Ivanhoe - Sir Walter Scott - E-Book

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Sir Walter Scott

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Der edle Ritter Ivanhoe, Robin Hood, Rächer der Enterbten – sie beflügeln seit jeher die Traumfabrik Hollywood. Lanzen brechen an prunkvollen Schilden: Es gilt, für die Königin der Schönheit und der Liebe das Turnier zu gewinnen. Doch Lady Rowena wird entführt. Die Edelleute brauchen die Geächteten, um die Lady aus der Burg des Feindes zu befreien. Walter Scott hat diesen Bildern so nachdrücklich seinen Stempel aufgedrückt, dass sich alle an seinem Vorbild orientieren. ›Ivanhoe‹ ist einer der größten Romane über ritterlichen Edelmut – und die besten Tricks, den Reichen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

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Sir Walter Scott

Ivanhoe

Roman

Roman

Aus dem Englischen von Leonhard Tafel

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

I

So sprachen sie, indessen nach der Hütte

Die Schweine kehrten, die nach ihrer Sitte

Sich heftig sträubten, lärmend, grunzend, träge,

Und doch bezwungen durch die Macht der Schläge.

POPES ODYSSEE

In jener lieblichen Gegend Englands, welche der Fluß Don bewässert, erstreckte sich vor alten Zeiten ein ansehnlicher Wald, der den größten Teil der schönen Hügel und Täler bedeckte, die zwischen Sheffield und der freundlichen Stadt Doncaster liegen. Noch jetzt finden sich Überbleibsel dieser Waldung in der Nähe der Rittersitze von Wentworth, Warncliffe Park und um Rotherham. Hier hauste vor alters der fabelhafte Drache von Wantley, hier ward manche verzweifelte Schlacht in den Bürgerkriegen der ›Rosen‹ ausgefochten, und hier war es, wo in alten Zeiten jene Banden tapferer Geächteten ihr Wesen trieben, deren Taten in den alten englischen Volksliedern besungen werden.

Dies ist der Schauplatz unsrer Erzählung. Ihr Zeitalter fällt in das Ende der Regierung Richards I., als seine Rückkehr aus langer Gefangenschaft für sein verzweifeltes Volk mehr ein Gegenstand der Wünsche als der Hoffnungen war, da dieses in der Zwischenzeit unter mancherlei hartem Druck zu leiden hatte. Die Edeln, deren Macht während der Regierung Stephans keine Grenzen mehr kannte, und die Heinrich II. mit der größten Anstrengung kaum in einige Abhängigkeit von der Krone zu bringen vermochte, überließen sich nun wieder in vollem Maße der früheren Ungebundenheit und kehrten sich wenig an die schwache Vermittlung des englischen Staatsrats. Sie befestigten ihre Schlösser, vermehrten die Zahl ihrer Reisigen und brachten alles um sich her in einen Zustand von Abhängigkeit, indem sie alle Mittel anwandten, sich an die Spitze einer Macht zu stellen, durch die sie instand gesetzt würden, bei den bevorstehenden Erschütterungen des Staates eine bedeutende Rolle zu spielen.

Die Lage des niedern Adels oder der sogenannten Franklins, welche nach den Gesetzen und dem Geist der englischen Konstitution berechtigt waren, sich von der Feudaltyrannei unabhängig zu erhalten, mußte in hohem Grade schwankend und unsicher werden. Dadurch, daß sie sich, wie es gewöhnlich der Fall war, unter den Schutz eines der kleinen Könige ihrer Nachbarschaft stellten und gewisse Lehnsdienste in dessen Haushalt übernahmen, oder durch gegenseitige Schutz- und Trutzbündnisse sich verpflichteten, ihm Heeresfolge zu leisten, mochten sie sich für den Augenblick Ruhe erkaufen. Aber dies geschah nur mit Aufopferung der jeder englischen Brust so teuern Unabhängigkeit, wodurch sie in jedes unbesonnene Wagnis, das der Ehrgeiz ihres Schutzherrn herbeiführte, verwickelt werden konnten.

Auf der andern Seite standen jenen mächtigen Baronen so viele Mittel der Verfolgung und Unterdrückung zu Gebote, daß es ihnen nie an Vorwand und selten an Willen fehlte, ihre weniger mächtigen Nachbarn zu quälen und zu verfolgen, wenn sie es in jenen gefährlichen Zeiten im Vertrauen auf die Gesetze des Landes wagten, sich ihrer Obhut zu entziehen. Ein Umstand, der sehr viel dazu beitrug, die Tyrannei des Adels und die Leiden der untern Klassen zu erhöhen, entsprang aus der Eroberung Englands durch Wilhelm von der Normandie. Vier Generationen hatten nicht vermocht, das feindliche Blut der Normannen und Angelsachsen zu vermischen, oder durch gleiche Sprache und gemeinschaftliches Interesse die beiden feindlichen Stämme zu vereinigen, von denen der eine immer noch im Übermute des Sieges auftrat, während der andere unter den Folgen der Niederlage seufzte. Durch den Sieg bei Hastings war alle Macht in die Hände des normannischen Adels gekommen, der sie, nach dem Zeugnis unserer Geschichtschreiber, keineswegs mit Mäßigung handhabte. Die sächsischen Fürsten und Edeln waren mit wenigen Ausnahmen entweder gänzlich ausgerottet oder ihres Erbes beraubt. Nicht groß war die Zahl derer, welche auch nur als Eigentümer der zweiten oder einer noch geringeren Klasse Ländereien in dem Erbe ihrer Vorfahren besaßen. Lange Zeit war es Politik der Herrscher, jedes Mittel, gleichviel ob gesetzlich oder ungesetzlich, anzuwenden, um die Macht derjenigen Untertanen zu schwächen, die man mit Recht als die zu betrachten hatte, welche den eingewurzeltsten Haß gegen ihre Unterdrücker nährten. Alle Monarchen aus dem Geschlechte der Normannen hatten die entschiedenste Vorliebe für ihre normannischen Untertanen gezeigt. Die Jagdgesetze und noch manche anderen, dem mildern, freien Geiste der sächsischen Konstitution unbekannten Beschränkungen wurden den Unterjochten aufgebürdet, als geschehe es nur, um die drückenden Ketten der Feudaldespotie noch drückender zu machen. An den Höfen wie auf den Schlössern des hohen Adels, wo man die Pracht der Hofhaltungen nachahmte, ward nur das Normannisch-Französische gesprochen; an den Gerichtshöfen fanden die Verhandlungen und Rechtsprechungen in derselben Mundart statt. Kurz, die französische Sprache war die Sprache der Ehre, der Ritterlichkeit sowie der Gerichte, indes das weit männlichere, ausdrucksvollere Angelsächsische in den Kreis der Bauern und des niedern Volkes verbannt worden war, wo man keine andere Sprache kannte.

Indessen entstand durch die Berührung der Herren des Bodens mit seinen untergebenen Bebauern nach und nach eine eigene aus dem Französischen und dem Angelsächsischen gebildete Mundart, durch die sie sich einander verständlich machten. Aus dieser Notwendigkeit der Verständigung ist endlich die jetzige englische Sprache entstanden, in der sich die Sprachen der Sieger und der Besiegten so glücklich vereinten, und die seitdem aus dem Schatze der klassischen Sprachen sowohl als auch aus denen der südlicheren Nationen Europas so reichlich bedacht worden ist.

Diesen Stand der Dinge glaubte ich dem Leser im Überblick darlegen zu müssen, da er vielleicht vergessen mochte, wie die große eigentümliche Verschiedenheit zwischen den Angelsachsen und ihren Besiegern fortdauerte, obgleich keine großen geschichtlichen Ereignisse, Kriege oder Empörungen nach den Zeiten Wilhelms II. sie als ein für sich bestehendes Volk auftreten lassen. Die Erinnerung an das, was sie waren und worauf sie beschränkt wurden, ließ selbst noch unter der Regierung Eduards III. die Wunden nicht verharschen, welche die Unterjochung geschlagen hatte, und noch immer bestand eine Scheidewand zwischen den Abkömmlingen der siegreichen Normannen und denen der besiegten Angelsachsen.

Die untergehende Sonne beschien einen der üppigsten Grasplätze des Waldes, dessen wir zu Anfang des Kapitels erwähnten. Hunderte von breiten, kurzstämmigen Eichen, die vielleicht schon den stattlichen Zug der römischen Legionen mit angesehen hatten, breiteten ihre knorrigen Arme über das dichte, frische Grün aus. Buchen und andere Waldbäume, oft so dicht, daß der Strahl der Sonne nicht durchdringen konnte, zeigten sich an manchen Stellen; auf andern waren sie wieder so regelmäßig geordnet, daß sie lange, anziehende Durchsichten bildeten, worin das Auge sich gerne verliert und die der Phantasie mit der Ahnung noch dichterer Einsamkeit schmeicheln.

Hier gaben die roten Strahlen der Sonne ein ungewisses, glanzloses Licht, das auf den dickbelaubten Ästen und den moosigen Stämmen zitterte; dort beleuchteten sie mit glänzendem Scheine die Stellen des Rasens, zu denen sie durchzudringen vermochten. Ein ziemlich großer, offener Raum in der Mitte dieser Ebene schien ehedem dem Gottesdienste der Druiden geweiht zu sein; denn auf der Spitze eines künstlich gebildeten Hügels fand man noch immer einen Kreis von großen unbehauenen Steinen. Sieben standen noch aufrecht; die übrigen aber waren wahrscheinlich durch den Eifer eines christlichen Bekehrers umgeworfen und lagen zerstreut umher. Einer dieser großen Steine war ganz hinabgerollt und hatte den Lauf eines kleinen Baches gehemmt, der sanft um den Fuß des Hügels sich herumwand und nun einen kleinen Fall bildend in leisem Murmeln dahinfloß.

