Jamie & die Schlange im Paradies - Ira Severin - E-Book
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Jamie & die Schlange im Paradies E-Book

Ira Severin

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Beschreibung

Rebekka Frey ist leidenschaftliche Köchin - und sie hat eine echte Spürnase. Was läge da näher, als das Praktische mit dem Nützlichen zu verbinden und sich als Foodjournalistin auf die Suche von alten Rezepten zu spezialisieren? Ihr neuester Rechercheauftrag führt sie ins Alte Land.

Doch statt auf kulinarische Höhepunkte stößt Rebekka erst einmal auf eine Leiche. Wie gut nur, dass ihr bei der Jagd nach dem Killer jemand mit noch schärferer Spürnase zur Seite steht: Kater Jamie ...

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

1 . Kapitel

2 . Kapitel

3 . Kapitel

4 . Kapitel

5 . Kapitel

6 . Kapitel

7 . Kapitel

8 . Kapitel

9 . Kapitel

10 . Kapitel

11 . Kapitel

12 . Kapitel

13 . Kapitel

14 . Kapitel

15 . Kapitel

16 . Kapitel

17 . Kapitel

18 . Kapitel

19 . Kapitel

20 . Kapitel

Epilog

Rezepte

Überbackene Koteletts mit cremigem Apfel-Zwiebel-Gemüse und Thymian-Püree

Kartoffelkuchen

Apfelchutney

Speckpfannkuchen mit Äpfeln

Apfellikör mit Lavendel

Über die Autorin

Ira Severin liebt Bücher. Nach dem Studium der Anglistik und Germanistik und diversen Erfahrungen in »handfesten« Berufen entschloss sie sich daher, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen und endlich selbst Romane zu schreiben. Sie lebt in ­einer norddeutschen Großstadt – zu ihrem großen Bedauern aktuell ohne Katzen.

IRA SEVERIN

jamie

und die Schlange im Paradies

Ein Katzenkrimi

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Antje Steinhäuser, MünchenTitelillustration: © getty-images/Helmut Hess; © Mediabureau Di Stefano, BerlinUmschlaggestaltung: Mediabureau di Stefano, BerlinE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3100-4

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.de

Für Ramona,die mir in einer schwierigen Zeit beigestanden hat.Danke für Deine schier endlose Geduld beim Zuhören und dafür, dass ich auch mit Dir lachen konnte!

Prolog

Die warme Mittagssonne kitzelte ihn an der Nasenspitze. Er schloss die Augen und träumte von zarten Filetspitzen in cremiger Sahnesoße mit Kartoffelpüree und Brokkoliröschen. Zum Nachtisch vielleicht eine Vanillecreme …

Beim Gedanken an sein Lieblingsdessert riss er erschrocken die Augen auf. Es war nicht gut, an diese köstlichen Speisen zu denken, denn sie brachten die Erinnerungen zurück: an die freundliche Stimme, mit der sie ihn so oft zum Essen gerufen hatte. An die Abende, die er neben ihr auf dem weichen Sofa verbracht hatte, während sie mit der rechten Hand die Seiten ihres Buches umblätterte und ihn mit der linken streichelte. An den Duft ihrer weichen, zärtlichen Finger, die stets nach Lavendelseife rochen, oft aber auch ein bisschen nach Hühnchen, gebratenen Zwiebeln und zerlassener Butter. All das hatte sich angefühlt wie … ein Zuhause, auch wenn er es nicht einmal vor sich selbst zugegeben hätte. Dazu war er viel zu stolz auf seine Selbstständigkeit gewesen. Auf die Freiheit, zu kommen und zu gehen, wann immer es ihm gefiel.

Bei ihr hatte er beides haben können. Selbst wenn er drei, vier oder fünf Nächte fortgeblieben wäre, hätte sie ihm mit einem Lächeln die Tür geöffnet und ihm ein köstliches Essen hingestellt, ohne aufgeregt herumzuschreien oder ihm die Ohren vollzujammern. Dennoch war er nur noch selten länger als eine Nacht durchs Dorf und über die umliegenden Felder und Wiesen gestrichen. Denn wer die Freiheit hatte zu gehen, konnte leichten Herzens bleiben. Jetzt gab es keinen Ort mehr, an dem er es ertragen konnte, hinter einer geschlossenen Tür zu verweilen. Dieses Wissen tat ihm merkwürdig weh.

Vor drei oder vier Nächten hatte der Mond wieder wie ein runder Käselaib am Himmel gestanden, genau wie in jener Nacht, als das Furchtbare geschehen war. Aber der Schmerz fühlte sich immer noch genauso an wie in dem Moment, in dem er begriffen hatte, dass ihre Hand ihn nie mehr berühren würde.

Nach dem ersten Schreck hatte er für sich beschlossen, dass es schließlich genau wie früher sein würde, als er im Dorf herumgestreift war, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie vielleicht doch auf ihn wartete. Es war Sommer. Er konnte die Nächte unter freiem Himmel verbringen und tagsüber an jedem beliebigen Ort in der Sonne schlafen. Wieso war es dann immer noch, als würde ein schwerer Kieselstein in seiner Brust liegen, wenn er an sie dachte?

Als ihn, all die Tage nach ihrem Tod, die Erkenntnis traf, blinzelte er verwirrt in die Sonne. Es ging nicht um gutes Essen und ein warmes Plätzchen im Winter. Sie hatte ihm die Freiheit gegeben, die er brauchte, und sich zugleich um ihn gesorgt. Sie hatte es geliebt, ihn um sich zu haben, und ihm zugleich jederzeit die Tür nach draußen geöffnet. Weil sie verstanden hatte, dass er nur auf diese Weise glücklich sein konnte. Und er hatte sich oft dafür entschieden, lieber die Nacht im Haus zu verbringen, als draußen unterwegs zu sein, weil er spürte, dass sie ein lebendes Wesen um sich brauchte. Sie hatten sich gegenseitig ein Zuhause gegeben. Deshalb hätte er sie beschützen müssen. In jener Vollmondnacht war er jedoch zu spät gekommen, und nun gab es keinen Ort mehr, an dem das Gefühl auf ihn wartete, das er plötzlich vermisste, obwohl er früher nie darüber nachgedacht hatte.

Er wandte den Kopf und schaute durch das geschlossene Fenster in das Zimmer, das von außen seltsam kalt und ungemütlich wirkte, dabei war alles noch fast genauso wie vor vier Wochen. Das Sofa vor dem Kamin, das geblümte Kissen, auf dem er immer gelegen hatte, der polierte Tisch aus dunklem Nussbaum, die beiden schweren Schränke an der Wand, der kleine Schreibtisch, der Fernseher und das große Bücherregal. Nur die Blumen auf dem Tisch, die sie immer ersetzt hatte, sobald sie verblüht waren, und ihre Teetasse auf dem kleinen ovalen Tablett fehlten.

Als er ein leises Rascheln hörte, zuckte ein feuriger Pfeil durch seinen Körper. Der Stein in seiner Brust verschwand, und seine Glieder wurden leicht. Langsam richtete er sich auf, streckte die Krallen vor und starrte nach unten. Die kleine graue Maus, die zwischen den Gänseblümchen durchs hohe Gras huschte, lief in ein Loch neben den Wurzeln des Ginsters. Noch vor wenigen Wochen hätte er sich sofort neben dieses Loch gesetzt und gewartet. Eine Stunde oder auch zwei. Nicht aus Hunger, sondern weil er die Jagd liebte. Weil es um seine Ehre ging – und darum, ihr Grundstück in Ordnung zu halten. Doch das war vorbei.

Er sprang vom Fenstersims und würdigte die Stelle, an der die Maus verschwunden war, keines Blickes. Stattdessen machte er sich auf seine Runde durchs Dorf, obwohl er ganz genau wusste, dass er in keinem der Häuser einen Ersatz für das finden würde, was er verloren hatte. Er kannte jeden Menschen in dem kleinen Ort, und niemand hier konnte ihm das geben, was sie ihm geschenkt hatte: das Gefühl von Freiheit und zugleich eine Heimat.

Aber einige von ihnen waren zumindest in der Lage, ein anständiges Essen zu kochen. Und sie teilten es mit ihm. Nicht alle und nicht immer. Manche nur, weil die Familie gerade nicht da war oder ein Freund sie enttäuscht hatte. Manche, weil sie sich so einsam fühlten, dass jede Gesellschaft besser war als gar keine. Manche, weil sie ein gutes Herz hatten und befürchteten, ein streunender Kater könnte womöglich verhungern. Was natürlich lachhaft war, denn er konnte so viele Mäuse und Vögel fangen, wie er nur wollte – wenn er es wollte.

Die Einsamen waren die, die ihm einen Namen gaben, und das bedeutete, dass sie ihm die Freiheit nehmen wollten. Deshalb hörte er auf Oskar genauso wenig wie auf Blacky oder Anton. Und nach dem Essen ging er sofort wieder. Auch wenn er dazu eine verschlossene Tür zerkratzen musste, weil man sie ihm nicht sofort öffnete.

Bevor er das Grundstück verließ, auf dem er sich einmal zu Hause gefühlt hatte, wandte er noch einmal den Kopf und betrachtete das kleine reetgedeckte Haus, in dem sonst um diese Zeit die Töpfe und das Geschirr geklappert hatten. Ob es für immer still bleiben würde?

