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Zwischen Leben und Tod zu verweilen, keinen Finger rühren zu können ...
Jason hatte die Welten unter Einsatz seines Lebens gerettet, sich nun aus dieser halb toten Isolation allein wieder herauszubefördern ... unmöglich!
Jetzt mussten andere Mächte ans Werk gehen.
Der Kampf um Jasons kümmerliche Lebensflamme begann…
Saberas Hoffnung lag auf den hohen Dragaufrüstern, denen man unermessliche Heilkräfte zuschrieb. Aufgerüstet mit diesen Heiligtümern musste er doch wiederbelebt werden können!
Wie alle, die ihn liebten, gab auch Rob nicht auf. Er wollte ... nein, musste seinen Sohn finden. Unterstützung bekam Rob von seine Kumpel und Friedhofswächter Zakton.
Selbst die Dämonenfürstin Rilla ließ sich herab und half den Dragots, wo sie nur konnte.
Anders erging es Skyla, sie konnte fühlen, wie sehr Jason sie brauchte, und folgte seinen Seelenschrei.
Nur eine Person war es gerade recht, dass Jason ihr nicht mehr in die Quere kommen konnte ... Axa. Sie entwarf ihren eigenen perfiden Plan, diesem Planeten ein grauenhaftes Ende zu setzen.
Konnte Axas Konstellation noch abgewendet werden?
Falls ja, von wem?
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Im Reich der Seelen …
Sabera stellte Drag einen Napf mit rohen Fleischbrocken unter die Nase.
Der junge Höllenhund blickte zunächst zu Jason rüber, als ob er sich eine Genehmigung zum Fressen holen müsse. Dann schielte er zu Sabera hoch, die ihm wohlwollend zunickte und endlich stürzte er sich auf das Fleisch.
„Du bist in den letzten vier Monaten mächtig gewachsen. Jason wird dich nicht wiedererkennen, wenn er endlich aus seiner schützenden Dragwelt herausfindet.“
Seufzend streichelte Sabera Drag über den breiten, weißen Hundekopf und betrachtete Jason, der äußerlich immer noch wie eine verkohlte Leiche aussah. Sie wusste, sein Hirn trug Leben in sich, denn gelegentlich blitzte es aus seinen toten Augenhöhlen.
So gerne wie sie einen Blick in die Zukunft geworfen hätte, ihre Anwesenheit war in jeder Hinsicht an diesen Ort gebunden …
Nachdem Jason nicht auf dem eigentlich vorbestimmten Weg die Welt der Hexen und Menschen gerettet hatte, war es Sabera Dugal, Hüterin aller lebenden Dragots in allen Welten, aus Sicherheitsgründen nicht möglich, durch die Zeit zu reisen.
Die umherschwirrenden Seelenbegleiter könnten und würden Jasons Seele eigenmächtig ins Reich des Übergangs entführen - und somit den endgültigen Tod seines momentanen Lebens hervorrufen. Ein Umstand, den es unbedingt zu unterbinden galt.
So konnte sie nicht herausbekommen, wann er erwachen würde, denn dann könnte es zu spät sein um ihn in dieser Zeit zu retten. Tja, so könnte es im schlimmsten Fall Jahre dauern, bis er wieder erwachen würde!
Doch das ginge an diesem Ort ohnehin nicht …
Jason hatte die Zukunft verändert, sicher nicht unwiderruflich. Aber auf seinem ursprünglichen Weg wären seine Töchter Suja, Kaja und Elja durch Axas Fluch umgekommen. Es war nicht vorgesehen, dass Elja in der von Axa erschaffenen Blase noch bei Besinnung war. So konnte er die drei Seelenschreie seiner Töchter von denen der anderen sterbenden Wesen heraushören.
Ein Scharren an der Treppe des Tempels ließ Sabera aufhorchen, sie ging zu dem Durchgang, wo sie Charly erblickte.
„Endlich, warum hast du so lange gebraucht?“
‚Es ist nicht einfach, unerkannt in den Tempel der Dragots zu gelangen.‘
„Hast du die Heiligtümer?“
‚Ja, nimm sie mir aus der Tasche.‘
Der riesige Höllenhund legte sich zu Saberas Füßen. „Danke Charly. Geh dich stärken, dann mach dich wieder auf den Weg.“
‚Ich kann noch verweilen. Elaine schickte mich raus, um den vermeintlichen Spuren in der Unterwelt nachzugehen. Es ist nicht mehr lange zu verbergen, dass Jason hier ist, sie werden ihn finden.‘
Sabera überhörte den letzten Satz, denn sie wusste, keiner konnte ihnen hierher folgen.
„Wie geht es ihnen?“ Sabera reichte Charly, dem Höllenhund von Elaine, einen Trog mit Wasser.
