Irrlicht 34 – Mystikroman - Judith Parker - E-Book

Irrlicht 34 – Mystikroman E-Book

Judith Parker

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Beschreibung

Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. »Wo bist du?« fragte Cathérine traurig. Was dann geschah, verzauberte sie. Leises Geigenspiel weckte in ihr eine große Sehnsucht. Keiner ihrer Gedanken galt Jean-Baptiste, den sie doch so leidenschaftlich geliebt hatte. Sie konnte nur noch an Georges Dalton denken, dessen Fotografie auf ihrem Nachttisch am Wasserkrug lehnte und dessen Grab sie magnetisch anzog. Das Geigenspiel wurde leiser, ein süßer Duft umgab sie, der Duft von Rosen, der sie nach und nach betäubte. Reglos saß die Frau da und beobachtete gespannt die Spinne, die eifrig ihr Netz wob. Es wurde größer und größer, doch plötzlich hielt sie in ihrer Arbeit inne, glich einem auf der Lauer liegenden Raubtier. Die Fliege umflog laut summend das feingesponnene Gebilde. Cathérine de Flaubert hielt unwillkürlich den Atem an. »Sei nicht so dumm, flieg weg«, flüsterte sie. »Jetzt kann ich dir nicht mehr helfen«, fügte sie hinzu und spürte ein Brennen unter ihren Lidern, denn die Fliege zappelte bereits im Netz, dem Tod preisgegeben. Gefangen wie sie. Dem Tod preisgegeben? Nein, das nicht. Aber sie wäre lieber tot, als weiterleben zu müssen. Der Tod wäre eine Erlösung.

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Irrlicht – 34 –

Zum Schweigen verurteilt

Die Wahrheit ist zu grausam, Katherine de Flaubert …

Judith Parker

»Wo bist du?« fragte Cathérine traurig. Was dann geschah, verzauberte sie. Leises Geigenspiel weckte in ihr eine große Sehnsucht. Keiner ihrer Gedanken galt Jean-Baptiste, den sie doch so leidenschaftlich geliebt hatte. Sie konnte nur noch an Georges Dalton denken, dessen Fotografie auf ihrem Nachttisch am Wasserkrug lehnte und dessen Grab sie magnetisch anzog. Das Geigenspiel wurde leiser, ein süßer Duft umgab sie, der Duft von Rosen, der sie nach und nach betäubte. Es war ihr so, als schwebte sie höher und höher…

Reglos saß die Frau da und beobachtete gespannt die Spinne, die eifrig ihr Netz wob. Es wurde größer und größer, doch plötzlich hielt sie in ihrer Arbeit inne, glich einem auf der Lauer liegenden Raubtier. Die Fliege umflog laut summend das feingesponnene Gebilde.

Cathérine de Flaubert hielt unwillkürlich den Atem an. »Sei nicht so dumm, flieg weg«, flüsterte sie. »Jetzt kann ich dir nicht mehr helfen«, fügte sie hinzu und spürte ein Brennen unter ihren Lidern, denn die Fliege zappelte bereits im Netz, dem Tod preisgegeben.

Gefangen wie sie. Dem Tod preisgegeben? Nein, das nicht. Aber sie wäre lieber tot, als weiterleben zu müssen. Der Tod wäre eine Erlösung.

Wie eine Blinde tastete sie über ihr Gesicht, befühlte die dicken Narben, ein Zittern lief durch ihren Körper, und ein Schluchzen drängte sich in ihrer Kehle hoch.

Ihre Blicke hetzten durch den Raum, streiften nur noch flüchtig die Fliege, die den Kampf ums Überleben verloren hatte, und glitten weiter über die dunklen Möbel. Die Veilchen auf der Fensterbank ließen ihre Köpfchen hängen. Ich müßte die Blumen gießen, überlegte die junge Frau. Doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht.

Wie lange war sie schon hier? Tage? Wochen? Sie wußte es nicht. Abends brachte Madame La Petite sie hinauf in die Schlafkammer, morgens weckte die Greisin sie, zwang sie zum Aufstehen. Die kleine taubstumme Frau ließ es nicht zu, daß sie einfach im Bett blieb.

Wie dunkel es um sie herum war… Vergeblich bemühte sich die Sonne, mit ihren Strahlen die dichtbelaubten Äste der uralten Bäume zu durchdringen. Die hohe Mauer, die das Grundstück umrandete, überragte weit das tiefgezogene Dach des kleinen Hauses.

Madame La Petite gelang es nicht, Cathérine dazu zu bewegen, täglich für eine Weile an die frische Luft zu gehen. Die junge Frau weigerte sich standhaft. Wozu, fragte sie sich auch an diesem Tag und strich eine Strähne ihrer Haare, die früher wie schwarze Seide geschimmert hatten, aus der Stirn.

