Irische Küsse - Michelle Willingham - E-Book

Irische Küsse E-Book

Michelle Willingham

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Beschreibung

Die tapfere Normannin Honora St. Leger kennt keine Niederlagen - bis sie in die leuchtenden Augen ihrer jüngeren Schwester blickt. Mit sinkendem Herzen erfährt sie: Katherine, züchtig und schön, wird Ewan MacEgan heiraten, das Leben an seiner Seite und die Nächte in seinen Armen verbringen ... Dabei sehnt sich doch Honora nach dem starken Kämpfer! Verzweifelt versucht sie, diese verbotene Sehnsucht zu bezwingen - vergeblich. Denn Ewan raubt ihr einen Kuss, so süß wie der irische Frühling, so heiß wie irisches Feuer. So als sei sie es, die er erwählt hat! Doch da ist seine Hochzeit mit ihrer Schwester bereits anberaumt ...

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IMPRESSUM

HISTORICAL erscheint alle zwei Monate im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag:

Brieffach 8500, 20350 Hamburg

Tel.: 040/347-25852

Fax: 040/347-25991

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Bettina Steinhage

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,

Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2009 by Michelle Willingham

Originaltitel: „Taming Her Irish Warrior“

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

in der Reihe: HISTORICAL

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B. V./S.àr.l.

Übersetzung: Traudi Perlinger

Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL

Band 278 (1) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-86349-466-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

HISTORICAL-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Aus Liebe zur Umwelt: Für CORA-Romanhefte wird ausschließlich 100 % umweltfreundliches Papier mit einem hohen Anteil Altpapier verwendet.

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY,

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www.cora.de

Michelle Willingham

Irische Küsse

1. KAPITEL

England 1180

Ein leises Knarren im Holz, das weniger geschulte Ohren gar nicht bemerkt hätten. Aber Honora St. Leger hatte ihre Sinne geschärft, um auch dieses winzige Geräusch wahrzunehmen, das ihr die Anwesenheit eines anderen Menschen verriet.

Er war hier. Der Dieb, auf den sie gewartet hatte, um ihn auf frischer Tat zu ertappen.

Ihre Knie schmerzten auf den kalten Steinplatten der Kapelle. Sie gab vor, ins Gebet versunken zu sein, dabei rutschte sie unmerklich näher zum Altar und dem Schwert, das sie dort verborgen hatte.

Vor einer Woche war ein Kruzifix aus der Kapelle verschwunden. Und seit letzter Nacht fehlte der Abendmahlbecher. Die Soldaten ihres Vaters hatten nichts gefunden, keine Spur von dem Langfinger.

Ihre feinen Nackenhärchen sträubten sich, jede Faser ihres Körpers war angespannt, das Blut rauschte ihr in den Ohren. Noch näher war sie der Stätte des Herrn gekommen. Ihre Atemzüge wurden ruhiger, während sie sich innerlich auf einen Kampf gefasst machte.

Sie griff unter das Altartuch und fand den kühlen Metallgriff des Schwertes. In diesem Moment brachte ein plötzlicher Luftzug die Kerzen zum Erlöschen.

Honora schnellte hoch und ging in Angriffstellung. Leise Schritte verrieten die Gegenwart eines Fremden. Die Dunkelheit schützte aber nicht nur sie, sondern auch den anderen. Sie war auf ihre Instinkte angewiesen, da sie ihren Gegner nicht sehen konnte. Aber auch der vermochte ihre Gegenwart allerdings nur zu vermuten.

Der Rhythmus der Schritte veränderte sich. Die Angst ließ sie fast erstarren. Heiliger Herr Jesus, es waren zwei.

Eine Bewegung hinter ihrem Rücken ließ sie mit gezücktem Schwert herumfahren. Ihre Klinge klirrte gegen Stahl, der Unbekannte parierte ihren Hieb mit einer solchen Wucht, dass ihr der Arm regelrecht hochgerissen wurde.

Der Eindringling besaß ein Schwert, also handelte es sich nicht um einen gewöhnlichen Schuft, sondern um einen geübten Kämpfer. Ihr Herzschlag raste, ihre Furcht wuchs. Sie hatte zwar volles Vertrauen in ihr Kampfgeschick, aber in völliger Finsternis blind um sich zu schlagen, erhöhte die Gefahr, der sie ausgesetzt war, beträchtlich.