‚Gesundheitlich sind alle wohlauf, nervlich eher am Ende. Jasons Töchter wissen, dass er nicht tot ist. Wie Wilde verfolgten sie jede noch so kleine Spur.‘
„Ich denke, es wird sich auch nicht ändern. Sei weiterhin vorsichtig. Ich möchte weder, dass sie erfahren, wo Jason ist, noch in welchem Zustand er sich befindet.“
‚Charlyn sollte aber - über kurz oder lang - Näheres erfahren. Sie driftet immer weiter ab, fühlt das Leid ihres Bruders. Ehrlich, sie ist von Allen am schlimmsten dran!‘
Sabera runzelte die Stirn. „Das glaube ich dir unbesehen. Doch so lange er sich nicht geistig mit mir auseinandersetzten kann, kommt niemand ihm zu nahe. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sie ihn so sehen würde!“
‚Ich bräuchte auch Hilfe. Wie soll ich Rob den Panzer abnehmen? Er trägt ihn ständig.‘
Ja, dieser verdammte Dragpanzer … Rob hätte ihn schon lange ablegen müssen!
Sabera seufzte leise und umwanderte die auf einem länglichen Podest stehende gläserne Wanne, in der Jason in einer durchsichtigen blauen Gelflüssigkeit lag, damit seine Seele nicht entweichen konnte.
Tief in Gedanken versunken grübelte sie über eine sinnvolle Lösung nach, während sie geistig abwesend mit ihrem Zeigefinger über den Wannenrand strich. Wie könnte sie Charly behilflich sein, ohne ihn begleiten zu müssen? Oder gab es einen anderen Weg Jason aus seinem derzeitigen Zustand zu befreien?
Niemals zuvor war sie so macht- und ratlos gewesen, denn selbst in ihrem Buch der Zukunft waren alle Seiten wie ausradiert. Jason hatte wirklich alles maßlos durcheinander gebracht … schrecklich …
Es lag nur eine Lösung auf der Hand … alle Aufrüster mussten hier her, komme was da wolle!
„Wir müssen den Panzer bekommen. Jason braucht sämtliche Dragheiligtümer, sobald er Kontakt zu mir aufnimmt. Und je eher sie parat liegen, umso besser“, murmelte sie sich selber zu.
Warum war ihr Kopf nur so leergefegt? Sie nahm das von Drag hergebrachte Drachenherz und legte es auf dem überstehenden Podest der Wanne ab. Daneben sortierte sie die anderen sieben Dragaufrüster. Es fehlte nur noch der Dragpanzer mit dem Stab der Drachen.
„Ich würde ja selber Zeitreisen, aber die Gefahr ist nicht einzuschätzen. Kann ich aus irgendeinem Grund nicht hierher zurückkehren, ist Jason verloren.“
‚Vielleicht geben deine Hexbücher eine Lösung dafür her, wie ich ihn dazu bringen kann, den Panzer abzulegen?‘
„Was glaubst du, hab ich in den letzten drei Monaten getan? Seit ich weiß, warum diese Heiligtümer überhaupt hergestellt wurden, zerbreche ich mir den lieben langen Tag meinen Schädel. Wir müssen den Panzer und den Stab haben … um jeden Preis!“
Charly neigte seinen Kopf auf die Seite. ‚Du schlägst damit aber nicht vor, dass ich Rob töten soll?‘
„Nein, so weit dürfen wir nun auch nicht gehen! Solange das Buch leer ist, müssen alle Familienmitglieder den höchsten Schutz erhalten.“
‚Was auch nur noch eine Frage der Zeit ist. Es geht im Hexenreich rum, dass Axa ihre Häscher zusammentrommelt. Rob ist auch drauf und dran, die Insel zu verlassen. Er will nach Dragonrock zurück.‘
Verständnislos riss Sabera die Augen auf. „Warum? Er weiß doch, dass die Insel nicht mehr sicher ist. Wie kann er nur so verantwortungslos sein?“
Charly stellte sich neben die gläserne Wanne. ‚Er rechnet sich mehr Chancen aus, etwas über Jason herauszubekommen.‘
Sabera winkte ab. „Als ob irgendein dahergeflogener Hexer etwas wüsste. Sobald Jason fit ist, bilde ich Robert zum Dragdaan aus. Seine Einstellung ist inakzeptabel. Er bringt uns nur noch mehr in Schwierigkeiten.“
Mit einem neuen Gedanken wandte Sabera sich ihrem Kräuterregal zu, sie suchte einen Behälter heraus und füllte etwas in ein Döschen ab.
„Mach dein Maul auf.“
Fragend hob Charly den Kopf. ‚Was ist das?‘
„Etwas, das Rob eventuell dazu veranlasst, den Panzer abzulegen.“
‚Was ist es?‘
Nein, Charly war nicht gewillt etwas in sein Maul zu nehmen, das er nicht kannte.