Ihr Aussehen interessierte sie nicht mehr. Außer der alten taubstummen Frau kümmerte sich keine Menschenseele um sie. Nur einmal war Jean-Baptiste hier gewesen. Es war ihm nicht gelungen, sich zu verstellen. Ihr Anblick entsetzte ihn nach wie vor, darum kam er auch nicht mehr.

Und seine Worte hatten sich tief in ihre Seele eingekerbt. »Sei froh, daß ich es verhindere, dich ins Gefängnis zu stecken. Mordanschlag! Ein Vergehen, wofür kein Richter Verständnis zeigen würde. Lebenslänglich oder gar das Todesurteil!« Danach hatte er ihr den Rücken zugewandt und das Haus verlassen. Das Klappern der Pferdehufe, das immer leiser geworden war, hatte etwas Endgültiges für sie gehabt und ihre letzte Hoffnung zerstört.

Fröstelnd zog die unglückliche Frau die schmalen Schultern hoch. Madame La Petites Hartnäckigkeit war es zu verdanken, daß sie überhaupt etwas aß. Wenn auch nur widerwillig. Hin und wieder ließ sie sich zu einem Gläschen Wein überreden.

Cathérine lehnte sich in dem Ohrensessel zurück und schloß die Augen, um ihren Gedanken nachzuhängen. Was ist nur mit Louise los? Eine Frage, die sie sich täglich stellte. Gleich nach ihrem tragischen Unfall hatte sie an ihre Zwillingsschwester in Paris geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen. Auch ihr zweiter Brief wurde nicht beantwortet. Ob Louise die Briefe überhaupt erhalten hatte?

»Jean-Baptiste mag Louise nicht«, sagte die einsame Frau laut. »Meine Schwester wäre sofort gekommen. Doch Jean-Baptiste hat das unterbunden. Er ist ein Teufel«, sagte sie leise. Dabei hatte sie ihn früher für den wunderbarsten Menschen auf der Welt gehalten. Damals, als sie noch zu den schönsten Frauen von Paris gezählt hatte und von Verehrern umringt worden war.

Damals…

Obwohl ihr Vater sich wegen seiner hohen Spielschulden eine Kugel durch den Kopf gejagt hatte und Maman wenig später an gebrochenem Herzen gestorben war, hatte der von allen Müttern meistbegehrte Junggeselle Jean-Baptiste sich für sie, Cathérine Cauchon, entschieden. Er war einer der reichsten Männer Frankreichs. Die Hochzeit war die Sensation des Jahres l882.

Ein knappes Jahr lang glaubte sie zu den glücklichsten Frauen der Welt zu gehören. Jean-Baptiste las ihr jeden Wunsch von den Augen. Sie reisten durch halb Europa. Die Wintersaison verbrachten sie in Paris. Im April fuhren sie in Jean-Baptistes luxuriöser Kutsche an die Westküste der Normandie, um den Sommer in der herrlichen Villa der Fauberts zu verleben, die einige Meilen südlich von dem Städtchen Lassey lag. Ein großer Besitz mit viel Wald und einem weitläufigen Park. Ein Flüßchen zog sich mitten durch den Besitz. Es gab auch eine Kalksteingrotte, zu der sie häufig geritten war. Jean-Baptiste hatte wunderschöne Reitpferde.

Die einsame junge Frau, dachte an den Tag, als sie Jean-Baptiste kennengelernt hatte. Unter dem bewundernden Blick bei dem Aufleuchten seiner eisblauen Augen waren ihr süße Schauer über den Rücken geronnen. Die breiten Brauen, der Oberlippenbart und das dichte dunkle Haar unterstrichen seine markanten Gesichtszüge. Daß er bei einem der besten Schneider seine Garderobe anfertigen ließ, erkannte sie sofort.

Er stellte sich vor. »Jean-Baptiste de Flaubert. Und Sie sind Cathérine Cauchon.«

Noch nie hatte sie ein so leidenschaftliches Verlangen in sich gespürt, ein Gefühl, das sie von diesem Augenblick an ganz beherrschte.

Ihre Begegnung fand in einem großen Ballsaal in einer der Villen am Bois de Boulogne statt. Das Haus lag inmitten eines Parkes. Zwischen den Ästen alter Bäume hingen Lampions und erleuchteten die Welt geheimnisvoll. Sie in einer silberblauen Robe, er im Frack. Eine Perlenkette schmiegte sich in ihr volles schwarzes Haar, und der Schein der flackernden Kerzen in den Lampions ließ den Schmuck matt schimmern. Jean-Baptiste führte sie hinaus auf die breite Terrasse mit der Marmorbalustrade, während er mit leiser Stimme auf sie einredete.