Und es befand sich immer noch eine dritte Person in der Kapelle, die sie nicht sehen konnte. Die Schritte des Angreifers wurden nun schneller, leichter, obgleich sie nicht sagen konnte, ob sie sich ihr näherten oder von ihr entfernten.

Sie schwang die Klinge erneut, traf etwas – und wurde mit einem zischenden Schmerzenslaut belohnt. „Wer seid Ihr?“, fragte sie fordernd. „Was wollt Ihr?“ Schweigen.

Sie hob das Schwert ein weiteres Mal zum Schlag aus – und verfehlte den Verbrecher. Angestrengt horchte sie, während sie die Klinge in Schulterhöhe hielt. Nichts, nur der kühle Luftzug von der offenen Tür her. Kein Schritt, kein Atemzug durchdrang die Stille. Beide Gestalten waren auf einmal verschwunden.

Wieso?

Oder hatte etwa einer den anderen in die Flucht geschlagen? Wie ein unsichtbarer Beschützer?

Honora furchte die Stirn und sank wieder auf die Knie. Das Heft des Schwertes lag in ihrer erhitzten Hand, ihr Herz pulsierte vor Energie. Es war erst ein halbes Jahr vergangen, seit sie aus Ceredys, der Burg ihres Gemahls, geflohen und in die Festung ihres Vaters zurückgekehrt war. Hier, in Ardennes, hatte sie geglaubt, sicher zu sein. Nun begann sie daran zu zweifeln.

Es war beängstigend, dass dieser Strauchdieb es gewagt hatte, erneut in Erscheinung zu treten, als würde er etwas Bestimmtes suchen. Nur was konnte das sein?

Honora überlegte, ob sie in ihre Kammer zurückkehren sollte. Aber ihre Schwester Katherine schlief noch, und keinesfalls wollte sie die in Gefahr bringen, falls die Angreifer sie verfolgten.

Sie zündete die Kerzen am Ewigen Licht wieder an, versuchte sich zu beruhigen und atmete den Duft von Kerzenwachs und kaltem Weihrauch ein.

Mit dem Schwert in der Hand kauerte sie sich auf die Steinplatten und lehnte den Rücken gegen die Mauer. Die Kälte kroch ihren Körper hinauf, und sie zog die Knie an und steckte die Füße unter die Röcke.

Erst in diesem Augenblick bemerkte sie die fehlende Schatulle, die sie aus Ceredys mitgebracht hatte, ein Geschenk ihrer Schwiegermutter Marie St. Leger.

Sie war gestohlen worden.

Wütend starrte sie auf die leere Stelle, wo sie noch vor Kurzem gestanden hatte. Sie sprach ein stummes Gebet für Maries Seele und schwor sich, den Gauner zur Strecke zu bringen.

„Sie wird dich nicht heiraten.“

Ewan MacEgan legte die Hand an die Augen, um gegen die grelle Sonne geschützt zu sein, die langsam hinter den Hügeln versank. Die Äußerung seines Bruders überraschte ihn nicht. Er war der jüngste Sohn und besaß nur ein winziges Stück Land. Mit welchem Recht glaubte er, um die Hand einer reichen Erbin anhalten zu können?

Aber Lady Katherine of Ardennes war die Frau, die er verehrte, seit er noch ein halbes Kind war. Während andere sich über seine Unbeholfenheit lustig machten, hatte sie gelächelt und ihm versichert: „Eines Tages besiegt Ihr sie alle.“

Schon damals hatte ihm Lady Katherines sanftes Wesen Zuversicht gegeben. Nun war sie erwachsen, eine Lady, um deren Gunst sich zahllose Ritter bewarben. Und Ewan hatte sich vorgenommen, sie zu umwerben und zur Braut zu nehmen.

„Ich kenne sie, seit wir Kinder waren“, erklärte Ewan seinem Bruder.