„Es sind Sandtierchen, sie verursachen einen unangenehmen Juckreiz auf der Haut. Du musst die Dose zerbeißen und die Tierchen Rob auf den Körper pusten.“
Charly zog grinsend seine Lefzen hoch. ‚Es wird mir eine Ehre sein, ihm im Namen von Jason eine volle Breitseite zu verpassen.‘
Trotz dem Ernst der Lage entlockten seine euphorischen Worte Sabera ein winziges Zucken im Mundwinkel, das fast einem Lächeln ähnelte. „Charly, du bist unmöglich. Pass bitte auf, dass du nichts von der Ladung einatmest. Die Sandrappern wirken auch innerlich. Falls du doch einige von ihnen in deinen Verdauungstrakt bekommst, friss Kohle oder abgebranntes Feuerholz. Das mögen die Tierchen nicht und verziehen sich.“
Sandrappern mit Nebenwirkungen, Charlys Ohren spitzten sich. ‚Wohin?‘
Mit einem durchdringenden Blick in seine schwarzen Augen streichelte sie dem Höllenhund übers Ohr. „Hinten raus, sie flüchten davor.“
‚Eine nette Vorstellung.‘ Charly schüttelte sich.
„Und sauf auf keinen Fall Wasser. Sonst blähen sie sich auf und wachsen in dir fest, bis sie dich innerlich sprengen.“
Ein überaus beeindruckender Kamm richtete sich auf Charlys Rücken auf, der vom Nacken bis zum Schweif reichte. ‚Ich habe mir gerade überlegt, ob nicht - einfaches Juckpulver - denselben Effekt bei Rob erzielen würde?‘
„Sicher, das ginge auch.“
Ach …
Entnervt rollte Charly mit seinen schwarzen Augen, denn das breite Schmunzeln von Sabera machte ihn stutzig.
‚Du hast mich veräppelt, es ist Juckpulver!‘
„Ja natürlich! Meinst du, ich verschwende meine süßen Sandrappern wegen eines Panzers?“
‚Na wenigstens ist dir bei all dem Durcheinander nicht der Humor abhanden gekommen!‘
Mit großem Appetit stärkte Charly sich für den Rückweg und vor dem Tempel steckte Sabera ihm dann das verpackte Juckpulver in die Backentasche.
„Verschluck es nicht! Schlimm wäre es nicht, aber schade um den verpassten Versuch.“
Er nickte und hob ab.
„So, nun sind wir wieder allein.“ Sie setzte sich vor die Wanne und wiederholte ihr alltägliches Ritual der Seelenerweckung. Und wie jedes Mal musste sie es abbrechen, weil sie nicht durch die Barrikade seines letzten Drags dringen konnte.
Ausgelaugt legte sie ihren Kopf in den Nacken. „Warum kommst du nicht zurück?“
Was keiner wusste, der Drag, den Jason zur Rettung der Welt benutzt hatte, hielt ihn nun vom realen Leben ab. Zum Schutz seines Gedankenguts umhüllte der Drag sein Gehirn wie eine undurchdringliche, stählerne Schicht.
Und Sabera konnte diese Schutzschicht bisher nicht mal ansatzweise ankratzen.
Sie legte ihren Arm auf den Wannenrand und hielt ihre Hand in das blaue Gel, berührte sanft seine knochigen, kalten Fingerspitzen. Ratlos starrte sie in sein totes eingefallenes Gesicht. „Wir hatten doch noch so viel vor. Komm zurück mein alter Freund, das Kasino erwartet uns!“
Im Direktflug steuerte Charly die Insel der Drachenahnen an und landete am Strand. Es war tiefste Nacht. Müde vom ewigen Hin und Her, blieb er im Sand liegen und schlief ein. Die Dose mit dem Juckpulver rutschte aus seinem Maul.
Am nächsten Morgen weckte ihn das Krakeelen der halbwüchsigen Drachenmädchen schon von Weitem.
Charly stand mit steifen Knochen auf und schüttelte seine Flügel gleich mit aus.
Suja war die erste, die ihn fand und sie informierte sofort ihre Schwestern.
Gähnend warf Charly einen Blick nach unten und schaute grummelnd auf die Dose. Er musste handeln, bevor die Drachengören ihn erreicht hatten. Schnell schnappte er den Behälter und erwischte gleich eine Schaufel voll Sand gratis dazu. Knirschend schob er die Dose wieder in die Backe und versuchte vergeblich den restlichen Sand mit seiner Zunge aus dem Maul zu schieben.
Elja rannte mit Speed auf den Höllenhund zu, bemühte sich in die Luft zu kommen und flatterte Charly ungelenk auf den Rücken. Sie wollte - wie schon so oft -, dass Charly sie auf sich reiten ließ, denn dann guckte sie immer ganz stolz und majestätisch umher.
Doch Kaja zerrte sie am Bein wieder runter.
Das hielt Suja nicht davon ab, Charly mit Wasser zu bespritzen.
Endlich erschien die Rettung vor den wilden Drachenhühnern, Antron kam zwischen den Palmen hervor. „Lasst ihn in Ruhe! Charly hat sicher Hunger und ihr nehmt überhaupt keine Rücksicht darauf!“
Betreten sahen die Mädchen Charly an, wollten an seinen Gesichtszügen ablesen, ob Antrons Aussage stimmte.