Für einen Moment hatte er das seltsame Gefühl, er müsste nur lange genug warten, und dann würde alles wieder gut werden. Doch sofort schalt er sich wegen der Dummheit, denn eine Maus, die er einmal getötet hatte, wurde niemals wieder lebendig. Und so war es auch mit den Menschen. Sie kehrten nicht von den Toten zurück.

Während er die Dorfstraße entlangschnürte, warf er keinen Blick zurück. Dennoch hatte er das Gefühl, dass die Fenster des kleinen Hauses ihm wie leere Augen nachschauten. Und in einer kleinen Ecke seines Herzens spürte er die leise Hoffnung, eines Abends wieder Licht hinter diesen Fenstern zu sehen.

1. Kapitel

Rebekka summte leise vor sich hin, während sie die letzten Punkte von der To-do-Liste erledigte, die sie vor jeder Reise systematisch durchging. Seit sie als feste Freie bei Countryside arbeitete, war sie mehrmals im Jahr für einige Wochen von zu Hause fort. Von ihrer ersten Recherchereise war sie nach zwölf Stunden Abwesenheit noch einmal in ihre Wohnung in Osnabrück zurückgekehrt, um zu überprüfen, ob sie tatsächlich den Herd ausgeschaltet hatte. Seitdem existierte die Liste auf ihrem Smartphone, die inzwischen mehr als hundert Punkte umfasste. Denn es ging nicht nur darum, ihr Zuhause in Sicherheit zu wissen. Es gab auch eine Menge Dinge, auf die sie unterwegs keinesfalls verzichten wollte.

»Wo ist denn …?«, murmelte sie vor sich hin und eilte von der Küche ins Wohnzimmer und von dort weiter in ihr kleines Arbeitszimmer. Schließlich fand sie ihre Lieblingspfanne auf dem Tischchen in der Diele, wo sie sie schon am Vorabend bereitgestellt hatte.

Gerade war sie dabei, die rote Mohairdecke zusammenzurollen, in die sie sich an kühlen Abenden auf der Couch einkuschelte, als irgendwo in der Wohnung ihr Handy seinen Lockruf erklingen ließ. Sie fand es in der Küche neben dem Herd.

»Hallo, Häuptling!«, begrüßte Rebekka nach einem kurzen Blick aufs Display ihren besten Freund York. Seinen Spitznamen trug er seit der gemeinsamen Schulzeit, als er der Anführer einer zwar berüchtigten, aber harmlosen Jungsclique gewesen war. Inzwischen nannte ihn außer Rebekka niemand mehr so.

»Rebekka?«, kam eine piepsige Frauenstimme vom anderen Ende der Leitung.

»Wer ist denn da?« Irritiert runzelte Rebekka die Stirn.

»Mari«, wisperte es leise aus dem Telefon.

»Marie? Welche Marie? Das ist doch Yorks Nummer.« Sie versuchte mit einer Hand weiter die Decke zusammenzulegen, produzierte jedoch nur ein unordentliches Knäuel.

»Mari – nur mit i hinten. Von Marietta«, korrigierte die Frauenstimme sie ein wenig lauter. »Wir haben uns neulich kennengelernt. Bei dem Weinfest in der Innenstadt. Ich bin Yorks neue Freundin. Seit fast zwei Wochen.«

»Ach so! Entschuldige. Manchmal ist es schwierig, mit Yorks Tempo mitzuhalten.« Als der Satz heraus war, biss Rebekka sich sofort auf die Unterlippe. Möglicherweise wusste die mädchenhafte Marietta mit den großen blauen Augen nicht, dass sie in diesem Jahr schon Yorks dritte feste Freundin war, obwohl gerade erst der August angefangen hatte. Länger als vier bis sechs Wochen hielt er es mit keiner aus, und nach der von Seiten der Frauen meistens tränenreichen Trennung dauerte es stets kaum einen Monat, bis er eine Neue hatte.

Marietta stieß ein zartes Lachen hervor. »Ja, York ist ein dyna­mischer Typ. Das finde ich besonders toll an ihm.« Offenbar hatte sie Rebekkas Bemerkung nicht verstanden, was vielleicht besser war. »Er hat sein Handy zu Hause vergessen, und da dachte ich mir, ich nutze die Chance und frage dich, was er für besondere Vorlieben hat.«

Für einen Moment blieb Rebekka die Luft weg. Dann musste sie grinsen. Je mehr York die Frauen in seinem Leben auf Abstand hielt, umso eifriger versuchten sie, ihn einzufangen. Warum nicht mit Sex? So schrecklich erfinderisch war dieser Gedanke nun auch wieder nicht.

»York und ich … Wir waren nie zusammen«, erklärte sie ruhig. »Ich habe keine Ahnung, was er im Bett gut findet, und selbst wenn, würde ich nicht …«

»Nein, nein, das habe ich nicht gemeint. O Gott, wirklich nicht.« Jetzt schien Marietta diejenige zu sein, die keine Luft bekam. »Ich möchte ihm etwas kochen. Damit er sieht, dass es viele Vorteile hat, mit einer Frau zusammen zu sein. Leider kann ich nicht besonders gut kochen. Und ich habe keine Ahnung, was er gern isst.«

Rebekka unterdrückte einen Seufzer. Schon wieder hatte York ganz unabsichtlich mit seiner unverbindlichen Art eine verzweifelte Frau dazu gebracht, sich ordentlich ins Zeug zu legen, um ihn von sich zu überzeugen. »Mit Essen wirst du ihn nicht zu einem Schwiegermuttertraum machen«, erklärte sie streng.

»Aber man sagt, Liebe geht durch den Magen.« Im Gegensatz zu Rebekka gab Marietta sich keine Mühe, einen tiefen Seufzer zurückzuhalten. »Wenn es ein einfaches Rezept wäre, das trotzdem richtig lecker ist …«

»York mag im Grunde alles Herzhafte. Gut gewürzt sollte es sein und mit einer großen Portion Fleisch.«

»Steak?«, piepste es hoffnungsvoll durch die Leitung.

»Das kommt sicher gut an«, stimmte Rebekka heiter zu und kam sich ein bisschen gemein vor. Wenn Steaks nicht auf den Punkt gebraten waren, verwandelten sie sich gern in ungenießbare Schuhsohlen. Obwohl sie sich einbildete, eine Menge vom Kochen zu verstehen, war ihr das in einem unkonzentrierten Moment schon mehr als einmal passiert.

»Steak ist einfach«, stellte Marietta entschlossen fest.

»Wenn man es kann«, pflichtete Rebekka ihr in unverbind­lichem Ton bei.

»Warst du wirklich nie mit York zusammen?« Die Frage kam zögernd und ein bisschen ungläubig.

»Du liebe Güte! Nein!« Obwohl Marietta sie nicht sehen konnte, schüttelte Rebekka heftig den Kopf. »Wir waren immer nur Freunde, was anderes kam für uns nie infrage. Wegen ein bisschen Sex würde ich unsere Freundschaft niemals aufs Spiel setzen. Während York drei Jahre in London war, hatten wir nicht mal Kontakt. Als er zurückkam, sind wir uns zufällig in der Fußgängerzone über den Weg gelaufen. Jetzt treffen wir uns regelmäßig zum Essen oder auf ein Glas Wein und finden es schön, dass wir gemeinsame Erinnerungen an unsere schrecklichen Lehrer und unsere wilde Studienzeit haben.«

»Gut.« Das klang erleichtert, und Rebekka musste schmunzeln.

Selbst wenn sie auf diese Weise für York empfunden hätte, was sie definitiv nicht tat – niemals wäre es ihr eingefallen, sich in die endlose Schlange seiner Kurzaffären einzureihen. Denn sie würde noch da sein, wenn Marietta längst Geschichte war wie all die anderen sexy Frauen mit langen Haaren und ebensolchen Beinen, die sich York eine nach der anderen an den Hals warfen. Im Gegensatz zu diesen Frauen konnte sie mit ihm lachen und lästern und sich auf ihn verlassen, wenn sie Hilfe brauchte. Was ein gutes Gefühl war. Viel besser als der Tanz auf dem Vulkan, den die meisten Beziehungen darstellten, in denen von großen Gefühlen und Auf-immer-und-Ewig gesprochen wurde.

Bei diesem Gedanken schnürte es Rebekka kurzzeitig die Kehle zu, doch sie rief sich sofort zur Ordnung und konzen­trierte sich wieder auf Marietta.

»Versuch es mit einem guten Essen, aber versprich dir nicht zu viel davon.« Bevor sie sich von der wahrscheinlich trotzdem immer noch hoffnungsvollen jungen Frau verabschiedete, wünschte sie ihr viel Erfolg mit dem Steak. Dann widmete sie sich wieder ihrer To-do-Liste. Da sie so viele andere Dinge mitnehmen musste, ließ sie bis auf die Gewürze alles Essbare weg. Wenn sie bald losfuhr, hatte sie nach ihrer Ankunft noch genügend Zeit, ein paar Lebensmittel zu besorgen, bevor die Geschäfte schlossen.