Es war der Anfang einer leidenschaftlichen Liebe – so glaubte sie wenigstens. Louise reagierte ziemlich skeptisch, als sie von ihrer Absicht, Jean-Baptiste zu heiraten, erfuhr. Ihre Zwillingsschwester war erfahrener als sie. Louise lebte in einer Atelierwohnung in einem Mietshaus im Quartier Latin, während Cathérine bei Tante Sophie wohnte, der einzigen Schwester ihrer Mutter, die sehr darauf bedacht war, nicht gegen die Moral zu verstoßen. Tante Sophie freute sich über ihre Verlobung mit Jean-Baptiste de Flaubert. Im Gegensatz zu Louise. Wie recht sie doch mit ihrer Meinung über Jean-Baptiste gehabt hatte… »Was bist du denn für ihn? Ein schönes Spielzeug? Bald wird er sich nach einem neuen umsehen.« Kein Wort hatte Cathérine ihr geglaubt.

Sie kehrte mit ihren traurigen Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Vorbei, alles vorbei. Sie war die Gefangene Jean-Baptistes und auch ihres eigenen Ichs. Fast wäre sie zur Mörderin geworden. Sie erschauerte vor Entsetzen über sich selbst.

Jean-Baptiste hatte nach dem folgenschweren Unfall brutal erklärt: »Niemand kann von mir verlangen, Tag für Tag deinen Anblick zu ertragen.«

Nur einmal hatte sie, nachdem die Verbände abgenommen worden waren, in einen Spiegel geblickt. Ihr Bild hatte ihr einen wilden Schrei entlockt. Nie wieder hatte sie in einen Spiegel gesehen.

Jean-Baptiste hatte es vorgezogen, die Villa de Flaubert zu verlassen. Sein Ziel war Paris gewesen.

Cathérine dachte an den schicksalhaften Morgen, als sie in ihrem smaragdgrünen Reitkleid zu den Stallungen gegangen war. Der Stallbursche hatte ihre Stute Aurora bereits gesattelt.

Schief und keck thronte der flache Hut mit dem Schleier auf ihren hochgesteckten Haaren. Ihre violett schimmernden Augen sprühten vor Lebensfreude. Noch spürte sie die Küsse Jean-Baptistes auf ihren Lippen, das zärtliche Streicheln seiner schönen Hände auf ihrer weichen Haut. Sie war rundherum glücklich und zufrieden. Ihre Zofe Cecile packte bereits ihre Koffer für die morgige Reise nach Paris.

Jean-Baptiste wollte diesmal den Zug nehmen. Die Kutsche würde sie bis nach Coutances Savigny bringen. Von dort konnte man mit der Eisenbahn nach Paris fahren.

Bevor Cathérine in den Sattel stieg, warf sie noch einen Blick auf die weiße Villa mit den braunen Fensterläden und den schmiedeeisernen Balkons. Sie liebte das wunderschöne Haus und auch den großen Park. Er steckte für sie voller Geheimnisse, denn nur ein kleiner Teil wurde von den Gärtnern gepflegt. Sonst wurde seine üppige Vegetation keinem Zwang unterworfen. Die Bäume, Büsche und wild blühenden Blumen konnten sich voll entfalten. Tief im Laubwald stand auch dieses kleine Haus zwischen alten Gräbern. Eine hohe Mauer aus Feldsteinen umgab den ehemaligen Friedhof.

Ein Ort, der Cathérine magisch anzog und vor dem sie sich gleichzeitig fürchtete. Warum das so war, wußte sie nicht. Von Jean-Baptiste erfuhr sie, daß sein Vater den Friedhof, in dem das kleine Haus stand, gekauft hatte, um das Gebäude abreißen und die Gräber dem Erdboden gleichmachen zu lassen. Dazu war es jedoch wegen seines Todes nicht mehr gekommen. Er selbst habe bisher auch keine Gelegenheit dazu gefunden, erklärte Jean-Baptiste. Einst hatte das Haus einem bekannten Virtuosen gehört, der darin gestorben war.

Ein paarmal waren Jean-Baptiste und Cathérine zu dem ehemaligen Gottesacker geritten.

Das schmiedeeiserne Tor zwischen den Steinpfosten hing schief in den Angeln. Der laue Wind stieß dagegen, ließ es hin und her schwingen. Das Quietschen des verrosteten Metalls erschien Cathérine unerträglich. Sie wendete ihre Stute und galoppierte davon.

Jean-Baptiste holte sie ein, fiel der Stute in die Zügel. »Was ist mit dir los? Du benimmst dich so, als wäre der Teufel hinter dir her.« Er sprang aus dem Sattel, streckte ihr die Hände entgegen. Nur zu gern ließ sie sich von ihm auffangen. Bei seinen Küssen hatte sie alles um sich herum vergessen.

Auch das war vorbei.