‚Recht hat er! Lasst mich erst was essen!‘
Suja blinzelte in den Sonnenaufgang. ‚Gut, geh. Aber nachher darf ich auf dir reiten, versprochen?‘
‚Vielleicht!‘
Dass die Drachenmädchen mit Charly telepathischen Kontakt hatten, wusste keiner. Selbst vor Rob blieb es geheim. Was Charly zu Anfang etwas verwundert hatte, wusste er doch, dass Rob ebenso wie Jason, sich mit seinen Gedanken unterhalten konnte.
Müßig trottete Charly, über seinen Auftrag und den wieder aufkeimenden Hunger nachdenkend, zum Haus. Musste er doch auch vor den Drachenladys sein wahres Wissen über Jasons Aufenthaltsort verheimlichen.
Elaine saß auf der Terrasse, die Charly wegen seiner Größe mühelos einsehen konnte. Schon von Weitem erkannte er die Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Um sich den quälenden Fragen sofort zu entziehen, schüttelte er gleich den Kopf. Niedergeschlagen senkte Elaine ihr Gesicht und vergrub es in ihren Händen.
In den letzten Wochen hatte sie an Bauchumfang zugelegt. Die Hälfte der Schwangerschaft lag aber noch vor ihr.
Rob trat aus der riesigen Palmenhütte und stellte sich ans Geländer. „Wieder keine Spur?“, fragte er Charly, der darauf abermals verneinend den Kopf schüttelte.
„Elli, ich breche heute noch nach Dragotan auf! Die hohen Dragots müssen entscheiden, ob sie Sabera kontakten. Es kann nicht angehen, dass keiner weiß, wo Jason ist.“
Charly horchte auf, das war zum jetzigen Zeitpunkt das ungünstigste, was ihm passieren konnte. Sobald Rob herausbekam, dass alle Heiligtümer verschwunden waren, legte er den Panzer mit garantierter Sicherheit nie ab. So konnte Charly keinen günstigen Moment mehr abwarten, sondern musste handeln.
Doch auch der eventuelle schnelle Plan mit dem Juckpulver wurde vorübergehend behindert, denn Bilwer und Zakton landeten in diesem Augenblick auf der Terrasse.
An den Gesichtern der beiden Dragots konnte Rob sehr wohl ablesen, dass es sich nicht um einen Höflichkeitsbesuch handeln würde.
„Packt eure Sachen!“, verlangte Zakton.
Elaine guckte genau so überrumpelt wie Rob aus der Wäsche. „Warum?“, wollte sie wissen.
„Ihr zieht nach Dragotan um!“, brummte Bilwer.
Elaine klappte der Mund auf. „Und ich?“
„Du trägst zwei Drachenwandler unter deinem Herzen. Die hohen Dragots haben beschlossen, dass diese nicht hier, sondern auf Dragotan geboren werden sollen“, erklärte Zakton.
Trotz seines aufbrodelnden Blutes blickte Rob Bilwer überaus ruhig an. „So schön der Gedanke ist ... wir bleiben!“
Keiner durfte sich ihm und dem Entscheid der hohen Dragots widersetzen, Bilwer konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. „Was ‚in Dragots Namen‘ erdreistest du dich, den hohen Dragots zu widersprechen? Kannst du die Tragweite deiner Worte fassen?“ Sein Gesicht lief unter seinem weißen Bart rosa an.
Doch Rob blieb unbeeindruckt. „Sicher kann ich das.“
Bilwer drehte sich zornig weg.
„Ich kann dir auch erklären, warum wir nicht nach Dragotan kommen.“
„Da bin ich aber gespannt!“, knurrte Bilwer.
„Ich ehre sehr, dass es Elaine gestattet wird, unsere Insel zu betreten, und wenn es auch nur wegen der ungeborenen Kinder ist. Wobei ich mir die Frage stelle, woher ihr wisst, dass es mehr als ein Kind wird?“
„Es sind zwei Tafeln neben Jason und Charlyn entstanden - noch unbeschrieben - aber da.“
Elaine schaute schmunzelnd zu Rob auf, denn bisher wollte er ihr auch nicht glauben, denn Zwillinge waren selbst im Hexenvolk eine Seltenheit.
„Fahre fort“, brummte Bilwer Rob an.
Rob stellte sich zu Raika. „Entschuldige!“, sprach er sie an und wandte sich Bilwer wieder zu. „Es ist mir möglich auf Elaine zu achten, doch mit ihr kommen zwei weitere Dragotinnen auf die Insel, davon eine geschlechtsreif.“ Dabei sah Rob Raika an. „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir bisher mit der Männerwirtschaft auf Dragotan gut ausgekommen sind. Doch wenn plötzlich Frauen auf die Insel kommen, schürt das den Neid. Sicher, Charlyn ist aufgrund ihres Alters in der Lage, sich dessen zu entziehen. Aber Antron ist zu jung, um gestandene Dragots von Raika abzuwehren.“
Zakton grinste hinter Bilwers Rücken und nickte.
