Intelligente LRS-Schüler - Leitfaden für Lehrer - Uta Livonius - E-Book

Intelligente LRS-Schüler - Leitfaden für Lehrer E-Book

Uta Livonius

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Beschreibung

Intelligente Lernende mit LRS in der Sekundarstufe? Alles, was Sie wissen müssen, um diese Schülerinnen und Schüler auf Gymnasium und Co. zu verstehen und zu fördern!

Auch auf Gesamtschulen und Gymnasien gibt es sie: Schülerinnen und Schüler mit LRS, die sich mit der deutschen Rechtschreibung plagen. In der Grundschule konnten sie ihre Defizite noch mit Fleiß und eigenen Strategien ausgleichen. Doch wenn in der Sekundarstufe die Anforderungen steigen, fallen sie plötzlich auf und verlieren schnell den Anschluss.

Sie sehen ihre katastrophalen Rechtschreibergebnisse und haben auch mit den Eltern zu tun, die sich von Ihnen Unterstützung erhoffen. Dieser Ratgeber hilft Ihnen dabei, Lernende mit LRS besser zu verstehen. Er zeigt auf, wie Sie sie im Regelunterricht so berücksichtigen können, dass sie motiviert den Ansprüchen gerecht werden und erklärt, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern gelingt. Zusätzlich erfahren Sie, wie Sie mithilfe eines speziell entwickelten Lernprogramms einen Förderunterricht gestalten, mit dem solche Schülerinnen und Schüler die Rechtschreibung wirklich durchblicken.

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Seitenzahl: 166

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Uta Livonius

Intelligente LRS-Schüler – Leitfaden für Lehrer

Erkennen und verstehen – fördern und beraten

 

 

Impressum

Intelligente LRS-Schüler – Leitfaden für Lehrer

Uta Livonius unterrichtet seit 2007 Gymnasiasten, Real- und Gesamtschüler mit LRS nach ihrem selbst entwickelten LRS-Lernprogramm. Das Thema LRS ist für die Diplom-Biologin und Heilprak- tikerin seit vielen Jahren vorrangig. Dazu hält sie Vorträge in Schulen und bei Kongressen und führte dazu auch Lehrerfortbildungen für die Sekundarstufe I in Schleswig-Holstein durch. Uta Livonius verbindet wissenschaftliche und ganzheitliche Ansätze mit den persönlichen Erfahrungen als Mutter und LRS-Coach (Website: www.lrscoaching.de).

 

 

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Wir verwenden in unseren Werken eine genderneutrale Sprache. Wenn keine neutrale Formulierung möglich ist, nennen wir die weibli- che und die männliche Form. In Fällen, in denen wir aufgrund einer besseren Lesbarkeit nur ein Geschlecht nennen können, achten wir darauf, den unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten gleichermaßen gerecht zu werden.

 

 

Autorschaft: Uta Livonius

Redaktion: Kathrin Roth

Covergestaltung: TSA&B Werbeagentur GmbH, Hamburg

Coverfoto: © jojje11 – Fotolia.com

Danke

Meinen Schülern, die durch wunderbare Erfolge und geniale Gedanken meine Arbeit bereichern und mir viel Freude bereiten.

Den Eltern meiner Schüler für die Anregung, dieses Buch zu schreiben.

Meiner Lektorin Kathrin Roth für die Offenheit für meine Ideen, fruchtbare Gespräche und eine tolle Zusammenarbeit.

Meiner Familie, die mich bestärkt und unterstützt.

