Irischer Wind - Mary Ryan - E-Book

Irischer Wind E-Book

Mary Ryan

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein jahrhundertealtes Haus an Irlands Küste, das ein dunkles Geheimnis birgt … Irland, 1919: Als Jenny Stephenson in den verstaubten Truhen ihres Großvaters eine venezianische Maske entdeckt, öffnet sie ein Tor in die Vergangenheit: Düstere Kanäle, barocke Palazzi – und ein Mann, dessen Blick eine dunkle Faszination in ihr weckt… Doch was ist Realität, was bloße Fantasie? Niemand glaubt dem jungen Mädchen, bis die Maske spurlos verschwindet. Jahre später, in England und gefangen in einer trostlosen Verlobung, spürt Jenny die unheimliche Anziehungskraft des Fremden stärker denn je. Sie beschließt, dem Rätsel der Maske endlich auf den Grund zu gehen. Bei ihrer Suche lernt sie den irischen Soldaten Theo O'Reilly kennen, der ihr merkwürdig vertraut ist … Kann er Jenny helfen, das Mysterium der Maske zu lösen? In Irland, wo die Vergangenheit nie ganz stirbt, wartet die Antwort … Das Schicksal zweier Seelen, für immer miteinander verbunden – ein fesselnder Zeitreiseroman in Irland für Fans von Jeanine Krock und Tricia O'Malley.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 619

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Über dieses Buch:

Irland, 1919: Als Jenny Stephenson in den verstaubten Truhen ihres Großvaters eine venezianische Maske entdeckt, öffnet sie ein Tor in die Vergangenheit: Düstere Kanäle, barocke Palazzi – und ein Mann, dessen Blick eine dunkle Faszination in ihr weckt… Doch was ist Realität, was bloße Fantasie? Niemand glaubt dem jungen Mädchen, bis die Maske spurlos verschwindet. Jahre später, in England und gefangen in einer trostlosen Verlobung, spürt Jenny die unheimliche Anziehungskraft des Fremden stärker denn je. Sie beschließt, dem Rätsel der Maske endlich auf den Grund zu gehen. Bei ihrer Suche lernt sie den irischen Soldaten Theo O'Reilly kennen, der ihr merkwürdig vertraut ist … Kann er Jenny helfen, das Mysterium der Maske zu lösen? In Irland, wo die Vergangenheit nie ganz stirbt, wartet die Antwort …

Über die Autorin:

Die irische Autorin Mary Ryan begann ihre berufliche Laufbahn als Lehrerin in England, bevor sie nach Dublin zurückkehrte, um Jura zu studieren. Sie arbeitete in einer Anwaltskanzlei, bevor sie den Entschluss fasste, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Ihr erster Roman »Ein sanftes Flüstern im Wind« erreichte ein breites Publikum und verkaufte sich über 300.000 Mal. Seitdem widmet sie sich mit Begeisterung dem Schreiben neuer Geschichten.

Mary Ryan veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Irland-Romane »Ein sanftes Flüstern im Wind«, »Irisches Glück«, »Träume in der Ferne«, »Irischer Wind«, »Das Geheimnis von Glenallen«, »Ein irischer Sommer«, »Das Schloss an der irischen Küste«, »Zwei irische Herzen« sowie ihren Tatsachenroman »Drei irische Frauen« und ihren Italien-Roman »Wiedersehen in Florenz«.

***

eBook-Neuausgabe Mai 2025

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »Mask of the Night« bei Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1995 unter dem Titel »Schattentanz« im Schneekluth Verlag.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1994 by Mary Ryan

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1995 für die deutschsprachige Ausgabe

by Franz Schneekluth Verlag, München

Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-955-7

***

dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Mary Ryan

Irischer Wind

Irland-Roman

Aus dem Englischen von Sonja Schuhmacher und Christine Strüh

dotbooks.

