der Angst geprägt, die eigene Kultur durch fremde Einflüsse zu verlieren (Bolten, 2012). Die zweite Variante von Multikulturalität ist geprägt von Toleranz. Eigene kulturelle Freiräume bleiben bestehen und sind maßgeblich für eine harmonische Koexistenz. Allerdings verlangt auch diese Variante von |26|Multikulturalität die Unterordnung unter die bestehende Leitkultur. So herrscht in dieser Variante ein toleranzgeprägtes Nebeneinander vor. Man spricht von einer stückweisen Integration, in welcher die kulturelle Eigenständigkeit gewahrt wird (Bolten, 2012). Die dritte Variante von Multikulturalität zeichnet sich durch Akzeptanz aus. Die eigene kulturelle Leitkultur wird zwar nicht aufgelöst, aber das Tunneldenken wird überwunden. In dieser Variante wird von einem Prozess gesprochen, in welchem gemeinsame Handlungsmöglichkeiten realisiert werden können. Neue Gedanken, Pläne und Handlungen stehen im Vordergrund und werden von einem „gemeinschaftlichen Machen“ geleitet. Interkulturalität stellt hier die Basis für ein gemeinschaftliches Handeln dar (Bolten, 2012). „Multikulturalität existiert dann nicht mehr als Ordnungsprinzip, sondern als Prozess, innerhalb dessen neue Gedanken, Pläne und Handlungen entstehen können, die bei strikter räumlicher Trennung der Lebenswelten nicht denkbar wären“ (Bolten, 2012, S. 101).

2.3.1  Transkulturalität

FürWelsch (2000) haben Kulturen schon lange nicht mehr die Form der Homogenität, sondern sind weitestgehend durch Mischungen und Durchdringungen gekennzeichnet. So steht bei der Transkulturalität nicht das Zwischen (Multikulturalität) oder Nebeneinander (Interkulturalität) von Kulturen im Vordergrund, sondern „das über das Kulturelle Hinausgehende, Grenzüberschreitende und somit wieder Verbindende und Gemeinsame“ (Domenig, 2007, S. 172). Transkulturalität soll den engen Blick auf Kulturzentriertheit in den Hintergrund drängen und stattdessen dazu beitragen, neue Dinge und vertraute Dinge anders zu sehen. So soll auch die Erkenntnis erlangt werden, dass neben Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten herrschen (Welsch, 2000). Man spricht also von einem aufeinander Zugehen und Verstehen, um Abgrenzungen und Ausgrenzungen zu verhindern (Domenig, 2007).

2.3.2  Transkulturelle Kompetenz

Transkulturelle Kompetenz stellt also nicht die Kulturen in den Vordergrund, sondern die Interaktion zwischen zwei Menschen (Interaktionsfähigkeit). „Transkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, individuelle Lebenswelten in der besonderen Situation und in unterschiedlichen Kontexten zu erfassen, zu versehen und entsprechende, angepasste Handlungsweisen daraus abzuleiten“ (Domenig, 2007, S. 174).

