Internat der bösen Tiere, Band 4: Der Verrat - Gina Mayer - E-Book

Internat der bösen Tiere, Band 4: Der Verrat E-Book

Gina Mayer

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Beschreibung

Bist du gefährlich genug für diese Schule? Das Internat der bösen Tiere hat einen neuen Direktor: den majestätischen Löwen Mr Simbaroi. Doch gleich bei seiner Antrittsrede verkündet er etwas Schreckliches: Jedes Team, das bei einem Schulprojekt voller schwerer Rätsel und sportlicher Herausforderungen versagt, muss die Inseln für immer verlassen. Für Noёl und seinen Teampartner Mikaere sieht es schlecht aus, denn sie haben einen gerissenen Gegenspieler. Ein Verräter schickt sie schon bei der ersten Challenge ins Land der Träume … Entdecke alle Abenteuer im "Internat der bösen Tiere": Band 1: Die Prüfung Band 2: Die Falle Band 3: Die Reise Band 4: Der Verrat Band 5: Die Schamanin Band 6: Die Entscheidung

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2021Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag© 2021 Ravensburger VerlagText: Gina MayerVermittelt durch die Literaturagentur Arteaga, BerlinCover- und Innenillustrationen: Clara VathAlle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.ISBN 978-3-473-51095-5www.ravensburger.de

„Noël.“ Die glasklare Stimme in Noëls Kopf war ganz leise, dennoch durchdrang sie mühelos den beträchtlichen Lärm im Klassenzimmer. Sie gehörte Mrs Styx, die die Schüler in Tarnkunde unterrichtete und auch gleichzeitig ihre Klassenlehrerin war. Sie saß vorne auf einem halbhohen Pflock.

„Drück mir die Hufe.“ Noël erhob sich aus dem Schneidersitz und versuchte ein Lächeln, das allerdings ziemlich schief ausfiel.

„Wird schon werden“, sagte Eleni. Die Gazelle betrachtete Noël mit ihren großen dunklen Rehaugen, die immer ein bisschen besorgt wirkten.

Mrs Styx hatte die Klasse am Anfang der Stunde in Dreiergruppen aufgeteilt. Jedes Team sollte verschiedene Strategien erarbeiten, mit denen man sich im Dschungel tarnen konnte.

Während der Gruppenarbeit rief sie jeden einzelnen Schüler zu sich, um mit ihm über ein anderes wichtiges Thema zu sprechen. Noël hatte schon weiche Knie.

Eleni war als Erste aus seiner Gruppe nach vorne gerufen worden, nun war er selbst an der Reihe. Und das dritte Gruppenmitglied konnte man leider vergessen.

Es war Willy, das Flusspferd, das den lieben langen Tag vor sich hin döste und nur zu den Mahlzeiten kurz aufwachte. Mrs Styx hatte ihn deshalb schon in die Nachtklasse wechseln lassen, aber dort hatte er auch die ganze Zeit geschlafen, also war er wieder zurückgekommen.

Noël bahnte sich einen Weg zum Lehrerpult. Er setzte die Füße sehr behutsam auf, während sein Blick den mit weichem Rindenmulch ausgelegten Boden absuchte.

In seiner Klasse gab es nicht nur große Tiere wie Eleni und Willy, sondern auch winzige Käfer oder Amphibien wie den Pfeilgiftfrosch Cedric. Wenn Noël versehentlich auf ihn getreten wäre, wäre das für sie beide übelst ausgegangen – Cedrics Kontaktgift war nämlich tödlich.

„Bist du dran, Noël?“ Die Stimme kam von oben und als Noël den Kopf hob, sah er seinen Freund Tyson von einem der Balken hängen, die sich unter der Decke des Zimmers entlangzogen.

Der große Pavian benutzte die Gedankensprache, genau wie Mrs Styx und Eleni. Die Worte wurden dabei nicht ausgesprochen, sondern von Kopf zu Kopf geschickt.

Auf diese Weise kommunizierte man auf den geheimen Inseln miteinander. Allen, die hier lebten, war die Fähigkeit der Gedankenübertragung angeboren – deshalb nannten sie sich selbst auch dieAuserwählten.

Allerdings war es nicht ganz einfach, die Gedankensprache zu gebrauchen. Bei Noël hatte es eine ganze Weile gedauert, bis er gelernt hatte, sich mit den anderen zu verständigen.

„Warst du schon bei Mrs Styx?“, fragte er zurück.

Tyson umklammerte den Deckenbalken mit den Hinterbeinen und ließ den Oberkörper nach unten schwingen. „Ja. Sie hat mir Sareena zugeteilt.“ Sein großes Paviangesicht mit den Furcht einflößenden Eckzähnen nahm plötzlich einen verträumten Ausdruck an. Das erkannte Noël, obwohl Tyson verkehrt herum vor ihm hing.

„Wow! Glückwunsch!“, sagte er.

„Noël?“ Mrs Styx’ Stimme hatte jetzt etwas Schneidendes. „Ich warte.“

„Viel Erfolg!“, raunte Tyson ihm noch zu, dann zog er sich wieder zurück nach oben, wo der Papagei Cocolores und Alex, der Bombardierkäfer, auf ihn warteten.