Widmung

Motto

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

Dank

Lesetipps

Widmung

Für meine Schwestern

Eileen und Anne

Motto

»Du weißt

die Nacht verschleiert mein Gesicht ...«

William Shakespeare

Romeo und Julia

Prolog

Hotel della Principessa,

Venedig

2. Juli 1914

Mein lieber alter Junge,

ich schreibe dir im Bett sitzend – einem wahrhaft riesigen Bett – in einem Palazzo mit Blick auf eine belebte Wasserstraße. Das Gebäude vereint orientalische und mediterrane Stilelemente und ist auf einem wasserumspülten Fundament aus Eichenpfeilern errichtet. Auf dem Fensterbrett stehen Geranien, durch die Läden fällt Licht auf den Mosaikfußboden. Draußen schwappt das Wasser über die Stufen; schwarze Gondeln liegen dort und warten, schwarzen Schwänen gleich. Der Duft von Kräutern und Gewürzen erfüllt die Luft. Klingt das nicht, als weilte ich in einem kleinen Paradies, und nicht in einem Stadthotel an der Adriaküste?

Wir sind vor zwei Wochen eingetroffen. Norditalien ist ein Land der Gegensätze: spiegelglatte Seen, majestätische, schneegekrönte Berge – so ganz anders als die nebligen Hügel und Wiesen der Heimat. In Como hielten wir uns drei Tage auf. Von dort ging es weiter nach Mailand, anschließend in die alten Städte Verona und Padua, jetzt Venedig. Als Nächstes reisen wir nach Florenz, dann nach Rom. Ich würde dir gerne die ganze Reise schildern, aber es gibt so viel zu erzählen, dass es bis zum nächsten Brief warten muss. Als Reisegefährten haben wir einen Landsmann gewonnen, Monsignore Dillon aus Limerick, derzeit im Dienste des Heiligen Stuhls. In Venedig besucht er ein Haus, das seinem Orden gehört, und einige Freunde, eine Familie di Robenico. Sie entstammen einem alten Kaufmannsgeschlecht und besitzen an der Rio San Bernardo ein großes Haus, wo wir als Freunde des Monsignore kürzlich, nach einer Gondelfahrt, stilvoll dinierten. Der Monsignore wird uns auch nach Rom begleiten; das trifft sich gut, da er die Landessprache fließend spricht und mit Italienern von Rang bekannt ist. Ich will nicht verschweigen, dass deine Mutter über diese Aussicht nicht entzückt ist, doch ich habe betont, dass die Vorteile bei weitem die Nachteile überwiegen. Sie hält sich außerordentlich gut angesichts der Anstrengungen unserer Reisen; ihre Begeisterung und Energie scheint keine Grenze zu kennen. Ich für meinen Teil hüte heute das Bett; nichts Ernstes, ein leichtes Fieber, wahrscheinlich auf Erschöpfung zurückzuführen, doch auf diese Weise habe ich die Muße, zur Feder zu greifen. Ich weiß, dass ich dich in letzter Zeit vernachlässigt habe, und ich muss dir unbedingt etwas erzählen.

Als ich im Gespräch mit dem Monsignore anmerkte, in dieser außergewöhnlichen Stadt spüre man den Atem des Mittelalters, weihte er mich ein wenig in die verborgene Geschichte Venedigs ein und ließ durchblicken, dass er mit dem gottlosen Treiben des siebzehnten Jahrhunderts aufs Beste bekannt sei. Er machte viel Aufhebens davon und dabei ein Gesicht wie einer, der nicht alles preisgibt, was er weiß. Dann sprach er von Venedigs einstiger Stellung als freier Stadt, um schließlich mit gesenkter Stimme von einem Inquisitor zu berichten, der vor feiten hier gewirkt habe; dieser Diener der Kirche soll seiner Religion abgeschworen und sich der Magie und okkulten Praktiken zugewandt haben. Dieser angeblich große Magier schuf oder entdeckte ein merkwürdiges Artefakt, das zum Brennpunkt seiner Macht wurde.