Konkret lässt sich diese Fertigkeit als „Interaktionsfähigkeit im Migrationskontext“ (Domenig, 2007, S. 174) beschreiben, welche auf den drei Säulen der Selbstreflexion, der narrativen Empathie sowie des Hintergrundwissens der bzw. Erfahrung beruht. Die erste Säule der transkulturellen Kompetenz ist die Selbstreflexion. Der Begriff der alltäglichen Lebenswelt beschreibt den Umstand, dass jeder Mensch, je nach Kulturraum, seinen eigenen Wirklichkeitsbereich hat, woraus eine gewisse Selbstverständlichkeit resultiert. Denn je nachdem wie und wo man aufwächst, hinterfragt man Gegebenheiten seiner eigenen Lebenswelt meist nicht und sieht sie als selbstverständlich. Um aus dieser Selbstverständlichkeit herauszutreten und Selbstreflexion zu betreiben, muss man seine Lebenswelt hinterfragen und sich der eigenen Selbstverständlichkeit bewusst werden. Zudem muss versucht werden, sich über andersartige Lebenswelten fremder Kulturen klar zu werden. Das Verstehen anderer Kulturen und deren Sichtweise auf gewisse Situationen steht hier im Vordergrund. Die Säule des Hintergrundwissens und der Erfahrung beinhaltet verschiedene Aspekte, welche für das Lösen einer transkulturellen Situation hilfreich sind. Man sollte sich daher theoretisches Hintergrundwissen über Kultur, Migration, Integration, Grundrechte und Menschenrechte aneignen sowie Kenntnisse über migrationsspezifische Lebenswelten. Auch das Wissen über die Existenz von Rassismus, frauenspezifische Lebenswelten, psychische Erkrankungen, Unterschiede in der sozialen Organisation |27|und Unterschiede in der Kommunikation helfen, transkulturell kompetenter zu handeln (Domenig, 2007). Im Hinblick auf die Kommunikation kann es beispielsweise von Vorteil sein, zu wissen, ob mein Gegenüber eher indirekt oder direkt kommuniziert. Das Wissen darüber hilft, den Kommunikationsprozess zu vereinfachen und einen Zugang zu seinem Gegenüber zu finden. Aber nicht nur die Aneignung von Wissen ist ausschlaggebend, sondern auch die Erfahrungsebene (Learning by Doing) trägt dazu bei, transkulturell erfahrener zu werden (Domenig, 2007). Die Verbindung von Selbstreflexion sowie Hintergrundwissen und Erfahrungen fördert bei Fachpersonen das Selbstbewusstsein und die Sensibilisierung bei transkulturellen Fragen (Domenig, 2007). Bei der dritten und letzten Säule, der narrativen Empathie, stehen narrative Techniken im Vordergrund. Darunter versteht man Strategien der Selbstpräsentation, Zustimmungsbekundungen und passende Fragen, die das Gegenüber dazu bewegen, die Wahrheit zu sprechen. Mit „Wahrheit“ sind die Erzählungen oder anders genannt die Narrationen einer Person gemeint. Dies hilft dabei, gewisse Ereignisse, welche einen Einblick in die innere und äußere Welt der Person erfordern, nachvollziehen zu können (Domenig, 2007). „Durch Narrationen wird Ereignissen Sinn und Bedeutung in einer subjektiven Lebensgeschichte verliehen“ (Domenig, 2007, S. 179). Dadurch schafft man es also, einen Einblick in die Lebensgeschichte und Lebenswelt des Gegenübers zu erlangen und infolgedessen wird empathisches Handeln, das Hineinversetzen in einen anderen Menschen und das Verständnis seines Handelns, ermöglicht (Domenig, 2007). Selbstreflexion zusammen mit der narrativen Empathie verhelfen zu einer guten Beziehungsgestaltung und zu einem erfolgreichen Einbezug der individuellen Lebenswelten (Domenig, 2007), welche sehr unterschiedlich sein können.

Zusammenfassend bedeutet transkulturelle Kompetenz, die Fähigkeit zu besitzen, seine eigenen lebensweltlichen Prägungen und Vorurteile zu reflektieren (Selbstreflexion), Kulturalisierungen und Stereotypisierungen von bestimmten Zielgruppen zu vermeiden (Hintergrundwissen und Erfahrung) und die Perspektive und Gefühle anderer erfassen und deuten zu können (Empathie) (Domenig, 2007).