Noël beeilte sich, zu dem Holzpflock zu kommen, auf dem der kleine, leuchtend grüne Körper seiner Klassenlehrerin thronte.

Mrs Styx war eine Gottesanbeterin, eine Insektenart, die Noël früher immer zum Schaudern gebracht hatte. Aber seit er auf den geheimen Inseln lebte, hatte er längst aufgehört, sich vor anderen Tieren zu gruseln oder gar zu ekeln. Jede Gattung war speziell und wunderbar und von jedem einzelnen Wesen konnte man etwas lernen. Das besagte die Philosophie der Schule. Und nichts war, wie es schien – auch diese Erfahrung hatte Noël in den letzten Monaten nur zu oft gemacht.

„Da bist du ja endlich.“ Mrs Styx’ Fühler zuckten ungeduldig, als Noël vor ihren Holzpflock trat.

„Sorry.“ Er lächelte entschuldigend.

„Wie kommt ihr mit der Tarnungsaufgabe voran?“, fragte die Lehrerin.

„Ganz gut.“ Mit Eleni in der Arbeitsgruppe war das ja auch kein Kunststück. Die Gazelle war nicht nur eine der klügsten Schülerinnen in ihrer Klasse, sondern auch mit Abstand die gewissenhafteste und fleißigste. Sie machte Willys Verpenntheit mehr als wieder wett.

Aber Noël wollte jetzt nicht über die Tarnkundeaufgabe reden. Er wollte endlich erfahren, wer sein Partner in dem Projekt war, das alle Schüler in den nächsten Wochen beschäftigen würde.

Interinsulares Projekt war der sperrige Titel, unter dem das Ganze stand.

Jedem Schüler wurde dabei ein Wesen seiner Spezies zugeteilt, das allerdings auf einer anderen Insel wohnte. An drei Projekttagen mussten sie komplexe Rätsel und Herausforderungen lösen, um die verschiedenen Inseln besser kennenzulernen – und um mehr über ihre eigene Art zu erfahren.

Damit nicht die gesamte Schule zur gleichen Zeit unterwegs war – was zu einem großen Chaos geführt hätte –, wurden die Teams in fünf Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe bekam einen Wochentag zugewiesen, für den Rest der Schüler fand derweil normaler Unterricht statt.

Fast alle aus Noëls Klasse waren von Mrs Styx schon nach vorne gerufen worden und kannten ihre Projektpartner. Eleni würde mit einem Gazellenjungen von der dritten Insel zusammenarbeiten. Und Tyson war also Sareena zugeteilt worden – ein zierliches Pavian-Mädchen, das erst seit wenigen Wochen auf den geheimen Inseln lebte. Seit sie bei den Hütern auf der sechsten Insel wohnte, redete Tyson ununterbrochen von ihr. Und jetzt war er am Ziel seiner Träume: Bei dem Projekt durfte er mit seiner Angebeteten zusammenarbeiten.

Vielleicht hätte Noël ja genauso viel Glück wie sein Freund. Er hoffte mit aller Inbrunst, dass er Katókwe als Partnerin bekäme.

Sie war eine Späherin und wohnte auf der fünften Insel, der geheimsten der geheimen Inseln. Weil sich die Späher gegen den Rest der Schule abschotteten, sah Noël Katókwe viel zu selten. Dabei explodierte jedes Mal etwas in seinem Inneren, wenn er auch nur an sie dachte.

Die Sehnsucht nach Katókwe war allerdings nicht der einzige Grund für Noëls Nervosität. Es gab einen Jungen im Internat, mit dem er auf keinen Fall zusammenarbeiten wollte: Leif, ebenfalls ein Späher.

„Dein Partner wird … warte mal, ich muss das erst raussuchen.“ Mrs Styx machte eine Pause, in der sie die Vorderbeine gegeneinanderrieb und mit den langen Fühlern ruderte.

Noël hielt den Atem an. Im Internat der bösen Tiere wurde nur selten etwas aufgeschrieben. Die meisten Tiere konnten die Menschenschriften nicht entziffern, geschweige denn schreiben.

Im Archiv, das sich auf der sechsten Insel befand, wurden die Geheimnisse und die Geschichte des Internats in Knotenschrift aufgezeichnet. Manchmal wurde auch eine Punktschrift verwendet, die an die Blindenschrift Braille erinnerte.

Wie alle Lehrer im Internat beherrschte Mrs Styx beide Schriften. Aber ihre Unterlagen und Notizen für den Unterricht zeichnete sie niemals auf, sie behielt einfach alles im Kopf. Irgendwo in ihrem Gedächtnis suchte sie jetzt nach Noëls Partner. Oder nach seiner Partnerin, wie er inständig hoffte.

„Ah, richtig, da haben wir es ja.“ Mrs Styx’ Fühler hielten wieder still. „Du wirst bei dem interinsularen Projekt mit Mikaere zusammenarbeiten.“

„Mit Mikaere?“ Die Enttäuschung in Noëls Stimme war unüberhörbar.