Das kleine Ferienhaus, das sie für die nächsten vier Wochen gemietet hatte, wirkte auf den Fotos im Internet urgemütlich, sie hatte aber festgestellt, dass der nächste größere Supermarkt mehr als fünfzehn Autominuten entfernt lag. Da ihr Mini-Cooper bis unters Dach vollgestopft war, konnte sie auf der Hinfahrt nicht einfach irgendwo anhalten, um etwas Brot, Aufschnitt, Obst und Gemüse zu kaufen. Sie hasste es, ohne Vorräte zu sein, aus denen sie sich jederzeit nach Lust und Laune kleine Mahlzeiten zubereiten konnte. Ganz zu schweigen von den neuen Rezepten, die sie gern sofort ausprobierte, nachdem sie ihr jemand verraten hatte. Das erforderte eine gewisse Planung bei der Vorratshaltung – und Geschäfte in der Nähe. Aber eine gute halbe Stunde Fahrzeit hin und zurück ließ sich bewältigen, wenn sie einfach nicht daran dachte, dass sie zu Hause in Osnabrück zum nächsten Supermarkt zwei Minuten brauchte.

Nachdem sie die Haustür hinter sich zugezogen und den Schlüssel zwei Mal umgedreht hatte, schlenderte sie mit der Bratpfanne in der Hand zu ihrem Mini-Cooper und schob ihre unverzichtbare teflonbeschichtete Reisebegleiterin unter den Beifahrersitz, was ihr nur gelang, indem sie den Stiel zwischen die kleine Reisetasche und den metallicglänzenden Kosmetikkoffer klemmte. Wenn sie jemals auf dem Weg zu einer ihrer Recherchereisen von der Polizei angehalten wurde, würde sie wahrscheinlich eine strenge Verwarnung wegen schlecht verstauten Transportguts erhalten. Aber bisher war immer alles gut gegangen, und sie beschloss, weiterhin optimistisch zu sein. Fröhlich stieg sie ein.

Bevor sie den Motor startete, zog sie ihr Smartphone hervor, um York eine Nachricht zu schicken. Wie immer, wenn sie für längere Zeit verreisen musste, würde er gelegentlich in ihrer Wohnung nach dem Rechten sehen.

Auto ist gepackt, und ich starte jetzt ins Alte Land. Wenn das Land so alt ist, werde ich mich hoffentlich jünger fühlen. Heute um 6 Uhr aufgestanden. Komme mir wie 100 vor. Dir guten Appetit und kräftige Zähne!

Natürlich würde York sich über ihre abschließende Bemerkung wundern. Und er würde ihr bei nächster Gelegenheit beteuern, dass sie mit ihren achtunddreißig Jahren selbstverständlich noch jung sei. Schließlich war er selbst ein gutes Jahr älter und ging mit Riesenschritten auf die vierzig zu. Sie wusste, dass es ihn vor diesem runden Geburtstag ein bisschen graute, deshalb zog sie ihn gern damit auf. Was ihr half, ihren eigenen schon bald bevorstehenden Übergang ins fünfte Lebensjahrzehnt zu verdrängen.

Sie legte ihr Handy auf die Mohairdecke, die sich den Beifahrersitz mit ihrer kleinen DeLonghi teilte. Ihren Kaffeeautomaten wickelte sie für den Transport immer in genoppte Plastikfolie und schnallte ihn so sorgfältig wie einen geliebten Menschen fest. Ein einziges Mal hatte sie die DeLonghi zu Hause gelassen, weil sich laut Internet ganz in der Nähe ihrer Unterkunft ein Café befand. Das Zeug, das man ihr dort als Cappuccino verkauft hatte, war nahezu ungenießbar gewesen, mit dem Ergebnis, dass sie fast jeden Tag bis mittags schlecht gelaunt gewesen war.

Kaum hatte sie den Motor gestartet und den Wagen in der Auffahrt gewendet, zeigte ein leises Surren ihr an, dass York geantwortet hatte. Bevor sie auf die Straße fuhr, hielt sie an und las seine Nachricht.

Appetit worauf??? Hast Du in Deinem Kühlschrank was von dem geilen Schinken von neulich zurückgelassen? Der zerging doch aber auf der Zunge!

In der vergangenen Woche hatte Rebekka ihren alten Freund als verfrühtes Abschiedsessen zu einem sommerlichen Menü eingeladen, über das sie wenige Tage zuvor in ihrem Blog geschrieben hatte. Über die Vorspeise – zarte Schweinefiletscheibchen, die sie zusammen mit gehackten Aprikosen in Serranoschinken gewickelt und mit Cognacsahne serviert hatte – war York schier außer sich geraten.

Verfressener Kerl! Serranoschinken gibt es vorerst wahrscheinlich in ganz Osnabrück nicht mehr zu kaufen. Du hast am Donnerstag alle Vorräte vernichtet. Vielleicht nächstes Jahr wieder, wenn die in Spanien neue Schweine gezüchtet haben.

Grinsend legte sie ihr Smartphone weg, startete den Motor wieder und machte sich auf den Weg ins Alte Land.

*

Casjen stieß sich mit einem Fuß vom Boden ab und ließ die Hängematte unter dem alten Pflaumenbaum heftig hin- und herschaukeln. Nach vielen verregneten Wochen war dies der erste warme Tag. Er hatte lange darauf gewartet, die Sonnenstrahlen wieder wie fiebrige Finger auf der Haut zu spüren. Endlich war es so weit. Seine Mutter hatte ihm erlaubt, sein blau kariertes Lieblingshemd mit den kurzen Ärmeln anzuziehen. Allerdings wusste sie nichts davon, dass er die Hängematte aus dem Keller geholt und zwischen den beiden knorrigen Zweigen aufgehängt hatte, an denen sie schon während seiner Kindheit befestigt gewesen war.

»Das alte Ding wird eines Tages zerreißen, und dann knallst du mit Schwung auf den Boden!«, sagte sie immer. Aber dann erlaubte sie ihm doch jedes Mal, noch einen Sommer auf den Maschen aus grobem Sisal zu liegen und hinauf in die Blätter zu sehen. Oder hinüber zu Lydias Haus, das seit ein paar Wochen so traurige Fenster hatte, dass er manchmal dachte, sie würden gleich anfangen zu weinen.

Er hatte geweint, als die schwarz gekleideten Männer Lydia in einer Holzkiste aus dem Haus gebracht und in das große Auto geschoben hatten. Noch bevor seine Mutter es ihm gesagt hatte, hatte er gewusst, dass seine freundliche Nachbarin nie wiederkommen würde. Er hatte ihre Teeküchlein mit Zuckerguss gemocht und ihre schmalen, runzligen Hände, mit denen sie ihm manchmal die Haare aus der Stirn gestrichen hatte.

»Bewahre dir einen klaren Blick, Casjen«, hatte sie dann zu ihm gesagt und ihn dabei so lieb angelächelt, dass es ganz warm in seinem Bauch wurde. »Sieh die Welt, wie sie ist, tritt für das ein, was wahr und richtig ist, und lass dir nie einreden, du wüsstest nicht, worum es geht. Das weißt du besser als so mancher von den neunmalklugen Männern mit Anzug und Krawatte.«

Er verstand nicht genau, was sie damit meinte, aber es gefiel ihm, dass sie mit ihm redete wie mit einem Erwachsenen.

Er war erwachsen. Vier Mal alle seine Finger und dazu noch einmal die Finger von einer Hand. Das war eine lange Zeit, auch wenn die Vergangenheit in seinem Kopf als Durcheinander aus bunten Bildern und verschwommenen Gesichtern herumtanzte. Und er verstand tatsächlich viel mehr, als fast alle um ihn herum glaubten. Meistens wusste er auch ganz genau, was richtig und was falsch, was böse und was gut war.

Zwar verwirrten sich die Gedanken in seinem Kopf oft wie die Fäden, die aus den Wollresten im Strickkorb seiner Mutter he­raushingen. Aber wenn er sich anstrengte, konnte er sie genauso sortieren, wie er es mit der bunten Wolle machte, und dann an dem roten, dem blauen oder dem grünen Gedankenfaden entlangspazieren. Für einen Moment war dann alles ganz klar – bis ein Windstoß in seinen Kopf blies und die Fäden wieder durcheinanderbrachte.

Nie reichte die Zeit der klaren Gedanken, um die Wörter so aufzufädeln, dass sie für andere Menschen einen Sinn ergaben. Sie purzelten aus seinem Mund wie bunte Bauklötze aus einem Sack. Deshalb hörte ihm niemand mehr zu. Nicht mal seine Mutter.

Er nahm das leise Geräusch wahr, mit dem weiche Pfoten im Gras landeten, und schaute wieder hinüber zu Lydias verlassenem Haus. Der schwarze Kater war vom Fenstersims gesprungen, von wo er in das leere Wohnzimmer gestarrt hatte. Das tat er seit dem Tag, an dem sie Lydia weggebracht hatten, ziemlich oft. Casjen wusste genau, dass er das, was er dort zu sehen hoffte, nie mehr sehen würde. Und ihm war klar, dass der Kater ebenso klug war. Dennoch tauchte er immer wieder auf, als müsste er sich davon überzeugen, dass Lydias Verschwinden kein böser Traum gewesen war. Nun ging er quer über das ungemähte Gras zur Straße, ohne sich noch einmal umzuschauen. Aber er würde wiederkommen.

Casjen wandte den Blick erst ab, als der Kater auf Höhe des Goldenen Schwans von der Hauptstraße abbog. Zwar waren seine Gedanken oft träge und seine Zunge langsam und ungelenk, aber er konnte jeden noch so schwachen Laut besser hören als alle anderen Menschen um ihn herum. Und seine Augen waren so scharf, dass er von seiner Hängematte aus genau erkennen konnte, dass der Kater das obere Ende seines steil aufgestellten Schwanzes nach links abgeknickt hatte, als wollte er im Straßenverkehr die Richtung anzeigen, in die er sich gleich wenden würde. Dann war der Kater aus seinem Blickfeld verschwunden.