Weiter heißt es, der abtrünnige Priester habe seine Seele für dieses Artefakt verkauft, das nun von bestimmten Würdenträgern der Stadt verzweifelt gesucht wird. Es wurde bis in die Gegenwart verborgen gehalten, um schlief lieh auf mysteriöse Weise zu verschwinden; offenbar wurde es von Unbekannten gestohlen. So zumindest lautet die Darstellung des Monsignore. Er erzählte uns diese Geschichte bei Tisch im Speisesaal der di Robenicos, einem prachtvollen Raum mit Mosaiken und Gemälden an den Wänden.

Meine Umgebung interessierte mich viel mehr als die weitschweifende Erzählung meines Nachbarn, und ich vermutete, dass seine Redseligkeit auf das Zusammentreffen des edlen Antinori, dem er reichlich zusprach, mit der ausufernden irischen Fantasie zurückzuführen war; dennoch hörte ich ihm geduldig zu. Dann spitzte unser Gastgeber, ein vornehmer Herr mittleren Alters, die Ohren; meine Neugierde wurde geweckt, als er versuchte, die Vertraulichkeiten des Monsignore zu beenden, indem er das Thema wechselte. Ich beobachtete di Robenico aufmerksam, denn es erstaunte mich ein wenig, dass ihn die Erzählung des Prälaten, der offensichtlich nicht mehr nüchtern war, so beunruhigte.

Signore di Robenico spricht sehr gut englisch; er fragte mich, was ich von der Stadt gesehen hätte. Dann kam er auf Dublin zu sprechen, das er in seiner Jugend einmal besucht hatte. Zu deiner Mutter, die rechts von ihm saß, war er ganz reizend, und ich muss sagen, dass sie bezaubernd aussah. Di Robenicos Frau am anderen Ende der langen Tafel säuselte »Salvatore mio«, warf ihren Gästen ein strahlendes Lächeln zu und machte schließlich mit ihrem schweren Akzent irgendeine triviale Bemerkung, zeigte dabei jedoch so große Fröhlichkeit, dass alle lachten. Der Monsignore, der inzwischen womöglich noch betrunkener war, flüsterte mir auf dem Rückweg ins Hotel zu, um das Erbe des abtrünnigen Inquisitors habe sich ein Geheimbund gebildet. »Ich versickere Ihnen, diese Stadt hätte viel zu erzählen, wenn man Städten ein Geständnis abringen könnte ...«Im Halbdunkel nickte er etwas wacklig mit dem Kopf. »Sie suchen nach einem verlorenen Gegenstand ..., dem Brennpunkt der alten Macht. Vielleicht wird die Welt von großen Umwälzungen erfasst. Wenn unsere Heilige Mutter dieses diabolische Symbol in ihre Obhut nehmen könnte ...«

Deine Mutter drehte sich zu mir um, und ich spürte förmlich ihren Unmut. Schweigend glitten wir dahin, nur das Flüstern des Wassers war zu hören, bis wir beim Hotel abgesetzt wurden. Der Monsignore setzte die Fahrt zur Unterkunft seines Ordens fort, der an einem der Kanäle eine Kirche besitzt.

Als ich mir die Sache nachts noch einmal durch den Kopf gehen ließ, stellte ich fest, dass meine Neugierde aufs höchste angestachelt war. Ein abtrünniger Inquisitor – die Vorstellung war mir vollkommen neu; per Definitionem waren die Inquisitoren das Bollwerk der Kirche, die Hände, Augen und Ohren der Allerheiligsten Inquisition, und der Hammer, der alle traf – insbesondere Frauen –, die es wagten, vom rechten Wege abzuweichen. Am nächsten Tage sah ich den Monsignore nicht, zog aber, so gut 65 ging, diskrete Erkundigungen ein. Man antwortete mir jedoch stets ausweichend. Bei meinem nächsten Treffen mit dem Monsignore stellte ich ihn zur Rede, doch im kühlen Licht der Nüchternheit schien er unser Gespräch peinlich zu finden und bat mich, es nicht allzu ernst zu nehmen.

»Hat es denn wirklich einen abtrünnigen Inquisitor gegeben?«, wollte ich wissen, und schließlich gab er das wenigstens zu.