Bevan lenkte sein Pferd zum Fluss und ließ es trinken. „Das liegt fünf Jahre zurück. Ihr Vater will sie mit einem reichen normannischen Adeligen verheiraten, nicht mit einem mittellosen Iren.“

„Ich bringe es zu Reichtum, verlass dich drauf“, entgegnete Ewan eigensinnig. „Ich werde ihr die schönste Burg errichten lassen, die sie sich nur wünschen kann.“ Er sprach zwar im Brustton der Überzeugung, doch auch er hatte seine Zweifel, ob Lord Ardennes ihn als Bewerber um Katherines Hand überhaupt in Erwägung ziehen würde. Das Einzige, was er zu seinen Gunsten anführen konnte, war seine königliche Abstammung, da sein ältester Bruder Patrick König jener Provinz in Éireann war, in der auch er lebte.

Bevan tätschelte den Hals seines Pferdes. „Wir können dir helfen. Nimm das Land, das Patrick dir angeboten hat.“

„Ich nehme nichts, was ich mir nicht selbst erworben habe. Ich erobere mir mein eigenes Land.“ Er wollte kein Schmarotzer sein, der sich durch den Wohlstand seiner Angehörigen mehr aneignen konnte, als ihm zustand.

„Das lässt dein Stolz wohl nicht zu, wie?“ Die Narbe an Bevans Wange trat hervor. „Aber er wird dir wenig nützen. Die Familie der jungen Lady besitzt Reichtümer, von denen du nicht einmal träumst. Sie wird einen der mächtigsten Edelleute heiraten, den dieses Land hervorgebracht hat. Du hast nicht die geringste Chance.“

Ewan weigerte sich, seinem Bruder zu glauben. „Ich will mein Glück versuchen.“ Er straffte die Schultern und richtete den Blick in die Ferne. Danach drückte er seinem Wallach die Sporen in die Flanken, brachte ihn in eine schnellere Gangart und gab vor, das Mitleid, das sich in Bevans Gesicht spiegelte, nicht gesehen zu haben.

„Es gibt andere Frauen, die besser für dich geeignet wären“, fuhr Bevan in milderem Tonfall fort, als er seinen Bruder eingeholt hatte. „Eine Frau aus Éireann. Es ist doch nicht nötig, dass du hier unter Fremden in einem feindlichen Land lebst. Heirate eine irische cailín.“

Gib diesen Wunschtraum auf, das hatte ihm Bevan damit zu verstehen geben wollen, und greif nicht nach den Sternen.

Genau diesen Rat hatten ihm seine Brüder schon damals gegeben, als er den Wunsch geäußert hatte, Krieger zu werden. Allerdings verfügte er nicht über die naturgegebenen Talente, die Patrick oder Bevan eigen waren. Obwohl er sich bis zur völligen Erschöpfung während seiner Ausbildung an allen Waffengattungen verausgabt hatte, beruhten seine Fähigkeiten allein auf Muskelkraft, nicht auf Raffinesse und listenreicher Taktik. Trotz aller Niederlagen und Fehlschläge hatte er seine Schwächen überwunden und es bis zu dem Mann gebracht, der er heute war.

Den Rest des Weges ritten die Brüder schweigend nebeneinander her. Die Landschaft war Ewan vertraut. Fruchtbares Land mit saftigen Wiesen zog sich bis zu den Hügelketten in der Ferne hin. In den letzten fünf Jahren hatte sich nichts daran verändert.

Unvermittelt wurde ihm bewusst, wie glücklich und zufrieden er hier einst war. Für die meisten seiner Landsleute waren die Normannen immer noch feindliche Eindringlinge, während Ewan das nie so gesehen hatte. Nachdem Bevans Gemahlin Genevieve sich für ihn verwendet und ihren Vater Thomas de Renalt, Earl of Longford, gebeten hatte, den Knaben in Pflegschaft zu nehmen, lebte Ewan drei Jahre auf dessen Burg und lernte bei den Normannen schließlich zu kämpfen.

Ein leichtes Unbehagen befiel ihn, als er sich die Narben an seinen Händen betrachtete. Die Wunden waren zwar längst verheilt, aber seine Finger waren etwas steif geblieben. Ein Schwert zu halten erforderte seine ganze Konzentration, und er war gezwungen, die Unbeweglichkeit durch Kraftaufwand auszugleichen.

Aber die Narben waren gerechtfertigt für das, was er Bevan angetan hatte. Er warf seinem älteren Bruder einen Seitenblick zu und wünschte, er hätte ihn damals nicht verraten. Bevan hatte ihm zwar vergeben, aber Ewan hatte immer noch das Gefühl, seine Großmut nicht zu verdienen.