Als er das sanfte Schnurren eines schweren Wagens hörte, der beim Näherkommen langsamer wurde, wandte Casjen erstaunt den Kopf. Seine Mutter und er bekamen selten Besuch, und wenn jemand zu ihnen kam, dann niemals mit dem Auto. Lydia hatte Leute gekannt, die ein Auto besaßen, aber wo auch immer sie jetzt war, ihre Gäste konnten sie nicht mehr in ihrem Haus besuchen.

Casjen erkannte das schimmernde schwarze Auto mit den komischen grauen Scheiben, durch die man nicht ins Innere blicken konnte, sofort. Er fragte sich jedes Mal, wie der Fahrer den Wagen steuerte, wenn er gar nichts sah. Irgendwie schaffte er es sogar die schmale Einfahrt zum Nachbarhaus entlang, ohne die Blumen auf den Beeten neben dem Weg plattzufahren. Aber eigentlich wäre es nicht so schlimm gewesen, wenn die Blumen etwas abbekommen hätten, denn Lydia würde es nicht mehr sehen.

Vielleicht guckte sie aber doch von irgendwo da oben zu. Cas­jen legte den Kopf in den Nacken und musterte die kleinen weißen Wölkchen am Himmel. Dann wurde ihm die Vorstellung unheimlich, dass sie ihn vielleicht sehen konnte, er sie aber nicht, und er schaute schnell wieder zu dem Auto hinüber. Gerade stieg der Mann aus, der früher manchmal zu Lydia gekommen war und der eine Menge von ihren Sachen in Pappkartons aus dem Haus geholt hatte, nachdem die Männer sie in dem Holzkasten weggebracht hatten.

Bei diesem Mann konnte man nicht erkennen, ob er traurig oder fröhlich war. Vielleicht war er einfach gar nichts. Alles an ihm war grau. Seine Haare, seine Anzüge, sogar die Haut seiner Hände und seines Gesichts. Lydia hatte Casjen einmal erzählt, dass dieser Mann ihr Bruder war. Zwar hatte Casjen keinen Bruder und wusste deshalb nicht genau, was er sich darunter vorstellen sollte, aber es war wohl jemand, den man gut kannte. Wieso Lydia mit ihren blitzenden Augen, den leuchtend weißen Haaren und den bunten Blusen einen grauen Mann zum Bruder hatte, verstand Casjen nicht. Es gab viele Dinge, die er nicht begriff und über die er lange nachdachte, wenn er in der Hänge­matte oder nachts in seinem Bett lag. Er dachte gern nach, obwohl es schwierig war, eine Antwort auf eine der vielen Fragen zu finden, die in seinem Kopf wie in einem Karussell ihre Runden drehten.

Der graue Mann klimperte mit einem Schlüsselbund, während er auf die Tür von Lydias Haus zuging. Bevor er aufschloss, blieb er stehen und blickte sich um. Ganz sicher sah er auch Casjen unter dem alten Pflaumenbaum, aber er verzog keine Miene und winkte auch nicht herüber, wie Lydia es getan hätte.

Als ein kleines silbernes Auto mit Schwung in die Einfahrt des Nachbarhauses einbog und neben dem großen schwarzen Wagen hielt, setzte Casjen sich vor lauter Überraschung ker­zen­gerade auf. Die Hängematte geriet in Bewegung, schaukelte heftig hin und her, und er fiel ins Gras. Das kümmerte ihn in diesem Moment aber wenig. Ihn interessierte nur, was nebenan passierte. Zwei Besucher gleichzeitig, obwohl Lydia gar nicht mehr da war!

Er stemmte sich mit beiden Ellenbogen hoch und sah zu, wie eine Frau aus dem kleinen Auto stieg. Sie trug zu ihren Jeans eine rote Bluse, und ihre hellen Augen blitzten in der Sonne wie Silber. Mit einer schwungvollen Armbewegung winkte sie dem grauen Mann zu und eilte zur Haustür, wo er auf sie wartete.

Dort schüttelte sie ihm die Hand, sagte »Guten Tag, Herr Damann« zu ihm und warf den Kopf in den Nacken, dass ihre dunklen Locken nur so tanzten.

Lydias Bruder schob seinen Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Bevor die Frau mit ihm im Haus verschwand, sah sie sich im Garten um. Dabei glitt ihr Blick auch zu dem Pflaumenbaum herüber, unter dem Casjen immer noch im Gras lag. Als sie ihn entdeckte, verzog sie den Mund zu einem Lächeln.

»Was für ein schöner Tag, nicht wahr?«, rief sie ihm zu. »Genau richtig, um ihn im Garten zu genießen.«

Casjen hütete sich, den Versuch zu machen, ihr zu antworten. Zwar hatte er die Worte, die er auf ihren freundlichen Gruß erwidern wollte, so ungefähr im Kopf, aber sie würden als großes Durcheinander über seine Lippen purzeln. Dann wusste die schöne Frau da drüben sofort, dass er nicht war wie die anderen Männer, die sie kannte. Natürlich würde sie es sehr bald erfahren, aber bis dahin glaubte sie vielleicht, dass er war wie Tim Burger, der mit seiner Frau auf der anderen Seite von Lydias Haus wohnte und jeden Morgen einen schönen Anzug anzog, um mit seinem dunkelblauen Kombi zur Arbeit zu fahren.

Also nickte Casjen der fremden Frau nur eifrig zu, während er immer noch bäuchlings im Gras lag. Sie nickte zurück und verschwand dann hinter dem grauen Mann in Lydias Haus.

Noch lange starrte Casjen die geschlossene Haustür an. In seinem Bauch kribbelte es, wenn er an das Lächeln der Fremden dachte. Als hätte er gerade Brause getrunken. Die Art, wie sie ihren Mund ein bisschen öffnete und dabei die Lider zusammenkniff, erinnerte ihn an Lydia. Aber wenn er Lydia angesehen hatte, war kein Blubbern in seinem Bauch gewesen. Was vielleicht daran lag, dass die Frau mit den silbernen Augen viel jünger und hübscher war als seine frühere Nachbarin.

Nach ein paar Minuten rappelte Casjen sich vom Boden hoch und begann, die Gladiolen seitlich am Haus zu pflücken. Er wollte der fremden Frau Blumen schenken. Vielleicht lächelte sie ihn dann noch einmal an.

2. Kapitel

»Sie sind also hergekommen, um ein Kochbuch zu schreiben?« Friedrich Damann musterte Rebekka misstrauisch, als würde sie versuchen, sich unter falschen Voraussetzungen in sein Ferienhaus einzuschleichen. Er war einer jener dynamisch wirkenden Männer Anfang sechzig, die noch lange nicht an so etwas wie Ruhestand zu denken schienen. Sein grauer Sommeranzug wirkte teuer. Vielleicht war er sogar maßgeschneidert. Rebekka gehörte nicht zu den Frauen, die solche Dinge auf den ersten Blick erkannten.

Der schwarze Wagen, mit dem er gekommen war, gehörte jedenfalls eindeutig zur Oberklasse, dessen war sie sich sicher, obwohl sie nicht auf die Marke geachtet hatte. Es verwunderte sie etwas, dass ein so offensichtlich wohlhabender Mann sich höchstpersönlich um die Vermietung eines Ferienhäuschens kümmerte. Vielleicht gehörte er zu jenen Menschen, die selbst die kleinste Kleinigkeit in ihrem Berufs- und Privatleben unter Kontrolle haben mussten.

Als Antwort auf seine Frage nickte sie heftig. Es schien ihr plötzlich ungeheuer wichtig, ihn von sich als vorübergehender Mieterin zu überzeugen. Sie hatte nichts Schriftliches in der Hand. Das Häuschen hatte sie im Internet gebucht und sich anschließend per Mail mit Friedrich Damann zur Schlüsselübergabe am heutigen Tag verabredet. Zwar hatte sie die Unterlagen ausgedruckt, nur leider waren sie irgendwo in ihrem bis unters Dach vollgestopften Auto verschollen, nachdem sie sie von ihrer To-do-Liste abgehakt hatte. Es bestand kaum eine Chance, sie innerhalb einer angemessenen Zeit zu finden. Friedrich Damanns kritischer Blick weckte die Angst in ihr, er könnte ihr den Einzug in sein Haus verweigern. Sie hatte aber nicht die geringste Lust, sich nach einer anderen Bleibe für die nächsten Wochen umzusehen. Zumal sie unbedingt eine eigene Küche brauchte. Und in einer Pension konnte sie die Rezepte, die sie in dieser Gegend sammeln wollte, nicht ausprobieren.

Ein einziges Mal hatte sie eine Pensionswirtin gebeten, ihre in den Abendstunden verwaiste Küche benutzen zu dürfen. Die dralle Frau war ihr nicht von der Seite gewichen, hatte überall im Weg gestanden und sie so misstrauisch beobachtet, als fürchtete sie, Rebekka könnte sich den uralten Elektroherd unter den Arm klemmen und damit das Weite suchen. Als sie eines Abends noch einmal zurück in die Küche gekommen war, um sich einen Tee zu machen, hatte Rebekka die Wirtin tatsächlich beim Zählen der Messer ertappt. Dabei waren die Dinger alle so stumpf gewesen, dass man kaum ein Stück Butter damit schneiden konnte. Eine Pension kam daher nur noch in absoluten Notfällen infrage.