Antron sah das spöttische Grinsen des Friedhofswächters. „Danke auch!“, kommentierte er Robs Aussage.
„Halte du dich da raus!“, fuhr Rob Antron scharf an.
Bilwer atmete hörbar durch die Nase aus. „Sicher, das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber ich kann nicht die Entscheidung treffen, dem allgemeinen Hexenweibsvolk den Zutritt auf die Insel zu gewähren. Das Risiko, dass sich unter den erwählten Hexen Wächter oder schwarzes Hexenpack befinden könnte, ist nicht einzuschätzen und darüber hinaus für mich unerträglich.“
„So sehe ich das auch“, murmelte Rob, während er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
Mit einem Patt standen sich die beiden Dragots gegenüber.
Diese sturen Drachendickschädel …
Obwohl es ihm wiederstrebte … Zakton ergriff das Wort, denn so kämen sie nicht auf ein sinnvolles Ergebnis. „Es geht aber kein Weg daran vorbei. Deine Hexe muss mitkommen!“
„Was fällst gerade du mir in den Rücken? Du solltest doch am besten wissen, wie recht ich hab!“, entrüstete sich Rob.
„Das ist mir klar, Rob. Aber solange Jasons Körper nicht auftaucht, wird es für euch hier immer schwerer.“
Elaine sprang wütend auf. „Wie kannst du es wagen, so über Jason zu sprechen, als ob er schon ...“ Das Satzende kam nicht über ihre Zunge, denn das Wort ‚tot‘ wollte sie im Zusammenhang mit ihrem Sohn nicht aussprechen.
Zakton rollte mit den Augen, auch wenn er Elaine verstand, musste gehandelt werden. „Viel mehr ist er momentan ja auch nicht. Doch Axa ist weiterhin tätig. Die kappt gerade fleißig alle Versandhexereien, torpediert die Rattenpost und eine Menge Wächter glauben, wenn sie überlaufen, ihren Arsch zu retten. Dragotan ist wieder sicher, was dir Rob bestätigen kann. Diese Insel ist es über kurz oder lang nicht mehr.“
„Warum nicht?“, wollte sie wissen und fügte hinzu: „Das hier ist die Insel der Dragahnen. Selbst die Nebeldrachen konnten ihr nichts anhaben. Da beißt Axa sich die Zähne dran aus.“
Tja, auf dieser Insel bekam Elaine die Neuigkeiten leider nicht mit, Zakton schüttelte den Kopf. „Nun, Axa hat einen Fehler gemacht. Mit den Wächtern hat sie keinen guten Fang getan. Trotz der Stärke der Wächter, hat sie eines übersehen. Einem brachte sie zu viel Vertrauen entgegen und dieser las in ihren Gedanken. Und wie wir alle wissen, hängen die Wächter mit ihren Hirnen zusammen. So wussten alle übergelaufenen Wächter Bescheid.“
Elaine schaute auf. „Ja und?“
Zakton grinste hämisch. „Nun ja, sagen wir es mal so. Vor Kurzem ist mir einer dieser Wächter über den Weg gestolpert, und ich kam nicht umhin, ihn von meinem Seelenblick zu beeindrucken. Axa war uns damals auf den Fersen, sie kannte also den Tunnel, den wir nahmen. Nicht unbedingt das Ziel, aber die vage Richtung. Nun sind ihre Häscher mit Booten unterwegs und suchen euch.“
„Die Insel ist schon lange abgeschottet. Jede Strömung wird magisch umgeleitet!“, entgegnete Elaine trotzig.
„Das ist zweifelsohne gut. Aber bist du dir absolut sicher, dass jeder Zentimeter mit Hexerei versiegelt wurde? Auch auf Dragonrock ist es den höchsten Harmwächtern nie gelungen, die Insel gänzlich zu versiegeln.“
Zakton sah Elaine in die Augen, erkannte den aufkeimenden Zweifel in ihrem Blick. „Ihr seid nirgends mehr sicher. Nur unsere Insel ist wieder unauffindbar, dank eines Dragdaan.“
Rob wusste sofort, dass Zakton von sich selber sprach. War er doch nach Jasons Verschwinden an seiner Seite und versiegelte das Tor zur Dämonenwelt.
Dragotan glich einer durchsichtigen Festung. Uneinnehmbar und sicher der schwerste Stein, der Axa auf der Seele, so sie eine hatte, brannte.