Mikaere war bei den Heilern. Noël hatte ihn vor einigen Wochen bei dem Tauchkurs kennengelernt, den alle Menschenschüler gemeinsam absolviert hatten. Mikaere war nett, aber verschlossen und schweigsam. Die Zusammenarbeit mit ihm würde bestimmt mühsam werden.

Immerhin war ihm Leif erspart geblieben.

„Ist das in Ordnung für dich, Noël?“, drang Mrs Styx’ Stimme wieder in seine Gedanken. Sie drehte ihren dreieckigen Kopf zu ihm, die grünen Facettenaugen musterten ihn eindringlich.

Man konnte einen Partner auch ablehnen, wenn man nicht mit ihm zurechtkam. Allerdings gab es insgesamt acht menschliche Schüler auf den Inseln, die Chance, dass er im zweiten Durchgang Katókwe bekäme, war genauso groß wie das Risiko, dass man ihm Leif zuteilte.

„Klar.“ Er schluckte laut. „Wie geht es jetzt weiter? Wann fangen wir an?“

„Euer Projekttag ist der Montag“, sagte Mrs Styx. „Ihr seid also gleich als Erste an der Reihe.“

„Und wie funktioniert das Ganze? Ich meine, was genau müssen wir tun?“

„Das erfahrt ihr zu gegebener Zeit. Warte mal …“ Der lange Körper der Lehrerin versteifte sich. Ihr Kopf reckte sich nach oben, die Fühler blieben mitten in der Bewegung stehen.

Was war denn jetzt los? Noël blickte sich unwillkürlich um, aber im Klassenzimmer hatte sich nichts verändert.

„Das sind ja tolle Neuigkeiten“, sagte Mrs Styx.

„Was?“, fragte Noël. Dann verstand er. Die Gottesanbeterin telefonierte.

Dazu benutzte man auf den Inseln der bösen Tiere keine Handys oder Telefonapparate, sondern verständigte sich ebenfalls per Gedankenübertragung. Bis jetzt konnte Noël Anrufe nur entgegennehmen. Wie man zu anderen Wesen Kontakt aufnahm, lernten sie erst im dritten Schuljahr.

„Ich werde das gleich an die Klasse weitergeben“, sagte Mrs Styx. „Vielen Dank und bis später.“ Nun begannen ihre Fühler wieder zu zucken. Offensichtlich war das Gespräch beendet.

„Entschuldige, Noël“, sagte die Lehrerin. „Aber dieser Anruf war wichtig.“

„Um was ging es denn?“, fragte Noël.

„Du kannst jetzt wieder zurück zu deinem Team.“

Die Gottesanbeterin wartete, bis Noël an seinem Platz war, dann rieb sie die Flügel an ihrem Hinterleib und erzeugte dadurch ein helles Rascheln. Das Geräusch war sehr leise, dennoch verstummten augenblicklich alle Gespräche im Raum.

Mrs Styx richtete sich kerzengerade auf. „Ich habe eine wichtige Mitteilung erhalten“, drang ihre glasklare Stimme durch das Klassenzimmer. „Heute Nachmittag um drei Uhr findet im Kuppelsaal auf der ersten Insel eine Halbversammlung für alle Tagschüler statt. Die Nachttiere werden dann um drei Uhr morgens informiert.“

Nun brach ein Tumult aus. Halbversammlungen wurden in der Schule nur äußerst selten einberufen. Es war schließlich ganz schön aufwendig, die vielen großen und kleinen Tiere von den verschiedenen Inseln auf die Hauptinsel zu bringen.

„Und worum geht’s?“ Tyson plumpste direkt neben Noël zu Boden und starrte die Lehrerin neugierig an.

Auch die anderen Schüler wurden nach und nach leise und richteten den Blick wieder zum Lehrerpult.

„Der neue Direktor der Schule ist angekommen“, sagte die Lehrerin feierlich. „Er wird sich in den beiden Versammlungen vorstellen.“

Jetzt herrschte Totenstille im Raum. Dass ein neuer Direktor für das Internat der bösen Tiere gesucht wurde, hatten sie alle gewusst. Mrs Moa, die frühere Schulleiterin, hatte die Inseln vor einigen Wochen verlassen.

In ihrer Abwesenheit hatte Mrs Jaja, die Leiterin der vierten Insel, das Direktorat übernommen. Die Hyäne hatte ihre Sache sehr gut gemacht. Noël hatte insgeheim darauf gehofft, dass es einfach noch eine Weile so weitergehen würde – bis Mrs Moa ihre Meinung änderte und wieder auf die Inseln zurückkehrte.

Aber nun hatte man in so kurzer Zeit tatsächlich einen neuen Direktor gefunden. Das hieß ja wohl, dass Mrs Moas Zeit endgültig vorbei war.