Vor ihnen lag die Burg von Baron of Ardennes. Die Festung war aus Stein erbaut, und die äußere Burgmauer erreichte etwa die Höhe zweier Männer. Der Donjon, der Wehrturm, war mit steinernen Burgzinnen versehen und von flachen Holzbauten umgeben. Ewan hatte damals nicht in der Festung gewohnt, doch hatte er die Burg häufig mit seinem Pflegevater besucht, dessen Besitz an Ardennes grenzte.

Ihm wurde etwas unbehaglich zumute, als sie sich der Zugbrücke und dem Burgtor näherten, und er fragte sich, ob Katherine sich noch an ihn erinnerte.

Oder Honora.

Er fasste die Zügel straffer. Während seiner Aufenthalte hatte Honora ihn bei drei Gelegenheiten beinahe umgebracht. Versehentlich, wie sie behauptete. Es war Frauen verboten, sich an Waffen zu üben, was sie aber nicht davon abgehalten hatte, es dennoch zu tun. Sie wollte von ihm lernen, mit dem Schwert zu fechten. Sie gab nicht auf, ihn darum zu fragen, und schließlich hatte er sich widerstrebend anerboten, ihr Unterricht zu erteilen.

Mittlerweile war sie verheiratet, dies war ihm jedenfalls zu Ohren gekommen. Hoffentlich mit einem Ehemann, der ihr ungestümes Wesen zu zähmen wusste. Er hatte nie wieder danach eine Frau getroffen, die so darauf versessen war, eine Klinge zu führen. Obgleich er ihr tunlichst aus dem Weg gegangen war, hatte Honora ihn auf Schritt und Tritt verfolgt.

Wäre ihre Schwester nur ebenso anhänglich gewesen.

Trotz aller Widrigkeiten und aller Bewerber, die um ihre Gunst buhlen sollten, hatte er den festen Vorsatz, Katherine für sich zu gewinnen – koste es, was es wolle. Frohe Erwartung stieg in ihm auf, denn bald würde er ihr Herz erobern.

Der Dieb musste sich unter der Schar der Verehrer aufhalten, die sich um die Geneigtheit ihrer Schwester bemühten, davon war Honora überzeugt. Bei so vielen Fremden auf der Burg konnte ein Langfinger sich unauffällig bewegen.

Sie wartete lange Zeit, bis die Dunkelheit die Burg einhüllte. Im Schutz der Nacht schlich sie lautlos an den Wachen vorbei, die sich die Zeit mit einem Würfelspiel vertrieben.

Finde die Schatulle, und du findest den Dieb – so einfach war das. Sie hatte bereits die Große Halle durchsucht, ohne eine Spur bei den einfachen Rittern und Gefolgsleuten zu entdecken. Blieben nur noch die Schlafkammern der Gäste adliger Herkunft.

Geräuschlos betrat sie die erste Kammer und durchsuchte das Gepäck ihrer Bewohner, ohne auf die Schatulle gestoßen zu sein. Im Schatten der Mauer schlich sie zur nächsten Kammer. In einiger Entfernung stand ein Wächter neben den Steinstufen.

Mit angehaltenem Atem betete Honora, er möge sie nicht erkennen. Ihr Vater würde sie töten, wenn er wüsste, was sie vorhatte.

Lautlos öffnete sie die nächste Tür und horchte. In dem Gemach war es finster und still. Sie schlich zu einem Bündel, das aber nicht das gestohlene Gut enthielt. Angestrengt spähte sie nun in die Dunkelheit, um ihre Suche fortzusetzen.

Plötzlich wurde sie von hinten gepackt. Eine schwere Hand legte sich über ihren Mund, ein Arm umfing ihre Taille und wirbelte sie herum. Sie wehrte sich verbissen, schlug mit den Füßen gegen seine Beine, doch der Angreifer hob sie mühelos hoch und drückte ihren Rücken gegen die Wand. Ein Streifen Mondlicht stahl sich durch Wolkenfetzen und beleuchtete sein Gesicht.

Sie erstarrte beim Anblick von Ewan MacEgan. Beim Heiligen Kreuz, sie hatte geglaubt, ihm nie wieder zu begegnen. Was hatte er hier zu suchen?

Sein nackter Oberkörper glänzte silbern im Mondlicht, sein muskelbepackter Brustkorb hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Honoras Herz klopfte, trotz der warmen Sommernacht fröstelte sie.