Zwei menschliche Gestalten vollendeten dieses Landschaftsgemälde. Kleidung und Gestalt verrieten den wilden und rauhen Charakter der Waldbewohner des westlichen Teils von Yorkshire. Der ältere dieser Männer hatte ein finsteres, rohes und wildes Aussehn; seine Kleidung war die einfachste, die man sich denken kann, denn sie bestand aus einer engen Jacke mit Ärmeln, die aus dem gegerbten Felle eines Tieres gemacht war, auf dem sich noch das ursprüngliche Haar befand, das aber an vielen Stellen so abgetragen war, daß man schwer bestimmen konnte, welcher Tierart es eigentlich angehört hatte. Diese altertümliche, von der Brust bis zu den Knien reichende Kleidung vertrat die Stelle aller andern Kleidungsstücke und hatte bloß oben eine Öffnung, um den Kopf durchzulassen, so daß man es wie ein Hemd der heutigen Zeit oder wie einen altertümlichen Küraß überwerfen konnte. Sandalen mit Riemen von Schweinsleder schützten die Füße, dünnes Leder war kunstvoll um die Beine gewunden bis über die Waden hinauf und ließ die Knie nackt, wie bei den schottischen Hochländern. Damit sich die Jacke noch enger an den Leib anschlösse, war sie in der Mitte mit einem breiten ledernen Gurt vermittelst einer metallenen Schnalle zusammengehalten. An der einen Seite des Gürtels hing eine Art Tasche, an der andern ein Widderhorn, durch ein Mundstück zum Blasen eingerichtet. Ein langes, breites, scharfgespitztes, zweischneidiges Messer mit Horngriff, in der Nachbarschaft verfertigt und schon damals unter dem Namen Sheffielder Messer bekannt, steckte ebenfalls in dem Gurt. Der Mann hatte keine andere Kopfbedeckung als sein eigenes, dickes Haar, das, ineinander verworren und verfilzt, durch die Sonne zu einer rostigen, rotschwarzen Farbe ausgedörrt war, die einen wunderlichen Gegensatz zu dem Bart bildete, der Backen und Kinn bedeckte und eine gelbe, bernsteinähnliche Farbe hatte. Ein Teil seiner Kleidung darf nicht übergangen werden: es war dies ein eiserner Ring, dem Halsbande eines Hundes ähnlich, der jedoch ohne irgendeine Öffnung um den Hals geschmiedet und nur so weit war, daß das Atmen dadurch nicht verhindert wurde. Auf dem Halsschmucke stand mit sächsischen Buchstaben: ›Gurth, der Sohn Beowulphs, ist der geborene Leibeigene Cedrics von Rotherwood‹.

Neben dem Schweinehirten, denn das war Gurths Amt, saß auf einem der umgestürzten Druidensteine ein Mensch, dem Anscheine nach wohl zehn Jahre jünger, dessen Kleidung aber, obwohl der seines Gefährten im Schnitte gleich, doch von besserem Stoffe und einem phantastischeren Aussehen war; seine Jacke war einst glänzend purpurfarben gewesen und zeigte noch einige groteske Versuche verschiedenfarbiger Verzierungen. Er trug überdies einen kurzen Mantel von karmesinrotem Tuch, der kaum bis zur Mitte seines Körpers reichte, ziemlich beschmutzt und mit einem gelben Streifen eingefaßt war; und da er ihn rund um den Leib geschlagen hatte, bildete die Weite gegen die fehlende Länge einen seltsamen Kontrast. Er trug dünne, silberne Armbänder und um den Nacken ein Halsband von gleichem Metall mit der Inschrift: ›Wamba, der Sohn von Witleß, ist der Leibeigene Cedrics von Rotherwood‹. Auch er hatte dieselben Sandalen wie sein Gefährte, statt der ledernen Bekleidung der Beine aber eine Art Gamaschen, die eine rot, die andere gelb. An seiner Mütze hingen mehrere Schellen von der Größe derer, welche man den Falken umhängt, womit er bei jeder Wendung des Kopfes ein Klingeln hervorbrachte; und da er selten einen Augenblick in derselben Stellung blieb, so tönte es beständig. Den Rand der Mütze aber umgab ein Band von steifem Leder, welches, auf der höchsten Spitze geteilt, eine Art von Krone bildete, aus der ein länglicher Beutel, wie bei unsern Husarenmützen, bis auf die Schulter herabhing. An diesem Teil der Mütze befanden sich die Schellen. Alles, sowohl die Form seines Kopfputzes wie der halb verwirrte, halb listige Ausdruck seines Gesichtes, ließ in ihm einen jener Hofnarren oder Possenreißer erkennen, deren man sich in den Häusern der Reichen zum Zeitvertreib und zur Aufheiterung bediente. Wie sein Gefährte trug auch er am Gürtel eine Tasche, aber weder Horn noch Messer, da man es vermutlich für gefährlich hielt, Leuten seiner Art schneidende Instrumente anzuvertrauen. Statt dessen war er mit einem ledernen Schwerte bewaffnet, dem ähnlich, womit der Harlekin auf der neuen Bühne seine Wunder tut.

Das Äußere dieser beiden Leute war ebenso verschieden wie ihr Blick und ihr Benehmen. Das des Hirten war finster und mürrisch; mit dem Anschein tiefer Niedergeschlagenheit blickte er auf den Boden, und man hätte es leicht für Gefühllosigkeit halten können, hätte nicht das aufblitzende Feuer aus seinem rötlichen Auge deutlich gezeigt, daß unter dem Scheine mürrischer Untertänigkeit ein Gefühl der Unterdrückung und eine Neigung zur Widersetzlichkeit schlummere.

In Wambas Blicken dagegen las man die Leuten seines Schlags eigene müßige Neugier und rastlose Unruhe, innig vereint mit der höchsten Selbstzufriedenheit mit seiner eigenen Lage und seiner äußern Erscheinung. Ihr Gespräch ward in angelsächsischer Mundart geführt, die, wie wir schon erwähnten, mit Ausnahme der normannischen Soldaten und der unmittelbaren Diener der großen Lehnsherrn selbst, allgemein von den niedern Klassen gesprochen wurde.

»St. Witholds Fluch über die verdammten Schweine!« rief der Hirt, nachdem er aus Leibeskräften in das Horn gestoßen, um die zerstreuten Schweine zu sammeln, die seinen Ruf zwar mit gleich melodischen Tönen beantworteten, sich aber nicht sehr beeilten, das leckere Mahl von Eicheln und Bucheckern, das sich ihnen darbot, zu verlassen, oder sich von dem schlammigen Ufer des Flusses zu trennen, an dem mehrere halb versunken im Morast gemütlich ausgestreckt lagen.

»Hol der heilige Withold sie und mich!« sprach Gurth. »Wenn die zweibeinigen Wölfe nicht noch vor Nacht einige von ihnen wegschnappen, so bin ich kein ehrlicher Mann. – Heda! Fangs! Fangs!« rief er mit voller Stimme einem zottigen, wolfartigen Tiere zu, halb Windhund, halb Kettenhund, der lässig hin und her hinkte, als ob er seinem Gebieter beim Zusammentreiben der widerspenstigen Grunzer beistehen wollte; der aber, die Signale des Hirten falsch deutend, das Übel ärger machte und sie immer mehr auseinandertrieb.

»Der Teufel möge dem Waldläufer die Zähne ausreißen und seine Großmutter den Buschklepper vollends zu Schanden bringen, der unsern Hunden die Vorderklauen stutzt und sie zu ihrem Geschäft untauglich macht! Auf, Wamba! und steh mir bei, wenn du ein tüchtiger Kerl bist; lauf dort um den Hügel herum, gewinn ihnen den Wind ab, dann treibst du sie wie unschuldige Lämmer vor dir her.«

Ohne sich zu rühren entgegnete Wamba: »Fürwahr, ich habe meine Beine hierüber zu Rate gezogen, und sie sind der Meinung, daß es sehr unfreundschaftlich gegen meine gestrenge Person und königliche Garderobe sein würde, wenn ich meine schönen Kleidungsstücke durch den Morast ziehen wollte. Deshalb rate ich dir, Gurth, ruf Fangs zurück und überlaß die Herde ihrem Schicksal, welches, mögen sie nun auf umherstreifende Soldaten, oder Geächtete, oder wandernde Pilger stoßen, dasselbe sein wird, als wenn sie, noch ehe der Morgen tagt, in Normannen verwandelt würden, zu deiner nicht geringen Freude und Bequemlichkeit.«

»Die Schweine in Normannen verwandelt, zu meiner Bequemlichkeit?« fragte Gurth, »erklär mir das, Wamba, denn mein Gehirn ist zu stumpf und mein Gemüt zu geplagt, um Rätsel zu lösen.«

»Nun, wie nennst denn du die grunzenden Bestien da, die hier auf ihren vieren herumlaufen?« fragte Wamba.

»Schweine, Narr, Schweine!« versetzte der Hirt, »jeder Narr weiß das.«

»Und Schweine ist gut Sächsisch«, sagte der Narr, »aber wie nennst du denn die Sau, wenn sie ausgenommen, abgebrüht, geviertelt und an den Beinen wie ein Hochverräter aufgehängt ist?«

»Pork!« versetzte der Schweinehirt.