„Alle, die schwimmen oder fliegen können, setzen bitte selbstständig zur ersten Insel über“, sagte Mrs Styx. „Der Rest begibt sich um zwei Uhr zum Anleger, ihr werdet dort auf die Boote verteilt.“

Danach erklärte die Lehrerin noch ein paar Dinge zum interinsularen Projekt. Weil in der nächsten Zeit ständig ein Fünftel von ihnen zwischen den Inseln pendelte, sollten die Schüler zwischen den Projekttagen nach Möglichkeit auf ihren eigenen Inseln bleiben. Das bedeutete im Klartext, dass Noël Katókwe höchstens am Wochenende sehen würde. Die Mitteilung trug nicht gerade dazu bei, dass sich seine Laune hob.

Als der Pausengong erklang, setzte er sich hastig in Bewegung und eilte in den Hof, der auf der Rückseite ihres Schulturms lag. Taiyo, sein bester Freund und Zimmergenosse, ging in Noëls Parallelklasse. In den Pausen trafen sie sich immer unter den hohen Palmen, die den Platz zum Meer hin begrenzten.

Aber als Noël bei den Bäumen ankam, war Taiyo noch nicht da.

„Sag mal, hast du Mangos auf den Ohren?“ Auf einer der Palmen saß Tyson und schaute vorwurfsvoll zu Noël runter. „Ich hab dich gerufen!“

Wo kam der Pavian so plötzlich her? Noël hatte nicht gemerkt, dass er ihm gefolgt war.

„Sorry, ich hab nichts gehört“, sagte Noël.

„Wen haben sie dir denn jetzt zugeteilt?“, wollte Tyson wissen. „Katókwe?“

Noël seufzte. „Nee, Mikaere.“

„Schade“, sagte Tyson.

Bevor Noël etwas erwidern konnte, sah er Taiyo, der über den Hof auf sie zukam. Seine schwarzen Augen wirkten noch dunkler als sonst. Und sein Gesicht war ebenfalls finster. Es war auf den ersten Blick klar, dass er nicht glücklich war.

„Oje“, murmelte Tyson. „Taiyo hat sie ebenfalls nicht gekriegt.“

Die halbe Insel wusste inzwischen, dass sowohl Taiyo als auch Noël verrückt nach Katókwe waren, auch wenn sie beide immer so taten, als wäre ihnen die schöne Späherin egal. Noël fragte sich oft, ob Katókwe ebenfalls Bescheid wusste. Falls dem so war, ließ sie es sich nicht anmerken.

„Was ist passiert?“, rief er seinem Freund entgegen.

„Absolute Katastrophe“, gab Taiyo zurück. Auch er verwendete die Gedankensprache, Noël und er hätten sich sonst nicht verstanden. Taiyos Muttersprache war nämlich Japanisch und Noël kam aus Deutschland.

„Erzähl schon!“, sagte Noël.

„Dieses beknackte Schulprojekt.“ Taiyo starrte ausdruckslos auf Tysons buschigen Schwanz, der neben dem Palmenstamm nach unten baumelte. „Ich bin mit Leif im Team.“

„Oh nein!“, rief Noël, aber dann schüttelte er den Kopf. „Du kannst ihn doch ablehnen.“

„Kann ich nicht.“ Taiyo rieb sich mit den Händen übers Gesicht. „Leif wurde offensichtlich schon dreimal zurückgewiesen. Keiner will mit ihm zusammenarbeiten. Aber irgendeiner muss ihn nehmen. Also hat es mich getroffen. Am Dienstag geht’s los.“

„Was für ein Mist“, sagte Noël.

„Megamist“, bestätigte Tyson. „Leif ist doch dieser Vollidiot, der immer alle linkt, oder?“

Taiyo ließ den Kopf hängen und antwortete nicht. Seine Fußspitze malte Schlangenlinien in den Sand, der den Boden bedeckte.

„Und jetzt?“, fragte Noël.

„Nichts – und jetzt. Mr Queue hat gesagt, dass ich sofort zu ihm kommen soll, wenn es Probleme gibt.“ Der Kormoran war der Klassenlehrer von Taiyos Klasse. „Die Lehrer sind sich alle darüber im Klaren, dass Leif ein Idiot ist.“

„Warum schmeißen sie ihn dann nicht raus?“, fragte Tyson. „Bei anderen wird doch auch nicht so lange gefackelt.“

„Das würde ich auch gerne wissen“, sagte Noël.

„Vielleicht ist der neue Direktor da ja konsequenter als Mrs Moa“, sagte Taiyo. „Das ist meine letzte Hoffnung.“

„Weißt du schon was über ihn?“, fragte Noël. „Ich meine über den neuen Direktor.“

„Nein. Aber heute Nachmittag gibt es ja die Halbversammlung. Dann werden wir ihn kennenlernen.“

An dem langen Steg am Meer, an dem die Boote lagen, herrschte ein großes Gedränge. Alle Tiere, die weder schwimmen noch fliegen konnten, hatten sich hier eingefunden und nun wurden sie von den Lehrern in Kleingruppen eingeteilt, die gemeinsam zur ersten Insel übersetzen sollten. Wer nicht rudern konnte, wurde von Haien zur ersten Insel gezogen. Auch Sirk, ein großes Krokodil, und einige Robben und Seekühe übernahmen ein paar Touren.

Noël und Taiyo stiegen zusammen mit Tyson, zwei Murmeltieren und einer Handvoll Kellerasseln in ein Boot. Im letzten Moment wurde ihnen auch noch Chloe zugeteilt.