„Suchst du etwas?“, fragte er vorwurfsvoll, ohne sie loszulassen. Er schien ihr Gewicht gar nicht zu bemerken.

Als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war Ewan ein schlaksiger, hoch aufgeschossener Jüngling, zudem ein etwas linkischer Kämpfer, allerdings vom Ehrgeiz beseelt, keinesfalls eine Niederlage einstecken zu wollen. Er hatte Tag und Nacht daran gearbeitet, sich zu stählen und abzuhärten.

Aus dem Jüngling war ein Mann geworden. Ein gut aussehender Mann. Sein dunkelblondes, kurz geschorenes Haar unterstrich sein markantes Gesicht und die ausgeprägte Kinnpartie. Ein mächtiger Brustkorb verjüngte sich zu schmalen Hüften. Seine Bauchdecke war flach, und …

Allmächtiger im Himmel. Er war nackt.

Zu keinem klaren Gedanken fähig, konnte sie den Blick nicht von seinen Lenden abwenden. Ihr Ehemann war im Vergleich zu ihm ein schmächtiges Kerlchen gewesen. Ewan sah aus wie ein heidnischer Kelte. Von ihm ging eine Wildheit aus, die sie beklommen machte.

Langsam stellte er sie auf die Füße, dabei war sie immer noch gegen die Wand gelehnt. Ihre Handgelenke ließ er nicht los, und sie selbst hatte völlig vergessen, sich zu wehren. Seine Nähe wirkte lähmend auf sie. Schließlich gab er eine Hand von ihr frei und riss ihr die Kapuze vom Kopf.

„Du bist eine Frau.“

Sie konnte immer noch nicht klar genug überlegen, um zu antworten.

„Wer bist du?“, fragte er barsch.

Ihre Zunge wollte ihr nicht gehorchen. Erinnerte er sich nicht an sie? Nach all den Jahren, in denen sie sich erniedrigt hatte, ihm hinterhergelaufen war und versucht hatte, ihn im Schwertkampf zu besiegen? Allerdings verbarg die Dunkelheit ihre Gesichtszüge, er konnte sie nicht genau sehen.

„Katherine?“, fragte er zaghaft.

Wut stieg in ihr auf. Nein, sie war nicht ihre schöne heilige Schwester. Das hätte er sich allerdings nach ihrem verbotenen Eindringen denken können. Ihre Schwester würde nicht im Traum auf die Idee kommen, sich nachts in eine fremde Kammer zu schleichen, ganz zu schweigen davon, einen Dieb zu verfolgen.

Bevor sie widersprechen konnte, legte er seinen Mund auf ihre Lippen. Eine erschreckende Empfindung durchströmte sie. Sie vergaß, wonach sie suchte, vergaß, was ihr geschah. Die Welt um sie herum stürzte ein, es gab nichts mehr, nur diesen Kuss.

Sie war wie betäubt, ihre Lippen blieben verschlossen. Sanft und zärtlich spürte sie seine Hände in ihrem Haar. Seine kraftvollen Schenkel pressten sich gegen sie, seine Erregung führte ihr vor Augen, wie unklug es war, einen schlafenden Mann zu wecken.

Er streichelte ihre Hüften, schob die Finger unter das Männerwams, das sie trug. Ein süßer Wonneschauer durchrieselte sie, während seine Hände sie liebkosten, als strichen sie über kostbare Seide. Die Berührung seiner schwieligen Handflächen erregte sie, und ein pochendes Sehnen keimte zwischen ihren Schenkeln.

Sie erbebte unter dieser unbekannten Empfindung. Seine rauen Hände streichelten ihren Rücken, und sie wünschte, er würde sie um ihre Brüste wölben, um ihr Sehnen zu stillen.

Nie zuvor hatte ein Mann sie so berührt, schon gar nicht ihr Gemahl.

Die Erinnerung an ihn ließ den beseligenden Moment platzen wie eine Seifenblase. Sie stieß Ewan von sich, ihre Lippen prickelten, ihr Inneres war in wildem Aufruhr. „Ich bin nicht Katherine.“

„Honora?“

Sie nickte, unfähig, ein weiteres Wort hervorzubringen. Benommen tastete sie nach ihrem Dolch, doch fand sie ihn nicht.