»Das freut mich sehr, daß jeder Narr dies weiß«, sagte Wamba, »und ›pork‹ ist, glaube ich, gut Normannisch-Französisch. Solang nun das Tier lebt und von einem sächsischen Leibeigenen bewacht wird, läuft es unter seinem sächsischen Namen; es wird aber normannisch und wird ›pork‹ genannt, wenn es in die Halle des Schlosses zum Feste der Großen gebracht wird – nun, was meinst du dazu, Freund Gurth, he?«

»Ja, ja, das ist nur zu wahr, Freund Wamba, obgleich es in deinem Narrengehirn gewachsen ist.«

»Ich kann dir noch mehr sagen«, fuhr Wamba in dem nämlichen Tone fort, »da ist ein Alderman Ochs, der behält seinen sächsischen Namen, wenn er unter der Bewachung der Sklaven und Leibeigenen bleibt, wie du einer bist, aber er wird zum bœuf, zu einem stolzen, galanten Franzosen, wenn er vor die gestrengen Kinnbacken kommt, die ihn zu verzehren bestimmt sind. Mynheer Kalb wird auf gleiche Weise zum Monsieur de veau; es ist Sachse, solang es der Wartung bedarf, und nimmt einen normannischen Namen an, wenn es zum Genusse dient.«

»Beim heiligen Dunstan«, antwortete Gurth, »du sprichst eine traurige Wahrheit; wenig mehr als die Luft, die wir einatmen, ist uns geblieben, und auch diese scheint man uns ungern und nur darum zu lassen, damit wir fähig sind, die Lasten zu tragen, die man uns auferlegt. Der fetteste und feinste Bissen kommt auf ihren Tisch, das Lieblichste in ihr Bett; die Besten und Tapfersten ergänzen ihre Heere in der Fremde und bleichen entfernte Länder mit ihren Gebeinen, während wenige zurückbleiben, die den Willen und die Macht hätten, die unglücklichen Sachsen zu beschützen. Gottes Segen über unsern Herrn Cedric, der hat gehandelt wie ein Mann und sich vor den Riß gestellt; aber Reginald Front de Bœuf kommt in Person ins Land, da werden wir sehen, wie wenig Cedrics Bemühungen nützen werden. – Hierher, hierher!« rief er wieder aus, seine Stimme erhebend. »Hoho! hoho! recht so, Fangs! Jetzt hast du sie alle vor dir und bringst sie ordentlich zusammen.«

»Gurth«, sagte der Spaßmacher, »ich weiß, du hältst mich für einen Narren, sonst würdest du nicht so unbesonnen deinen Kopf in meinen Rachen stecken. Ein einziges Wort an Reginald Front de Bœuf oder Philipp de Malvoisin, daß du verräterisch gegen die Normannen gesprochen, und du bist am längsten Schweinehirt gewesen. Du müßtest hier an einem dieser Bäume zappeln, ein warnendes Beispiel für alle, die gegen würdige Leute Übles reden.«

»Hund, du wirst mich doch nicht verraten wollen«, versetzte Gurth, »da du mich selbst dahin führtest, daß ich Nachteiliges von ihnen sprach?«

»Dich verraten!« antwortete der Spaßmacher, »nein, das könnte nur ein weiser Mann tun; ein Narr kann sich nicht halb so gut helfen – aber still, wer ist denn das?« fragte er, dem jetzt hörbar werdenden Pferdegetrappel lauschend.

»Ei, so kümmere dich nicht darum«, antwortete Gurth, der nun seine Herde beisammen hatte und mit Hilfe Fangs eine lange, dunkle Allee hinabtrieb.

»Nein, ich muß erst die Reiter sehen«, antwortete Wamba, »sie kommen vielleicht aus dem Feenlande mit einer Botschaft vom König Oberon.«

»Hol dich der Teufel«, erwiderte der Schweinehirt, »wie magst du nur auch solchen Unsinn reden, da ein solches Unwetter mit Donner und Blitz gegen uns im Anzuge ist? – Horch, wie der Donner rollt! Nie sah ich bei einem Sommerregen so starke Tropfen senkrecht aus den Wolken fallen. Trotz der Windstille seufzen und krachen die Eichen mit ihren großen Ästen, als wollten sie einen Sturm verkünden. Du kannst meinethalben den Starkgläubigen machen, aber spute dich, daß wir nach Hause kommen, ehe der Sturm zu wüten beginnt; die Nacht wird furchtbar sein.«

Wamba schien die Kraft seiner Gründe zu fühlen und begleitete seinen Gefährten, der seine Reise antrat, nachdem er einen langen Knüttel, der ihm zur Seite lag, ergriffen hatte. Schnell schritt dieser zweite Eumäus, indem er die ganze Herde seiner unharmonisch lärmenden Pflegebefohlenen vor sich her trieb, durch die Waldebene hin.

II

Da war ein Mönch der schmuckste Kavalier,

Zog Tag für Tag ins lustge Waldrevier.

Die stattliche Figur war wohl des Krummstabs wert;

Ihm wiehert in dem Stall manch stolzes Pferd,

Und wenn er ritt, so drang zu manchem Ohr

Des Zügels Klingen wie Gesang empor.

So scharf und laut, als wollte dir sein Läuten

Den Lord als Hüter der Kapelle deuten.

CHAUCER

Trotz der Ermahnungen und Vorwürfe seines Gefährten konnte sich Wamba nicht enthalten, unter mancherlei Vorwand auf der Straße zurückzublicken und auf die immer näher tönenden Hufschläge zu achten. Bald riß er ein Büschel halbreifer Haselnüsse ab, bald wandte er sich um, einem Bauernmädchen nachzusehn, das des Weges daherkam; die Reiter hatten sie deshalb auch sehr bald eingeholt.

Es waren ihrer zehn; die beiden Vorausreitenden schienen Leute von Bedeutung zu sein, die andern ihr Gefolge auszumachen; auch fiel es nicht schwer, Stand und Charakter des einen dieser beiden zu bestimmen. Er war augenscheinlich ein Geistlicher von hohem Rang; seine Kleidung war die eines Zisterziensermönches, nur daß sie aus feinern Stoffen bestand, als sonst die Regel des Ordens gestattete. Mantel und Kapuze von dem feinsten flandrischen Tuch umgaben in weiten, anmutigen Falten den schönen, wenngleich etwas wohlgenährten Mann. Sein Äußeres trug so wenig die Spuren der Selbstverleugnung, als seine Kleidung Verachtung weltlichen Glanzes zeigte. Man konnte seine Züge schön nennen, wenn nicht unter dem gesenkten Augenlid jenes schlaue epikureische Blinzeln gelauscht hätte, das den vorsichtigen geistlichen Wollüstling kennzeichnet. Stellung und Beruf hatten ihn sonst vollkommen gelehrt, den Ausdruck seines Gesichtes zu beherrschen, so daß er nach Gefallen die Miene der andächtigsten Feierlichkeit annahm, obgleich sein natürlicher Ausdruck der einer wohlgelaunten geselligen Jovialität war. Trotz der Regeln des Klosters und der Verbote der Päpste und Konzilien waren die Ärmel dieses Ehrenmannes mit kostbarem Pelzwerk gefüttert und besetzt, der Mantel über der Brust mit goldnen Spangen befestigt und die ganze Ordenskleidung so verschönert und verziert wie die einer heutigen Quäkerschönheit, welche, ungeachtet aller Einfachheit in Schnitt und Farbe, durch die Wahl des Stoffes und die Art, ihn zu verwenden, der Kleidung einen Anstrich von Koketterie zu geben versteht, der nur gar zu sehr nach den Eitelkeiten der Weltkinder schmeckt.

Dieser würdige Sohn der Kirche ritt ein wohlgenährtes Maultier, dessen Reitzeug reich verziert war; der Zaum war nach der Sitte jener Zeit mit silbernen Glöckchen behangen. Seine Haltung verriet keineswegs das linkische Benehmen eines Klosterbruders, sondern zeigte vielmehr die leichte Anmut eines wohlgeübten Reiters; in der Tat schien auch das demütige Maultier, so gut es imstande und so bequem es zugeritten war, von dem galanten Mönche nur auf der Landstraße benutzt zu werden. Einer der Laienbrüder seines Gefolges führte zu seinem anderweiten Gebrauch einen der schönsten andalusischen Hengste, wie sie damals mit großer Gefahr und Mühe für bedeutende Personen durch Handelsleute eingeführt wurden. Sattel und Schabracke dieses prächtigen Zelters waren mit einer langen Decke belegt, die fast bis zur Erde hing, worauf Bischofsmützen, Kreuze und andere geistliche Sinnbilder prangten. Ein anderer Laienbruder führte ein zweites Saumtier, das wahrscheinlich das Gepäck des geistlichen Herrn trug, und zwei Mönche des Ordens von geringerer Klasse ritten lachend und schwatzend hintennach, ohne sich viel um die übrigen Reiter zu kümmern.

Der Gefährte des Prälaten war ein Mann über die Vierzig hinaus, schlank, aber stark und kräftig gebaut, eine wahre Athletengestalt, der lange Strapazen und Anstrengungen keinen Zug der zarteren menschlichen Form mehr gelassen. Er schien nur aus Knochen, Sehnen und Adern zu bestehen, die tausendfache Anstrengungen ertragen hatten und bereit waren, es noch mit Tausenden aufzunehmen. Eine scharlachrote, mit Pelz verbrämte Mütze von der Art, welche die Franzosen wegen der Ähnlichkeit mit einem umgekehrten Mörser ›mortier‹ nennen, bedeckte sein Haupt. Sein Gesicht war somit völlig frei, und seine Miene war geeignet, Achtung, wo nicht Furcht einzuflößen. Seine von Natur stolzen, strengen, aber höchst ausdrucksvollen Züge waren durch die südliche Sonne fast negerschwarz gebrannt und schienen in ihrem gewöhnlichen Zustande zu schlummern, nachdem der Sturm der Leidenschaften darüber hinweggegangen war. Allein die stark hervortretenden Adern auf der Stirn, das Zucken der Oberlippe und des starken, schwarzen Schnurrbartes, das bei der leichtesten Aufregung auftrat, zeigten deutlich, daß der Sturm schnell und leicht wieder zu wecken sei. Seine kühnen, durchdringenden schwarzen Augen verkündeten mit jedem Blick die Geschichte überwundener Schwierigkeiten und Gefahren und schienen einen Widerstand gegen seine Wünsche herauszufordern, um das Vergnügen zu haben, ihn durch entschlossenen Willen und festen Mut aus dem Wege zu räumen. Eine tiefe Narbe über den Augenbrauen erhöhte den Ernst seiner Züge und gab dem einen Auge einen unheimlichen, finstern Ausdruck, da es durch sie leicht beschädigt war, und die Pupille einen etwas schiefen Blick erhalten hatte, obwohl die Sehkraft nicht geschwächt war.