„Boah, die hat uns gerade noch gefehlt“, maulte Tyson, als das Stinktier vom Steg in ihr Ruderboot hopste. „Mir wird schlecht!“

„Das ist echt gemein von dir, Tyson“, beschwerte sich Chloe. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht so gut rieche.“

Chloe wohnte im selben Wohnturm wie Noël und Taiyo und nur eine Etage unter ihnen. Der strenge Geruch, den sie immer und überall verbreitete, war ihnen inzwischen so vertraut, dass sie ihn kaum noch zur Kenntnis nahmen.

„Tyson!“ Mrs Styx war Tysons Bemerkung nicht entgangen. Die Gottesanbeterin flatterte auf den Rand des Steges und richtete sich drohend auf. „Was soll das? Wir brauchen hier keine Mobber. Ist das klar?“

Ihre Stimme war so kalt wie ein Eiszapfen.

Tyson zog die Lefzen hoch und entblößte die spitzen Eckzähne. „War doch nur ein Witz“, murrte er.

„Ja, aber ein blöder Witz“, sagte Chloe empört.

Mrs Styx fuchtelte mit ihren Fühlern. „Entschuldige dich bei Chloe, Tyson“, ermahnte sie den Pavian. „Sonst bleibst du als Einziger hier auf der Insel. Und das war kein Witz.“

„Entschuldigung, Chloe“, sagte Tyson und grinste verlegen.

„Angenommen“, sagte Chloe. „Ups, jetzt hab ich aus Versehen gepupst. Sorry.“

Der Gestank, der das Boot nun einhüllte, war so durchdringend, dass auch Taiyo und Noël grün im Gesicht wurden. Sogar eine der Asseln machte laute Würgegeräusche, aber vielleicht war sie auch einfach seekrank. Die beiden Jungen hatten nämlich inzwischen abgelegt und ruderten auf die Hauptinsel zu.

Während sie übersetzten, sah Noël, dass Willy sich am Ufer ins Meer gleiten ließ. Das massige Flusspferd trieb einen Moment an der Wasseroberfläche, dann tauchte es ab. Wollte es etwa zur ersten Insel schwimmen? Bis zur Hauptinsel war es fast ein Kilometer. Und Flusspferde lebten normalerweise im Süßwasser. Vielleicht wollte Willy auch nur für eine Weile abtauchen, bis alle verschwunden waren und er in Ruhe zurück in sein Schwimmbecken im ersten Turm konnte, um dort weiterzupennen.

„Könnt ihr nicht ein bisschen schneller rudern?“ Eine der Asseln war auf den Bootsrand geklettert und trippelte dort aufgeregt auf und ab. „Ich will endlich wissen, was für ein Tier der neue Direktor ist.“

„Die Halbversammlung beginnt um drei“, sagte Taiyo. „Wenn wir schneller rudern, geht es auch nicht früher los.“

Obwohl nur die Hälfte aller Schüler des Internats im Kuppelsaal versammelt war, wimmelte der runde hohe Raum vor Tieren.

Die meisten Wirbeltiere hatten sich auf die Tribünen verteilt, die am Rand des Saales errichtet worden waren. Auch Noël und Taiyo standen auf einer der Plattformen. Die Insekten, Spinnen, Weichtiere und alle anderen Winzlinge drängten sich um das Podest in der Mitte der Halle, die der neue Direktor in Kürze betreten würde.

Überall im Raum verteilt waren hohe Glaszylinder, die normalerweise in dem dunklen Holzboden versenkt waren. In diesen säulenartigen Aquarien schwammen unzählige Fische. Das Wasser wurde direkt aus dem Meer hochgepumpt, die Fische stiegen mit der Wassersäule wie mit einem Aufzug nach oben und konnten so an der Versammlung teilnehmen.

Einige der Zylinder waren mit Süßwasser gefüllt, sie wurden von Quellen auf der ersten Insel gespeist und beherbergten die Flussfische. Piranhas schwammen hier friedlich neben Forellen und Hechten.

Kein Tier auf den geheimen Inseln hätte einem anderen etwas zuleide getan oder es sogar gefressen. Nicht alle Schüler waren Vegetarier wie Noël und Taiyo, aber zumindest suchten sie ihr Futter nicht unter den Auserwählten.

Noëls Blick schweifte von den Wassertanks zur Decke. Auf Stahlseilen, die von einer Wand zur anderen gespannt waren, saßen die Vögel. Auch hier war die Vielfalt überwältigend. Winzige Spatzen hockten neben prachtvollen Papageien oder gefährlichen Greifvögeln mit spitz gebogenen Schnäbeln.

Darüber wölbte sich das riesige Kuppeldach, das mit einem Mosaik geschmückt war. Die glänzend bunten Steine fügten sich zu wunderschönen Ornamenten, Formen und Bildern zusammen.

Direkt über Noël und Taiyo war ein Geier zu sehen. Ihm gegenüber kletterte ein schillernder Käfer über die Decke. Auf der linken Seite schwamm ein dicker runder Fisch und rechts hockte eine Kröte.

