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Ein Bauernjunge, namens Jarou, zieht nach Paris und setzt sich mit den verschiedenen Malstilen des späten 19.Jahrhunderts auseinander, dem Impessionissmus und auch dem Expressionismus in erster Linie. Dabei trifft er verschiedene Künstler und leidet, wie viele damals auf dem Montmatre, unter Geldknappheit. Als eine adelige junge Frau , die er porträtieren soll, in sein Leben tritt, entwickelt sich eine verzwickte, spannende Liebesgeschichte. Beide finden immer wieder in seinem Pariser Atelier zusammen, doch sie ist einem spanischen Botschafter versprochen und so scheint nach ein paar Monaten ihre intensive Liebesbeziehung zum Scheitern verurteilt. Das Blatt wendet sich , als sie mit ihrem Ehemann in das spanische Schloss ihrer Eltern zieht und dort ein Kind zur Welt bringt, während Jarou in Paris verzweifelt.
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Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2023
ULLA ARNDT
JAROU
ZWISCHEN TRAUM UND WIRKLICHKEIT
Impressum:
© 2023 Ulla Arndt
Titelfoto: Ulla Arndt
Illustrationen: Prawny by pixabay.com
Lektorat, Satz & Umschlaggestaltung:
Angelika Fleckenstein; Spotsrock
ISBN
Softcover 978-3-347-99447-8
Hardcover 978-3-347-99448-5
E-Book 978-3-347-99449-2
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Herausgeberin unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag
der Herausgeberin, zu erreichen unter:
tredition GmbH
Abteilung „Impressumservice“
Heinz-Beusen-Stieg 5
22926 Ahrensburg
Deutschland
ULLA ARNDT
JAROU
ZWISCHEN TRAUM UND WIRKLICHKEIT
Cover
Halbe Titelseite
Urheberrechte
Titelblatt
Kapitel 1
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
Kapitel 1
Cover
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Weit entfernt von der großen Hauptstadt des Landes lag das beschauliche Provinzstädtchen Place du Coeur, auch Herzblatt genannt. Dort spielte sich im vorletzten Jahrhundert das Leben noch recht einfach, ruhig und beschaulich ab.
Hauptsächlich bestimmten Landwirtschaft und Handwerk das menschliche Treiben. Inmitten weiter Felder und saftiger Wiesen lagen viele kleine Bauernhöfe, die hier und da durch Bachläufe, Teiche und mehr oder weniger große Waldstücke voneinander getrennt waren. Die Bauern hielten Kühe, aber auch einige Ziegen, Schweine, Schafe und Pferde, wobei die Pferde hauptsächlich zur Fortbewegung und als Zugtiere dienten.
Für eine Fülle von pflanzlichen Lebensmitteln sorgten weite Felder mit Getreide, viele Obstbäume und an manchem, der Sonne zugewandten Berghang, gediehen sogar Reben, deren Lese nach dem Keltern alljährlich für ein ausgelassenes Weinfest auf dem Marktplatz der kleinen Stadt sorgte.
Jede Familie baute ihr eigenes Gemüse an, da fast alle Häuser über einen Garten verfügten. So gab es leckere Säfte aus den unterschiedlichen Beeren, und manch ein alter Schlawiner kochte aus diesen vergorenen Beerensäften einen scharfen Schnaps, der nach fettreichem Essen als Verdauungssaft diente. Das war jedenfalls stets die Ausrede, um einen Schnaps zu trinken. Gurken, Tomaten, Möhren, Kohl, rote Beete und Obst wurden eingekocht oder in kalten Kellern für den Winter konserviert.
Etwas ganz Besonderes war es, wenn zu den heimischen Nüssen Bananen, Kokosnüsse, Zitronen und Apfelsinen hinzukamen, die mit großen Schiffen in den Häfen der großen Städte landeten. Auf Karren lud man diese Köstlichkeiten um und lieferte sie für die Märkte im ganzen Land.
Es gab in Place du Coeur auch eine Molkerei, eine Getreidemühle, eine Kelterei und viele Handwerksbetriebe, die Dinge für den täglichen Bedarf herstellten. Sämtliche Einrichtungen des sozialen, gesellschaftlichen Bereiches waren ebenso vorhanden wie Schulen, Theater, ein Krankenhaus, Ärzte, eine Kirche, ein Rathaus und einige kleine Geschäfte. So hatten die Menschen dort alles, was sie zum Leben, für das gesellschaftliche Miteinander und auch für ihr Herz brauchten. Die Kinder erlernten meist die Berufe ihrer Eltern und führten deren Hof oder ihr Handwerk weiter. Manche junge Menschen gingen auch fort, um Medizin, Rechtswissenschaften oder andere Fächer an den Universitäten der großen Städte des Landes zu studieren, die meisten von ihnen kehrten zurück in ihre Heimatstadt.