Das Oberkleid dieses Mannes glich im Schnitt dem seines Gefährten, da es ebenfalls ein langer Mönchsmantel war; allein seine scharlachrote Farbe bewies, daß er keinem der gewöhnlichen vier Mönchsorden angehörte. Auf der rechten Seite des Mantels befand sich ein Kreuz von weißem Tuch und von ganz besonderer Form. Dies Oberkleid verbarg etwas, das beim ersten Anblick nicht zu ihm zu passen schien: es war ein Panzerhemd mit Ärmeln und Handschuhen von demselben Stoffe, das sich ebenso schmiegsam dem Körper anpaßte wie die Hemden, welche jetzt auf den Strumpfwirkerstühlen aus minder hartem Material gefertigt werden. Die Vorderseite seiner Beine, wo der faltige Mantel auseinanderschlug, war gleichfalls mit Metallschuppen bedeckt, Knie und Füße schützten Stahlplatten, künstlich übereinandergelegt, indes ein Schuppenstrumpf die Beine vom Knöchel bis zum Knie umschloß. Im Gürtel trug er einen langen, zweischneidigen Dolch, die einzige Angriffswaffe, die er bei sich führte. Er ritt nicht wie sein Gefährte ein Maultier, sondern einen tüchtigen Klepper, um sein Streitroß zu schonen, das von einem Knappen nachgeführt wurde, vollkommen in Schlachtrüstung gehüllt, mit einer stählernen Kappe über dem Kopf, die vorn mit einer kurzen Pike versehen war. An der einen Seite des Sattels hing eine kurze Streitaxt, reich damasziert, an der andern des Ritters Helm mit wallenden Federn und die Sturmhaube, sowie das lange zweihändige Schwert, das die Ritter jener Zeit zu führen pflegten. Ein anderer Knappe hielt die Lanze seines Herrn, an deren Spitze ein schmaler Streif flatterte, auf dem ein Kreuz von derselben Form wie das auf dem Mantel zu sehen war. Auch trug er den kleinen dreieckigen Schild, der am obern Ende breit genug war, die Brust zu schützen, dann aber spitz zulief. Er war mit einem scharlachroten Tuche bedeckt, so daß man den Wahlspruch darauf nicht erkennen konnte.

Diesen beiden Knappen folgten zwei Diener, deren dunkle Gesichtsfarbe, weiße Turbane und morgenländische Tracht sie als Söhne des fernen Ostens bezeichneten. Wild und fremd war der Aufzug des Kriegers sowie seiner Begleiter; die Kleidung der Knappen war kostbar, und die morgenländischen Diener trugen silberne Halsbänder um den Nacken und Spangen von demselben Metall um ihre schwarzbraunen Arme und Beine, die bis zum Ellbogen und vom Knöchel bis zum halben Bein entblößt waren. Seide und Stickerei zierte ihre Kleidung und zeugte von dem Reichtum ihres Gebieters, indes sie zugleich einen auffallenden Kontrast zu seinem eigenen Anzug bildete. Sie waren mit krummen Säbeln bewaffnet, deren Griff und Gehänge mit Gold ausgelegt waren; ihre türkischen Dolche waren beinahe von noch köstlicherer Arbeit. Jeder von ihnen hatte an dem Sattelknopf ein Bündel Pfeile oder Wurfspieße, die etwa vier Fuß lang waren und starke Stahlspitzen zeigten; eine Waffe, die damals bei den Sarazenen sehr gebräuchlich war, und deren Andenken sich noch in dem kriegerischen Spiele ›el lerrid‹ erhalten hat, das noch heute im ganzen Morgenlande üblich ist.

Auch die Pferde dieser Diener erschienen ebenso fremd als ihre Reiter. Sarazenischen Ursprungs, waren sie demnach von arabischer Rasse, und ihre feineren, schlankeren Glieder, ihre dünnen Mähnen und schmalen Hufe nebst ihrem leichten, raschen Gang bildeten einen starken Gegensatz zu den schweren, stark gebauten Rossen, die sowohl in Flandern wie in der Normandie gezogen wurden, um die Krieger jener Zeit in ihrer vollen Waffenrüstung zu tragen. Beide nebeneinandergestellt, schienen die morgenländischen Renner der bloße Schatten ihrer abendländischen Brüder zu sein. Das sonderbare Äußere dieses Reiterzuges erregte nicht nur Wambas Neugier, sondern auch die seines minder beweglichen Gefährten. Den Mönch erkannte er sogleich als den Prior der Abtei von Jorvaulx, viele Meilen in der Runde wohlbekannt als ein Liebhaber der Jagd, der Tafelfreuden und – wenn ihm die böse Welt nicht zu viel tat – noch anderer weltlicher Vergnügungen, die sich noch weniger mit seinem Klostergelübde vertrugen.

Aber so wenig streng waren die Begriffe jener Zeit sowohl in Hinsicht der weltlichen wie der klösterlichen Geistlichkeit, daß Prior Aymer bei alldem in seiner Nachbarschaft in gutem Rufe stand. Seine offene Jovialität und die Willfährigkeit, für gewöhnliche Sünden Absolution zu erteilen, machten ihn zum Liebling des Adels und der vornehmeren Barone der Umgegend, zumal er, aus einer angesehenen normannischen Familie entsprossen, mit vielen von ihnen in Verwandtschaft stand. Die Damen insbesondere waren gar nicht gewillt, die Sitten eines Mannes zu streng zu richten, der ein so erklärter Bewunderer ihres Geschlechts war und so manche Mittel besaß, die Langeweile zu verscheuchen, die sich nur zu leicht in die Hallen und Gärten der damaligen Adelsschlösser einschlich. Mit mehr als gebührendem Eifer ging der Prior den Jagdbelustigungen nach und ward für den Besitzer der besten Falken und Jagdhunde in der nördlichen Umgegend gehalten; lauter Vorzüge, die ihn bei dem jungen Adel sehr empfehlen mußten. Mit den Alten wußte er sich mit großem Anstand andern Lustbarkeiten zu überlassen. Seine wenn auch nur oberflächlichen Kenntnisse waren mehr denn hinreichend, ihrer Unwissenheit zu imponieren, so wie das Feierliche in seinem Benehmen und seiner Sprache, der hohe Ton, womit er von der Macht und Gewalt der Kirche sprach, nicht verfehlten, ihnen eine große Meinung von seiner Heiligkeit beizubringen. Selbst der gemeine Mann, sonst der strengste Richter der Vornehmeren, hatte Nachsicht mit den Schwächen des Priors Aymer. Er war freigebig, und Mildtätigkeit bedeckt bekanntlich auch in einem andern Sinne als dem der Schrift der Sünden Menge. Die beträchtlichen Einkünfte der Abtei, von denen ein großer Teil ihm zu Gebote stand, gaben ihm die Mittel, sowohl seine eigenen Ausgaben zu bestreiten, als auch großmütige Spenden an die Landleute zu verteilen und sie in ihrem Elend zu trösten. Sah man Prior Aymer in gestrecktem Galopp auf die Jagd reiten, zu lange beim Gastmahl verweilen oder bei Tagesanbruch von irgendeinem nächtlichen Rendezvous zum Hinterpförtchen in die Abtei hineinschlüpfen, so zuckten die Leute die Achseln und versöhnten sich mit seiner Unregelmäßigkeit bei der Erinnerung, daß viele seiner geistlichen Brüder sich dieselben Unordnungen zuschulden kommen ließen, ohne durch bessere Eigenschaften Ersatz dafür zu bieten. Unsern sächsischen Leibeigenen war also Prior Aymer nach seinem Tun und Treiben wohlbekannt, und gern bezeigten sie ihm ihre linkische, bäurische Verehrung, wofür sie sein ›Benedicite, mes fils‹ zum Lohn empfingen. Die sonderbare Erscheinung seines Gefährten und ihrer Begleiter nahm jedoch ihre Neugier so sehr in Anspruch, daß sie kaum auf die Frage des Priors von Jorvaulx achteten, ob sie nicht irgendeine Herberge in der Nachbarschaft wüßten. Wahrscheinlich mochte die Sprache, mit der der Segen erteilt worden und die Frage getan ward, in den Ohren der sächsischen Landleute unangenehm, wenn auch nicht unverständlich klingen. Deshalb wiederholte also der Prior, die Stimme erhebend, seine Frage, indem er sich der ›Linqua franca‹ bediente, wie man jene aus Normännisch, Französisch und Angelsächsisch gemischte Sprache zu nennen pflegte:

»Ich fragte euch, meine Kinder, ob sich hier in der Nähe irgendein freundlicher Hauswirt befinde, der um Gottes willen und aus Liebe zur Mutter Kirche zweien ihrer demütigsten Diener mit ihrem Gefolge für diese Nacht gastfreies Obdach und Erquickung gewähren möchte?«

Dies sprach er mit so selbstgefälligem, wichtigem Tone, daß es auffallend gegen die bescheidenen Ausdrücke abstach, deren er sich zu bedienen für gut fand.

