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Ein Ort, der dich prüft. Eine Entscheidung, die nur du treffen kannst. Mara und Rasmus gehen bei einer Wanderung in den Bergen verloren. Ein plötzlicher Wintereinbruch. Sie sitzen fest – und landen im Nyx. Was erst Rettung scheint, wird zum Labyrinth: Gänge, Nummern, Schatten. Begegnungen, die zu real wirken, um bloß Traum zu sein. Zwischen Neid, Schuld und der Suche nach Wahrheit wird Mara mit sich selbst konfrontiert – und mit ihrer Zwillingsschwester Lara, die seit Monaten vermisst wird. Die Frage ist nicht, wer wen betrogen hat, sondern: Wer sind sie ohne einander? NYX ist kein gewöhnlicher Ort. Hier zeigt sich, was verborgen war. Hier wird sichtbar, wer du warst – und wer du sein könntest. NYX – INVIDIA ist der erste Band einer siebenteiligen Reihe über Schatten – und das Licht dahinter. Flirrend, düster, hypnotisch. Ein Roman für alle, die melancholische Spannung, psychologische Tiefe und einen Erzählstil suchen, der nachhallt. Werde Teil davon.
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Seitenzahl: 78
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Invidia
Nyx, Volume 1
Amy G. Dala
Published by Amy G. Dala, 2025.
Impressum
Texte: © Copyright by Amy G. Dala
Umschlaggestaltung: © Copyright by Amy G. Dala
Verlag:
f · b · D · fiction by Dala
fiction-by-dala.carrd.co
Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
Title Page
Copyright-Seite
369 über Leben
444 Hz
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369 durch Leben
Abspann
Echo
Credits
About the Author
dunkel · tief · erdend
Wie ein Grollen unter der Oberfläche.
Schwer und pulsierend drängt sich die Schuld zwischen uns.
Wir verlieren die Orientierung und stürzen ab.
– 9
Der Berg öffnet sich wie ein Schlund. Er kommt Mara vor wie ein Feind, den sie bezwingen muss. Kein Weg, sondern ein Prüfstein. Ein Gegner.
Sie sind in der Höllenklamm auf Wandertour. Sie – das sind Mara und ihr Mann Rasmus. Eine absurde Idee, denkt Mara zum wiederholten Mal. Wie ist sie nur hier gelandet? Warum tut sie sich das an?
Vor ihr windet sich ein tückischer Pfad, gespickt mit losen Steinbrocken, über die sie bereits mehrfach gestolpert ist. Die Beine sind schwer, die Füße lassen sich kaum noch heben. Immer wieder glitzern vereiste Stellen auf, auf denen sie ins Rutschen gerät. Um nicht zu stürzen, stützt sie sich an der schroffen Steinwand ab, die sie von beiden Seiten eng umgibt. Die Klamm verlangt ihre ganze Aufmerksamkeit. Und doch wartet Mara auf eine Antwort von Rasmus, der einige Meter vor ihr geht.
„Warum machen wir das?", ruft sie gegen den Wind.
Rasmus antwortet nicht sofort. Auch ihn kostet die Wanderung Kraft, obwohl er sich sicherer in den Bergen bewegt. Schließlich sagt er, halb scherzhaft: „Wir üben für den Everest."
Mara lacht nicht. Sie bleibt stehen. Etwas schlägt ins Tal. Vielleicht Steine, die eine der wilden Ziegen losgetreten haben. Vielleicht seine Geduld und Rücksicht, die sie in die Höllenklamm getrieben haben. Vielleicht ihre Angst vor der Wahrheit, die sie lähmt, seitdem Lara nicht mehr da ist.
Rasmus hört den Aufschlag. Das Geräusch lenkt ihn ab. Er schaut in den Himmel. Die Wolken ziehen schneller. „Es wird bald dunkel. Wir haben noch drei Kilometer."
Mara lehnt sich gegen die Felswand. Erschöpft. Die Kälte dringt durch die atmungsaktive Jacke, die Rasmus ihr zum Geburtstag geschenkt hat – gemeinsam mit den Wanderschuhen und einer ausgedruckten Trekkingroute. Mara weiß immer noch nicht, ob es an dem Geschenk liegt, dass sie sich nicht freut oder daran, dass es der erste Geburtstag ohne Lara ist.