Obwohl sie vom Inneren des Häuschens in Bradehusen nur ein paar wenig aussagekräftige Bilder aus dem Internet kannte, spürte sie, dass sie unbedingt hierbleiben wollte. Sie mochte die blanken Messinghaken der Garderobe neben der Haustür, den bunten Flickenteppich auf dem Dielenboden und das antike Holzschränkchen, auf dem eine emaillierte Schüssel mit einigen Schlüsseln darin stand. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden ihr dann auch die Küche und die übrigen Räume gefallen. Dies war nicht das erste Ferienhaus, das sie während einer Recherchereise bewohnte, und es war immer so gewesen, dass sie im ersten Moment gewusst hatte, ob sie sich während der kommenden Wochen dort wohlfühlen würde oder nicht.

»Ich arbeite für die Countryside«, sprudelte sie heraus und fragte sich im selben Moment, ob sie einen erfolgreichen Geschäftsmann durch ihre Arbeit für eine Lifestyle-Zeitschrift, in der das Leben auf dem Land romantisch verklärt wurde, von ihrer Seriosität überzeugen konnte.

»Nie gehört«, erklärte er knapp.

»Vor allem betreue ich den Internet-Blog mit traditionellen Rezepten, die an die Erfordernisse der modernen Ernährung angepasst werden«, fuhr sie entschlossen fort. »In meinem Blog erzähle ich auch Anekdoten über den Landstrich, in dem ich mich gerade aufhalte. Und über seine Bewohner. Das kommt sehr gut an.« Sie stockte, als sie sah, dass Damann seine Stirn in noch tiefere Falten legte.

»Ich hoffe, ich erscheine nicht in irgend so einem Block.« Er sprach das Wort mit einem knackenden K und einiger Missbilligung aus.

»Natürlich nicht«, beteuerte sie hastig. »Sie sind … Was sollte ich für Anekdoten über Sie erzählen? Äh … hier im Alten Land hoffe ich vor allem, viel über Äpfel zu erfahren. Die regionale Küche verwendet Äpfel in herzhaften und in süßen Speisen, aber mich interessieren auch Gerichte mit anderen Zutaten. Aus den Ergebnissen meiner Recherche soll dann neben ein oder zwei Artikeln auch ein Kochbuch entstehen, das der Verlag veröffentlichen wird, bei dem auch Countryside erscheint.«

»Aha«, machte Damann und verzog zu ihrer Erleichterung den Mund zu etwas, das entfernt an ein Lächeln erinnerte. »Country. Hm.«

Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass er noch nie etwas von der Zeitschrift gehört hatte. Ihre Mutter, die zu Damanns Generation gehörte, verriet ihren Bekannten nur, wenn sie nicht anders konnte, für welches Blatt ihre Tochter schrieb. Dabei fand Rebekka, dass es keinen Grund gab, sich zu schämen, wenn man für ein Hochglanzmagazin mit einer Auflage von hunderttausend Exemplaren schrieb. Dennoch kam sie in Situationen wie dieser leider doch manchmal ins Grübeln.

»Im Internet habe ich gelesen, dass es hier eine vollständig ausgestattete Küche gibt«, wechselte sie das Thema.

»Meine Schwester Lydia hat sehr gern gekocht«, erklärte Da­mann nach kurzem Schweigen. Der Blick seiner ein wenig wässrigen Augen, deren Blau früher sicher einmal faszinierend gewesen war, glitt über sie hinweg, als würde hinter ihr jemand stehen.

Instinktiv fuhr sie herum, doch seitlich von ihr war nur eine offene Zimmertür, durch die schwaches Licht in die dämmerige Diele fiel.

»Das hier war Lydias Haus. Sie ist vor gut vier Wochen gestorben«, erklärte Friedrich Damann, ohne sich um Rebekkas nervöse Blicke zu kümmern. »Ich habe das Häuschen geerbt. Irgendwie fand ich es … äh, pietätlos, es zu verkaufen. Lydia hat sehr daran gehangen, und ich glaube, es hätte ihr gefallen, wenn hier Feriengäste wohnen.«

»Es ist ein sehr hübsches Haus. Mit dem Strohdach und den Butzenscheiben und all den liebevollen Details. Ich bin froh, dass ich hier wohnen darf. Obwohl es mir natürlich leidtut. Ich meine das mit Ihrer Schwester.« Rebekka war noch nie besonders gut in solchen Dingen wie Beileidsbekundungen gewesen. Zwar hielt sie sich für einen sensiblen Menschen, aber die Regeln, nach denen man wildfremden Menschen versicherte, dass man mit ihnen fühlte, waren ihr immer fremd geblieben.

Damann nickte mit unbewegter Miene. »Lydia war knapp zehn Jahre älter als ich. In diesem Alter muss man wohl jeden Moment mit dem Ende rechnen. Obwohl es bei Lydia doch überraschend kam. Wir sind eine sehr widerstandsfähige Familie, da ist siebzig eigentlich kein Alter. Ich sitze noch heute jeden Tag acht bis zehn Stunden im Büro und kümmere mich auch sonst selbst um alles, was mit der Immobilienverwaltung zu tun hat. Solange es mir gut geht, habe ich auch nicht vor, damit aufzuhören.« Zur Bekräftigung seiner Worte nickte er energisch mit dem grauen Kopf.

Rebekka nickte ebenfalls. »Das ist … eine gute Einstellung, finde ich.« Sie war sich nicht ganz sicher, ob er von ihr Bestätigung erwartete. Wahrscheinlich ging er ohnehin davon aus, dass seine Einstellung die einzig richtige war. Manchmal beneidete Rebekka derart selbstbewusste Menschen, obwohl man nie so recht wusste, was hinter deren Fassade vor sich ging.

Damann deutete auf die offen stehende Tür. »Die Küche ist gleich geradeaus. Ich hoffe, Sie finden in den Schränken alles, was Sie brauchen. Allerdings war meine Schwester wohl eine eher altmodische Köchin. Es gibt nicht viele elektrische Geräte.«

»Das ist kein Problem. Ich versuche, die traditionellen Rezepte auf traditionelle Art zuzubereiten, auch wenn das manchmal etwas mühsamer ist.« Mit ihrer rechten Hand imitierte sie das Schlagen mit einem Schneebesen.

Damann wich angesichts ihrer heftigen Armbewegungen irritiert zurück, wandte sich um und eilte ihr voraus in die Küche.

»Ich wollte nur zeigen, wie man mit einem Schneebesen …«, murmelte Rebekka vor sich hin, während sie ihm folgte. Normalerweise wurde sie mit ihren Mitmenschen leicht warm, aber zwischendurch liefen ihr immer wieder Exemplare über den Weg, mit denen sich die Verständigung schwierig gestaltete. Damann schien zu ihnen zu gehören. Die Tatsache, dass er das Haus seiner Schwester nicht einfach verkaufen wollte, deutete auf einen gefühlvollen Charakter hin. Dennoch wirkte er kühl und ein wenig arrogant auf sie.

Im hellen Licht, das durch das große Fenster fiel, leuchtete sein Gesicht in einer Blässe, die bei ihm sogar irgendwie vornehm wirkte. Er erschien ihr seltsam fehl am Platz in der altmodisch eingerichteten Küche mit dem großen Tisch, dem Elektroherd mit vier Platten, über dem mindestens ein Dutzend Stieltöpfe und Pfannen hingen, und dem riesigen Schrank aus Kiefernholz, hinter dessen teilweise verglasten Türen hohe Tellerstapel, zahllose bunte Keramiktassen und eine Ansammlung verschiedenster Gläser zu erkennen waren.

»Ich bin hier im Dorf aufgewachsen, genau wie Lydia«, erklärte er zu ihrer Überraschung. »Meine Schwester hat sich sehr viel Mühe gegeben, alles so zu gestalten, wie es in unserer Kindheit war. Neben dem Haus hat sie sogar einen großen Kräutergarten angelegt, wie ihn auch unsere Mutter hatte. Sie hielt ihn mit wahrer Leidenschaft in Ordnung, und ich fürchte, er ist jetzt schon, so kurz nach ihrem Tod, in einem Zustand, den sie nie geduldet hätte.«

Ein freudiger Schreck durchzuckte Rebekka. »Wenn ich Zeit finde, könnte ich die Beete ein bisschen in Ordnung bringen. Darf ich dann auch Kräuter ernten? Es geht nichts über frische Petersilie, ganz zu schweigen von Thymian oder Rosmarin.«

»Ernten Sie ruhig alles, was der Garten hergibt. Ich glaube, die Äpfel sind auch bald reif. Wenn es Ihnen Spaß macht, zupfen Sie so viel Unkraut, wie Sie wollen, aber das müssen Sie nicht tun. Ansonsten schicke ich jemanden vorbei, der jede Woche den Rasen mäht.«

Rebekkas Blick wanderte zum Fenster, blieb aber an einer kleinen Pinnwand hängen, die daneben angebracht war. Neugierig trat sie einen Schritt näher und betrachtete die vielen Zettel und Karten, die mit bunten Reißzwecken auf dem hellbraunen Kork befestigt waren.