In der Mitte der hohen Kuppel befand sich das größte Bild: eine Frau mit goldenen Haaren. Und an ihrer Seite stand ein riesiger schwarzer Bär mit leuchtenden grünen Augen.

Die Frau und die fünf Tiere hatten die Schule vor vielen Jahren gegründet. Die vier äußeren Tiere waren heute noch im geheimen Rat vertreten, der über alle Belange des Internats entschied. Die Frau und der Bär hatten die Inseln jedoch kurz nach der Schulgründung verlassen.

Noël kannte ihre Geschichte erst seit Kurzem – obwohl es auch seine Geschichte war. Denn Sonya, die Frau mit den goldblonden Haaren, war seine Mutter.

Sonya und Orla, die Bärin, waren gemeinsam auf die Idee gekommen, ein Internat für auserwählte Tiere und Menschen zu gründen. Sie wollten einen Ort schaffen, an dem ein Wesen vom anderen lernte und alle ihre Kenntnisse miteinander teilten.

Doch kurz vor der Eröffnung der Schule war Orla zusammen mit ihrem neugeborenen Sohn Uko von Wilderern gefangen genommen und verschleppt worden. Sonya hatte sich sofort aufgemacht, um sie zu retten, aber bis sie ihre Freundin in einem Zoo in Mexiko-Stadt aufgespürt hatte, hatte man die verzweifelte aggressive Bärin bereits erschossen. Nur ihren kleinen Sohn Uko konnte Sonya noch befreien.

Seit Orlas Tod war Uko verstört und voller Hass. Er war überzeugt davon, dass Sonya die Schuld am Schicksal seiner Mutter trug. Und er schwor Rache.

Als Sonya selbst einen kleinen Sohn bekam – Noël –, war Uko fest entschlossen, ihn zu töten. Um Noël zu schützen, hatte Sonya ihn direkt nach seiner Geburt am Heiligen Abend vor fast fünfzehn Jahren zu ihrer Schwester Karin gebracht und war danach untergetaucht.

Niemand wusste, wo sie sich heute verbarg. Und ob sie überhaupt noch am Leben war.

„Hey, ihr beiden“, sagte eine kratzige Stimme in Noëls Kopf. Er spürte warmen Atem in seinem Nacken und ein Flattern im Magen.

Katókwe kletterte zu ihnen auf die Plattform. Ihre zu vielen schmalen Zöpfen geflochtenen Haare hatte sie heute zu einem enormen Dutt zusammengebunden, den sie mit silbernen Bändern und Perlen verziert hatte.

„Wow“, entfuhr es ihm. „Du siehst toll aus.“

„Danke.“ Katókwes rechte Hand tastete über die imposante Frisur. „Ich dachte, ich werf mich mal ein bisschen in Schale. Ist ja auch ein besonderer Tag.“

„Weißt du schon was über den neuen Direktor?“, fragte Taiyo.

Die Späher waren immer besser informiert als der Rest des Internats.

„Ja. Aber ich darf nichts sagen.“ Katókwe stellte sich zwischen die beiden Jungen und reckte den Hals, um über den Rücken eines Zebras zu dem Podest zu schauen, das allerdings immer noch leer war.

„Komm schon. Uns kannst du es doch verraten“, flehte Noël, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Katókwe konnte schweigen wie ein ganzer Friedhof.

„Scht!“, machte sie, ohne den Blick von der Bühne zu wenden. Im Saal wurde es jetzt nämlich sehr still.

Noël spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, während er sich auf die Zehenspitzen stellte. War der neue Direktor etwa schon zu sehen? Ob er ein Reptil wäre wie Mrs Moa, die Riesenschlange? Alle anderen Tierarten waren bereits im geheimen Rat vertreten. Obwohl, bislang gab es auch noch keine Spinne und ein Wurm war ebenfalls nicht unter den Schulleitern.

Ein Raunen ging durch den Kuppelsaal, als ein winziger metallisch blauer Kolibri über die Köpfe der versammelten Tiere hinwegflatterte und über dem Podest in der Luft stehen blieb. Erst jetzt schien dem Vogel bewusst zu werden, dass ihn der ganze Saal anstarrte.

„Oh, hoppla!“, erklang eine helle, hohe Stimme. „Nicht dass ihr denkt, ich bin der neue Direktor.“ Dem Kolibri entfuhr ein nervöses Lachen. „Ich bin nur Miss Flap, die Sekretärin.“ Der kleine Vogel spreizte die langen Schwanzfedern, die auf einmal nicht mehr blau, sondern grün schimmerten. Seine Flügel schlugen so schnell, dass die einzelnen Bewegungen in Noëls Augen zu einem Flackern verschwammen. „Der Direktor kommt gleich. Und ich … äh … verzieh mich mal lieber.“ Miss Flap öffnete den Schnabel, streckte kurz ihre dünne und erstaunlich lange Zunge heraus, dann schwirrte sie nach links und prallte mit Wucht gegen eine der Säulen, die die Kuppel trugen. Alle Anwesenden schrien erschrocken auf.