» Warum wandte er sich von der Kirche ab?«

Der Monsignore schaute mich an und verzog spöttisch den Mund. » Was glauben Sie wohl? Eine Frau hat ihn ins Verderben gestürzt!« Das Wort ›Frau‹ rollte er mit unendlicher Verachtung auf der Zunge, und ich war froh, dass deine Mutter es nicht hören musste.

Dennoch beharrte ich auf meinen Fragen. Von wo wurde das Artefakt gestohlen? Um was für einen Gegenstand handelte es sich überhaupt? Warum war die Angelegenheit so wichtig, dass Signore di Robenico bei ihrer Erwähnung solches Unbehagen zeigte? Er lief sich jedoch zu keiner weiteren Erklärung bewegen und bat mich, die Sache zu vergessen. Doch das erwies sich als unmöglich. Später, nachdem ich einige fruchtlose Nachforschungen angestellt hatte, fragte ich ihn, warum es keine Aufzeichnungen über diese Geschichte gebe.

»Die gibt es durchaus«, entgegnete er. »Ein Jesuitennovize, der sich ›ein Zeuge‹ nannte, hat eine Art Tagebuch geführt, das jedoch für Laien nicht zugänglich ist.« Und wieder warnte er mich, ich sollte mir die Sache aus dem Kopf schlagen. »Es ist nur eine Geschichte«, sagte er.

Die Tage verstrichen, und das allgemeine Bestreben nach Geheimhaltung faszinierte mich allmählich noch mehr als die Geschichte selbst, die ich für kaum mehr als eine Legende hielt. Seit langem hege ich die Überzeugung, dass unsere Insellage am Rande Europas den unbezwingbaren Drang der Iren zum Rätselhaften und Mysteriösen hervorgebracht hat. Deshalb waren meine Nachforschungen mehr als nur ein Privatvergnügen; sie waren eine unwiderstehliche Verlockung, eine ideale Ferienbeschäftigung, wenn ich so sagen darf.

Doch meine ›Spielerei‹ nahm letzten Mittwochabend eine unvorhersehbare Dimension an – es war eine glückliche Fügung, wie sie im Leben eines jeden einmal vorkommt, wenn auch vielleicht nicht in so beeindruckender Weise. Und nun kommt die Essenz dessen, was ich dir mitteilen will – also gib gut acht, und wenn du meine feilen gelesen hast, musst du den Brief unbedingt vernichten! Am Mittwochabend fand ich einen Ring. Er steckte an der Hand einer verwitterten Statue in einer Mauernische; es war unverkennbar, dass die Skulptur mehrere Jahrhunderte alt war. Wie der Ring an diese Steinhand gekommen ist, durch welchen Kunstgriff, welche List er dahin gelangte, bleibt ein Rätsel, denn die Finger waren gekrümmt und hielten ein steinernes Buch, das der Künstler mit großem Geschick an den Fingern befestigt hatte. Ich stieß zufällig auf die Figur, als ich zu später Stunde alleine über die dunklen Piazzettas wanderte, auf kleinen, gewölbten Brücken Kanäle überquerte, wo Gondeln unverhofft aus der Dunkelheit auftauchen und fast lautlos wieder in einem der düsteren Wasserwege dieser unheimlichsten aller Städte verschwinden.

Die Statue, von der ich spreche, stellte einen Mann in einer langen Robe dar, der eine Kappe (vielleicht einen Juristenhut) trug und ein Buch in der Hand hielt. Das Gesicht fesselte mich, der Ausdruck ungezügelter Macht, und noch mehr eine tiefe Verzweigung, die sich darunter verbarg und kunstvoll in die Züge eingearbeitet war. Vielleicht wurde meine Fantasie durch die Stille und die Dunkelheit beflügelt, doch beeindruckt vom Genie des Bildhauers streckte ich impulsiv die Hand nach der Statue aus. Du kannst dir vorstellen, wie verblüfft ich war, als fast der ganze Arm abbrach und krachend zu Boden fiel, die Hand jedoch nach wie vor das Buch umklammerte. Erst jetzt sah ich den Ring, denn die Hand war hinter dem Objekt verborgen, das sie hielt, so dass das Kleinod für Passanten unsichtbar blieb.