Mehrere kleine Zettel mit Arztterminen hingen neben einer Ansichtskarte aus Tirol und einer zweiten aus Fuerteventura. Tomaten düngen!!! stand in großen, schwungvollen Buchstaben auf einem Blatt, das offenbar aus einem Notizbuch ausgerissen war. Unten rechts in der Ecke hing ein DIN-A4-Bogen, der schon allein durch seine Größe auffiel. Es war von oben bis unten vollgeschrieben.

Rebekka bückte sich ein wenig, um die Überschrift zu entziffern. Kabeljau in Sahnesoße mit Äpfeln und Paprika.

Fast hätte sie vor Entzücken einen Schrei ausgestoßen, beherrschte sich aber im letzten Moment. Friedrich Damann durfte sie nicht für verrückt halten. Sie atmete tief durch, bevor sie sich zu ihm umdrehte. Er stand da und wartete geduldig, bis sie mit der Musterung der Küche fertig war.

»Ihre Schwester … hat sie Rezepte gesammelt?«, erkundigte sie sich vorsichtig.

Damann zuckte mit den Schultern. »Was heißt schon gesammelt? Lydia hat viel und gern gekocht, und wenn sie irgendwo ein interessantes Rezept aufschnappte, hat sie es sicher notiert. Aber sie war nicht direkt jemand, der Dinge katalogisierte und nach dem Alphabet sortierte. Keine Sammlerin im herkömm­lichen Sinne.«

»Wenn sie Rezepte aufgeschrieben hat, wo könnten sie dann sein?«, erkundigte Rebekka sich mit klopfendem Herzen. »Meinen Sie, ich könnte sie für mein Kochbuch haben, wenn sie sich im Nachlass Ihrer Schwester befänden?«

Eine Weile überlegte Damann mit gerunzelter Stirn, dann nickte er langsam. »Warum nicht? Lydia war eine freigiebige Person. Ich glaube, es hätte ihr gefallen, wenn ihre Rezepte in einem Buch veröffentlicht werden. Manche hat sie sich selbst ausgedacht, und verändert hat sie eigentlich alles. Sie konnte stundenlang darüber reden, aber ich fürchte, ich war für dieses Thema nicht der richtige Gesprächspartner.«

»Eigene Rezepte?« Rebekka konnte ihr Glück kaum fassen. »Wo sind sie?«

Damann runzelte die Stirn, als würde er angestrengt nachdenken. »Im Wohnzimmer ist der große Schrank rechts von der Tür noch voller Sachen von Lydia. Ich habe ihn abgeschlossen, weil ich bei Gelegenheit noch alles durchgehen muss. Sie können also nur den linken Wohnzimmerschrank benutzen.«

»Das ist kein Problem. Ich brauche nicht so viel Platz.« Ungeduldig tippte Rebekka mit der Fußspitze auf den abgetretenen Fliesenboden. »Meinen Sie, bei diesen Sachen könnten Rezepte sein? Können wir nachsehen?«

Damann schüttelte bedächtig den Kopf. »Die Papiere habe ich aussortiert und alle in einem großen Karton mit nach Hamburg genommen, um sie durchzusehen. Wegen offizieller Dokumente. Lydia war in solchen Dingen … Nun ja, die wichtigsten Papiere habe ich gefunden. Der Rest … das sind lauter private Schriftstücke und Fotos. Alte Briefe. Nichts von Bedeutung. Dazwischen waren wohl auch Rezepte.«

»Meinen Sie, ich könnte diesen Karton einmal durchsehen? Ich würde die privaten Briefe oder andere vertrauliche Schriftstücke selbstverständlich nicht lesen.«

Damann winkte ab. »Das ist kein Problem. Ich fürchte, meine Schwester hatte kein sonderlich aufregendes Leben. Keine Liebschaften, keine Intrigen oder dergleichen. Insofern ist es kein Problem, wenn Sie lesen, was Sie da vorfinden. Meine Schwester war ein sehr offener Mensch. Sie hätte nichts dagegen gehabt.« Damanns Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er in dieser Hinsicht ganz anders war. Aber er schien wild entschlossen, mit dem Nachlass seiner Schwester so zu verfahren, wie sie es für richtig gehalten hätte.

»Das ist wirklich sehr … schön. Und sehr großzügig von Ihnen. Soll ich den Karton in Hamburg abholen?« Vielleicht fand sie in Lydias alten Briefen und Notizen sogar etwas, worüber sie in ihrem Blog berichten konnte. Anekdoten aus dem Dorfleben, Geschichten über Freundschaften und Feindschaften zwischen Nachbarn. Wieder schlug Rebekkas Herz ein bisschen schneller.

»Ich habe in Kürze wieder hier im Dorf zu tun. Dann bringe ich Ihnen den Karton mit.« Damann nickte freundlich.

»Sie müssen aber auf keinen Fall meinetwegen herfahren. Ich kann jederzeit nach Hamburg kommen und die Sachen abholen«, beteuerte Rebekka. Was konnte der Mann schon in einem Dorf wie Bradehusen zu tun haben? Soweit sie ihn verstanden hatte, war er nur hier, weil er sich um das Haus seiner Schwester kümmerte. Wenn sie sich in dem Häuschen für die nächsten Wochen eingerichtet hatte, legte sie eigentlich keinen großen Wert darauf, dass ihr Vermieter ständig vor der Tür stand.

»Ich komme nicht extra wegen des Kartons. Keine Sorge.«

»Gut.« Rebekka strich mit den Fingerspitzen über das glatte Holz des Tisches und fragte sich, wie lange das Möbelstück aus schwerem dunklen Eichenholz wohl schon in dieser Küche stand. Ihr gefiel der Gedanke, dass hier viele Jahrzehnte lang Kinder Hausaufgaben gemacht, Frauen Kaffeeklatsch gehalten und fröhliche Familien ihre Mahlzeiten eingenommen hatten.

Zu Hause besaß sie eine Einbauküche mit glänzenden Fronten und einer Arbeitsfläche aus kühlem schwarzen Granit. Eigent­lich hatte sie sich die teuren Schränke und Elektrogeräte nicht leisten können, sich aber damit getröstet, dass sie aus beruf­lichen Gründen eine Küche brauchte, in der ihr das Kochen leicht von der Hand ging. Sie liebte es, direkt auf dem harten Stein Schnittlauch zu schneiden, aber in diesem Moment war sie sich seltsamerweise sicher, dass es mindestens ebenso schön sein würde, an diesem alten Holztisch mit den zahlreichen Kerben Gemüse zu putzen und Äpfel zu schälen.

»Dieser Tisch stand in der Küche meiner Eltern, und wir haben schon als Kinder daran gegessen«, erzählte Damann in diesem Moment, und für einen Augenblick wurde sein Gesichtsausdruck weich und sein Blick wehmütig.

»Vielleicht sollte ich Ihnen noch das Wohnzimmer zeigen«, beschloss er nach einer Pause, und sofort war er wieder der kühle Geschäftsmann. »Kennen Sie sich mit offenem Feuer aus? Es gibt einen Kamin, den Sie an kühlen Abenden anheizen können.«

»Sind Sie in diesem Haus aufgewachsen?«, erkundigte Re­bek­­ka sich, während sie ihm durch die Diele in das kleine Zimmer rechts von der Treppe zum ersten Stock folgte.

Damann stieß ein kurzes, hartes Lachen hervor. »Nein. Dazu wäre es wohl etwas zu klein gewesen. Der Bauernhof, auf dem wir unsere Kindheit verbracht haben, ist seit vielen Jahren verkauft. Lydia kehrte vor zwanzig Jahren, als sie Witwe wurde, nach Bradehusen zurück und kaufte sich dieses Häuschen.«

»Ich finde es hübsch hier«, stellte Rebekka fest. »Man spürt, dass sie viel Liebe in die Einrichtung gesteckt hat.«

Damann reagierte nicht auf ihre Worte. »Da drüben lag sie fast einen ganzen Tag, bevor eine vorbeikommende Dorfbewohnerin sie fand. Der streunende Kater, den sie durchgefüttert hat, machte einen solchen Lärm vor dem Haus, dass die Frau aufmerksam wurde und nachschaute.« Mit zusammengekniffenen Augen blickte er zum Kamin in der gegenüberliegenden Wand hinüber.

Rebekka erschauderte unwillkürlich, als sie einen dunklen Fleck am unteren Rand des aus hellbraunen Sandsteinen gemauerten Kamins entdeckte. »Ist das da Blut?«

Der Geschäftsmann zuckte mit keiner Wimper. »Wahrscheinlich eher Rotwein. Das Haus ist nach Lydias Tod gründlich gereinigt worden, aber roter Wein ist aus nichts mehr herauszubekommen. Lydias Hausarzt stellte den Totenschein auf Herzversagen aus. In unserem Alter ist das wohl der häufigste Grund für ein plötzliches Dahinscheiden. Falls das Blut ist, hat sie sich beim Fallen den Kopf an der Kamineinfassung gestoßen. Ich glaube aber, der Fleck war schon immer da.«

Rebekka nickte und bemühte sich, die dunkle Stelle nicht mehr zu beachten. Vielleicht war es tatsächlich Rotwein. Sie wandte der offenen Feuerstelle den Rücken zu und betrachtete das altmodische Sofa mit den geblümten Kissen. Davor stand ein niedriger Teetisch aus poliertem Kirschbaumholz. Die beiden Schränke, die die rückwärtige Wand des Zimmers einnahmen, waren aus dem gleichen massiven Holz und wunderbar gepflegt. Dagegen wirkte der kleine Schreibtisch vor dem Fenster so ramponiert, als hätte Lydia schon als Kind daran für die Schule gelernt. Aber er bot genügend Platz für Rebekkas Notebook und die Kladden, in denen sie alles notierte, was ihr durch den Kopf huschte. Durch die Fensterscheibe vor dem Schreibtisch bot sich ein wunderschöner Blick in den Garten.