2.4  Synergien gewinnbringend verwenden

Dass wir in einem Zeitalter leben, wo unsere Kulturen durch Mischungen und Durchdringungen gekennzeichnet sind (Welsch, 2000), ist auch im Pflegealltag deutlich erkennbar. In Deutschland leben 21,2 Millionen Personen mit Migrationshintergrund. Weitere 11,4 Millionen Menschen haben eine ausländische Staatsbürgerschaft und leben in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2021a). Zudem wandern seit den vergangenen vier Jahren jährlich ca. 1 300 000 weitere Personen ein (Statistisches Bundesamt, 2021b). Diese Zahlen werden sich über kurz oder lang auch auf dem Arbeitsmarkt im Gesundheitssektor widerspiegeln. Transkulturelle Pflegeteams – nach dem bereits erworbenen Verständnis, dass Kulturen nicht klar abzugrenzen sind – werden immer häufiger. Wie aber kann man diese Vielzahl an Kulturen in einem transkulturellen Pflegeteam gewinnbringend einsetzen? Multikulturelle Teams bringen verschiedene kulturelle und/oder religiöse Wertvorstellungen und Denk- und Handlungsweisen mit (Lenthe, 2011). Diese diverse Zusammensetzung transkultureller Teams birgt natürlich viele Herausforderungen, ist aber zugleich eine riesige Chance. In einer Studie des Netzwerks „Gesundheit für alle“ (Baumgartner et al., 2021) wurden Pflegende verschiedener Institutionen aus dem Akut- und Langzeitbereich zu ihrer Einstellung bezüglich der Zusammenarbeit in einem interkulturellen Team befragt. Die Auswertung hat ergeben, dass die Pflegenden die interkulturelle Zusammenarbeit mehrheitlich als positiv bzw. sehr positiv sehen (Baumgartner et al., 2021). Durch kulturüber|28|greifende Zusammenarbeit, welche das Kennenlernen unterschiedlicher kulturell geprägter Mentalitäten sowie Denk- und Handlungsweisen mit sich bringt, wird die soziale Kompetenz gefördert, in dem man andere kulturelle Werte kennen und schätzen lernt und sich diesen annähert (Lenthe, 2011). Multikulturalität bzw. Transkulturalität wird hier als Bereicherung verstanden. Zudem werden durch die vielfältige Zusammensetzung eines Teams die Kreativität und Innovationskraft gefördert, was sich positiv auf Problembewältigungsstrategien auswirkt (Baumgartner et al., 2021). Durch die ständige Konfrontation mit anderen Kulturen werden außerdem die eigene Aufmerksamkeit und Sensibilität gesteigert sowie die eigene Toleranz- und Flexibilitätsgrenze erhöht (Lenthe, 2011). Man lernt, über den Tellerrand hinauszuschauen, und versteht, andere Blickwinkel und Methoden zu respektieren und zu akzeptieren und im besten Fall sogar teilweise anzunehmen und auch umzusetzen, wie im Sinne der dritten Variante von Multikulturalität. Laut Befragungen des Netzwerks „Gesundheit für alle“ (Baumgartner et al., 2021) geben Pflegende mit Migrationshintergrund den Teamkolleg_innen wichtige Inputs zur Betreuung ausländischer Patient_innen bzw. Bewohner_innen, was die Pflegequalität erhöht. Vielfältiges Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten treffen durch die Zusammensetzung eines transkulturellen Teams aufeinander (Baumgartner et al., 2021). Der eigene Migrationshintergrund erlaubt hier eine unkomplizierte kultursensible Pflege und so das schnelle Eingehen auf die Bedürfnisse der Patient_innen. Die Mitglieder des multikulturellen Teams profitieren von den unterschiedlichen Fähigkeiten der Teammitglieder, denn jede Kultur lehrt und lernt anders, hat verschiedene Lösungsansätze. Dies ermöglicht, den Horizont für jedes Teammitglied erweitern zu können (Baumgartner et al., 2021). Ein weiterer Aspekt, welcher in der Zusammensetzung multikultureller Teams sehr geschätzt wird, ist die Sprachvielfalt. So ist das vorhandene Sprachrepertoire eine sehr nützliche Ressource, um bei dringenden Sprachproblemen, wie beispielsweise Übersetzungen im Alltag, schnell und ungezwungen ohne bürokratische Hürden und Kontaktierung eines/einer Dolmetschers/Dolmetscherin helfen zu können (Baumgartner et al., 2021). So schaffen transkulturelle Teamzusammensetzungen Raum für kulturelle Synergien. Voraussetzung hierfür ist, dass die (eigene) kulturelle Dominanz in den Hintergrund gedrängt wird – im Sinne der transkulturellen Kompetenz – und alle Teammitglieder eine kulturelle Offenheit mitbringen. Dazu zählt vor allem Vertrauen in die Interaktionspartner_innen, wenn beispielsweise für einen selbst unbekannte Methoden bei Gepflegten angewendet werden. Das Vertrauen setzt hierbei eine von Empathie und Wertschätzung getragene Kommunikation voraus sowie Offenheit und Neugier auf andere Sicht- und Verhaltensweisen (Lenthe, 2011). Im Sinne der Multikulturalität II und III nehmen auch die Toleranz und Akzeptanz eine wesentliche Rolle ein, vor allem wenn es um die Anerkennung der fachlichen und sozialen Kompetenz geht (Lenthe, 2011). Wie kommt hier nun das Konzept der „Transkulturellen Kompetenz“ nach Domenig (2007) zu tragen? Toleranz und Akzeptanz setzen ein kulturelles Bewusstsein für die eigene und die fremde Kultur voraus. Ganz im Sinne der Selbstreflektion – der ersten Säule der transkulturellen Kompetenz nach Domenig (2007) − muss die eigene alltägliche Lebenswelt hinterfragt werden. Verschiedenartige Lebenswelten sollen wertneutral bewertet werden (Domenig, 2007). Man muss verstehen können, warum Menschen anderer Kulturen anders denken und handeln. Um dies zu verstehen, ist ein kulturspezifisches Hintergrundwissen sicherlich von großer Hilfe und zusammen mit den bereits gemachten Erfahrungen, im Sinne der zweiten Säule der transkulturellen Kompetenz, der Schlüssel zum Erfolg. Die Empathie, als dritte Säule und Grundvoraussetzung für Vertrauen, bildet dabei den Rahmen. Setzt man alle drei Säulen sinnvoll im Arbeitsalltag ein, so wird durch transkulturelle Teamleistungen und die |29|Diversity-Kompetenz im Team eine optimale Leistung erreicht.