In dieser idyllischen Kleinstadt lebte ein kleiner Junge in einer Bauernfamilie namens Jarou, der sich schon sehr bald durch eine besondere Gabe von allen anderen Kindern unterschied. Noch bevor er die Schule besuchte und das Schreiben, Lesen und Rechnen erlernte, konnte er alle Dinge um ihn herum malen. Nun ist das weiter nicht ungewöhnlich, doch Jarou war schon mit vier Jahren in der Lage, Gegenstände so detailliert abzuzeichnen, dass jeder sich wunderte, wie real sie auf dem Papier aussahen.
Jarou malte in jeder freien Minute. Er bat daher oft seine große Schwester Fleur, die in einem kleinen Laden in der Stadt am Marktplatz arbeitete: „Bitte Fleur, bring mir doch Papier und Buntstifte mit!“ Fleur mochte ihren Bruder sehr und bewunderte seine kleinen Kunstwerke, die alles darstellten, was seine Augen von der Welt, die ihn umgab, erfassen konnten. Daher versorgte sie ihn gerne mit allen Zeichenutensilien.
Als er in die Schule kam, hatte er das große Glück an einen verständnisvollen Lehrer zu geraten, der sein ungewöhnliches Talent bemerkte. So fragte er Jarou eines Tages: „Sag mal, möchtest du einen wahren Meister der Malkunst kennenlernen?“
Jarou zögerte nicht lange, und so kam es, dass er in den grundlegenden Techniken des Malens und des bildnerischen Gestaltens von einem Künstler namens Surcoeur unterrichtet wurde. Es ergaben sich daraus oft Probleme, denn ein Bauernjunge hatte neben seiner Zeit in der Schule und seinen Hausaufgaben die Pflicht, auf dem Hof mitzuarbeiten. So blieben nur wenige Stunden am Tag übrig für solche „überflüssigen Dinge“ wie sein Vater das Malen immer nannte.
Doch irgendwie schaffte es Jarou immer, nach getaner Arbeit hinunter in die Stadt zu laufen, wo Meister Surcoeur sein Atelier hatte. Hier lernte er den Umgang mit Ölfarben, den Aufbau eines Bildes, das perspektivische Malen und das Anwenden der verschiedensten Materialien.
Meister Surcoeur war erstaunt wie naturgetreu und detailliert sein Schüler die Bilder malen konnte, und mit welcher Ausdauer und Leidenschaft er immer wieder neue Motive fand.
Eines Abends im Winter, als ihm die Arbeiten auf dem Hof nicht mehr so viel Zeit stahlen und das fehlende Tageslicht im Atelier schon früh das Malen einschränkte, saßen Meister und Schüler bei einer Kanne mit dampfend heißem Tee und leckeren Keksen beisammen und betrachteten die fertigen Bilder.
„Warum sehen deine Bilder so ganz anders aus“, fragte Jarou, „selbst wenn du das gleiche Motiv gewählt hast wie ich?“
„Das ist eine lange Geschichte“, antwortete Surcoeur, fuhr sich mit den Fingern durch seinen langen weißen Bart, der im Schein der Kerze aussah als hätte man Goldstaub über einen Wattebausch ausgeschüttet. „Ich habe früher genauso gemalt wie du, die Landschaften, die Portraits sahen immer aus wie fotografiert und die Menschen mochten das sehr.“
„Aber“, fiel ihm Jarou ins Wort, „da ist jetzt etwas anderes in deinen Bildern, da ist mehr als nur die Landschaft und mehr als nur das Tier oder der Mensch, den du gemalt hast.“
„Das erkennst du richtig. Meine Bilder sind jetzt wirklich ganz anders, obwohl ich es immer noch liebe, als Grundlage eine Landschaft zu wählen. Aber weißt du, Jarou, die Menschen mögen lieber etwas Einfaches, eher Vordergründiges“, sagte Surcoeur nachdenklich.
„Und darum bist du jetzt hier in Place du Coeur und nicht mehr in Paris?“, fragte Jarou weiter.
„Ja, mein Junge, so ist es. Ich habe dort viele berühmt gewordene Maler getroffen, und eine Menge von ihnen gelernt. Meine Bilder haben damals gutes Geld gebracht, und daher konnte ich mich nach vielen turbulenten Jahren in der riesengroßen Stadt hierhin in ein Atelier zurückziehen, wo ich nun in meine Bilder alles hineingeben, hineinmalen kann, was sie letztlich so anders macht.“
Jarou schwieg und betrachtete wieder gedankenverloren eines seiner Bilder.