Ich schaute mich um, doch die Piazzetta, die sich weitab vom Canale Grande – dem Hauptverkehrsweg – befand, war menschenleer und nur schwach beleuchtet, die Ecken lagen im Dunkeln. Außer dem Plätschern eines kleinen Brunnens war kein Laut zu hören. Ich muss gestehen, dass mein Herz raste, als ich den abgebrochenen Arm aufhob und ihn nochmals fallen ließ, so dass die Hand barst und sich von dem steinernen Buch löste und ich den Ring mit erstaunlicher Leichtigkeit von dem abgetrennten Finger ziehen konnte.

Denke nicht schlecht von deinem Vater. Die Episode beunruhigt mich noch immer zutiefst.

Ich nahm den Ring mit ins Hotel, wobei ich mir fest vornahm, ihn am nächsten Morgen bei der Stadtverwaltung abzugeben. Ich reinigte ihn. Zweifelsfrei ist er aus reinem Gold. Das Siegel sieht merkwürdig aus. Mit einem Bleistift und einem Stück Papier stellte ich einen Reliefabdruck davon her und zeigte das Ergebnis Signore di Robenico, der am folgenden Tag mit seiner Frau bei uns Gast war. Er war verwundert (seine Frau rief aus »Che strano! Guarda, ehe meraviglioso!«) und stellte viele Fragen – die ich, da ich die Wahrheit keine falls preisgeben wollte, mit der vorgeblichen Unwissenheit des Touristen abwehrte.

Aus zwei Gründen habe ich beschlossen, den Ring zu behalten. Der erste ist das glühende Interesse Signore di Robenicos, das er erfolglos zu verbergen sucht. Der zweite ist, dass der Monsignore auf meine Frage, warum der Signore so fasziniert gewesen sei, mir mitteilte, es handle sich um das Symbol des Geheimbundes, den ich bereits erwähnte. Außerdem interessierte es ihn brennend, wo sich das Original zu meinem Reliefabdruck befände, doch ich sagte ihm, ich hätte ihn einem Impuls folgend nachts angefertigt, wüsste aber nicht mehr, wo. Stimmt das, was er sagt, könnte es mich jedoch zur Entdeckung des alten Artefakts führen, das jener Magier im siebzehnten Jahrhundert benutzte, um seine okkulten Kräfte zu konzentrieren. Wenn der Ring, den ich fand, ebenjenem Herrn gehört, wird mir vielleicht das Zufallsglück auch weiterhin hold sein. Es wäre wirklich amüsant, wenn jemand, der die Stadt nicht kennt, ein Tourist, etwas entdecken sollte, das von den Stadtvätern seit geraumer Zeit gesucht wird. Um die Wahrheit zu sagen, widerstrebt es mir zutiefst, so spät noch damit herauszurücken, da es ein schlechtes Licht auf mich werfen könnte. Selbst auf fremdem Boden muss man auf seine Stellung als Parlamentsabgeordneter Rücksicht nehmen.

Zudem stehe ich vor dem Problem, dass ich zwar am nächsten Tage versuchte, zu der Piazzetta zurückzukehren, und auch an den folgenden meine Suche fortsetzte, sie aber nicht mehr fand. Stundenlang durchstreifte ich die Stadt in der Hoffnung, ich könnte den Ring bei der zerborstenen Statue zurücklassen, um mein Gewissen zu entlasten und der Sache ein Ende zu machen. Doch ich fand den kleinen Platz mit der Mauernische, der Statue und dem Brunnen nicht mehr. Es ist, als wäre er vom Erdboden verschluckt. Ich kann nur schlussfolgern, dass er im Dunkel der Macht so anders aussah, dass ich ihn nicht wiedererkenne. Doch diese Stadt ist der reinste Irrgarten, und es ist kein Wunder, wenn sich ein Fremder hier verläuft.