Lara hätte sich über das Geschenk gefreut. Vielleicht hatte Rasmus gehofft, Mara würde sich genauso freuen. Vielleicht hatte er sie verwechselt – mit ihrer Zwillingsschwester. „So kannst du ihren Tod vergessen", hatte er geflüstert, als sie nicht reagierte.
VERGESSEN. TOD.
„Wie soll ich sie vergessen?", zischte sie. Rasmus hatte sich von ihr weggedreht. Von ihren traurigen Augen, der Distanz, die zwischen ihnen ist, seit der Abwesenheit der Schwester, den Verlust, den Mara nicht überwinden kann, der auf ihre Beziehung drückt. Seitdem liegt ein Schatten über allem. Ein Riss, der ihre Beziehung spaltet. Und jetzt, hier in der Höllenklamm, will Mara reden. „Ich gehe keinen Schritt weiter, bevor du mir nicht sagst, was wir hier machen. Was dieses bescheuerte Geschenk soll!"
Rasmus atmet tief. Er schweigt, während sich die Antwort in seinem Kopf formt - die er nicht ausspricht: Meine Hoffnung war, dass du dich durch das Wandern wieder der Schönheit des Lebens öffnest. Der Natur. Dass du wieder Energie spürst. Du bist nicht tot. Du hast dich nicht umgebracht wie Lara. Den Tod, den Mara nicht akzeptieren will. Ihre Zwillingsschwester, die Selbstmord begangen hat. Es kommt Rasmus vor, als habe Lara auch seine stolze, lebenslustige Frau umgebracht. Ein Zwilling stirbt selten alleine. Rasmus hat viel über Zwillinge gelernt, seitdem er mit Mara zusammen ist.
Was er sagt ist: „Wo ist sie, wenn sie nicht tot ist?" Wie oft hat er diese Frage gestellt? Wie oft hat sie ihm dieselbe Antwort gegeben? „Das weiß ich nicht", zischt Mara.
Sie stößt sich von der Wand ab und stapft an ihm vorbei. Der Pfad wird schmaler. Links die Felswand, rechts der Abgrund. „Ich gehe besser vor", sagt Rasmus. Mara stellt sich ihm in den Weg. Er versuchte es auf der anderen Seite. Sie lässt ihn nicht vorbei.
„Mara, das ist albern! Lass mich doch vorbei.“
„Denkst du, ich bin zu blöd die Schilder zu lesen? Es gibt doch eh nur den einen Weg hier."
„Mara, bitte!"
Sie versperrt ihm weiter den Weg.
„Siehste mal, wie das ist."
„Wie was ist?"
„Wenn einer alles besser weiß und die Nase immer vorne hat."
„Ich weiß echt nicht, was mit dir los ist. Dann gehe halt vor, wenn du unbedingt willst."
Sagt es und geht auf Abstand.
Eine Weile trotten sie schweigend den schmalen Pfad entlang, der zum Aufstieg wird. Mara keucht. Ihre Schritte werden langsamer. Jedes Mal, wenn Rasmus sie überholen will, versperrt sie ihm den Weg.
Rasmus lässt sich nichts anmerken, aber innerlich wird es wild, braut sich was zusammen. Eine Wut, die er nur zu gut kennt. Eine Wut, die wie ein Sturm aufkommt, jedes Mal, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Eine Wut, die sich aufbäumt, wie ein Pferd, das in die Enge getrieben wird und zum Angriff übergeht.
Als sie ihn erneut blockiert, greift er zu. Packt ihren Arm und stößt sie grob gegen die Felswand. Ihr ungläubiger Blick, als der Körper gegen den Felsen knallt. Schnell geht er an ihr vorbei.
Der Schmerz breitet sich von ihrem Arm im Körper aus. Der Schmerz hebelt für einen kleinen Moment die Vernunft aus, das Wissen darum, wann man eine Grenze überschreitet, die man besser nicht überschreiten sollte. Er geht vor ihr. Schmaler Rücken, aufrecht, knochige Schultern, lang und schlacksig. Mara nimmt Anlauf. Ein kurzer Satz. Sie berührt seinen Rücken. Sie stößt ihn. Beide Hände, volle Kraft.
Rasmus strauchelt. Der Weg endet. Seine Arme rudern, suchen Halt. Vergeblich. Er wird zum Base Jumper im freien Fall über dem Abgrund. Ohne Fallschirm.