Ewan hob die Klinge, der Stahl blitzte im Mondlicht auf. „Suchst du das?“

„Ich bin nicht gekommen, um dir etwas anzutun.“

„Nein. Nur, um mich auszurauben.“

„Ich wusste nicht einmal, dass du hier bist“, verteidigte sie sich. „Ich bin auf der Suche nach …“ Beinahe wäre ihr das Wort Dieb entschlüpft. Denn allem Anschein nach war Ewan der Gauner, jedenfalls war es nicht auszuschließen.

„Suchst du deinen Ehemann?“, fragte er argwöhnisch, aber auch anklagend, als sei sie ein kleines Mädchen, das dabei ertappt wurde, Süßigkeiten zu stehlen.

„Mein Ehemann ist tot.“ Sie entriss ihm ihre Hand und streckte sie nach der Waffe aus. „Gib mir meinen Dolch zurück!“

„Nein.“ Ewan hob die Klinge hoch über seinen Kopf, und Honora sprang ihn an, um sie ihm zu entreißen. Nicht auf ihren Angriff gefasst, taumelte Ewan nach hinten und ging zu Boden. Sie stürzte sich auf ihn, doch bevor sie nach der Waffe greifen konnte, rollte er sich über sie und begrub sie unter sich.

Hilflos gefangen, spürte sie sein Gewicht auf sich. Und das gefährliche Funkeln in seinen Augen machte ihr klar, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen hatte.

„Ich bin nicht mehr der Junge von früher, Honora.“ Er hielt sie unter sich gefangen und warf den Dolch außer Reichweite. „Du besiegst mich nicht im Kampf. Nicht mehr.“

Hitze stieg ihr in die Wangen. Offenbar hatte er nicht vergessen, dass sie ihn früher überwältigt hatte. Mehr als einmal hatte sie ihn entwaffnet, ihr Geschick war größer als das seine gewesen. Aber diese Zeiten waren wohl vorbei.

„Lass mich aufstehen.“ Sie versuchte sich aufzurichten, während Ewan von ihr abließ und sich neben sie setzte, ohne sich um seine Nacktheit zu kümmern.

Honora bemühte sich, ihre Kleidung zu ordnen und ihre Fassung wiederzufinden. „Warum bist du hier?“

„Ich werde deine Schwester heiraten.“

Sie verzichtete auf eine spitze Bemerkung, dass er nur einer von vielen Bewerbern war. Ihr Vater hatte die Verlobung noch nicht verkündet, das würde erst geschehen, nachdem er jeden einzelnen Kandidaten genau geprüft hatte.

„Tut mir leid, weil ich dich geküsst habe“, fuhr Ewan fort. „Ich hatte dich mit Katherine verwechselt.“

Seine Entschuldigung entfachte ihren Zorn erneut. Sie wusste, dass sie längst nicht so hübsch war wie ihre Schwester. Allerdings wollte sie nicht auch noch darauf hingewiesen werden. „Katherine würde niemals die Schlafkammer eines Fremden betreten.“

„Im Gegensatz zu dir.“ In seiner Stimme schwang ein scherzhafter Unterton mit, auf den sie nicht einging. Im Gegenteil, sie fühlte sich gekränkt und bereute ihre Waghalsigkeit.

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Honora sprang auf die Füße. Gütiger Himmel. Ein weiterer MacEgan starrte sie an.

„Störe ich etwa?“ Ewan geriet unter dem fragenden Blick seines Bruders keineswegs in Verlegenheit, als dieser ihn nackt neben einer Frau sitzen sah.

„Honora wollte gerade gehen.“ Ewan wies zur Tür, und sie nahm die Aufforderung dankbar an. Sie dachte nicht einmal daran, ihren Dolch an sich zu nehmen, so froh war sie, den Brüdern entfliehen zu können.

Bevan MacEgan schloss die Tür hinter Honora und stellte die brennende Pechfackel in den eisernen Wandhalter. Ewan war dabei der forschende Blick seines Bruders nicht entgangen. „Sie hatte sich in der Tür geirrt“, lautete seine knappe Erklärung.

Bevan glaubte ihm nicht und wartete auf nähere Einzelheiten, wozu Ewan allerdings nicht bereit war. Honoras Eindringen hatte ihn aus dem Tiefschlaf gerissen, mit dem nächtlichen Besuch einer Frau hatte er nicht gerechnet.