Schlussfolgernd lässt sich festhalten, dass eine kultursensible Gesundheitsversorgung abseits des klassischen Containerdenkens (Kulturen hören an den Landesgrenzen auf) der Schlüssel für einen gelungenen Arbeits- aber auch Genesungsprozess ist. Die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Verhaltensweisen eines transkulturellen Teams, egal welcher Art (Arzt/Ärztin zu Arzt/Ärztin, Arzt/Ärztin zu Pfleger_in oder Gepflegten etc.), sind eine große Bereicherung für alle Beteiligen. Letztlich können die vielen bunten Einzelteile als ganzes Mosaik-Kunstwerk betrachtet werden. Denn gemeinsam können die unterschiedlichen Ansätze neue und gewinnbringende Lösungsstrategien zum Vorschein bringen. Eine kultursensible Gesundheitsversorgung sollte deshalb zwingend flächendeckend gefördert werden.

|31|3  Arbeitsmigration – Welche Rolle spielen kulturelle Zuschreibungen?

Nadja Brenning

3.1  Einleitung

Die verschiedenen Arten der Migration stellen mittlerweile einen grundlegenden Bestandteil des gegenwärtigen Weltverständnisses dar. Menschen aus allen Ländern der Welt migrieren aus vielfältigen Gründen in unterschiedliche Destinationsländer. Arbeitsmigration ist dabei ein wesentlicher Bestandteil dieser Bewegungsströme. Auch in der Pflegebranche ist ausländisches Personal mittlerweile eher die Regel als eine Ausnahme. Dies liegt nicht zuletzt an der etablierten Bedeutung globaler Pflegeketten (Global Care Chains). In ihrer ursprünglichen Definition zeichnet globale Pflegeketten die Anwerbung einzelner, überwiegend weiblicher Personen aus einem meist wirtschaftlich schwächeren Land in ein häufig wirtschaftlich stärkeres Land zur Kinderpflege aus. Die zurückbleibenden Kinder wiederum müssen im Herkunftsland in der Regel von anderen Frauen versorgt werden, die ihrerseits aus einem wirtschaftlich noch schwächeren Land migrieren und gegebenenfalls die Versorgung ihrer eigenen Kinder in die Hände anderer Personen, beispielsweise Familienangehöriger, legen (Hochschild, 2000, zitiert nach Yeates, 2012, S. 137). Diese Beschreibung globaler Pflegeketten bezieht sich auf eine einschränkende Dimension auf der Ebene einzelner Haushalte, die transnational miteinander verbunden sind. Es ist jedoch sinnvoll, die Global Care Chains auszuweiten und jene Bereiche und Räume zu berücksichtigen, in denen Pflegekräfte und medizinisches Personal nach demselben Prinzip von größeren Institutionen oder sogar staatlichen Anwerbungsprogrammen rekrutiert werden (Yeates, 2012). Insbesondere Länder im globalen Norden versuchen, ihren Bedarf an Pflegekräften durch attraktive Anwerbungsstrategien von Fachkräften aus dem Ausland zu decken.

Mit der zunehmenden Migration steigt die Zahl von Pflegebedürftigen mit ausländischen Wurzeln. Arbeitgeber_innen und Institutionen sind bemüht, Pflegefachkräfte für den Umgang mit diesem Personenkreis durch spezielle interkulturelle Fortbildungen zur kultursensiblen Pflege zu schulen. Auch ausländische Pflegefachkräfte können durch ihre eigene (Migrations-)Erfahrung hierzu einen Beitrag leisten.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Angebote, um die Integration ausländischer Pflegekräfte in den Ankunftsländern zu erleichtern. Die Förderung der Sprachkenntnisse und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse stellen dabei die Kernpunkte solcher Angebote dar. Es fällt jedoch auf, dass die „Anpassungsleistungen“ vor allem auf der Seite der Ankömmlinge erwartet werden (Rand, Kontos et al., 2019). Arbeitgeber_innen und Kolleg_innen im Ankunftsland wünschen sich, dass sich ausländische Pflegefachkräfte in das neue Arbeitsumfeld einfügen (Rand, Kontos et al., 2019) und entsprechend ihrer Rolle für einen guten Betriebsablauf sorgen, der letztlich sowohl den Pflege|32|bedürftigen zugutekommt als auch die Qualität der Pflege verbessert.

Diese Fachkräfte werden nicht willkürlich und nicht ausschließlich aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen angeworben und rekrutiert, sondern ebenso aufgrund von Argumenten wie der „kulturellen Nähe“ zum Zielland (Bundesministerium für Gesundheit, 2019). Aus diesem Grund ist es zwingend erforderlich, nicht nur die Zuschreibung kultureller Eigenschaften, welche die Anstellung beeinflussen, kritisch zu hinterfragen, sondern auch die Rollen von anwerbenden Personaldienstleistern und Arbeitgeber_innen zu beleuchten. Ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung mit den kulturellen Stereotypisierungen durch die Kolleg_innen im neuen Arbeitsumfeld.