„Ups! Na, also so was …“ Zum Glück schien sich die Sekretärin nicht verletzt zu haben. Sie flatterte hastig weg.

Am Hinterausgang erschien nun ein großer Geier – Mr X, der Leiter der Späher. Unter ihm bahnte sich Mrs Jaja einen Weg durch die Menge. Als die Hyäne das Podest erreicht hatte, bemerkte Noël, dass die Kröte Mrs Aga und Mr Ramses, ein schillernder Skarabäus, auf ihrem Rücken saßen.

Das fünfte Mitglied des geheimen Rats war die ganze Zeit schon anwesend gewesen: Monsieur Tocsin, ein gewaltiger Kugelfisch, schwamm in einem Glaszylinder neben der Tribüne.

Mrs Aga und Mr Ramses glitten zu Boden, bevor Mrs Jaja leichtfüßig auf das Podest sprang. Die Ratsmitglieder verteilten sich nun in einem Kreis um sie herum.

„Ich grüße euch alle“, begann Mrs Jaja. „Heute ist ein großer Tag für unsere Schule. Wir haben viel früher als erwartet ein wunderbares Wesen gefunden, das unsere Schule und die geheimen Inseln in Zukunft leiten wird.“ Sie machte eine kurze Pause, in der sie mit ihrer rauen Zunge über die spitze schwarze Schnauze leckte. „Mr Simbaroi wird das Internat im Sinne von Mrs Moa weiterführen. Aber er wird diesen Ort und unser Schulleben natürlich auch mit vielen eigenen Ideen bereichern. Unser neuer Direktor wird sich gleich selbst vorstellen, deshalb möchte ich euch nicht länger auf die Folter spannen. Bitte begrüßt mit mir … Mr Simbaroi!“

Nun applaudierte der ganze Saal. Noël, Taiyo und Katókwe klatschten in die Hände, die anderen Schüler wedelten mit Schwänzen und Flossen, sie wackelten mit den Ohren oder schlugen kraftvoll mit den Flügeln. Die Luft im Kuppelsaal begann zu vibrieren, einige Insekten wurden von dem Beifall unfreiwillig nach oben geschleudert.

Mrs Jaja wandte ihre bernsteinfarbenen Augen zum hinteren Eingang, durch den sie gerade gekommen war. Noël folgte ihrem Blick, aber er sah nur Willy, der neben der Tür stand. Seine wulstigen Augen waren geschlossen, die speckigen Flanken hoben und senkten sich in langsamem Wechsel. Er war also doch die ganze Strecke geschwommen. Und jetzt schlief er mal wieder.

Neben ihm befand sich eine Gruppe von Lehrern. Noël entdeckte das Lama Mrs Sol und den Marabu Mr Ezekweseli, der Sprachen unterrichtete.

Aber von dem neuen Direktor fehlte jede Spur.

„Da!“ Katókwe riss aufgeregt an Noëls Ärmel und zeigte zum Haupteingang, durch den soeben ein riesiger Löwe in die Halle trat. Er war nur ein paar Meter von ihnen entfernt, Noël hatte den Eindruck, dass er seinen scharfen Raubtierduft riechen konnte. Aber das musste eine Täuschung sein. Im Kuppelsaal roch es nach so vielen verschiedenen Tieren.

Mit großen, langsamen Schritten durchmaß der Löwe den Saal. Vor dem Podest duckte er sich und sprang dann in einem eleganten Satz nach oben. Mit hochgerecktem Kopf stand er eine Weile reglos da, während die Versammlung ihn bejubelte.

„Boah“, sagte Katókwe. „Der macht aber echt was her.“

„Hoffentlich ist er so gut, wie er aussieht“, flüsterte Taiyo.

Nun schüttelte Mr Simbaroi die mächtige Mähne und augenblicklich verstummte der Applaus und es wurde still im Saal.

„Guten Tag, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Mitarbeiter im Internat“, sagte der Löwe, wobei er seinen Blick durch die Halle wandern ließ. „Ich bin Mr Simbaroi, euer neuer Direktor. Ich freue mich, hier zu sein. Ich habe so viel Gutes über diese Schule gehört, dass es mir eine große Ehre ist, sie leiten zu dürfen. Und ich bin sehr stolz darauf, dass ich so besondere Wesen, wie ihr es seid, unterrichten werde.“ Wieder warf er den Kopf nach oben und brachte seine Mähne in Wallung. „Ich stamme aus Südafrika und habe die letzten Jahre in Simbabwe verbracht, als Leiter eines Instituts. Ich arbeite schon lange für die Sache der Auserwählten. Die geheimen Inseln habe ich an diesem Morgen jedoch zum ersten Mal betreten. Es wird sicherlich eine Weile dauern, bis ich mich hier richtig auskenne.“ Während Mr Simbaroi redete, wanderte sein Blick unaufhörlich über die Schüler. So als ob er jemanden Bestimmten in der Menge suchte.