Sein Unbehagen wuchs, denn er hatte sie in einer spontanen Aufwallung geküsst. Zunächst hatte er geglaubt, Katherine sei zu ihm gekommen. Wie dumm von ihm. Katherine war scheu und zurückhaltend, ganz das Gegenteil ihrer dreisten Schwester.

Honora. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und dachte an den Kuss, den er ihr gestohlen hatte, dessen Geschmack noch an ihm haftete. Süß und frisch, so gar nicht zu dem eigensinnigen Mädchen passend, das ihn vor so vielen Jahren belästigt hatte.

„Ihr Vater wird nicht erbaut darüber sein“, fing Bevan wieder an. „Ich habe heute Nacht ein halbes Fass Bier mit ihm getrunken und mich für dich verwendet.“ Er verzog das Gesicht wegen der späten Zeit und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sorge dafür, dass er nichts davon erfährt. Ich bezweifle, dass er dir seine jüngste Tochter zur Frau gibt, wenn du gleichzeitig mit ihrer Schwester herumtändelst.“

„Honora hat mich aus dem Tiefschlaf geweckt“, knurrte Ewan, legte sich auf seinen Strohsack und warf die Wolldecke über sich. „Es war nicht meine Schuld.“

„Was wollte sie?“

„Sie suchte jemand“, meinte er achselzuckend, als habe es keine Bedeutung. Wenn er jetzt darüber nachdachte, würde er sich fragen, wen sie gesucht haben mochte. Das aber wollte er nicht. „Was hat ihr Vater sonst noch gesagt?“

„Er will deine Bewerbung in Betracht ziehen. Auch Thomas de Renalt hat sich günstig über dich geäußert und scheint die Verbindung zu befürworten.“

Bei der Erwähnung seines Pflegevaters wich Ewans innere Anspannung ein wenig. „Gut.“

Er richtete den Blick zu den Deckenbalken, während Bevan sich auf seiner Pritsche ausstreckte. Die Flamme der Fackel warf unruhige Schatten an die Mauer. Nur das leise Schnarchen anderer Gäste in den angrenzenden Kammern war zu hören. In der Ferne bellte ein Hund, ansonsten war Stille in der Burg eingekehrt.

Honoras Haar war kurz, es reichte ihr kaum bis zu den Ohren. Eine zerzauste Mähne, die sich unerwartet seidig angefühlt hatte. Früher hatte er sie nur mit einem Schleier gesehen. Er dachte an den Kuss und daran, wie er die Hände in ihre weiche Fülle gewühlt hatte.

Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, ihre Haut weiß wie Milch. Volle Lippen hatten seinen Kuss erwidert, hatten nach Apfel geschmeckt, saftig und süß. Ihre Arme waren nicht nachgiebig wie die anderer Frauen, sondern sehnig und kraftvoll. Wie oft hatte sie versucht ihn im Kampf zu bezwingen, als sie eine Zeit lang gemeinsam bei den Pflegeeltern aufwuchsen? Und sie hatte ihn häufiger besiegt, als ihm lieb war.

Diese Zeiten waren vorbei.

Er drehte sich auf dem Strohsack um, zog die Decke über die Ohren und versuchte an Katherine zu denken, als der Schlaf ihn übermannte. Trotzdem konnte er Honoras Kuss nicht vergessen.

2. KAPITEL

„Man hat dich gesehen, wie du gestern Nacht aus der Schlafkammer der MacEgan-Brüder gekommen bist.“ Nicholas de Montford, Baron of Ardennes, stellte seinen Becher ungehalten auf den Tisch seines Gemachs und verschränkte die Hände. Seine goldenen Ringe blitzten in der Morgensonne.

Honoras Wangen glühten, während sie nach einer Ausrede suchte. „Es war ein Versehen. Ich suchte nur etwas …“

„Deine Kammer liegt auf der anderen Seite des Wehrturms. Spar dir deine Ausreden.“

Ertappt. Ihr Vater war kein Narr. Er musterte sie mit strenger Miene, als wäge er eine Entscheidung ab. Sie faltete die Hände im Schoß und wartete, bis er fortfuhr. Als er schwieg, wuchs ihre Unruhe. Hatte er vor sie zu bestrafen? Was wollte er?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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