In diesem Beitrag wird die Rolle von Kultur im Pflegekontext, insbesondere in Bezug auf ausländische Pflegefachkräfte, näher betrachtet. Dabei soll dargestellt werden, wie prägende stereotype Vorstellungen, welche Gruppen auf der Grundlage von einzelnen Eigenschaften homogenisieren (Duffy, 2001), im Allgemeinen entstehen.

Da ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis von Kultur nicht bei allen Leser_innen vorausgesetzt werden kann, werden zunächst in einem einführenden Exkurs mithilfe der Kulturdefinition nach den amerikanischen Ethnologen James People und Garrick Bailey (2008) die wesentlichen Elemente des Kulturbegriffs erläutert.

Es folgt ein Überblick über die historische Entwicklung der globalen Pflegemigration am Fallbeispiel der Philippinen. Dieses Land eignet sich als Musterbeispiel aufgrund seines früh institutionalisierten Exports von Pflegefachkräften ins Ausland. In diesem Abschnitt wird auch die aktuelle Situation in Deutschland bezüglich der Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte dargelegt.

Anschließend werden die Standpunkte verschiedener Akteur_innen im Anwerbungsprozess betrachtet: Welche Motive und kulturbasierten Zuschreibungen verleiten Arbeitgeber_innen und Personaldienstleister dazu, ausländische Pflegefachkräfte bei der Auswahl ihrer Arbeiter_innen zu bevorzugen?

Ausgehend von der Studie für „Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland“ (Rand, Kontos et al., 2019) soll anschließend ein Blick auf die Wahrnehmung ausländischer Pflegekräfte durch ihre deutschen Kolleg_innen geworfen werden. Hier soll betrachtet werden, inwieweit kulturelle Stereotypisierungen in Konfliktsituationen instrumentalisiert werden. Schließlich bietet der Beitrag eine vereinfacht erklärende Darstellung des Stereotypisierungsprozesses, um auf dieser Basis die zuvor beschriebenen Zuschreibungen von kulturellen Eigenschaften und der Rolle, die Kultur im Pflegekontext spielt, besser nachvollziehen zu können.

3.2  Kultur in der Pflege

In diesem Beitrag werden Fälle dargestellt, bei denen die Zuschreibung bestimmter positiver oder negativer Eigenschaften sowohl bei der beruflichen Anwerbung als auch im neuen Arbeitsumfeld der ausländischen Pflegefachkräfte auf ihrer regionalen Herkunft, ihrer Ethnizität sowie ihrer vermeintlich kulturellen Zugehörigkeit basiert. In folgendem Exkurs soll zunächst geklärt werden, was unter dem vielfältigen Begriff „Kultur“ aus ethnologischer Sicht verstanden wird und welche Kernelemente er beinhaltet, um anschließend zu betrachten, welche Vorgänge zu einer solchen verallgemeinernden Sichtweise und Stereotypisierung beitragen.

3.2.1  Exkurs: Kulturbegriff

Ursprünglich aus der Landwirtschaft stammend ist der Begriff „Kultur“ in seiner Verwendung mittlerweile ebenso vielfältig, wie er es in seiner Bedeutung sein kann. In seinem Kern verweist der Begriff auf „das ‚vom Menschen Gemachte‘ bzw. ‚gestaltend Hervorgebrachte‘“ (Nünning, 2009, Abs. 4). Gegenwärtig kann der Begriff so|33|wohl als Präfix als auch als Suffix an jeden erdenklichen Kontext geknüpft werden. Man denke zum Beispiel an Begriffe wie Kulturlandschaft, Alltagskultur, Esskultur, Streitkultur und Firmenkultur, um nur einige zu nennen. Auch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen definieren und verwenden den Kulturbegriff auf verschiedenste Weise (Nünning, 2009). Auch innerhalb der Disziplinen können sich Kulturdefinitionen unterscheiden. So haben beispielsweise verschiedene Unterdisziplinen der Ethnologie unterschiedliche Kulturdefinitionen hervorgebracht (Tylor, 1871; Goodenough, 1957). Dabei stehen insbesondere Wissen, Glaubensvorstellungen und Verhaltensmuster im Fokus.

Nach der Kulturdefinition der amerikanischen Ethnologen James People und Garrick Bailey (2008) besteht die Kultur einer Gruppe aus ihrem geteilten sozial erlernten Wissen und Verhalten. Diese Interpretation enthält viele Einzelelemente, die es für eine bessere Nachvollziehbarkeit aufzuschlüsseln gilt:

Kultur wird von der Gruppe geteilt, sie hängt also stark vom sozialen Kollektiv ab. Somit ist Kultur nicht von territorialen Grenzen abhängig und beschränkt sich nicht ausschließlich auf ein räumliches Gebiet. Die Gruppe muss kulturell nicht gänzlich homogen sein, auch wenn sie sich auf eine kulturelle oder ethnische Identität beruft.