»Im ersten Stock gibt es zwei kleine Schlafzimmer und das Bad.« Damann deutete vage in Richtung der niedrigen Decke. Offenbar hatte er nicht die Absicht, ihr auch die oberen Räume zu zeigen. »Handtücher und Bettwäsche liegen in dem großen Wäscheschrank im hinteren Zimmer.«

»Danke. Ich komme schon zurecht.« Plötzlich konnte Rebekka es gar nicht mehr erwarten, ihre Sachen aus dem Auto zu holen und das Haus in Besitz zu nehmen. An den Fleck auf der Kamineinfassung würde sie sich schon gewöhnen. Da sie wegen der sommerlichen Temperaturen wahrscheinlich ohnehin kein Feuer anzünden würde, konnte sie einfach den roten Läufer über die Steine ziehen. Wenn eine alte Frau an Herzversagen starb, was das schließlich etwas ganz Natürliches. Außerdem hatte Lydia zu Lebzeiten vielleicht tatsächlich gern Rotwein getrunken.

»Meine Telefonnummer haben Sie?«, erkundigte sich ihr Vermieter und sah dabei auf seine teure Armbanduhr. »Ich habe heute Nachmittag noch einen Termin und sollte mich langsam auf den Weg zurück nach Hamburg machen. Falls es irgendwelche Probleme mit dem Haus gibt, melden Sie sich in meinem Büro.«

In diesem Moment war aus der Diele lautes Gepolter zu hören. Beide wandten die Köpfe und sahen durch die offene Tür in den schwach beleuchteten Eingangsbereich des Häuschens.

»Haben Sie die Haustür nicht abgeschlossen?«, erkundigte sich Damann bei Rebekka.

Während Rebekka den Kopf schüttelte, stellte sie verwundert fest, dass er erschrocken wirkte. Er war in diesem Dorf aufgewachsen, und seine Schwester hatte die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens hier verbracht. War es etwa nicht üblich, die Haus­türen unverschlossen zu lassen, weil hier seit hundertzehn Jahren oder noch länger nicht eingebrochen worden war? So stellten sich die Leser und viele der Redakteure von Countryside das Leben auf dem Land vor, aber Rebekka hatte schon immer den Verdacht gehabt, dass diese Zeiten selbst in abgelegenen Dörfern längst vorüber waren.

Da Friedrich Damann offenbar nicht vorhatte, etwas zu unternehmen, fasste Rebekka sich ein Herz und rief: »Hallo?« Mög­licherweise war das da draußen eine freundliche Nachbarin, die ihr zur Begrüßung einen Eintopf oder einen Kuchen vorbeibrachte.

Als Antwort auf ihr Rufen kam aus der Diele ein seltsam gurgelnder Laut. Dann tauchte ein Mann mittleren Alters in der Türöffnung auf. Als er aus dem Dämmerlicht ins Wohnzimmer trat, erinnerte sie sich, dass er bei ihrer Ankunft im Nachbar­garten im Gras gesessen hatte.

Jetzt hatte sie Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Zu einer roten Baumwollhose mit zahlreichen Grasflecken trug er ein kurzärmliges kariertes Hemd, dessen Kragen vom vielen Waschen ganz schlapp und traurig aussah. Dieses Manko wurde durch das knallrote Tuch ausgeglichen, welches er sich lässig um den Hals geknotet hatte. Seine sandfarbenen Haare wirkten windzerzaust, obwohl sich draußen kein Lüftchen regte.

Der ganze Mann wirkte irgendwie irritierend, besonders der Ausdruck seiner dunkelbraunen Augen. Sie waren kugelrund aufgerissen, und er starrte Rebekka an wie ein kleiner Junge, der unversehens dem Weihnachtsmann gegenüberstand – noch dazu mitten im Sommer. Dabei hielt er den riesigen Blumenstrauß vor seiner Brust fest umklammert. Offenbar hatte er die Gladiolen soeben im Garten ausgerissen, denn an einigen von ihnen hingen noch die erdigen Wurzeln samt Zwiebeln.

»Guten Tag?«, sagte Rebekka zögernd, als sie alle drei nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch schweigend dastanden. Friedrich Damann war offenbar mit der Situation noch überforderter als sie. »Sind die Blumen für mich?«

Mit wenigen Schritten kam der Fremde auf sie zu und hielt ihr mit ausgestreckten Armen die leuchtenden Gladiolen hin. Dabei rieselte von den Stielen Erde auf den Boden.

»Das ist der Nachbarsjunge«, erklärte Damann. »Er ist etwas, nun ja … Lydia kam gut mit ihm aus, obwohl ich ihr immer gesagt habe, dass es gefährlich werden kann, wenn er unkontrolliert bei ihr ein und aus geht.«

»Das ist aber nett! Sollen die zur Begrüßung sein?« Ohne sich um Damann zu kümmern, griff Rebekka nach den Blumen.

Der Mann öffnete seinen etwas schiefen Mund und stieß ein paar unzusammenhängende Silben hervor. Dabei nickte er so heftig mit dem Kopf, dass seine Haare einen wilden Tanz aufführten.

»Du hast schon wieder welche von meinen Blumen ausgerissen, Casjen!« Die barsche Frauenstimme füllte den kleinen Raum bis unter die Decke.

Fast wäre Rebekka vor Überraschung das dicke Blumenbündel heruntergefallen, das sie kaum umfassen konnte. Sie fing sich jedoch rasch wieder und nickte der alten Frau in der Kittelschürze, die in der offenen Tür aufgetaucht war, freundlich zu. »Casjen! Was für ein hübscher Name«, rief sie mit künstlicher Munterkeit aus, doch ihre Meinung zur Frage der Namensgebung schien in dem mittlerweile ziemlich überfüllten Zimmer niemanden zu interessieren.

Obwohl sie so freundlich über seinen Namen gesprochen hatte, wich Casjen vor Rebekka zurück. Vielleicht sollte es so aussehen, als hätte er mit den Blumen in ihren Händen nichts zu tun. Dabei sah er die alte Frau nur aus den Augenwinkeln an. Rebekka blickte ihr jedoch gerade ins Gesicht. Sie hatte das Gefühl, ihren Gladiolenkavalier beschützen zu müssen.

Die alte Frau trug ihr dichtes graues Haar streng zurückgekämmt, und in ihrem faltigen Gesicht funkelten die dunklen Augen wild und leidenschaftlich wie bei einem Teenager.

Damann wandte der Szene den Rücken zu und starrte demonstrativ aus dem Fenster.

»Es tut mir leid, wenn es meinetwegen passiert ist. Möchten Sie die Gladiolen haben?« Rebekka wollte auf die erboste Frau zugehen, deren Blumenbeete offenbar ohne ihr Wissen geplündert worden waren, doch plötzlich erwachte Casjen aus seiner Erstarrung. Entschlossen versperrte er ihr den Weg und redete in unzusammenhängenden Silben und gurgelnden Lauten auf die Frau ein.

»Du bist jetzt ruhig«, unterbrach ihn diese mit lauter Stimme und einer heftigen Handbewegung. »Geh nach Hause.«

Ebenso plötzlich, wie er sich aufgelehnt hatte, schien Casjen seine Energie wieder zu verlieren. Mit gesenktem Kopf trottete er zur Tür. Bevor er das Zimmer verließ, warf er Rebekka einen bittenden Blick zu. Dabei bewegte er tonlos die Lippen.

»Er hat es nicht böse gemeint«, erklärte sie der alten Frau. »Das ist nur passiert, weil er mir eine Freude machen wollte, fürchte ich. Ich könnte neue Gladiolenzwiebeln besorgen und sie in Ihr Beet setzen.«

»Das bringt nichts«, erklärte die Fremde mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Die meisten Zwiebeln sind sowieso noch drin. Die werden aber erst nächstes Jahr wieder blühen.«

»Tut mir leid«, wiederholte Rebekka. »Kennen Sie ihn gut? Wer kümmert sich denn um ihn?«, erkundigte sie sich.

»Das will ich wohl meinen, dass ich ihn kenne.« Die Kittelträgerin warf Rebekka einen strafenden Blick zu. »Er ist mein Sohn, und ich kümmere mich um ihn. Was nicht immer leicht ist, das können Sie mir glauben. Es ist wichtig, ihm deutlich zu sagen, was er darf und was nicht.«

»Oh«, machte Rebekka. »Er ist so ein freundlicher … Mann.«

»Gesine Holste«, stellte die Frau sich etwas verspätet vor. »Ich wohne mit Casjen nebenan. Und er wird nie ein Mann sein.«

»Ich muss mich jetzt wirklich auf den Weg nach Hamburg machen«, ließ sich Friedrich Damann in diesem Augenblick vernehmen.

»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, murmelte Rebekka und nickte ihm kurz zu. Es war ihr ein bisschen unheimlich, dass er sie mit der strengen Gesine allein ließ, aber sie musste wohl lernen, sich gegen ihre neue Nachbarin durchzusetzen – oder ihr aus dem Weg zu gehen.