Inhalt

Vorwort

Teil 1: LRS in der Sekundarstufe

1. Was bedeutet LRS?

1.1. LRS oder Legasthenie?

1.1.1. Lese-Rechtschreib-Störung – Legasthenie

1.1.2. Lese-Rechtschreib-Schwäche

1.1.3. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten

1.1.4. Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben

1.2. Spätdiagnose ab Klasse 5

1.3. Erlasse

1.3.1. Leistungsbewertung

1.3.2. Nachteilsausgleich

1.4. LRS aus Kindersicht

1.5. Elterninformation

1.5.1. Informationspflicht der Schule

1.5.2. Eltern-Ratgeber

1.5.3. Beratung bei Rechtschreibproblemen

1.5.4. Besprechen von Testergebnissen

1.6. Warum LRS-Schüler Rechtschreibung lernen können

2. Eigenheiten von LRS-Schülern

2.1. Auffälligkeiten im Unterricht

2.1.1. Lesen

2.1.2. Schreiben

2.1.3. Mathematik

2.1.4. Raumlage, Reihenfolge, Zeit

2.1.5. Sachfächer

2.1.6. Fremdsprachen

2.2. Wie sich Lese- und Rechtschreibprobleme entwickeln

2.2.1. So genial kann Lesen sein

2.2.2. Ursprung der Rechtschreibprobleme

2.2.3. Eigene Regeln

2.2.4. Blockiert durch falsche Annahmen

2.2.5. Vermeidungsstrategien

2.2.6. Suche nach Anerkennung – Verhaltensauffälligkeiten

2.3. Selbstbewusstsein

2.3.1. Verstehen und helfen

2.3.2. Lieblingsfächer und AGs

2.3.3. Hobbys

3. LRS-Schüler im Regelunterricht

3.1. Sitzplatz

3.2. Bewegung

3.3. Heftführung

3.4. Hausaufgaben

3.5. Tests und Klassenarbeiten

3.5.1. Aufgabenstellung

3.5.2. Vokabeltests

3.5.3. Zeit

3.5.4. Bewertung

3.5.5. Berichtigung

3.6. Absprachen

3.7. Eltern

3.7.1. Elterngespräche

3.7.2. Gemeinsam zum Ziel

4. Rechtschreibung von Grund auf verstehen

4.1. Der Rechtschreib-Teufelskreis

4.2. Der Rechtschreib-Erfolgskreis

4.3. Verstehen statt üben

4.4. Lernprogramm

Teil 2: Förderunterricht für intelligente LRS-Schüler

5. Förderunterricht abwechslungsreich und effektiv

5.1. Voraussetzungen

5.2. Konzentration

5.2.1. Aufmerksamkeit

5.2.2. Bewegung

5.3. Bilder und Geschriebenes

5.3.1. Falsche Bilder löschen

5.3.2. Poster, Bilder und Collagen

5.3.3. Karteikarten

5.3.4. Knickspiel

5.3.5. Stadt – Land – Fluss

5.4. Spiele und Bälle

5.4.1. Buchstaben und Wörter

5.4.2. Wahrnehmung und Kombination

5.4.3. Bälle zum Lernen

6. Das Lernprogramm für intelligente LRS-Schüler begleiten

6.1. Grundlagen

6.1.1. Fachbegriffe

6.1.2. Lange und kurze Vokale

6.2. Überprüfen der Rechtschreibung

6.2.1. Silben

6.2.2. Verwandte

6.2.3. b/p, d/t, g/k

6.2.4. Verlängern

6.2.5. Mitsprechen

6.2.6. Korrekturlesen

6.3. Rechtschreibregeln nach kurzem Vokal

6.4. Rechtschreibregeln nach langem Vokal

6.4.1. Ohne Dehnungszeichen

6.4.2. Stummes h

6.4.3. ie, Doppelvokale, vokaletrennendes h

6.5. Besonderheiten

6.6. Verben richtig schreiben

6.7. Wortbausteine

6.8. Verwechslungsgefahr

6.9. Zusammen oder getrennt?

6.10. „das“ oder „dass“?

6.11. Großschreibung

6.12. Kommaregeln

7. Von Grund auf verstehen – Ein Prinzip für alle Fälle

Anhang

Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen

Literatur

Weiterführendes zu Bewegung (Kapitel 3.2.)