Er goss sich eine weitere Tasse des köstlichen Tees ein. Der aufsteigende Dampf kräuselte sich im Kerzenschein und verwandelte die Landschaft des Bildes in eine diffuse Scheinwelt, als wenn der frühe Herbstnebel über die bunte Sommerlandschaft ziehen würde. Auf einmal rief Jarou: „Meister Surcoeur, dein Bild lebt, die Ähren bewegen sich im Wind, und deine Augen schauen mich durch die Wolken hindurch an, und deine Hand ruht auf der Rinde des Baumes! Wie kann das denn sein?“ Jarou riss seine Augen auf und rieb sie sich dann verstört. Er blickte Surcoeur an: „Ist da etwas in diesem Tee, dass ich halluziniere?“
„Nein, mein Junge“, entgegnete Surcoeur ganz ruhig, fast liebevoll fügte er hinzu: „Du siehst und fühlst mit dem Herzen und siehst das, was in meinen Bildern anders ist und sie von einer Fotografie unterscheidet. Du siehst das, was die meisten Menschen nicht sehen.“
„Meister, kann ich das von dir lernen?“, fragte Jarou.
Surcoeurs Antwort sollte das Leben von Jarou für immer verändern, denn er sagte: „Du kannst es lernen, wenn du bereit bist, immer ein Stück deiner Seele in dein Bild zu bannen und dieses Stückchen dort auch zu belassen.“
Nach diesem Abend im Winter war Jarou für viele Wochen nicht mehr in der Lage, selber ein Bild zu malen. Nichtsdestotrotz besuchte er häufig Meister Surcoeur, um sich dessen Bilder anzuschauen.
In den weiteren Jahren reifte in Jarou, der mittlerweile die Schule beendet hatte, und in die Arbeit des bäuerlichen Lebens zunehmend eingespannt wurde, der Entschluss, nach Paris zu gehen. Als er sein Anliegen dem Vater unterbreitete nahm dieser es ihm sehr übel, denn außer Jarou gab es in seiner Familie nur noch einen Jungen, der dem Vater zur Hand gehen konnte. Ginge Jarou weg, müsste die Familie einen weiteren Knecht einstellen, und das behagte seinem Vater gar nicht.
Als dann im späten Frühjahr die ersten Märkte wieder Fremde und Durchreisende anlockten, nahm sich der mittlerweile 16-jährige Jarou ein Herz und organisierte mithilfe seines Meisters und seiner Schwester Fleur einen Marktstand. Dort bot er seine Bilder an, in der Hoffnung sie mögen Gefallen finden. Die Menschen aus Place du Coeur kannten ihre eigene Umgebung, ihre Wiesen, Wälder, Bachläufe und Höfe, und so dachten die wenigsten daran, sich die eigene Landschaft ins Wohnzimmer zu hängen. Allerdings hatte Jarou auch ein paar Tierportraits und verstand es, sie so zu malen, dass der Hund, die Eule und jedes andere Tier den Betrachter nie aus den Augen ließ, wenn er das Bild anschaute. Das gefiel einigen Marktbesuchern und Jarou verdiente sich nicht nur etwas Geld, sondern auch seine erste Anerkennung in seiner Heimatstadt.
Im Laufe des Sommers kauften ein paar der Durchreisenden ein Landschaftsbild oder eine kleine Zeichnung, und Jarou hoffte, seinen Vater durch diesen gefühlten Erfolg von seinem Vorhaben zu überzeugen. Der Vater jedoch blieb weiterhin hart und verlangte, dass er, wie es üblich war, den Bauernhof der Familie weiterführen solle.
Im Spätsommer gelang es Jarou jedoch, mithilfe seines ersparten Geldes, der Unterstützung seiner Schwester Fleur und seines Meisters sich heimlich auf den Weg nach Paris zu machen. Meister Surcoeur hatte ihm einige Adressen neben einem Füllhorn guter Ratschläge mit auf den Weg gegeben, sodass er hoffen konnte, bei irgendeinem Maler wenigstens in den herannahenden Wintermonaten Unterschlupf zu finden. Die Reise erwies sich als nicht so beschwerlich wie er es sich vorgestellt hatte, denn die Kaufleute auf ihrem Weg nach Paris waren es gewohnt, Pilger mitzunehmen oder Zimmerleute, die auf der Walz waren. So gelangte auch Jarou auf recht bequeme Weise nach Paris.
Paris überflutete Jarou mit Eindrücken, die ihn wie in der wilden Brandung eines aufgewühlten Meeres fast ertrinken ließen. Das Gewirr von Menschen, Häusern und Pferdefuhrwerken zwang ihn, sich in den erstbesten Park auf eine Bank zu setzen, um dort zunächst einmal zur Ruhe zu kommen. Erschöpft ließ er seinen Blick über die Parkanlage schweifen. Dieser Spätsommer war besonders heiß, und die Wärme hielt sich bis in die späten Abendstunden hinein. Jarou dachte schon, dass er auf dieser Bank seine erste Nacht in Paris verbringen müsste. Er entnahm seinem Rucksack den Proviantbeutel und suchte vergeblich nach einem Bachlauf, um seine Wasserflasche aufzufüllen.
Den unsicher suchenden Blick bemerkte ein Passant, der sich ihm zuwandte und fragte: „Sag mal, du kommst nicht hier aus der Stadt, oder?“
„Nein“, antwortete Jarou, „ich komme aus Place du Coeur und suche die Pariser Maler.“