»Denken Sie an den Karton mit den Unterlagen Ihrer Schwester?«, sagte sie rasch, als Damann schon in der Tür stand. »Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ich Rezepte oder auch Geschichten aus dem Dorfleben darin fände. Falls Sie wirklich nichts dagegen haben, dass ich sie in meinem Blog verwende, wenn ich etwas Passendes finde.«

Damann nickte ungeduldig. »Ich melde mich bei Ihnen.« Seine verbindliche Art schien er mit dem Auftauchen der alten Frau abgelegt zu haben. Gleich darauf fiel mit einem dumpfen Laut die Haustür ins Schloss.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Gesine Holste eini­­ge Sekunden lang auf den Fleck, wo Damann eben noch gestanden hatte. Dann wandte sie den Kopf und sah Rebekka mit ihren funkelnden Augen an.

»Kommen Sie morgen Nachmittag zum Tee zu mir.« Das war eher ein Befehl als eine Einladung. Ihr Tonfall unterschied sich nicht von dem, in dem sie ihren Sohn getadelt hatte.

Rebekka atmete tief durch. »Sie können mir sicher eine Menge über das Dorf und die Umgebung erzählen. Ich bin hier, um regionale Rezepte zu sammeln. Die wirklichen Schätze findet man oft bei alten Frauen, die manchmal noch nach jahrhunderte­alten Familienrezepten kochen. Vielleicht können Sie mir ein paar Tipps geben, wo ich solche Frauen finde.«

»Kann schon sein.« Im Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel, sah Rebekka, dass die Augen der Frau nicht etwa braun waren, wie sie gedacht hatte, sondern dunkelgrün. Ganz anders als bei ihrem Sohn Casjen, dessen sanfter Blick an braunen Samt erinnerte.

Ohne ein weiteres Wort drehte Gesine sich um und ging zur Tür. Plötzliche Abgänge schienen in diesem Dorf üblich zu sein.

»Wann soll ich …?«, fing Rebekka an, ließ den Rest der Frage jedoch in der Luft hängen, als Gesine einfach weiterging. Vielleicht war es hier im Alten Land üblich, irgendwann im Laufe des Nachmittags aufzutauchen, wenn man zum Tee eingeladen war, und nicht zu einer bestimmten Uhrzeit, wie sie es aus der Stadt kannte, wo die Termine eng getaktet waren und niemand eine Minute zu verschenken hatte.

Bevor sie zum Auto ging, um die ersten Sachen ins Haus zu holen, warf sie einen kurzen Blick hinüber zum Kamin. Obwohl er nicht sonderlich groß war, stach ihr der dunkle Fleck sofort ins Auge. Nach dem Auftritt der gestrengen Gesine machte ihr die tote Lydia allerdings nicht mehr allzu viel Angst, selbst wenn sie dort in ihrer letzten Stunde möglicherweise einen Blutfleck hinterlassen hatte. Sie war sich sicher, dass Lydia eine freund­liche Frau gewesen war. Casjen hatte sie gemocht, und auch der ansonsten so kühle Geschäftsmann Friedrich Damann wusste nur Gutes über seine Schwester zu sagen.

3. Kapitel

Verschlafen stand Rebekka in Lydias Küche neben ihrer hübschen DeLonghi, die sie am Vorabend noch frisch poliert hatte, um die Fingerabdrücke vom Transport zu entfernen. Jetzt stellte das funkelnde Metallgehäuse zwar einen Fremdkörper zwischen den ramponierten Holzmöbeln und dem altmodischen Herd dar, doch der köstliche Kaffeeduft, der sich im Raum verbreitete, passte wunderbar hierher.

Rebekka drückte auf den Knopf zur Milchschaumbereitung und sah dabei durch die weit geöffnete Hintertür hinaus in den Garten. Da Lydia – die sie in Gedanken beim Vornamen nannte, weil sie sich ihr seltsam nah fühlte, seit sie am Vorabend in ihr Häuschen eingezogen war – erst seit vier Wochen tot war, wirkte der Kräutergarten unter dem Küchenfenster noch nicht sonderlich verwahrlost. Im Gegenteil – die strahlenden Blüten des Löwenzahns und ein paar Büschel Männertreu, die ihre Köpfchen noch ein bisschen zaghaft zwischen Petersilie und Basilikum reckten, verliehen dem als Spirale angelegten Beet einen ganz eigenen Charme.

Mit nachdrücklichem Sprudeln spuckte der Kaffeeautomat den letzten Milchschaum aus. Rebekka griff nach ihrer Tasse, bestäubte die weiße Haube aus dem bereitstehenden Streudös­chen mit Kakaopulver und stellte sich in die Tür zum Garten, um bei ihrem ersten Kaffee die strahlende Morgensonne zu genießen. Der Tag versprach herrlich zu werden. Klar und sommerlich warm. Lange genug hatte sie darauf gewartet, dass der ewige Regen aufhörte und der kalte Wind sich verzog. Jetzt war es endlich so weit. Aber schließlich wurde es Anfang August auch Zeit für ein bisschen Wärme und Sonne.

Mit einem wohligen Seufzer lehnte sie sich gegen den Türrahmen und atmete tief ein. Sie meinte, das nahe Meer auf der Zunge zu schmecken. Und seltsamerweise passten das Röst­aroma des Kaffees und der leichte Salzgeschmack der Luft bestens zusammen.

Obwohl sie erst vor etwas über zwölf Stunden eingezogen war, fühlte sie sich in dem kleinen reetgedeckten Haus schon erstaunlich heimisch. Selbst der Gedanke an die Nachmittagseinladung bei ihrer seltsamen Nachbarin gefiel ihr irgendwie. Zu Hause kannte sie ihre Nachbarn nur vom Sehen. Sie suchte keinen Kontakt, und seit sie allein lebte, betrachteten einige der anderen Frauen sie mit misstrauischen Blicken. Vielleicht hatten sie Angst, sie könnte ihnen ihre Ehemänner wegschnappen, was Rebekka für eine äußerst seltsame Idee hielt. Schließlich war ein Ehemann kein Gegenstand, der irgendwo herumstand und den man sich einfach unter den Nagel reißen konnte. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht das geringste Interesse an den gemütlich wirkenden Männern hatte, die jeden Samstag brav gemeinsam mit ihren Frauen den Wochenendeinkauf erledigten, bevor sie das Auto in die Waschanlage fuhren.

Ganz kurz fragte sie sich, ob es zwischen Leonhard und ihr irgendwann auch so geworden wäre, verbot sich aber sofort den müßigen Gedanken und nahm lieber mit genüsslich geschlossenen Augen einen weiteren Schluck aus dem knallroten Keramikbecher, den sie ganz vorn im Schrank gefunden hatte. Ihr gefiel der Gedanke, dass es vielleicht Lydias Lieblingsbecher gewesen war.

Als die Tasse leer war, drehte sie sich um und wollte zurück in die Küche gehen. Mitten in der Bewegung bemerkte sie jedoch einen schwarzen Fleck neben der Kräuterspirale. Die große Katze hockte in der Haltung einer Sphinx bewegungslos im Gras und starrte sie aus riesigen goldenen Augen an.

»Hallo du«, sprach Rebekka das Tier freundlich an. Obwohl in ihrem Leben kein Platz für ein Haustier war, mochte sie Katzen, Hunde und sogar Schildkröten. Jedenfalls wenn sie freundlich und gut erzogen waren.

Diese Katze war möglicherweise beides nicht. Jedenfalls igno­rierte sie Rebekkas Gruß und starrte noch misstrauischer als vorher in ihre Richtung.

Ob das der Kater war, von dem Friedrich Damann erzählt hatte? Das Tier, das nach Lydias Tod so lange vor ihrem Haus gemauzt hatte, bis jemand aufmerksam geworden war?

»Hast du Hunger?«, versuchte Rebekka es anders, obwohl der Kater nicht gerade unterernährt aussah. Sein Fell schimmerte in der Sonne seidig und gesund. »Ich habe auch Milch.«

Für den Bruchteil einer Sekunde kniff das schöne Tier die goldenen Augen zusammen.

»Dann eben nicht«, murmelte Rebekka und war fast ein bisschen beleidigt. Sie ging ins Haus und schloss mit Nachdruck die Tür hinter sich. Ohnehin war es besser, wenn der Kater sich gar nicht erst an sie oder an irgendwelches Zusatzfutter gewöhnte. Trotzdem nahm sie sich vor, Gesine Holste nach dem schwarzen Kater zu fragen.

Zu Rebekkas Beruhigung hatte ein erster Versuch vor dem Schlafengehen gezeigt, dass das Internet in Lydias Haus hervorragend funktionierte. Nun ging sie ins Wohnzimmer, um nachzusehen, ob es auf ihren Artikel auf der Homepage von Countryside schon Reaktionen gab. Als Vorbereitung auf ihre geplanten Berichte hatte sie einen allgemein gehaltenen Text über das Alte Land geschrieben. Über idyllische Dörfer, über die Kirschblüte und die Apfelernte und über das, was sie hoffte, hier über Apfelsorten und Apfelanbau, aber auch über die traditionelle Küche in Erfahrung zu bringen. »Anfüttern« nannte ihr Chefredakteur Thilo Christens das. Die Leser sollten gespannt darauf sein, was sie demnächst zu berichten hatte. Und wenn alles richtig gut funktionierte, würden sie in einigen Monaten ihr Kochbuch kaufen.