Spiele und Lernhilfen

Linktipps

Erlasse

Vorwort

In fast jeder Klasse begegnen sie uns, die LRS-Kinder. Sie plagen sich alle mit der deutschen Rechtschreibung, aber damit scheinen die Gemeinsamkeiten schon beschrieben zu sein. Einige sind lebhaft, andere verträumt. Sie haben eine Schrift, die kaum zu entziffern ist, oder schreiben wunderschön. Sie arbeiten hektisch oder zu langsam, lesen gut oder miserabel, sie sind hervorragende Matheschüler oder durchschnittliche, sie haben Freude an Fremdsprachen oder sie quälen sich damit. In vielen Bereichen sind sie einfach nur normale Schüler1. Diejenigen, die erst nach der Grundschulzeit ­wegen ihrer Rechtschreibprobleme auffallen, sind alle ziemlich intelligent. Bisher konnten sie ihre Schwächen, bewusst oder unbewusst, vor den Erwachsenen größtenteils verbergen.

Diese intelligenten rechtschreibschwachen Kinder brauchen Hilfe, denn was ihnen bisher gelang, nämlich trotz ihrer Probleme mitzuhalten, überfordert sie, wenn in der Sekundarstufe auf der neuen Schule die Anforderungen steigen.

Die Eltern werden aufmerksam und erwarten Informationen und Unter­stützung von den Lehrkräften, was ihnen laut Beschlüssen und Erlassen der Kultusministerien auch zusteht.

Sie als Lehrkraft sind also gefragt. Aber wo soll man anfangen? Wieso liefern LRS-Schüler teilweise fast absurde Ergebnisse ab? Wie schafft man es, sie im Regelunterricht so zu berücksichtigen, dass sie motiviert und erfolgreich den Ansprüchen gerecht werden? Wie können diese Kinder ihre besonderen Fähigkeiten nutzen, um den Anschluss an das Klassenniveau wieder zu erreichen und ohne Angst, nicht nur vor Rechtschreibfehlern, ihre Schullaufbahn fortsetzen? Wie gelingt ein Förderunterricht, in dem LRS-Schüler die Rechtschreibung von Grund auf verstehen?

Zu all diesen Fragen finden Sie hier Antworten sowie praktische Hinweise und Tipps. Es gilt in erster Linie, diese Kinder zu verstehen, um ihnen helfen zu können, die an sie gestellten Anforderungen zu meistern.

So hoffnungslos, wie es LRS-Schülern erscheint, Rechtschreibung zu ­begreifen, so hoffnungslos erscheint es Lehrkräften und Eltern häufig zu verstehen, wieso diese Kinder sich so „anstellen“.

Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, dass Schüler, Lehrkräfte und Eltern gemeinsam Wege aus dieser vermeintlichen Sackgasse finden.

1 Wegen der besseren Lesbarkeit verzichte ich auf die ausdrückliche Nennung der weiblichen Form. Sie ist stets mitgemeint.

Teil 1 LRS in der Sekundarstufe

Kinder mit sehr ausgeprägten Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen fallen früh auf. Sie bekommen daher bereits in den ersten Klassen Hilfen und Therapien, die es ihnen ermöglichen, dem Regelunterricht einigermaßen zu folgen.

Intelligenten LRS-Schülern gelingt es jedoch oft, ihre Schwierigkeiten geheim zu halten, indem sie kompensieren oder vermeiden, was sie nicht so gut können. Wenn auf der weiterführenden Schule die Ansprüche steigen, gelingt das zunehmend schlechter, bis ein solcher Schüler auffällig wird.

1. Was bedeutet LRS?

In diesem Kapitel erfahren Sie

ƒ mit welchen Begriffen Lese-Rechtschreib-Probleme beschrieben werden,

ƒ wozu die Unterscheidungen dienen,

ƒ warum intelligente LRS-Schüler oft erst in der Sekundarstufe auffallen,

ƒ welche Möglichkeiten zur Unterstützung der Schüler Erlasse bieten,

ƒ wie betroffene Schüler ihre LRS empfinden,

ƒ wie eine sinnvolle Elterninformation aussieht und

ƒ warum LRS-Schüler Rechtschreibung lernen können.

Die Verunsicherung über die Bedeutung von LRS bezieht sich nicht nur auf die Begriffe „LRS“ und „Legasthenie“, sondern auch auf die Ursachen und die Folgen einer Diagnose. Welche Auswirkung hat die Feststellung einer LRS für das betroffene Kind, seine Familie, seinen schulischen Werdegang und seine Berufsaussichten? Wie beeinflusst das Umfeld, besonders auch die Schule, die Chancen eines solchen Kindes? Wie können Sie als Lehrkraft positiv einwirken?