›Zwei der demütigsten Diener der Mutter Kirche!‹ wiederholte Wamba bei sich selbst. So sehr er auch Narr war, trug er doch Bedenken, seine Beobachtung laut werden zu lassen; ›nun wahrhaftig, da möchte ich doch ihre Seneschalle, Oberkellermeister und die anderen hohen Hausbeamten sehen.‹

Nachdem er des Priors Frage auf diese Weise ausgelegt hatte, erhob er seine Augen und erwiderte:

»Wenn die ehrwürdigen Väter eine leckere Kost und bequeme Wohnung lieben, so dürfen sie nur noch ein paar Meilen weiter reiten, um in die Abtei Brinxworth zu gelangen, wo ihr Stand ihnen die ehrenvollste Aufnahme sichert. Wollen sie aber die Nacht lieber in Buße und Gebet zubringen, so mögen sie nur den freien Platz dort im Auge behalten, dann kommen sie nach der Einsiedelei von Copmanhurst, wo der fromme Waldbruder ihnen gern den Schutz seiner Klause und die Wohltat seiner Gebete gönnen wird.«

Der Prior schüttelte auf beide Vorschläge den Kopf.

»Mein ehrlicher Freund«, sprach er, »wenn das Läuten deiner Schellen dir nicht den Verstand genommen hätte, so müßtest du den Spruch wissen: Clericus clericum non decimat, das heißt: wir Geistlichen lieben es nicht, gegenseitige Gastfreiheit in Anspruch zu nehmen, sondern ziehen es vor, bei Laien einzutreten, indem wir ihnen so Gelegenheit geben, durch Verehrung und Erquickung der Diener Gottes sich diesem wohlgefällig zu machen.«

»Es ist wahr«, versetzte Wamba, »daß ich, der ich nur ein Esel bin, doch die Ehre habe, ebenso wie Ew. Hochwürden Schellen zu tragen. Aber ich hätte doch geglaubt, daß die Wohltätigkeit der Mutter Kirche und ihrer Diener gleich andrer Wohltätigkeit zu Hause bei sich anfangen müßte.«

»Schweig, frecher Bursche!« versetzte der bewaffnete Reiter, indem er mit starker und ernster Stimme sein Geschwätz unterbrach, »sag uns, wenn du kannst, den Weg zu – nun wie nennt Ihr Euern Franklin, Prior Aymer?«

»Cedric«, antwortete der Prior, »Cedric, dem Sachsen. – Sag mir, guter Bursche, haben wir weit zu seiner Wohnung, kannst du uns den Weg dahin zeigen?«

»Der Weg wird schwer zu finden sein«, antwortete Gurth, der jetzt zum erstenmal den Mund auftat, »auch geht man in Cedrics Hause früh zur Ruhe.«

»Schweig damit, Kerl«, rief der kriegerische Reiter, »sie können leicht wieder aufstehen, um Reisende, wie wir sind, aufzunehmen; wir betteln nicht um Gastfreundschaft, wo wir ein Recht haben, sie zu fordern.«

»Ich weiß nicht«, versetzte mürrisch Gurth, »ob ich denen den Weg zu meines Gebieters Haus zeigen soll, die das Obdach, das die Leute sonst als Gunst erflehen, als ein Recht ansprechen wollen.«

»Willst du mir widersprechen, Sklave?« rief der Kriegsmann, gab dem Rosse die Sporen, ließ es eine halbe Volte über den Weg machen und hob die Reitpeitsche, um die Unverschämtheit des Bauern zu bestrafen.

Gurth warf einen wilden, rachsüchtigen Blick auf ihn und legte mit zögernder, aber kühner Bewegung die Hand an den Griff seines Messers; allein Prior Aymer, der sich mit seinem Maultier zwischen seinen Gefährten und den Schweinehirten drängte, verhinderte die beabsichtigte Gewalttätigkeit.

»Nein, bei der heiligen Mutter, Bruder Brian, Ihr müßt nicht glauben, daß Ihr in Palästina seid und über Heiden und Sarazenen zu gebieten habt; wir Insulaner lieben keine Schläge als die der heiligen Kirche, welche diejenigen züchtiget, die sie lieb hat. – Zeig mir, guter Mensch«, wandte er sich an Wamba, indem er seiner Frage durch eine Silbermünze Nachdruck gab, »den Weg zu Cedrics, des Sachsen Haus; er kann dir nicht unbekannt sein, und es ist deine Pflicht, Wanderer auf den rechten Weg zu weisen, wenn sie auch von minder heiligem Stande wären als wir.«

»In Wahrheit, ehrwürdiger Vater«, antwortete der Spaßmacher, »der sarazenische Kopf Eures verehrten Gefährten hat mir den Heimweg gänzlich aus meinem eigenen hinausgeschreckt – ich bin selbst nicht sicher, ob ich den Weg bei Nacht dahin finden werde.«

»Schweig«, sagte der Abt, »du kannst ihn uns zeigen, wenn du willst. Der ehrwürdige Bruder da hat sein ganzes Leben um die Wiedererlangung des Heiligen Grabes gefochten; er ist vom Orden der Tempelherren, von dem ihr gehört haben werdet, er ist halb Mönch, halb Krieger.«

»Und wenn er auch nur ein halber Mönch ist«, sprach der Spaßmacher, »so sollte er nicht so ganz ungebührlich gegen diejenigen verfahren, die er auf der Straße trifft, auch wenn sie sich einmal nicht beeilen sollten, ihm auf Fragen zu antworten, die sie nichts angehen.«

»Ich vergeb dir deinen Spaß«, erwiderte der Abt, »unter der Bedingung, daß du uns den Weg zu Cedrics Wohnung zeigst.«

»Wohl denn«, antwortete Wamba, »Ew. Hochwürden bleiben immer auf diesem Wege, bis sie zu einem versunkenen Kreuze kommen, das kaum noch einen Fuß hoch vom Boden hervorragt; dann schlagt Ihr den zur Linken ein, und so hoff ich, werden Ew. Hochwürden unter Dach kommen, noch ehe das Wetter heraufzieht.«

Der Abt dankte seinem weisen Ratgeber; und den Pferden die Sporen gebend flogen die Reiter dahin, um noch vor Ausbruch des nächtlichen Sturmes ein Obdach zu finden. Als der Schall der Hufschläge verhallte, sagte Gurth zu seinem Gefährten: »Wenn sie deinem klugen Rate folgen, so werden die ehrwürdigen Väter in dieser Nacht schwerlich Rotherwood erreichen.«

»Nein«, erwiderte schmunzelnd der Narr, »aber nach Sheffield kommen sie gewiß, wenn das Glück ihnen günstig ist, und das ist ein wohlgeziemender Ort für sie. Ich bin kein so schlechter Jägersmann, um dem Hunde das Lager des Hirsches zu zeigen, wenn es mir nicht gefällt, daß er ihn jagen soll.«

»Du hast recht«, sagte Gurth, »es wäre schlimm, wenn dieser Aymer die Lady Rowena zu Gesicht bekäme, und noch schlimmer vielleicht, wenn Cedric mit diesem kriegerischen Mönch in Streit kommen würde. So laß uns also als treue Diener alles hören und sehen und nichts dazu sagen.«

Wir kehren zu unsern Reitern zurück, welche sich kaum von ihren Wegweisern getrennt hatten, als sie in der normannisch-französischen Sprache der höhern Klasse folgende Unterredung anknüpften:

»Wer waren diese unverschämten Kerls und warum verhindert Ihr mich, sie zu züchtigen?« sagte der Tempelherr zu dem Benediktiner.

»Meiner Treu, Bruder Brian«, versetzte der Prior, »es wär ein böses Ding, wenn ich hinsichtlich des einen Rechenschaft ablegen sollte; der andere Kerl aber gehört zu der wilden, stolzen und unbeugsamen Rasse, von der es noch einige gibt, die man, wie ich Euch schon oft sagte, noch immer unter den Abkömmlingen der besiegten Sachsen findet, deren höchstes Vergnügen es ist, durch alle ihnen zu Gebot stehenden Mittel ihren Widerwillen gegen ihre Besieger an den Tag zu legen.«

»Ich wollte ihm gleich Höflichkeit eingebleut haben«, bemerkte Brian, »und bin es gewohnt, mit solchen Starrköpfen umzuspringen. Unsre türkischen Gefangenen sind so trotzig und unbeugsam, als Odin selbst sein konnte; zwei Monate in meinem Haushalt, unter der Fuchtel meines Sklavenmeisters, sind sie so demütig, unterwürfig und dienstfertig, als man nur wünschen kann. Nur vor Gift und Dolch müßt Ihr auf Eurer Hut sein; denn damit sind sie gleich bei der Hand, wenn Ihr ihnen die geringste Gelegenheit dazu gebt.«

»Ei nun, ein jedes Land hat seine eigenen Sitten, und obwohl die Züchtigung dieses Burschen uns nicht den Weg zu Cedrics Wohnung gezeigt hätte, würde sie nur zu Händeln zwischen Euch und ihm geführt haben, wenn wir den Weg doch gefunden hätten. Erinnert Euch, was ich Euch sagte; dieser reiche Franklin ist ein stolzer, jähzorniger und reizbarer Mensch und hält dem ganzen Adel und selbst seinen Nachbarn Reginald Front de Bœuf und Philipp de Malvoisin, die eben keinen Scherz verstehen, Widerpart. Er tritt so mutig zum Schutz der Rechte seines Stammes auf und ist so stolz auf seine gerade Abkunft von Hereward, einem berühmten Kämpen der Heptrachie, daß er gewöhnlich nur Cedric der Sachse genannt wird und eine Ehre darein setzt, von einem Volke abzustammen, das so viele andere aus Furcht zu verleugnen suchen, damit ihnen nicht ein Teil des ›vae victis‹, der Leiden, die den Besiegten treffen, auferlegt werden möchte.«