Das Wissen umfasst verschiedene Aspekte wie gesellschaftliche Normen und Werte, aber auch Symbole sowie nonverbales Verhalten, Klassifizierungen (Gebrauch von verschiedenen Termini) und Weltsichten (Vorstellungen von der Welt und dem Platz des Menschen darin).

Das Verhalten bezieht sich auf Aktivitäten, Handlungen, wiederkehrende Verhaltensmuster und soziale Rollen. Dennoch müssen sich nicht alle Mitglieder einer Gruppe stets gleich verhalten. Verhalten hängt genauso vom situationsbedingten Kontext wie von der eigenen sozialen Rolle ab.

Kultur wird sozial erlernt. Diese Sozialisation geschieht meist im Kindesalter und bedeutet, dass Kultur nicht genetisch oder biologisch weitergegeben wird. Ebenso sind Gruppen in der Lage, ihre Ideen und Vorstellungen zu ändern und diese an zukünftige Nachfahren in veränderter Form weiterzugeben (People & Bailey, 2008).

Die kulturelle Zugehörigkeit ist daher stets vom Kontext abhängig und unterliegt einem Aushandlungsprozess. Knipper (2014, zitiert nach Coors & Neitzke, 2018, S. 193) fasst dies folgendermaßen zusammen: „Kulturell identifizierte Grenzen und Kategorien sind nicht naturgegeben, sondern das stets zeit- und situationsgebundene (Zwischen-)Ergebnis sozialer Beziehungen“.

Dieser Exkurs zeigt, wie komplex Kultur eigentlich ist. Die Zuschreibung kultureller Eigenschaften ist Bestandteil eines Stereotypisierungsprozesses. Bei der Bildung von Stereotypen werden die oben aufgeführten Elemente von Kultur nicht berücksichtigt, sondern vielmehr einzelne Aspekte von Kultur stark vereinfacht und auf einen großen Personenkreis übertragen. Kapitel 3.4.3widmet sich einer genaueren Darstellung des Stereotypisierungsprozesses und seiner Auswirkungen auf ausländische Pflegefachkräfte.

3.3  Historische Entwicklung des institutionalisierten Pflegeexports

Der hohe Bedarf an qualifizierten Pflegefachkräften ist kein neues Phänomen. Bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts begann in den Philippinen die institutionalisierte Ausbildung und Vorbereitung von Pflegefachpersonal für den Einsatz im Ausland. Mit der steigenden Nachfrage aus den USA und anderen Ländern des globalen Nordens stieg auch das Angebot philippinischer Pflegekräfte (Brush & Sochalski, 2007).

Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Pflegepersonal vorrangig für den |34|einheimischen Arbeitsmarkt in den Philippinen ausgebildet wurde, nahm das Land ab den 1950er Jahren die Vorreiterrolle unter den Entsendeländern ausländischer Pflegekräfte ein (Brush & Berger, 2002, zitiert nach Brush & Sochalski, 2007, S. 39). Zu dieser Zeit waren insbesondere die USA ein bedeutendes Anwerbeland. Hier wurde 1947 mit dem Exchange Visitor Program ein Austauschprogramm etabliert, um migrierenden Pflegekräften die Möglichkeit zu bieten, Erfahrungen und Wissen im Ausland zu sammeln und bei ihrer Rückkehr im Heimatland anwenden zu können. Neben hauptsächlich skandinavischen und britischen Teilnehmer_innen waren auch philippinische Pflegekräfte im Austauschprogramm vertreten (Brush & Sochalski, 2007).

Mit der Etablierung eines neuen Immigrationsgesetzes, das ausländischen Fachkräften leichteren Zugang zu den Branchen gewährte, die besonders von Fachkräftemangel bedroht waren, nahm in den 1960er Jahren die Migration philippinischer Pflegekräfte in die USA rasant zu (Brush & Berger, 2002, zitiert nach Brush & Sochalski, 2007, S. 39). In den Philippinen wurden migrierende Pflegekräfte als Helden idealisiert, deren finanzielle Unterstützung aus dem Ausland zum Ausbau des Landes beitrug (Brush & Sochalski, 2007). Zudem stiegen die Ausbildungsstätten zwischen den Jahren 1950 und 1970 rapide an (Bach, 2003, zitiert nach Brush & Sochalski, 2007, S. 39). 1974 rief die philippinische Regierung eine staatliche Organisation ins Leben, mit dem Ziel, den Transfer ausländischer Pflegekräfte zu organisieren und zu regulieren (Tyler, 1996, zitiert nach Brush & Sochalksi, 2007, S. 39). Dies hatte einen weiteren Anstieg in der Ausbildung und Vorbereitung von Pflegekräften für den ausländischen Arbeitsmarkt, insbesondere in die USA, den Nahen Osten, die EU und andere asiatische Länder, zur Folge (Ball, 2008, zitiert nach Brush & Sochalksi, 2007, S. 39−40).