Gab es keinen anderen Weg? Rob musterte die beiden Dragots, bevor er sich seinem Hexenweib wieder zuwandte. „Ich muss gestehen, er hat Recht. Kein noch so kleiner Fleck, egal in welcher Welt, ist so sicher wie Dragotan.“
Nun steuerte auch Bilwer wieder etwas hinzu. „Die Welten stehen vor einem Wandel, man nimmt die Verbindung mit Axa langsam hin, nur um ihren Zorn nicht zu erregen. Allen Sehern ist bekannt, die Zukunft wurde durch Jason verändert. Die Schriften der Prophezeiungen sind leer. Kein Seher ist in der Lage vorauszuschauen, und das zieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach solange hin, bis Jason endlich wieder auftaucht!“
Derweil auf einem anderen Fleck dieser Erde …
„Herrin, wir haben die Insel gesichtet. Wie Sie vermutet haben, steht die Versiegelung nicht im korrekten Verhältnis.“
„Ich habe nichts vermutet!“, schrie Axa den Wächter an. „Wie gelangen wir auf die Insel?“
„Nur über den Seeweg. Von oben ist sie nicht einzunehmen, da sie unauffindbar ist, sobald man empor fliegt.“
„Wenigstens etwas. Wir brechen sofort auf!“ Ein teuflisches Lächeln umspielte ihren Mund. „Bald habe ich mein Ziel erreicht. Nichts und niemand kann mich jetzt mehr aufhalten. Sobald er wieder unter uns weilt, wird der Bengel ‚verdammt noch mal‘ endlich das Schlüsselelement zu meinem Plan.“ Zügigen Schrittes verließ Axa ihr düsteres Schloss, in dessen Grottensystem Jasons Großmutter, Vanilla McPowerstone, den endgültigen Tod durch ihre Hand gefunden hatte.
Ohne sich durch irgendetwas aufhalten zu lassen betrat Axa den Steg zu ihrem gewaltigen Drachenschiff. „Hievt den Anker. Eine widerspenstige Familie erwartet meinen Besuch“, fuhr sie ihre schwarzen Gefolgsleute an, die an Deck bereits auf sie warteten.
Bolak, der ehemalige Drachensucher der Dragots, stützte sich an der Reling ab und grollte seiner cholerischen Hoheit ins Gesicht. „Kann ich ihn diesmal fertig machen?“
„Du wirst deinen Spaß noch mit ihm haben, doch zuvor brauche ich alle lebend.“
Mürbe von ihrer nervigen Art und Weise, mit der sie ihm entgegentrat, sowie ihren geheimen Plänen, an denen sie ihn nicht teilhaben ließ, richtete Bolak sich auf und blickte der Hexe in die satanisch funkelnden Augen. „Dann sag doch endlich, was du vor hast?“
„Nein, je mehr wissen, um was es geht, desto größer ist die Gefahr, dass es scheitert und in der Vergangenheit ist zu viel falsch gelaufen.“
Wütend, dass sie gerade ihm kein Vertrauen entgegenbrachte, starrte Bolak sie kurz an, bevor er ihr seinen Frust darüber ins Gesicht schleuderte. „Dann scheiß dir doch ins Hemd!“
Ungerührt strich Axa eine Strähne ihres blauschwarzen Haares aus ihrem bleichen ovalen Gesicht. „Nur weil du ein Dragot bist, kannst du dir nicht alles erlauben. Vergiss das nicht!“
Wie wahr, Bolak rieb sich den Nacken und knurrte in Axas Richtung. „Ja, ja, ich bin deine unendliche Nummer acht. Dann lass mich jetzt in Ruhe!“
Die Muskeln über Axas Wangenknochen zuckten. Sie hasste es, wenn er ihr gegenüber so aufmuckte. „Kümmre dich mit den anderen um die Segel, und halt endlich dein Maul!“, schnauzte sie ihn gereizt an.
Wenig später waren auch die drei von Axa per Hex georderten Aquabells da, die das Drachenschiff aus der Strömung zogen.
„Wann sind wir endlich auf Kurs?“, murrte Bolak zu dem Steuermann rüber.
Dieser zeigte ungerührt auf zwei im Wasser stehende Felsen. „Wenn wir an denen vorbei sind.“
Kaum, dass sie die Hindernisse passiert hatten, trieb Bolak die Aquabells, indem er eine Feuersalve ins Wasser hinter den Tieren stieß, zur Höchstleistung an.
„Bring sie nicht gleich um! Sie müssen die ganze Strecke durchhalten!“, brüllte Axa ihn an und verzog sich in ihre Kajüte.
Bolak sah Axa hinterher und folgte ihr mit einem breiten gierigen Grinsen.
Während der ganzen Überfahrt ließ sich keiner der beiden sehen, erst als der Hexer im Ausguck - Land in Sicht - brüllte, kam Axa mit entspannten Gesichtszügen aus der Kajüte und stellte sich zum Steuermann. Fein, wenigstens ihre gehorsamen Hexen standen schon parat an Deck, allesamt bewaffnet mit ihren Z-Stäben und ihren Besen.
Bolak war dann der erste, der den Strand direkt über der Wasseroberfläche anflog, gefolgt von Axa auf ihrem Besen.