»Prior Aymer«, entgegnete der Templer, »Ihr seid ein galanter Mann, wohlerfahren im Dienste der Damen, und trotz eines Troubadours in Liebesangelegenheiten bewandert; indessen muß diese berühmte Rowena sehr schön sein, wenn sie die Selbstverleugnung und Geduld aufwiegen soll, die ich aufbieten muß, um mir die Gunst dieses groben Trotzkopfes zu sichern, als den Ihr mir ihren Vater Cedric beschrieben habt.«

»Cedric ist nicht ihr Vater«, entgegnete der Prior, »er ist bloß entfernt mit ihr verwandt; sie ist von höherer Abkunft, als er sich rühmt. Zu ihrem Vormunde hat er sich, wie ich glaube, selbst bestellt; allein sein Mündel ist ihm so teuer wie sein eigen Kind. Über ihre Schönheit sollt Ihr bald selbst urteilen können, und wenn die Vollkommenheit ihrer Gestalt und der majestätische, wenngleich sanfte Ausdruck ihrer blauen Augen Euch nicht alle schwarzlockigen Mädchen Palästinas, ja selbst die Houris in Mohammeds Paradies vergessen läßt, so bin ich ein Ungläubiger und kein echter Sohn der Kirche.«

»Sollte aber Eure gerühmte Schönheit auf der Waage zu leicht befunden werden«, sprach der Templer, »so gedenkt Ihr doch unsrer Wette?«

»Meine goldene Halskette«, antwortete der Prior, »gegen zehn Flaschen Chierwein; sie sind mir so sicher, als lägen sie schon in dem Klosterkeller unter Schloß und Riegel des alten Kellermeisters Dennis.«

»Und ich selbst soll Richter sein«, sagte der Templer, »und meine eigene Überzeugung soll mich zum Geständnis bringen, daß ich seit Pfingsten vor einem Jahr kein schönres Mädchen sah? – Prior, Eure Halskette steht in großer Gefahr. Ich will sie über meinem Ringkragen in den Schranken von Ashby de la Zouche tragen.«

»Gewinnt sie mit Recht«, versetzte der Prior, »und tragt sie, wo Ihr wollt! Ich baue auf Euer Wort als Ritter und Geistlicher, daß Ihr die Wahrheit sagt. Aber, Bruder, folgt meinem Rate und zwingt Eure Zunge zu etwas mehr Höflichkeit, als Euer Umgang mit ungläubigen Gefangenen und morgenländischen Sklaven Euch zu eigen machte. Cedric der Sachse ist leicht beleidigt, und da möchte er auf Eure und meine hohe Würde sowie auf Euer Rittertum wenig Rücksicht nehmen, uns bei Nacht und Nebel aus dem Hause werfen und ein Quartier bei den Lerchen anweisen. Habt auch acht auf Eure Blicke, mit denen Ihr Lady Rowena betrachtet, denn er bewacht sie mit der ängstlichsten Sorgfalt, und sollte er nur den geringsten Argwohn fassen, so sind wir verloren! Man sagt, er habe seinen einzigen Sohn aus dem väterlichen Hause verbannt, weil dieser es wagte, sein Auge zu ihrer Schönheit zu erheben, die man, wie es scheint, nur aus der Ferne anbeten, aber nicht mit andern Gedanken, als die heilige Jungfrau selbst, ansehen darf.«

»Schon gut«, antwortete der Tempelherr, »ich will mir diese Nacht den nötigen Zwang antun, und mich so verschämt als ein Mädchen gebärden; was aber das Hinauswerfen anlangt, dagegen will ich Euch mit meinen Knappen und Hamed und Abdallah hinlänglich schützen. Zweifelt nicht, daß wir Manns genug sind, unser Quartier zu behaupten.«

»Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen«, antwortete der Prior, »aber da ist des Narren versunkenes Kreuz, und die Nacht ist so finster, daß wir kaum etwas von einem Wege unterscheiden können. Er hieß uns, glaub ich, den zur Linken nehmen.«

»Den zur Rechten, soviel ich mich erinnere«, meinte Brian.

»Den linken ganz gewiß, den linken! Ich erinnere mich, wie er dahin mit seinem hölzernen Schwerte wies.«

»Ei, er hielt das Schwert in seiner Linken und deutete quer über seinen Körper hin«, erwiderte der Templer.

Jeder behauptete seine Meinung mit großer Hartnäckigkeit, wie es immer in solchen Fällen zu gehen pflegt; man rief die Diener heran; allein sie hatten zu fern gestanden, als daß sie Wambas Weisung hätten verstehen können. Endlich bemerkte Brian einen Gegenstand, der ihm zuvor in der Dunkelheit entgangen war. »Hier liegt ein Schlafender oder ein Toter am Fuße des Kreuzes – Hugo, stoß ihn mit der Lanze an!«

Dies war kaum geschehen, als die Gestalt sich erhob und in gutem Französisch ausrief: »Wer du auch bist, es ist sehr unhöflich von dir, mich in meinem Nachsinnen zu stören!«

»Wir wünschten nur von dir zu wissen«, sprach der Prior, »wohin es nach Rotherwood, der Wohnung Cedrics des Sachsen, geht.«

»Ich muß auch dorthin«, erwiderte der Fremde; »wenn ich nur ein Pferd hätte, ich wollt Euch dahin führen; der Weg ist schwer zu finden, obwohl er mir sehr gut bekannt ist.«

»Dir soll Dank und Belohnung werden, mein Freund, wenn du uns glücklich dahin bringen willst«, versetzte der Prior und gebot einem seiner Begleiter, sein eignes, lediges Pferd zu besteigen und seinen Klepper dem Fremden zu geben, der ihnen als Wegweiser dienen sollte.

Ihr Führer schlug nun den entgegengesetzten Weg von dem ein, den ihnen Wamba gezeigt hatte, um sie irrezuleiten. Bald führte sie ihr Weg tiefer in den Wald und über mehrere Bäche, denen sich zu nähern durch die sie umgebenden Moräste gefährlich war; allein instinktmäßig schien der Fremde den sichersten Weg und den besten Übergangspunkt zu finden. Vorsichtig und aufmerksam auf die Richtung achtend, brachte er die Reiter auf einen breiteren Waldweg, als sie bis jetzt gefunden hatten, und auf ein weitläufiges, niedriges Gebäude an dessen Ende deutend, sprach er zu dem Prior: »Dort liegt Rotherwood, der Sitz Cedrics des Sachsen.« Dies war eine erfreuliche Nachricht für Aymer, dessen Nerven keine von den stärksten waren und der bei dem Durchreiten jener gefährlichen Sümpfe so viel Angst und Sorge ausgestanden hatte, daß er noch keine einzige Frage an den Unbekannten getan hatte. Als er sich nun aber in Sicherheit und in der Nähe eines Obdachs sah, erwachte seine Neugier, und er fragte seinen Führer, wer und was er sei.

»Ein Pilger, der gerade aus dem Heiligen Lande zurückkehrt«, war die Antwort.

»Da hättest du besser getan, dort zu bleiben und für die Eroberung des Heiligen Grabes mitzukämpfen«, versetzte der Templer.

»Wohl wahr, hochwürdiger Herr«, antwortete der Pilger, dem der Anblick eines Tempelherrn nichts Fremdes zu sein schien, »wenn aber diejenigen, die unter Eid und Pflicht stehen, die Heilige Stadt zu erobern, so weit entfernt von dem Schauplatze ihrer Pflichten angetroffen werden, könnt Ihr Euch da wundern, daß ein friedlicher Landmann, wie ich, ein Unternehmen aufgibt, dem jene sich entzogen haben?«

Der Templer hatte eine zornige Antwort in Bereitschaft, allein der Prior kam ihm zuvor und drückte seine Verwunderung aus, daß ihr Führer nach so langer Abwesenheit die verschlungenen Pfade des Waldes so vollkommen wiederzufinden vermochte.

»Ich bin in dieser Gegend geboren«, versetzte ihr Führer; und bei diesen Worten standen sie vor Cedrics Wohnung, einem niedrigen, unregelmäßigen Gebäude, das mehrere Hofräume und Umzäunungen von bedeutendem Umfang einschloß. Obgleich man daraus auf den Reichtum des Eigentümers schließen konnte, war doch das Haus gänzlich verschieden von den hohen, schloßartigen, mit Türmen versehenen Gebäuden, in denen der normannische Adel wohnte und deren Bauart sich durch ganz England verbreitet hatte.

Indessen war Rotherwood doch auch nicht ganz ohne Verteidigungsmittel, die in jener unruhigen Zeit keine Wohnung entbehren konnte, ohne Gefahr zu laufen, noch vor dem nächsten Morgen geplündert und niedergebrannt zu werden. Ein tiefer Graben, den der nahe Strom mit reichlichem Wasser versah, umgab das ganze Gebäude. Doppelte Palisaden, die der nahe Wald lieferte, beschützten den Graben von außen und innen; von Westen her führte ein Eingang durch die äußern Schutzwehren über eine Zugbrücke, die eine gleiche Öffnung nach den innern Palisaden hatte. Die Eingänge waren auf beiden Seiten der Brücke durch vorspringende Ecken verteidigt, die im Falle der Not mit Bogenschützen oder Schleuderern besetzt werden konnten. Vor diesem Eingange nun stieß der Templer laut in sein Horn; denn der Regen, welcher schon lange gedroht hatte, begann sich in Strömen zu ergießen.

III

Dann kam (schlimmer Trost) von der bleichen Küste,

Die Deutschlands Ozean umbrüllt, in blühnder Kraft

Goldlockig, das blauäugige Volk der Sachsen.