Ich habe dir den Ring nach Hause geschickt. Er kommt in einem Päckchen, etwa so groß wie eine Pralinenschachtel; ich habe die Sendung mit Zeitungspapier und einigen Briefbeschwerern aus Glas gefüllt, damit sie Gewicht bekommt. Hoffentlich habe ich kein Unrecht getan, doch Gott ist mein Zeuge, dass ich keine bösen Absichten hegte. Deine Mutter weiß nichts von der Angelegenheit – außer dass sie natürlich den erwähnten Reliefabdruck gesehen hat und mich voll Sorge zur Rede stellte. Ich habe sie nicht in mein Geheimnis eingeweiht, denn ich möchte sie nicht mit einer Sache belasten, die sie mir gewiss als Fehler anrechnen würde. Sie scheint ohnehin zu ahnen, dass an der Geschichte mehr dran ist, als man bei oberflächlicher Betrachtung vermutet. Im Augenblick ist sie jedoch voll und ganz von den Sehenswürdigkeiten der Stadt in Anspruch genommen. Offenbar hat sich Signora di Robenico mit ihr angefreundet. Sie lädt deine Mutter zum Tee oder zu Besuchen bei Freunden ein und ist so freundlich, jedes Mal eine Gondel zu schicken; deine Mutter sprüht vor Leben, seit Jahren habe ich sie nicht mehr so gesehen.

Da es mir heute schlecht geht, hat sie angeboten, hierzubleiben und sich um mich zu kümmern, ich habe jedoch darauf bestanden, dass sie ihre Verabredungen einhält. Von der Stadt habe ich schon viel gesehen; in der Markuskirche habe ich die Säule bewundert, in der die Heiligenreliquien verborgen waren, bis sie durch ein Wunder enthüllt wurden; für die Venezianer ist dies der Ort, wo Vergangenheit und Gegenwart Zusammentreffen, als befände sich hier der Eingang zu der Welt, die wir nicht begreifen.

Doch nun, nachdem ich dir geschrieben habe, hege ich nur noch den einen Wunsch, auf die roten Ziegeldächer und das rege Treiben des Canale Grande hinauszublicken. Ich bin beunruhigt, nicht nur wegen der Angelegenheit, von der ich dir berichtet habe, sondern auch angesichts der Aussicht, dass noch vor Jahresende in Europa ein Krieg ausbrechen könnte, den die Times (die hier immer mit einigen Tagen Verspätung eintrifft) als Folge des kürzlichen Attentats auf den Erzherzog und seine Frau kommen sieht. Gebe Gott, dass diese Vorhersage nicht wahr wird. Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, einer neuen Aufklärung, und die Vorstellung, dass diese Hoffnung durch einen Krieg in Blut und Hass zunichte gemacht wird, ist so schrecklich, dass ich lieber nicht darüber nachdenke. Auch hätte ein Krieg widrige Auswirkungen auf die Durchsetzung der Homerule für unser Land – wie du weißt, habe ich diesem Traum mein Leben als Politiker geweiht.

Ich freue mich auf unser Wiedersehen, bei dem ich dir viel zu berichten haben werde. Hoffentlich sind deine Prüfungen gut verlaufen; Gottes Segen sei mit dir, bei allem, was du in deinem Leben unternimmst, mein liebster Sohn.

Dein dich liebender

Vater

PS: Verwahre den Ring gut. Sag meiner lieben kleinen P, dass wir sie herzlich grüßen lassen.

Fast ein halbes Jahrhundert später fand Dee diesen Brief in der zerstörten Bibliothek des großen Hauses. Sie war neun Jahre alt. Mühsam entzifferte sie das fleckige Dokument, bevor sie es wegwarf.

Kapitel 2

»Sie ist jung;

vielleicht wird sie widerrufen –

in einiger Zeit.«

»Es bleibt keine Zeit.