Obwohl der philippinische Staat seit den 1950er Jahren seine Fachkräfte in Länder exportiert, in denen nicht genügend einheimische Pflegekräfte vorhanden sind, ist er dennoch nicht in der Lage, die globale Nachfrage allein zu bewältigen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden bis Ende der 1990er Jahre auch andere Länder mit einem zunehmenden Bedarf an Pflegefachkräften konfrontiert. Außerdem standen ehemalige Entsendeländer nun selbst vor der Herausforderung, offene Stellen durch Fachkräfte aus dem Ausland zu besetzen. Sie nahmen nun neben der Rolle des Entsenders auch die Rolle des Anwerbers ausländischer Fachkräfte ein (Buchan & Calman, 2004, zitiert nach Brush & Sochalski, 2007, S. 39). Dies führte zu neuen Migrationsströmen auch unter wirtschaftlich besser gestellten Staaten, wie etwa die Anwerbung südafrikanischer und philippinischer Pflegefachkräfte in die Niederlande zeigt (de Veer et al., 2004, zitiert nach Brush & Sochalski, 2007, S. 39).

Die frühe Entwicklung in den Philippinen dient auch gegenwärtig noch als Musterbeispiel für andere Länder, die einen ähnlichen Weg anvisieren. So wurde beispielsweise im südindischen Bundesstaat Kerala der philippinische Ansatz zum Export von ausgebildeten Pflegefachkräften besonders genau unter die Lupe genommen, um die eigene Strategie zur Entsendung von Fachkräften zu verbessern (Rajan & Mishra, 2007, zitiert nach Walton-Roberts, 2012, S. 5). Ende 2021 wurde schließlich auch auf deutscher Seite die Anwerbung indischer Pflegefachkräfte aus Kerala beschlossen (Ärzteblatt Redaktion, 2021).

3.3.1  Situation in Deutschland

In Deutschland stammte 2014 die „überwiegende Mehrheit des ausländischen nicht-ärztlichen Personals“ (Krämer, 2016, S. 11) aus EU-Staaten Ost- und Südosteuropas. Weiterhin waren osteuropäische und südosteuropäische Nicht-EU-Staaten stark vertreten, ebenso wie die Türkei und Russland. Mit Kasachstan, Thailand und Iran waren lediglich drei asiatische Länder unter den Herkunftsländern ausländischer Pflegefachkräfte (Krämer, 2016, S. 11). |35|Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2019 bestätigen diese Verteilung: Bosnien und Herzegowina und die Türkei machen den größten Anteil ausländischer Pflegefachkräfte aus Drittstaaten aus, gefolgt von Pflegefachkräften aus Serbien, Russland, der Ukraine und Albanien (Braeseke et al., 2020).

Neben bereits bestehenden Kooperationen mit Partnerländern (z. B. Vietnam 2012, China 2013, Philippinen 2013, Bosnien und Herzegowina 2013) (Bonin et al., 2015), welche die Anwerbung von Pflegefachkräften nach Deutschland erleichtern sollen, kündigte das Deutsche Bundesministerium für Gesundheit (2019) die Gründung der Deutschen Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) zur Unterstützung von Arbeitgeber_innen an, die Pflegefachkräfte aus dem Ausland anwerben möchten. Das Ziel der DeFa sei es, „Anträge für Visa, Berufsanerkennung und Arbeitserlaubnis“ (Bundesministerium für Gesundheit, 2019, Abs. 1) zu bearbeiten, um die Bearbeitungszeit zu reduzieren. Ethischen Grundlagen entsprechend rekrutiert die Bundesregierung ausländische Pflegekräfte nur aus Ländern, „deren Bevölkerung im Schnitt sehr jung ist und die deutlich über ihren eigenen Bedarf ausbilden“ (Bundesministerium für Gesundheit, 2019, Abs. 6). Insbesondere trifft dies auf Mexiko und die Philippinen zu. Beide Länder „verfügen … über gute Pflegefachausbildungen, es besteht eine kulturelle Nähe zu Deutschland und die Herkunftsländer sind damit einverstanden, dass Pflegefachkräfte für Deutschland angeworben werden“ (Bundesministerium für Gesundheit, 2019, Abs. 6).