THOMSONS FREIHEITSGESANG

In einer Halle, deren Höhe zu ihrer Länge und Breite in keinem Verhältnis stand, befand sich ein langer, eichener Tisch von rohbehauenen Planken aus dem nahen Walde, der kaum einige Politur erhalten hatte, zu Cedrics des Sachsen Abendessen in Bereitschaft. Das aus Stangen und Balken bestehende Dach trennte nur vermittelst einer Lage von Bohlen und Stroh das Gemach von dem Himmel. Ungeheure Kamine befanden sich an jedem Ende der Halle; da aber der Rauchfang höchst ungeschickt und plump eingerichtet war, so drang wenigstens ebensoviel Rauch ins Gemach, als durch den Rauchzug abgeführt wurde; auch hatte der Rauch die Balken der niedrig gebauten Halle mit einem Firnis von Ruß überzogen. An den Wänden der Halle hingen Jagd- und Kriegsgeräte, und an jeder Ecke befanden sich Flügeltüren, die zu andern Gemächern des weitläufigen Gebäudes führten.

Die andern Einrichtungen im Hause zeugten ebenfalls von der rauhen Einfachheit der alten Sachsenzeit, deren Andenken Cedric überall so gern aufrechtzuerhalten suchte. Der Hausflur bestand aus Erde mit Lehm gemischt, zu einer festen Masse gestampft, wie man es heutzutage bei unsern Scheunentennen findet. Ungefähr ein Viertel der Länge des Gemaches war durch eine Stufe erhöht, und dieser Raum, Dais genannt, ward nur von den Mitgliedern der Familie und den vornehmsten Gästen benutzt. Zu diesem Zwecke stand dort in der Breite des Zimmers ein Tisch, reich mit Scharlach bedeckt, von dessen Mitte der niedrigere und längere Tisch sich bis in die Tiefe der Halle ausdehnte, an dem die Dienerschaft und die untergeordnetern Gäste ihren Platz einnahmen. Das Ganze hatte die Form eines T oder jener alten Mittagstafeln, die, zu gleichen Zwecken eingerichtet, sich noch jetzt in den Kollegien zu Oxford und Cambridge finden.

Massive Stühle von geschnitztem Eichenholz standen auf der Höhe des Dais, und über diesen Sitzen sowie über dem erhöhteren Tische war eine Art von Thronhimmel angebracht, der einigermaßen dazu diente, die Vornehmen, die diesen Ehrenplatz einnahmen, gegen Sturm und Regen zu schützen, der hier und da das schlechte Dach zu durchdringen wußte. Die Wände des obern Teils der Halle waren, soweit jene Erhöhung reichte, mit Vorhängen oder Gardinen, der Fußboden aber mit einem Teppich bedeckt, auf dem eine Art von Stickerei in glänzenden oder vielmehr schreienden Farben zu sehen war. Über dem niedrigeren Tische befand sich, wie wir schon erwähnten, innen kein weiterer Schutz. Die rohen Kalkwände waren hier nackt und der Fußboden unbedeckt; kein Tischtuch war übergebreitet, und rohe Bänke ersetzten die Stühle. In der Mitte des obern Tisches standen zwei Stühle, etwas höher als die übrigen, für den Herrn und die Gebieterin des Hauses, die den Vorsitz bei dem gastlichen Mahle führten und davon ihren sächsischen Ehrentitel ›Brotverteiler‹ erhielten. Zu jedem dieser Stühle gehörte ein Fußbänkchen, sorgsam geschnitzt und mit Elfenbein ausgelegt, um eine besondere Auszeichnung zu beweisen. Einen dieser Sitze hatte jetzt Cedric der Sachse eingenommen, der, wenn auch nur ein Than oder, wie die Normannen ihn nannten, ein Franklin, bei der Verzögerung seines Abendessens dieselbe reizbare Ungeduld verriet, die einem Alderman älterer und neuerer Zeit wohl angestanden hätte.

Der Ausdruck der Züge dieses Gutbesitzers ließ auf eine offene, aber heftige und jähzornige Gemütsart schließen. Er war von mittlerer Größe, aber breitschultrig und von kräftigem starkem Gliederbau; man erkannte in ihm einen Mann, der an die Anstrengungen des Kriegs und der Jagd gewöhnt ist. Sein Gesicht war breit, mit großen blauen Augen, offenen, freien Zügen, feinen Zähnen; sein Kopf war wohlgebildet und hatte einen Ausdruck jener gutmütigen Fröhlichkeit, die sich sehr oft mit einem heftigen, aufbrausenden Gemüte paart. Stolz und Eifersucht sprachen aus seinem Auge, denn sein ganzes Leben war der Verteidigung beständig bestrittener Rechte geweiht; und eben diese Lage hatte stets seinen trotzigen, entschlossenen, raschen Sinn in Wachsamkeit erhalten. Seine langen, gelben Haare, vom Scheitel bis auf die Stirn geteilt, fielen zu beiden Seiten auf die Schultern herab, und obgleich Cedric dem sechzigsten Jahre nahestand, zeigten sich nur wenige Spuren des Ergrauens.

Sein Anzug war ein laubgrüner Leibrock, am Hals und an den Ärmeln mit einem Pelzwerk von geringerem Wert als Hermelin besetzt, das, wie man sagt, von grauen Eichhörnchen genommen ward. Dieser Rock hing ungeknöpft über ein enges, scharlachrotes Unterkleid; seine Beinkleider waren von demselben Stoff und reichten nur bis zum unbedeckten Knie hinab. Sandalen von gleicher Form wie die der Landleute, nur von feinerem Stoff, vorn mit goldenen Schnallen befestigt, bedeckten seine Füße. An den Armen trug er Armbänder von Gold und einen breiten Halsschmuck von demselben Metall um den Nacken. Sein Unterkleid umschloß ein reich verzierter Gürtel, an dem ein kurzes, gerades, zweischneidiges Schwert mit einer scharfen Spitze fast senkrecht herabhing. Hinter seinem Sitze hing ein scharlachroter Tuchmantel mit Pelz besetzt, und eine aus gleichem Stoff bestehende Mütze vollendete die Kleidung des wohlhabenden Gutsbesitzers, wenn er ausgehen wollte. Ein kurzer Eberspieß mit breiter, glänzender Stahlspitze lehnte an seinem Sitze und diente ihm außer dem Hause je nach den Umständen als Stab oder als Waffe.

Verschiedene Diener, die in ihrem Anzug besondere Abstufungen von der reichen Tracht ihres Gebieters bis zu der rohen, einfachen Kleidung des Schweinehirten Gurth darstellten, waren des Winks ihres sächsischen Häuptlings gewärtig. Zwei oder drei Diener von höherem Range standen hinter ihrem Gebieter auf dem Dais; die übrigen hielten sich in dem niedrigeren Raum der Halle auf. Noch eine andere Art Hausgenossen befand sich hier; zwei oder drei große, gesprenkelte Windhunde, wie man sie damals zur Wolfs- oder Hirschjagd hielt; ebenso viele Spürhunde mit dickem Halse, großen Köpfen und langen Ohren, und ein oder zwei kleinere Hunde, jetzt Dachse genannt, warteten mit Ungeduld auf die Ankunft des Abendessens. Allein mit der klugen Kenntnis der Physiognomie, die dieser Tierart eigen ist, wagten sie es nicht, das mürrische Schweigen ihres Gebieters zu unterbrechen, da sie wahrscheinlich einen kleinen Stab fürchteten, der bei Cedrics Teller lag, um die Zudringlichkeit seiner vierfüßigen Leibeigenen zurückzuweisen. Nur ein alter grauer Wolfshund hatte sich als begünstigter Liebling dicht neben dem Staatssessel gelagert und wagte seinen Gebieter gelegentlich an seine Gegenwart zu erinnern, indem er sein zottiges Haupt auf seines Herrn Knie legte und seine Nase unter dessen Hand schob. Doch auch er ward durch das strenge Gebot zur Ruhe verwiesen: »Nieder, Balder, nieder! Ich bin jetzt nicht zu deinen Possen aufgelegt.«

In der Tat war Cedric nicht in der besten Laune. Lady Rowena, die in einer entfernten Kirche die Messe gehört, war eben erst von da zurückgekehrt und wechselte jetzt ihre vom Regen arg durchnäßte Kleidung. Von Gurth und seiner Herde, der schon lange vom Wald hätte eintreiben können, wollte sich noch nichts hören lassen. So wenig war damals das Eigentum gesichert, daß man aus dieser Verzögerung auf Beraubung durch Geächtete, von denen der nahe Forst überfüllt war, oder auf irgendeine Gewalttat eines der benachbarten Barone schließen durfte, die, ihrer Macht sich bewußt, kein Recht auf Eigentum zu achten pflegten. Der Gegenstand war bedeutend genug; denn ein großer Teil des häuslichen Wohlstandes der sächsischen Gutsbesitzer bestand in zahlreichen Schweineherden, besonders in waldigen Gegenden, wo diese Tiere reichliche Nahrung fanden. Außer diesen Gegenständen der Besorgnis sehnte sich der sächsische Than auch nach der Gegenwart seines Lieblingsnarren Wamba, dessen Späße, wie sie auch sein mochten, ihm als Würze seines Abendessens und der kräftigen Züge dienen mußten, mit denen er dieses zu begleiten pflegte. Zu all diesem kam noch, daß Cedric seit Mittag nichts zu sich genommen hatte und seine gewohnte Stunde zum Abendessen schon längst vorüber war – wohl ein wichtiger Grund zum Unwillen der Landedelleute alter und neuer Zeit. – Er drückte sein Mißbehagen in einigen hervorgestoßenen Worten aus, die er bald vor sich hin murmelte, bald gegen seine Dienstboten in der Nähe, besonders aber gegen seinen Mundschenken, laut werden ließ, der ihm von Zeit zu Zeit den silbernen Becher als ein Beruhigungsmittel füllte: »Wo bleibt denn Lady Rowena so lange?«