„WARERSUKAS SINDA EXTERMA!“, schrie Axa dem Inselinneren zu und von allen Seiten stürmten die schwarzen Hexen auf ihren Besen die nun wieder sichtbare Landschaft.
„So mein Schätzchen, gleich hab ich dich wieder!“, flüsterte sie vor sich hin.
Ihr Ziel war zum Greifen nah, nach einem Findehex konnte sie das große Holzhaus bereits sehen.
Durch einen weiteren gewaltigen Lähmhex, den sie Vanillas Kraft entzog, bewegte sich alles so langsam, dass man die Bewegungen der Luft in den Palmen kaum wahrnahm. Axa hatte es nicht eilig, alles auf der Insel würde nun auf sie warten.
Müßig bequemte sie sich auf die Terrasse und setzte sich. „Bringt mir die Bewohner, alle!“, fuhr sie ihren Dragot an.
Bolak durchsuchte alle Zimmer und kam mit leeren Händen zurück. „Es ist niemand da!“
„Dann warten wir. Meine Späher finden sie schon.“
Drei zähe Stunden wartete Axa, bis sie sich bequemte nach etwas Essbarem in der Küche zu suchen. Einige der Schränke waren mit Hexenutensilien bestückt, mehrere mit Geschirr. Sie öffnete den letzten Vorratsschrank, in dem ein großer Zettel hing, der durch ihren Atem kurz hin und her flatterte. Axa streckte ihre Hand ohne weiter zu überlegen danach aus und begann zu lesen. Gleichzeitig aktivierte sie damit unwissentlich einen versteckten Fluch.
Hallo Axalein,
leider ist es uns nicht möglich dich gebührend zu empfangen, da wir vor Kurzem umgezogen sind. Doch mach es dir ruhig bequem. Wir haben, wenn du die Insel in deinen Besitz nehmen willst, auch noch einige persönliche Geschenke hinterlassen. Wir hoffen, der Aufenthalt hier bringt deinem aufbrausenden Gemüt ein wenig Entspannung.
Verreck, du verdammtes Stück Scheiße!
Deine Dich hassende
Familie Dragonblood
Axas Augen weiteten sich. Aus der Ferne hörte sie Geräusche, die gewaltigen Explosionen glichen - nur schleppender. Das Haus unter ihren Füßen begann zu zittern, ein Ruck durchzog die gesamte Insel. Axa schaffte es nicht mehr aus dem Haus heraus, denn es explodierte, nachdem es ihren Hex durchbrochen hatte, in Echtzeit.
Bolak, der unten vor dem Haus stand, fluchte augenblicklich los, denn Axas Körperfetzen flogen ihm samt den Trümmern um die Ohren. „Scheißdreck, jetzt muss ich die Zicke schon wieder zusammenkochen!“
Es war keine zwei Jahre her, da hatten die Wächter ihre Chance genutzt und Axa in der Hexenstadt Ompla fast mit einem mächtigen Sammelhex zerstückelt … Nun musste er abermals ihre Fetzen einsammeln …
Von den übrigen schwarzen Hexen, die sich auf der Insel herumtrieben, war keine mehr am Leben. Zakton hatte für den nötigen Drag gesorgt, er hob ab und folgte den anderen. „Nun haben wir Zeit zum Luftholen.“ Inständig hoffte er, diese Zeitspanne würde ausreichen, um Jason zu finden.
Ebenso wie auf der Insel der Ahnen, mussten alle anpacken, um eine Erweiterung für Robs Hütte zu schaffen. Während Raika und Charlyn sich um die Drachenmädchen kümmerten, die immer mal wieder zwischen Rob und Antron herumwuselten, verteilte Elaine einige der Möbel aus ihrem Inselhaus auf einem kleinen Tisch vor der Hütte. Sie hatte die Möbel so weit geschrumpft, bis sie alle in ihre Umhangtasche gepasst hatten.
Derweil hatte Rob sich für einen zweigeteilten Hausbau entschieden.
Über den Wasserfall, an dem seine Hütte stand, verlief nun eine hübsche gebogene Brücke, die zum Bereich von Raika und den drei Mädchen führte. Raika teilte sich mit ihren Töchtern und Antron das neue Reich. So konnte Charlyn nach Belieben bei ihren Eltern oder ihren Nichten schlafen.
Unterdessen hatte Bilwer sich zum Tempel verzogen.
Dem regen Treiben vor seiner feuchten Nase konnte der Höllenhund nichts abgewinnen, sein Ziel war ja anders gelagert. Um auf eine günstige Chance zu lauern, hatte Charly in geringer Entfernung seinen Posten bezogen. Er schob die Dose mit dem Juckpulver von einer Wangentasche in die andere. Damit er flink reagieren konnte, hatte er sich mit dem Strick an seinem Halsband geschrumpft. Ein weiterer Zug an dem Seil würde dann ausreichen und er hätte wieder seine eigentliche Größe.