Meistens führen sehr schlechte Resultate in der Rechtschreibung dazu, dass Lehrkräfte empfehlen und Eltern zustimmen, ein Kind „zu testen“.

Je nachdem, in welchem Bundesland Sie unterrichten, kann es von Bedeutung sein, ob einem Kind eine Legasthenie, LRS oder Rechtschreib­schwäche bescheinigt wird. Leider verwenden sogar die Ministerien, Ärzte, Psychologen und Therapeuten diese Begriffe z. T. unterschiedlich. Verwirrend wirken auch die unzähligen Definitionen, die im Internet angeboten werden, sodass Eltern von betroffenen Kindern häufig ratlos in die Schule kommen und hoffen, dort Klarheit zu bekommen.

Da Legasthenie-/LRS-Forschung unter verschiedenen Gesichtspunkten betrieben wird1, verwundert es nicht, dass auch die Aussagen über Ursachen und Hilfsmöglichkeiten z. T. weit voneinander abweichen.

1.1. LRS oder Legasthenie?

Das „S“ in der Abkürzung LRS steht, je nachdem, wo man sich informiert, für Störung, Schwäche oder Schwierigkeiten. Einigkeit besteht aber über „LR“, das stets „Lese-Rechtschreib-“ bedeutet.

In einigen Erklärungsansätzen wird „Legasthenie“ mit „Lese-Rechtschreib-Störung“ gleichgesetzt und von LRS (dann meist als Lese-Rechtschreib-Schwäche bezeichnet) unterschieden.

Der Ausdruck LRS (ohne Erläuterung, wofür er steht) erleichtert somit den Umgang mit den schwer abzugrenzenden Begriffen, die je nach Lehrmeinung, oft auch Wohnort und Ausbildungsjahr, zu Meinungsverschieden­heiten und Missverständnissen führen können.

Die Furcht, es könnte sich um eine Krankheit, Behinderung, das Versagen der Eltern oder Lehrkräfte handeln, führt leider dazu, dass viele Eltern sich scheuen, die Probleme ihrer Kinder anzuerkennen und weitere Schritte einzuleiten. Die Sorge, das eigene Kind würde als „behindert“ abgestempelt, gerade wenn es angeblich keine Therapiemöglichkeiten gibt, schreckt ab.

1.1.1. Lese-Rechtschreib-Störung – Legasthenie

Der klassische Begriff Legasthenie als „spezifische Lesestörung mit Krankheitscharakter bei Kindern mit mindestens durchschnittlicher Intelligenz“2 wird kaum noch verwendet. Immer wieder wird Legasthenie aber mit Lese-Rechtschreib-Störung gleichgesetzt, so z. B. von der Staatlichen Schul­beratung in Bayern:

„Zu unterscheiden ist eine Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie, Dyslexie) mit teilweise hirnorganisch bedingten, gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen von einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS). [...] Legasthenie ist eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Sprache und Schriftsprache führt [...].“3

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) beschreibt in der ICD (Interna­tional Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) die Lese-Rechtschreib-Störung als eine „umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“. „Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist [...].“4

Diese Ansätze, die Legasthenie mit angeborenen oder ererbten Defiziten oder Teilleistungsstörungen als deren Ursache erklären, stellt Renate Valtin als nicht haltbar dar und verweist auf neuere Ansätze, die „Kinder mit LRS als langsam Lernende, denen es besonders schwerfällt, die Hürden des Schriftspracherwerbs zu überwinden“5 beschreiben, ohne sie von Le­gasthenikern abzugrenzen. Dennoch wird die Bezeichnung Legasthenie häufig so verwendet, als handele es sich um eine (nicht heilbare) Krankheit.6 Diese Erklärung entlastet Eltern und Lehrkräfte, wenn ein Kind Schwierig­keiten beim Lesen- und Schreibenlernen hat, denn sie können ja (natürlich nur scheinbar) nichts daran ändern.