Vermessenheit schreit nach Strafe.«

Tagebuch eines Zeugen

Der Krieg ging weiter. Hunderttausende junger Männer marschierten nach Frankreich. Und Frankreich schluckte sie, zermahlte sie zu Staub. Schlachten wurden geschlagen in Verdun, an der Sommes, in Ypres, in Flandern. Die Jugend Europas wurde verheizt, das Blut einer Generation tränkte die Erde.

»Warum führen die Menschen Krieg?«, wollte Jenny wissen.

Gramps seufzte. »Aus Gier.« Er hatte einen bitteren Zug um den Mund. »Kapitalistische Gier und Dummheit. Eines sage ich dir, Jen, nach diesem Krieg wird alles anders sein. Niemand wird je wieder daran glauben, dass die Obrigkeit moralische Grundsätze besitzt.«

Er dachte dabei an den jungen Andrew Stacey, der in den Krieg gezogen war – der reine Wahnsinn, einen so jungen Rekruten anzuwerben: Wahrscheinlich hatte man gewusst, dass er das Mindestalter noch nicht erreicht hatte, und einfach ein Auge zugedrückt. Andrews Mutter war gestorben, kurz bevor er sich zum Kriegsdienst meldete. Sie hatte sich nicht wohl gefühlt und war früh zu Bett gegangen. Als ihr Mann von einem Diner im Klub heimkehrte, war sie schon tot. Andrew, der verzweifelt vor seinem Kummer davonlief, zog zwei Wochen später in den Krieg.

Jenny war gewachsen. Ihre Brüste entwickelten sich, und zu ihrem Entsetzen zeigte sich an intimen Stellen Körperhaar. Sie war vierzehn. Mary ließ den Saum von Jennys Röcken heraus. Eines Morgens entdeckte Jenny Blut in ihrem Schlüpfer, was ihr eine Heidenangst einjagte. Fest davon überzeugt, dass sie sterben würde, erzählte sie es Yvonne. Doch die Freundin behauptete, das sei ganz normal. »Es passiert einmal im Monat. Besorg dir Binden, und dann geht’s weiter wie gewohnt!«

»Das glaube ich dir nicht!«, erwiderte Jenny entgeistert. »So etwas Fürchterliches habe ich noch nie gehört!«

Yvonne zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht fürchterlich. Wir sind eben anders als Männer. Mama hat immer gesagt, es ist ein Symbol der Macht. Sie meinte, jede Frau sollte sich das bewusst machen!«

Jenny sah die Freundin voll Liebe und Mitgefühl an. Ihr entging nicht, wie Yvonnes Lippen zitterten, wenn sie von ihrer Mutter sprach.

»Bluten hat nichts mit Macht zu tun ..., weder da unten noch sonst wo«, murrte Jenny, der plötzlich Tränen der Wut in die Augen stiegen. Sie hielt inne. »Du meinst, alle Frauen müssen sich damit abfinden!«

Yvonne betrachtete kopfschüttelnd Jennys zorniges Gesicht. Sie hatte sie noch nie so erregt gesehen. »Hast du denn überhaupt keine Ahnung, Jenny Stephenson?«, fragte sie ruhig und sachlich wie gewohnt. »Frauen bluten, damit es Menschen geben kann, damit Babys zur Welt kommen.« Nach kurzem Zögern ergänzte sie mit zufriedener Miene: »Frauen machen die Welt.«

Jenny musterte Yvonne misstrauisch. »Jetzt erzähl mir nicht, dass du es auch hast?«

Yvonne lächelte. »Natürlich. Vielleicht bist du spät dran, weil du so krank warst ...«

Einige Zeit später versuchte Gramps mit Jenny zu reden. Seine Stimme klang ein wenig unsicher.

»Du wirst jetzt erwachsen, Jen. Es gibt einiges, was du übers Erwachsenwerden wissen solltest, darüber, was es heißt, eine Frau zu werden ... Soll ich Mary bitten, mit dir zu reden?« Vor Verlegenheit ließ er seine Pfeife fallen, hob sie wieder auf, kramte in seiner Tasche nach den Schwefelhölzern.