»Sie macht nur ihren Kopfputz zurecht«, erwiderte eine Dienerin mit einer Vertraulichkeit, wie sie sich nur die Zofe der Lieblingstochter heutzutage gegen den Hausherrn erlauben würde, »Ihr werdet ihr doch nicht zumuten, daß sie mit Mantel und Haube beim Mahle erscheinen soll? Keine Lady in der ganzen Grafschaft kann wohl schneller ihren Anzug ordnen als meine Gebieterin.« Dieser unwiderlegbare Grund bewirkte ein beifälliges Hm! bei dem Sachsen: »Ich wünschte nur, ihre Frömmigkeit wählte sich besseres Wetter zum nächsten Kirchenbesuch zu St. Johns! – Aber in drei Teufels Namen«, fuhr er, an den Mundschenken gewandt, mit erhöhter Stimme fort, als sei er zufrieden, einen Ausweg gefunden zu haben, ohne Zwang und Scheu seinen Unwillen auszulassen, »was hält denn in drei Teufels Namen Gurth so lange draußen? Ich fürchte, wir werden nichts Gutes von der Herde hören. Er war sonst immer ein treuer und vorsichtiger Kerl, und ich hatte ihn schon zu etwas Besserem bestimmt; vielleicht hätte ich ihn zu einem meiner Oberaufseher gemacht.«

Der Mundschenk Oswald wandte bescheiden ein, es sei kaum eine Stunde, seit die Abendglocke geläutet habe; eine übelgewählte Entschuldigung für ein sächsisches Ohr.

»Der böse Feind«, rief Cedric aus, »hole die Abendglocke samt dem tyrannischen Bastard, der sie eingeführt, und dem herzlosen Sklaven, der sie mit sächsischer Zunge vor sächsischen Ohren ausspricht! Die Abendglocke«, fuhr er nach einer Pause fort, »ja, die Abendglocke, die ehrlichen Leuten befiehlt, die Lichter auszulöschen, daß Räuber und Diebe im Dunkeln ihr Wesen treiben können! – Die Abendglocke! Reginald Front de Bœuf und Philipp de Malvoisin kennen den Nutzen der Abendglocke so gut wie der Bastard selbst oder irgendeiner der normannischen Abenteurer, die bei Hastings kämpften. Ich denke, man wird mir die Nachricht bringen, daß mein Eigentum fortgetrieben worden ist, um die lungernden Banditen vom Hungertode zu retten, die ihr Leben durch Raub und Diebstahl fristen. Mein treuer Sklave ist ermordet und mein Eigentum ihnen zur Beute geworden – und Wamba – wo ist Wamba? Sagte nicht einer, er habe Gurth begleitet?«

Oswald bejahte die Frage.

»Ja, es kommt immer besser; auch er ist mit fortgeschleppt, der sächsische Narr, um dem normannischen Lord zu dienen. Wir sind alle Narren, wie wir gehn und stehen, daß wir ihnen dienen, und sind bessere Gegenstände für ihren Hohn und ihr Gelächter, als wenn wir nur mit halbem Verstand geboren wären. Aber ich will mich rächen!« rief er, vom Stuhl aufspringend und voll Ungeduld ob der vermeinten Unbill nach seinem Eberspieß greifend, »ich will mit meiner Klage vor dem großen Rat auftreten; ich habe Freunde, habe Anhänger! – Mann gegen Mann will ich den Normann in die Schranken fordern! Mag er mit seinem Stahlpanzer und allem, was den Feigen zum Helden macht, kommen; schon oft habe ich so einen durch eine festere Rinde geworfen, als drei ihrer Schilde sind! – Sie halten mich für alt; allein sie sollen finden, daß, obgleich ich allein und kinderlos bin, das Blut von Hereward in Cedrics Adern strömt. – Ach, Wilfried, Wilfried!« rief er in leiserem Tone, »hättest du deine unvernünftige Leidenschaft bezähmt, dein Vater würde nicht in seinem Alter der einsamen Eiche gleich dastehn, die ihre vom Sturm entblätterten, unbeschützten Äste dem stürmenden Ungewitter entgegenstreckt!« Diese Betrachtung schien seinen aufgereizten Unmut in Trübsinn zu versenken. Den Speer anlehnend, nahm er seinen Sitz wieder ein, schlug die Augen zu Boden und schien in kummervolles Nachdenken zu versinken.

Aus dieser Stimmung ward Cedric plötzlich durch den Schall eines Horns geweckt, auf den sogleich das Gebell und Geheul der Hunde im Gemach sowohl als von noch zwanzig oder dreißig andern aus den verschiedenen Teilen des weitläufigen Gebäudes antwortete. Es bedurfte der Hilfe des weißen Stabes und der emsigen Bemühung der Dienerschaft, dem Hundegebell ein Ende zu machen.

»Zum Tor, Buben!« rief Cedric hastig, sobald der Tumult soweit beschwichtigt war, daß die Diener seine Stimme vernehmen konnten. »Seht, welche Zeitung uns das Horn bringt – ich fürchte, es kündet mir Gewalttat und Raub auf meinem Gebiete an.«

In weniger als drei Minuten berichtete ein Oberaufseher, daß Prior Aymer von Jorvaulx und der edle Ritter Brian de Bois Guilbert, Komtur des tapfern und hochwürdigen Ordens der Tempelherren, nebst einem kleinen Gefolge gastliche Aufnahme und Herberge begehrten, da sie auf dem Wege zum Turnier wären, das nicht weit von Ashby de la Zouche binnen zwei Tagen abgehalten werden sollte.

»Der Prior Aymer? Brian de Bois Guilbert?« murmelte Cedric, »beide Normannen; – aber Normann oder Sachse, gleichviel, die Gastfreundschaft von Rotherwood soll niemand schmähen dürfen. Sie sind willkommen, da sie hier einsprechen wollen – willkommener wäre es mir, wenn sie ihres Weges weitergeritten wären, aber es wäre unwürdig, wegen einer Nachtherberge und einem Abendessen zu murren; als Gäste wenigstens müssen auch die Normannen ihren Übermut unterdrücken. – Geh, Hundebert«, sprach er zu seinem Haushofmeister, der mit einem weißen Stabe hinter ihm stand, »geh, nimm sechs Diener mit dir und führe die Gäste in das Gastzimmer! Sieh nach ihren Pferden und Mauleseln und sorge, daß ihrem Gefolge nichts abgehe! Laß sie, wenn sie es wünschen, ihre Kleider wechseln; besorge Feuer, Waschwasser, Wein und Ale! Auch den Köchen gebiete, das Abendessen, so gut sie es in der Eile können, herzurichten, und laß es auftragen, sobald die Fremden zu Tische kommen können! Sag ihnen, Hundebert, Cedric selbst würde sie begrüßen, es binde ihn aber ein Gelübde, nie weiter als drei Schritte von dem Dais seiner Halle Gästen entgegenzutreten, in deren Adern nicht das königliche Blut der Sachsen fließt. Geh und sieh, daß sie sorgfältig verpflegt werden, daß sie nicht in ihrem Stolze sagen, der sächsische Kerl habe zugleich seine Armut und seinen Geiz zeigen wollen!«

Der Haushofmeister entfernte sich mit einigen Dienern, um seines Gebieters Befehle zu erfüllen. »Der Prior Aymer!« wiederholte Cedric, Oswald anblickend, »wenn ich nicht irre, der Bruder von Giles von Mauleverer, jetzt Lord von Middleham?«

Ehrerbietig bejahend neigte sich Oswald.

»Sein Bruder ist im Besitze des Gutes und maßt sich das Erbe eines besseren Geschlechts, des Geschlechts der Ulfgar von Middleham an; aber welcher normannische Lord tat nicht dasselbe? Dieser Prior ist, sagen sie, ein freidenkender jovialer Priester, dem das Weinglas und das Jagdhorn lieber sind als die Betglocke und das Meßbuch – gut, laßt ihn kommen; er soll willkommen sein. Wie nanntet ihr den Templer?«

»Brian de Bois Guilbert.«

»Bois Guilbert«, wiederholte Cedric in dem nachdenkenden Tone, der mehr einem Selbstgespräch als einer an seine Umgebung gerichteten Rede glich, wie ein Mann, der nur unter Untergebenen zu leben gewohnt ist. »Bois Guilbert! Böser und guter Leumund ward von diesem Namen weit umher verbreitet. Man sagt, er sei einer der Tapfersten seines Ordens, aber auch mit allen seinen Fehlern, wie Hochmut, Anmaßung, Grausamkeit und Wollust behaftet: ein hartherziger Mann, der weder Furcht vor der Welt noch Scheu vor dem Himmel habe, so sagen die wenigen Krieger, die aus Palästina zurückkehrten. – Gut, es ist ja nur für eine Nacht; auch er soll willkommen sein! – Oswald, zapfe das älteste Weinfaß an; stelle den besten Met, den vornehmsten Morat, den schäumendsten Cyder, den duftendsten Pigment auf den Tisch[1]; fülle die größten Trinkhörner – Templer und Äbte lieben guten Wein und reichliches Maß. – Du, Elgitha, sage deiner Lady Rowena, wir würden sie diesen Abend nicht bei Tisch erwarten, es müßte ihr denn besonderes Vergnügen machen.«

»Es wird ihr aber besonderes Vergnügen machen«, antwortete Elgitha schnell, »denn sie liebt es sehr, das Neueste aus Palästina zu hören.«