Der Begriff Legasthenie wird selbst vom Bundesverband Legasthenie kaum noch verwendet. Dieser war ursprünglich eine Interessenvertretung von Eltern „legasthenischer Kinder“, die diesen klassischen Ansatz vertrat. Inzwischen haben sich dem Verband viele Lehrkräfte, Therapeuten und Förderer angeschlossen; so gestalten sich die Informationen vielseitiger. Der Bundesverband Legasthenie stellt das ausführlichste und übersichtlichste Informa­tionsmaterial im Internet zur Verfügung. Besonders Eltern finden hier schnell und unkompliziert Hinweise und Unterstützung. Dennoch wird allein durch den Namen des Verbandes der Begriff Legasthenie, selbst wenn er überholt sein sollte, für Menschen mit LRS präsent bleiben.

Wichtig ist für die Diagnose einer Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Störung) noch immer die Diskrepanz zwischen dem IQ und den Leistungen im Lesen und Rechtschreiben. Dieses Kriterium wird durch die Beschreibung der Teilleistungsstörungen, z. B. im visuellen oder auditiven Bereich, gestützt. Kurz gesagt: Ein Kind, das nicht so gut lesen und/oder rechtschreiben kann, wie man es aufgrund seiner Intelligenz erwarten würde, hat Legasthenie. Da in einigen Bundesländern der „Legasthenie-Test“ oder auch der „LRS-Test“ nach diesen Gesichtspunkten bewertet wird, ist, zumindest für das Testverfahren, diese Annahme zu beachten.

Auch isolierte Rechtschreibstörungen werden in der ICD aufgeführt. Laut WHO handelt es sich dabei um „... eine Störung, deren Hauptmerkmal in einer umschriebenen und bedeutsamen Beeinträchtigung der Entwicklung von Rechtschreibfertigkeiten besteht, ohne Vorgeschichte einer Lese­störung. Sie ist nicht allein durch ein zu niedriges Intelligenzalter, durch ­Visusprobleme oder durch unangemessene Beschulung erklärbar [...].“7

Für die Diagnostik und Maßnahmen in der Schule spielt die isolierte Rechtschreibstörung im Allgemeinen keine Rolle, denn normalerweise wird unabhängig von den Lesefähigkeiten eine Legasthenie bzw. eine LRS bescheinigt.

1.1.2. Lese-Rechtschreib-Schwäche

Lese-Rechtschreib-Schwäche8, häufig LRS genannt, bezeichnet dagegen eine vorübergehende Schwäche, deren Ursachen erklärt und behoben werden können. Kritisiert wird an dieser Definition, dass sie dem Kind die Schwäche als Eigenschaft zuschreibt.9

Mögliche Ursachen für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche sind z. B.:

ƒ häuslich

ƒ wenig Lernanreize und Unterstützung

ƒ wechselnde Bezugspersonen

ƒ Umzug

ƒ familiäre Spannungen

ƒ soziale Notlage

ƒ Krankheit oder Tod von Angehörigen

ƒ gesundheitlich

ƒ Probleme beim Sehen

ƒ Probleme beim Hören

ƒ akute oder chronische Erkrankung

ƒ schulisch

ƒ mangelnde Übung

ƒ Schulversäumnisse

ƒ Schulwechsel

ƒ Lehrerwechsel

ƒ Unterrichtsausfall

ƒ unpassende Methoden

Diese Ursachen zeigen, im Gegensatz zu denen der klassischen Legasthenie, zwar Verantwortlichkeiten, also mögliche Schuldzuweisungen, vor allem aber eine Chance für das betroffene Kind.

1.1.3. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten

Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Störung, isolierte Rechtschreibstörung und Lese-Rechtschreib-Schwäche werden heutzutage häufig unter dem Begriff „Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten“ zusammengefasst und ebenfalls LRS genannt. Hier wird nicht nach den Ursachen unterschieden und auch nicht nach dem Diskrepanzkriterium.

Es handelt sich um die Feststellung, dass ein Schüler Schwierigkeiten beim Lesen und/oder Rechtschreiben hat, egal aus welchen Gründen.

„Das dynamische Wechselspiel von individuellen, häuslichen und schulischen Faktoren“10 führt zur Entstehung dieser Schwierigkeiten.