3.4  Personaldienstleister beeinflussen Wahrnehmung kultureller Eigenschaften

Ähnlich wie bei anderen Migrationsformen auch spielen informelle Netzwerke von Freunden und Familienmitgliedern im Ankunftsland eine nennenswerte Rolle bei der Arbeitssuche neuer Pflegekräfte (Atanackovic & Bourgeault, 2013). Solche Netzwerke werden von potenziellen Arbeitnehmer_innen in der Regel zu einem Zeitpunkt genutzt, an welchem sie die Migration meist schon hinter sich gebracht haben und im Ankunftsland nach einer Anstellung suchen.

Bei Pflegekräften, die in ihrem Heimatland für die Arbeit im Ausland rekrutiert werden, erlangen Personaldienstleister eine immer wichtiger werdende Bedeutung. Für Arbeitgeber_innen stellen solche Vermittlungsagenturen eine enorme Arbeitserleichterung da, weil diese neben der eigentlichen Anwerbung häufig auch den zu bewältigenden Arbeitsaufwand hinsichtlich der Einreiseformalitäten übernehmen (Atanackovic & Bourgeault, 2013).

Dabei gilt es, zwischen privaten Personalagenturen und solchen, die staatlich anerkannt werden, zu unterscheiden. Durch die Anwerbung ausländischer Fachkräfte entsteht zwar eine ganz neue Branche (Sell, 2020), allerdings gibt es auch deutliche Kritik bezüglich der Unzuverlässigkeit und schlechten Leistung nicht akkreditierter Personaldienstleister, die von „mangelnde[r] Qualität der vorhandenen Angebote“ (Bonin et al., 2015, S. 67) zeugen.

Anwerbende Personaldienstleister prägen die Wahrnehmung und Vorstellungen potenzieller Arbeitgeber_innen bezüglich einer „guten“ Arbeitskraft, da durch sie zum Zweck der Vermittlung ausländischen Arbeitnehmer_innen bestimmte positive Eigenschaften zugeschrieben werden (Findlay et al., 2013), die anwerbende Arbeitgeber_innen wiederum als wünschenswert betrachten. Dazu zählen auch kulturell zugeschriebene Charaktereigenschaften, wie etwa eine bestimmte Arbeitseinstellung. Anwerbung und Einstellung einer Arbeitskraft aus dem Ausland werden nicht nur von ökonomischen, sondern ebenso von sozialen und kulturellen Faktoren beeinflusst. Es gilt dabei aus ökonomischer Sicht, Nutzen zu erbringen, gleichzeitig aber auch kulturelle Erwartungen zu erfüllen. Beispielsweise ist es besonders Arbeitgeber_innen in nicht-technischen und niedrigschwelligen Berufen wichtiger, dass aus|36|ländische Arbeitskräfte die richtige Arbeitseinstellung mitbringen, als dass sie über ausreichend Erfahrung und Fachwissen verfügen (Findlay et al., 2013).

Die kulturellen Zuschreibungen und Erwartungen überschneiden sich mit anderen in der Arbeitswelt geläufigen Stereotypen hinsichtlich des Geschlechts und Alters der Arbeitnehmer_innen. Zudem haben diese Zuschreibungen enormen Einfluss auf Migrationsströme. Denn die Gegenüberstellung und positive Hervorhebung erfolgen nicht nur im Vergleich mit den einheimischen Arbeitnehmer_innen, sondern auf einer globalen Ebene. Dadurch entscheidet die Zuschreibung bestimmter Eigenschaften signifikant mit, wer aus welchem Herkunftsland für welche Position angeworben wird (Findlay et al., 2013).

Wie oben bereits hervorgehoben, scheint das Element der kulturellen Nähe ebenso wichtig zu sein wie die Qualität der Ausbildung. So beschreiben beispielsweise Arbeitgeber_innen, die gute Erfahrungen mit der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte aus China gemacht haben, dass diese „sehr gut für die deutsche Altenpflege geeignet“ seien, da sie als „durchweg freundlich, zuvorkommend, empathisch“ und leistungsbereit eingeschätzt wurden (Bonin et al., 2015, S. 33). Im folgenden Abschnitt wird betrachtet, wie anwerbende Arbeitgeber_innen und einheimische Arbeitnehmer_innen ihren ausländischen Mitarbeiter_innen und Kolleg_innen in der Pflege kulturelle Eigenschaften zuschreiben.

3.4.1  Zuschreibung kultureller Eigenschaften durch Arbeitgeber_innen

Viele Arbeitgeber_innen bevorzugen die Einstellung ausländischer Pflegekräfte, weil diese ihrer Ansicht nach hochqualifizierte, motivierte, verlässliche Mitarbeiter_innen darstellen, die zudem eher gewillt sind, Überstunden zu leisten und verschiedenartige Erfahrungen mitbringen (Learning and Skills Council, 2006, Podsiadlowski, 2009, zitiert nach Atanackovic & Bourgeault, 2013