»Ich weiß schon Bescheid«, rief Jenny, die vor Wut beredt geworden war. »Ich will nichts mehr hören, von nichts und von niemandem!« Sie stürmte hinaus, die Treppe hinauf in ihr Zimmer, warf sich aufs Bett und weinte heiße Tränen des Zorns. »Warum muss alles Mögliche passieren, ob wir es wollen oder nicht?«, fragte sie das mondgesichtige Mädchen auf dem Bild überm Bett. »Sachen, die mit unserem Körper passieren. Das ist unerträglich!«

Das Mädchen erwiderte Jennys Blick mit zufriedenen, verständnislosen Augen. Es war sonnenklar, dass sie nie im Leben eine Menstruation gehabt hatte. Jenny nahm das Bild ab. »Ich hasse dich«, sagte sie voller Verachtung und ohne sich zu verhaspeln. »Du siehst idiotisch aus. Ich kann dein blödes Grinsen nicht mehr sehen.« Dann stopfte sie das Bild hinter die Kommode. Gramps, der in der Küche saß, zog die Augenbrauen hoch. Er schnitt das Thema nie wieder an.

Auf den Winter folgte der Frühling. Das Dasein der Männer in den Schützengräben bestand nur aus Routine: frühmorgens in Bereitschaft stehen, Gräben ausheben, Drahtverhau aufbauen, an der Feuerlinie Wache schieben.

Überall fand man fette Läuse; Ratten nagten an den Toten; es stank nach Fäkalien, Fußbrand und Aas. Die hastig ausgehobenen Gräber wurden mit Granaten aus dem Boden gesprengt, und die Leichen lagen mit ausgestreckten Händen da, als flehten sie darum, das letzte Wort möge noch nicht gesprochen sein. Soldaten, durch Leid und Entbehrung abgestumpft, starrten mit leerem Blick in die Ferne. Hier und da drehten junge Männer durch, wurden hysterisch, verweigerten Befehle und wurden daraufhin standrechtlich erschossen.

Der Matsch gluckste unter den Stiefeln; die Kälte, das Lärmen der Geschütze und die Langeweile brachte viele dazu, sich freiwillig zu melden, wenn es darum ging, bewaffnet mit Messern, Granaten und Grabwerkzeugen in den feindlichen Linien einzufallen.

An einem solchen Stoßtruppunternehmen hatte Andrew Stacey in der vergangenen Nacht teilgenommen. Er war mit einem blauen Auge davongekommen; doch einer seiner Kameraden hatte, neben ihm kauernd, eine Kugel durch den Kopf bekommen.

Post wurde verteilt, auch für ihn war etwas dabei. Der Umschlag enthielt einen Brief von seinem Vater, einen von Yvonne und einen Zettel von Jenny. Eine Fotografie fiel heraus und landete mit dem Gesicht nach oben im Schlamm. Am frühen Morgen hatte es geregnet, der Boden war weich, und es bildeten sich kleine Bäche und Pfützen. Andrew rettete das Foto, wischte es an der Hose ab und verzog sich mit seiner Post in einen ruhigen Winkel des Schützengrabens, um zu lesen.

»Lieber Andrew«, hieß es in Jennys Briefchen, »Yvonne sagte, sie will dir schreiben, und da möchte auch ich einen Gruß beilegen, um dir alles Gute zu wünschen. Wir alle freuen uns auf deine Heimkehr. Jen.«

Andrew las seinen Brief mehrmals durch, faltete ihn dann zusammen und schob ihn mit den anderen in die Tasche. Er war gerade siebzehn geworden. Sein Alter hatte er falsch angegeben, als er sich auf Kitcheners Plakat hin als Freiwilliger meldete. Um bei diesem großen Abenteuer mit dabei zu sein, war ihm jede Lüge recht gewesen. Der Tod seiner Mutter, so unverhofft, dass keine Zeit blieb, Abschied zu nehmen, hatte den Ausschlag gegeben. Sie hatte eine Leere hinterlassen, die nichts füllen konnte.