In einigen Bundesländern ist es nur von Bedeutung, wie lange diese Schwierigkeiten anhalten, damit der Schüler das Recht auf Nachteilsausgleich und Förderung erhält. Andere verlangen einen aufwendigen Test.

1.1.4. Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben

Die Kultusministerkonferenz und viele Ministerien der Länder sprechen von „Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben“.11 Damit werden alle Schüler einbezogen, egal welche Ursachen zu ihren Lese- und/oder Rechtschreibproblemen führen. Zusätzlich wird berücksichtigt, dass das Lernen ein dynamischer Prozess ist.12

Für das Kind spielt die Bezeichnung eigentlich keine Rolle. Es hat Probleme mit der Rechtschreibung und vielleicht beim Lesen, das muss geändert ­werden. Die Bezeichnung (Legasthenie/LRS) entscheidet lediglich darüber, welche Unterstützungen und Erleichterungen ihm zustehen. Das Wichtigste ist, dass Rechtschreibprobleme weder Krankheiten noch Erbschäden sind. Sie können behoben, aber nicht weggezaubert werden.

In diesem Buch verwende ich im Allgemeinen den Begriff „LRS“, es sei denn, die Unterscheidung ist von Bedeutung. Mit LRS-Schülern sind entsprechend Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben gemeint.

1.2. Spätdiagnose ab Klasse 5

Intelligenten LRS-Schülern merkt man ihre Rechtschreibprobleme meistens erst nach der Grundschulzeit an. Bis dahin gelingt es ihnen, ihre Defizite auszugleichen, indem sie besonders gewissenhaft arbeiten, fleißig lernen oder ganz eigene Strategien entwickeln.

Intelligenten LRS-Schülern merkt man ihre Rechtschreibprobleme meistens erst nach der Grundschulzeit an.

Durch die viel höheren Ansprüche an weiterführenden Schulen sind diese Kinder aber überfordert, wenn sie, sozusagen nebenbei, ihre Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten weiterhin kompensieren müssen.

Sie lernen diese Kinder erst jetzt kennen. Oft ist kaum zu verstehen, warum sie so viel größere Umstellungsprobleme haben als ihre Klassenkameraden. Die Eltern sind besorgt, vermuten aber vielleicht, dass ihr Kind ein bisschen Zeit braucht, um mit der Situation auf der ungewohnten, größeren Schule mit neuen Fächern, Lehrkräften und Mitschülern zurechtzukommen. Daher dauert es nach dem Schulwechsel oft ein Jahr oder länger, bis sich herausstellt, dass ein Schüler erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen und/oder Rechtschreiben hat. Er ist nicht einfach erschöpft oder mit der Situation überfordert, sondern – meist deutlicher in Bezug auf die Rechtschreibung – anscheinend total planlos. Wahrscheinlich ist er ein LRS-Schüler, der als ganz normaler Grundschüler ohne erkennbare Probleme auf die weiterführende Schule kam.

Was für eine unglaubliche Leistung hat dieses Kind vollbracht, wenn es trotz seiner Rechtschreibprobleme erst jetzt damit so sehr auffällt, dass Sie und die Eltern alarmiert sind! Ein Kind, bei dem erst nach der Grundschulzeit festgestellt wird, dass es gravierende Rechtschreibprobleme hat, hat Großartiges geleistet. Automatisiertes Schreiben ist nämlich viel einfacher als verunsichertes Auswendiglernen und Raten. Vielleicht ist dieses Kind verhaltensauffällig, aber die schulischen Leistungen waren bisher in Ordnung.

Kinder mit schwerer LRS fallen viel früher auf. Sie hätten ohne gezielte Förderung keine Chance, so gut zu lesen und zu schreiben, um sich so weit „durchzumogeln“.

Besprechen Sie mit den Eltern, ob sie ihr Kind testen lassen wollen. Natürlich hängt das Verfahren vom Bundesland und der Schule ab, sodass Sie die Eltern diesbezüglich informieren sollten. Den für Sie relevanten Erlass erhalten Sie direkt beim zuständigen Ministerium oder im Internet13. Über das tatsächliche Testverfahren, die nötigen Unterlagen und Gutachten kann aber nur derjenige informieren, der den Test tatsächlich durchführt. Sollte an Ihrer Schule keine Lehrkraft dafür zuständig sein, verweisen Sie auf einen Schul-, Kinder- oder Jugendpsychologen.