Mara hält den Atem an. „Scheiße", flüstert sie. „Scheiße!“ Der Aufprall, Steine, die sich lösen und ins Tal rollen, dort im Echo aufschlagen. Mara schließt die Augen. Scheiße! Scheiße! Das bin ich doch nicht, denkt sie und: Was ist los mit mir? Was ist los mit dir? Das bin nicht ich. Außer Sinnen. Woher kommen diese Aggression und Wut gegen ihn? Wieso gibt sie ihm die Schuld an dem, wie es ist? Die Höllenklamm bringt etwas zum Vorschein, allerdings etwas anderes als das, was sich Rasmus erhofft hatte. Ihre Liebe für ihn findet Mara zwischen den Felsspalten nicht wieder. Vielmehr springen sie unbekannte, irrationale Gefühle an.
Seine Stimme, dumpf, von unten: „Mara... hilf mir.“ Sie öffnet die Augen. Der Schock über ihre Tat benebelt ihr Hirn. „Wo bist du?" Sie tritt an den Abgrund. Er liegt auf einem schmalen Felsvorsprung. Langsam richtet er sich auf. Er tastet seine Gliedmaße ab. Schüttelt sich.
„Alles okay. Nichts gebrochen."
"Gott sei Dank!"
Fast kommen ihr die Tränen vor Erleichterung.
„Ruf Hilfe mit deinem Handy!"
Rasmus greift in die Außentasche seiner Hose und zieht das Mobiltelefon hervor.
„Fuck! Kaputt."
Der Touchscreen ist komplett hinüber und das Gerät lässt sich nicht mehr anschalten, als er es mit zitternden Fingern probiert.
„Ich hole Hilfe", sagt Mara.
„Nein!"
Seine Stimme ist unnatürlich hoch. Er schlingt seine langen Arme um den Oberkörper und reibt sich. „Mir ist kalt, Mara. Lass mich nicht alleine. Geh nicht! Bitte, geh nicht!"
Panik in seinen Augen.
„Komm runter zu mir!"
Seine Stimme bricht weg.
„Und dann?"
„Da ist ein Weg! Unter mir ist ein anderer Weg! Ich sehe ihn ganz deutlich. Erinnerst du dich, es muss die Abzweigung sein, die wir vorhin gesehen haben. Komm runter, wir laufen zusammen den Weg. Wir müssen uns beeilen. Es wird dunkel."
Mara zögert einen Moment. Bald geht die Sonne unter. Sie würde es bis dahin nicht zum Ziel schaffen, um Hilfe zu holen. Sie haben keine Taschenlampe dabei, um Gewicht zu sparen. Falls notwendig, hätten sie sich mit dem Smartphone beholfen. Der Weg, den Rasmus meint, führt wesentlich schneller zum Ziel, ist aber an vielen Stellen unbefestigt und in einem sehr schlechten Zustand. Nur für geübte Wanderer, steht im Reiseführer. Dazu zählt Mara nicht. Deshalb haben sie sich dagegen entschieden. Mara wird klar, dass sie sich wesentlich schneller zu Rasmus auf den Felsvorsprung hangeln kann, als dass er wieder hochklettert. Alles spricht also dafür, dass sie ihre schützende Position verlässt und zu ihm klettert. Alles, außer ihre Vernunft.
„Mara, jetzt komm! Bitte! Lass mich nicht allein."
Etwas in seiner Stimme löst etwas in ihr aus. Mara zögert nicht länger. Langsam beginnt sie den Abstieg. Rutscht, schrammt sich. Schafft es zu ihm.
Sie umarmen sich. Das erste Mal seit langer Zeit umarmen sie sich fest und intensiv, riechen und spüren den Atem, den Körper des anderen, spüren den Herzschlag. Halten sie inne und spüren sich. Aus einer alten Gewohnheit greift Mara zärtlich in sein volles, blondes Haar, das sie so liebt und wundert sich über die klebrige Nässe auf ihren Fingern. Sie zieht die Hand aus seinem Haar. Sie ist voller Blut. „Rasmus, du bist doch verletzt. Du blutest am Kopf!"
„Halb so schlimm, nur eine kleine Platzwunde", beruhigt er sie. „Komm."
Er nimmt sie an die Hand und zieht sie von dem Vorsprung runter, einen schmalen Weg entlang, kaum als Pfad erkennbar.