„Direkt nach meiner Ankunft heute früh wurde mir das interinsulare Projekt vorgestellt, mit dem ihr euch in den nächsten Wochen alle beschäftigen werdet. Ich habe mir die Aufgaben angesehen und ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt. Das Projekt erfordert Intelligenz, Geistesgegenwart, Einsatzbereitschaft, und eine gewisse Tollkühnheit ist auch gefragt.“ Mr Simbaroi machte eine Pause, in der sein Blick wieder über die Schüler glitt. Dann straffte er die Schultern und reckte den Kopf noch weiter nach oben. „Alle diese Eigenschaften braucht ihr an dieser Schule und sie werden in eurem künftigen Leben essenziell sein. Deshalb habe ich beschlossen, die Schraube noch ein bisschen anzuziehen und das Schulprojekt um einen entscheidenden Aspekt zu ergänzen.“ Der Direktor verstummte erneut.

Es war auf einmal totenstill im Saal. Noël spürte, wie sich die feinen Härchen auf seinen Armen aufrichteten.

„Jedes Team, das das interinsulare Projekt nicht erfolgreich zu Ende führt, wird die Schule verlassen müssen“, sagte Mr Simbaroi.

Der ganze Kuppelsaal schien einen Moment lang die Luft anzuhalten. Dann begannen alle gleichzeitig durcheinanderzureden. Nicht nur mit ihren Gedankenstimmen, die Halle war plötzlich von einem unglaublichen Lärm erfüllt. Die Tiere schnatterten, bellten, piepsten, trompeteten, quietschten und fauchten. In den Glaszylindern platschte das Wasser gegen die Scheiben.

Nur Mr Simbaroi gab keinen Ton von sich. Er stand immer noch hoch aufgerichtet da und betrachtete das Durcheinander im Saal. Noël hatte das absurde Gefühl, dass ein leises Lächeln um sein Maul spielte.

Er fragte sich, ob der geheime Rat genauso überrascht war über diese Entscheidung des neuen Direktors wie die Schüler. Die fünf Tiere ließen sich zumindest nichts anmerken, sie verharrten stumm und unbewegt.

„Das kann nicht sein Ernst sein“, sagte Taiyo, dessen Gesicht seltsam fahl geworden war. „Und ausgerechnet jetzt muss ich mit diesem Vollidioten zusammenarbeiten!“

Der Löwe stand auf seinem Podest wie ein Bronzedenkmal im Museum. Aber nun riss er das Maul auf und stieß ein lautes Brüllen aus.

Auf der Stelle herrschte Stille im Saal. Alle Blicke waren wieder auf den neuen Direktor gerichtet.

„Wir wollen die Besten hier“, sagte Mr Simbaroi ruhig. „Die Stärksten, die Mutigsten, die Klügsten. Alle anderen haben in dieser Schule nichts verloren. Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Viel Glück bei dem Projekt.“

Als das Käuzchen, das Noël und Taiyo jeden Morgen weckte, gegen die Scheibe klopfte, war Noël schon eine ganze Weile wach. Nieselregen tropfte an das bullaugenförmige Fenster in ihrem Zimmer. Der Himmel war grau und wolkenverhangen. Die Inseln der bösen Tiere lagen genau auf dem Äquator. Hier gab es keine Jahreszeiten, das Klima war jeden Tag das gleiche, wie auch die Länge der Tage.

Meistens regnete es in der Nacht, tagsüber schien dann wieder die Sonne. Die dicken Wolken, die den Himmel bis zum Horizont bedeckten, würden vermutlich bald wieder aufreißen. Bis dahin wäre Noël gerne im Bett geblieben.

Aber das ging nicht, heute war schließlich der erste Tag seines Schulprojekts. Und die einzige Anweisung, die Noël von Mrs Styx erhalten hatte, war, dass er wie immer um sieben Uhr aufstehen sollte.

„Alles Weitere erfährst du dann“, hatte die Lehrerin ihm erklärt.

Taiyos Projektstart war erst morgen, er hatte heute ganz normal Schule. Allerdings blieb er reglos im Bett liegen. Hatte er das Käuzchen nicht gehört?

„Hey, Taiyo, genug gepennt!“ Noël beugte sich über die Pritsche seines Freundes. Und sah, dass auch Taiyo längst wach war und mit finsterem Blick zur Decke starrte.

„Ich will nicht mit diesem Mistkerl zusammenarbeiten“, sagte er.

Noël ließ sich wieder auf seine Bettkante sinken. Im Vergleich zu Leif war Mikaere ein wahrer Glücksgriff. Natürlich hätte Noël lieber Katókwe oder Taiyo als Partner gehabt. Mit ihnen hätte das Ganze auch noch Spaß gemacht.

Aber seit der Rede des neuen Direktors war ihnen allen klar, dass es nicht um Spaß ging. Die Sache war ernst.

Wer in den nächsten drei Wochen versagte, musste die geheimen Inseln verlassen. Die Vorstellung war so schrecklich, dass Noël gar nicht darüber nachdenken wollte.

Für ihn selbst wäre es darüber hinaus auch lebensgefährlich, wenn man ihn von der Schule verweisen würde. Auf den geheimen Inseln war er sicher vor Uko, seinem Todfeind. An jedem anderen Ort der Welt würde der Bär ihn aufspüren und ausschalten.