Die Frau im Sessel kehrte in Gedanken wieder zu dem Morgen zurück, als sie ihre Stute bestiegen hatte, um auszureiten. Jean-Baptiste konnte sie nicht begleiten, wegen einer geschäftlichen Besprechung in Lassey. Gegen Abend wollte er zurück sein. Die Stunden bis dahin erschienen ihr endlos. Ein Ausritt würde sie ablenken.

Es gefiel ihr an der normannischen Westküste mit dem milden, vom Meer beeinflußten Klima. Nirgendwo anders gab es einen so weiten Himmel von stählerner Bläue, von der sich das leuchtende Grün der Landschaft abhob. Sogar bei einem grau bedeckten Himmel lag ein Leuchten in der Luft, das Louise begeistern würde. Als Malerin würde sie hier genügend Motive finden. Bei Cathérines letzten Besuch mit Jean-Baptiste in Paris hatte ihre Zwillingsschwester versprochen, sie bald in der Normandie zu besuchen.

Das ging ihr an jenem Morgen, als sie ihre Stute Aurora antrieb, durch den Kopf. Tänzelnd trabte das noch junge Tier den schmalen Waldweg entlang. »Schneller, meine Schöne!« rief Cathérine, und Aurora galoppierte los.

Zu spät sah Cathérine den Leiterwagen, vor den zwei schwere Pferde gespannt waren. Zum Überspringen war es zu spät, deshalb zügelte die Frau die Stute so heftig, daß diese hochstieg und sie aus dem Sattel warf. Sie wirbelte durch die Luft.

Cathérine spürte einen wahnwitzigen Schmerz im Gesicht, wollte sich aufrichten. Aber ihre Haare hatten sich in der am Wegrand liegenden Stacheldrahtrolle verheddert. Etwas Feuchtes, Klebriges lief über ihr Gesicht. Mit der Zunge leckte sie über ihre Lippen. Es schmeckte süßlich.

Blut? Ja, sehr viel Blut.

Was danach geschehen war, glich einem endlosen Alptraum. Sie wollte nicht daran denken, aber die Erinnerungen ließen sich kaum verdrängen.

Da waren die Menschen, die von allen Seiten kamen, sie umringten, auf sie niederblickten mit starrem Blick. Irgendwem war es gelungen, ihr Haar von dem Stacheldraht zu befreien. Dann sah sie Armand, Jean-Baptistes Kutscher, der sie hochhob und zum Wagen trug. Er setzte sie auf den weichen samtbezogenen Sitz. Dann stieg der Arzt zu ihr ein, der ihr einen notdürftigen Verband anlegte.

Entsetzen malte sich in den Gesichtern der Dienstboten, als zwei Lakaien sie ins Haus und dann die Treppe hinauftrugen. Dr. Lamps folgte ihnen.

Die Zofe Cecile brachte heißes Wasser und Verbandszeug. Der Arzt bemühte sich, ihr so wenig wie möglich weh zu tun, als er die Rißwunden behandelte und dann ihr Gesicht bandagierte. Sie müsse glücklich sein, daß sie ihr Augenlicht nicht verloren habe, erklärte er. Die Wunden werden heilen, fügte er noch hinzu, fast zögernd.

Irgendwann kam Jean-Baptiste, küßte ihre Hände. Sie glaubte sogar Tränen in seinen Augen zu sehen. Die folgenden Tage fieberte sie und war fast nie bei vollem Bewußtsein.

Anfangs kam Jean-Baptiste täglich, dann jedoch wurden seine Besuche seltener. Er war aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen, hatte sich in einem Gästezimmer einquartiert.

Der Arzt nahm endlich die Verbände ab. »Die Narben werden noch verheilen«, versicherte er. Voller Mitleid ruhte sein Blick auf ihrem Gesicht. »Allerdings…« Mehr sagte er nicht, brauchte es auch nicht, denn sie verstand, was er meinte. Sie schaute dem Mann mit den schütteren Haaren nach und wartete, bis die Tür leise ins Schloß gezogen wurde.

Die Zofe stand wortlos da. Cathérine bat sie, ihr einen Spiegel zu geben. Cecile zögerte, kam dann aber doch diesem Wunsch nach.

Die junge Frau starrte ihr Spiegelbild an – und ihr gellender Schrei durchdrang das ganze Haus. Die Dienstboten im Souterrain bekreuzigten sich.

Tagelang hatte sich Cathérine wie ein weidwundes Tier im Schlafzimmer verkrochen. Jean-Baptiste war noch einmal gekommen, hatte sich schaudernd abgewandt und fluchtartig den Raum verlassen. Seitdem hatte sie ihn erst an jenem Spätnachmittag wiedergesehen, als er aus Paris zurückgekommen war. Nicht allein, sondern in Begleitung einer bildschönen Frau mit weißblonden Haaren…