Wenn das Ergebnis vorliegt, erfahren die Eltern:

a) Es wurde eine Legasthenie/LRS festgestellt.

b) Es wurde keine Legasthenie/LRS festgestellt.

In beiden Fällen, also unabhängig von der Diagnose, braucht das Kind Hilfe und eine passende Rechtschreibförderung, denn sonst wäre es ja gar nicht aufgefallen.

Wurde eine Legasthenie/LRS festgestellt, hat ein Schüler jedoch (je nach Bundesland mehr oder weniger) Anspruch auf Förderung und Nachteilsausgleich.

Eine Kostenübernahme für Therapien durch das Jugendamt erfolgt für spät erkannte LRS-Schüler im Allgemeinen nicht. Sie leiden weder an einer ex­tremen Legasthenie noch befinden sie sich in einem „seelischen Notzustand mit sozialen Integrationsrisiken“.14

1.3. Erlasse

Für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben gibt es den Beschluss der Kultusministerkonferenz, Erlasse der einzelnen Bundesländer und z. T. Regelungen zur Umsetzung in den jeweiligen Schulen.

Die „Grundsätze zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen“ als Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003 in der Fassung vom 15.11.2007 enthalten u. a. Vorschläge zum Nachteilsausgleich und zur Leistungsbewertung15. Diese werden nicht überall umgesetzt. Sie helfen aber zu verstehen, was einem LRS-Kind das Schulleben ein bisschen erleichtern könnte.

1.3.1. Leistungsbewertung

Die Entscheidung, ob Abweichungen von der Leistungsbewertung erfolgen können, liegt beim jeweiligen Ministerium und/oder der Schule. Sie betreffen Zensuren in Klassenarbeiten und Zeugnissen und werden dokumentiert. So heißt es dann z. B. an entsprechender Stelle: „Die Rechtschreibleistungen entsprechen nicht den Anforderungen; sie sind in den Fachnoten nicht enthalten.“

Dieser „Notenschutz“ bezüglich der Rechtschreibung soll motivieren, indem gute Leistungen tatsächlich als solche benotet werden und nicht durch die zahlreichen Rechtschreibfehler gleichbleibend schlechte Zensuren unter schriftlichen Arbeiten stehen. Er soll LRS-Schülern Mut machen, weiterhin viel zu schreiben, und gewährt ihnen Zeit, ihre Defizite auszugleichen. Eine Aufgabe der Lehrkräfte und Eltern besteht darin zu verhindern, dass eine grenzenlose Gelassenheit eintritt: „Die Rechtschreibung zählt ja sowieso nicht. Warum soll ich mich da anstrengen?“

Eltern machen sich manchmal Sorgen, dass ihr Kind auf Dauer Nachteile haben wird, weil es als „Legastheniker“ abgestempelt ist. Ein Zeugnisvermerk in der Sekundarstufe I wird aber im Allgemeinen keine Auswirkungen auf seine Karriere haben. Wenn Eltern bzw. ihre volljährigen Kinder nicht möchten, dass Abweichungen von der Leistungsbewertung gewährt und damit zwangsläufig auch dokumentiert werden, wird das berücksichtigt.

Bislang wurden Abweichungen von der Leistungsbewertung nur in der Grundschule und der Sekundarstufe I gewährt. Seit Juni 2013 können in Schleswig-Holstein auch in der Sekundarstufe II und bei der Abiturprüfung die Rechtschreibleistungen zurückhaltend gewichtet werden16. Wer davon Gebrauch machen möchte, muss sich aber im Klaren darüber sein, dass dann im Abiturzeugnis steht: „Die Rechtschreibleistungen entsprechen nicht den Anforderungen; sie sind in den Fachnoten zurückhaltend gewichtet.“ Wie wichtig das Abiturzeugnis für die weitere berufliche Laufbahn ist und wie negativ dieser Vermerk sich auswirken kann, vermögen Eltern und Schüler vielleicht nicht abzusehen.