Leider schuftete Rob pausenlos mit seiner Hexenkraft um das Haus von Raika aus dem Boden zu stampfen. Es wollte sich einfach keine Gelegenheit ergeben, dem Dragot das Juckpulver unterzujubeln.
Zu allem Überfluss kam nun auch noch der kleine Wirbelwind auf Charly zu. Nein, bitte nicht! So konnte er doch noch weniger reagieren! Irritiert blickte der Höllenhund zu Elaines jüngster Tochter, denn Charlyn gesellte sich zu ihm und kuschelte sich an ihn ran. „Ich helfe dir, wenn du mich bald zu Jason bringst.“
Erstaunt hob Charly seinen Kopf und sah zu Charlyn.
„Guck nicht so, ich weiß, dass du die Heiligtümer geholt hast. Bilwer wird bald über die Insel brüllen, dass die Bäume wackeln, wenn er das Fehlen der Aufrüster bemerkt. Dir fehlt Papas Panzer und der Stab, stimmt´s?“
Charly konnte nicht anders, die Zeit drückte, er nickte.
Das war ihr Stichwort. Charlyn sprang auf und verschwand in der Hütte, in der Rob arbeitete.
Konnte das gutgehen? Charly rechnete damit, er müsste nun Rob alles erzählen, doch die kleine Hexe kam schon kurz darauf allein mit dem heißersehnten Aufrüster samt Stab, der in der Halterung am Panzer befestigt war, zurück.
„Ich hab Papa erzählt, ich würde den Panzer in den Tempel bringen um nicht so nutzlos herumzustehen. Sobald Jason sich wieder bemerkbar machen kann, holst du mich ab. Bis dahin bleibe bei ihm, okay?“
Charly nickte, schleckte ihr durchs Gesicht und stupste die kleine Hexe dankbar an.
„So, und nun gib mir das, was du da die ganze Zeit im Maul hast.“
Erleichtert streckte Charly die Zunge mit der Dose vor, er wollte sie am liebsten fragen, wie sie es herausgefunden hatte. Doch sie drückte ihm den Panzer einschließlich des Stabs ins Maul und zog an seinem Halsband. „Los, verschwinde endlich!“
Von dem Tumult, der in den nächsten Minuten über die Insel hereinbrach, bekam Charly nichts mehr mit. Er war auf dem Weg zum Untertor der Grabwelt.
Mit geübtem Blick suchte er aus der Luft nach einem großen Friedhof der Menschen. Auf jedem größeren Totenacker mit Gruft befand sich günstigerweise ein Tor zur Hexenwelt.
Es war Nacht und somit konnte er ungehindert landen. Wolken verdeckten den Vollmond über einem Mausoleum, das Charly genauer unter die Lupe nahm. Mit der Nase am modrigen Boden fand er seinen Weg. Sein harter Schädel drückte ohne großartigen Kraftaufwand das schmiedeeiserne Tor lautlos und langsam ein.
Doch so käme er nicht hindurch … Charly schrumpfte sich mental auf die normale Größe einer Dogge, das konnte er auch schon vorher. Doch diese Fähigkeit hätte weitere Fragen mit sich getragen, ergo hatte er sich bisher an die Spielregeln der Hexen gehalten.
Durch die vergitterten Fenster drang so wenig Licht, dass es Charly nicht weiterhalf. Vor ihm gähnte ein schwarzer Abgrund.
Lautlos schlich der Höllenhund an den steinernen Särgen vorbei, doch seine düstere Laune sorgte trotzdem für ein angespanntes Klima in der Totengruft.
Aufgeschreckt flatterten Fledermäuse unter der Decke umher. Mittig im Grabmal blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen. Ein ihm bekannter Geruch drang in seine empfindliche Nase.
Im fahlen Licht ihrer gezückten Stäbe erkannte er drei Wächter, die ihm den Weg zum Tor in die Grabwelt versperrten.
„Höllenbrut, dir ist es nicht gestattet das Tor zu durchschreiten. Weiche!“
In seiner kleinen Gestalt war es Charly nicht möglich, einen ausreichenden Feueratem in die Runde zu leiten. Auch der Panzer in seiner Schnauze behinderte ihn. Loslassen konnte er den Aufrüster aber auf keinen Fall, denn wenn den Wächtern dieser Schatz in die Hände fallen würde, wäre es mit Jason aus und vorbei.
Die Wächter warfen sich gegenseitig einen schnellen Blick zu, vermutlich wollten allen synchron angreifen, bis sie den Höllenhund erledigt hatten.
Charly wusste, ihm blieben nun nur noch Sekunden, um einen Gegenangriff einzuleiten. Was ihm momentan an Größe fehlte, machte er jetzt mit der Wendigkeit seiner Flügel und der optimalen Ausnutzung der Dunkelheit wieder wett. Er hob im letzten Augenblick in die tiefe Schwärze der Gruft ab.
Die Blitze der Z-Stäbe leuchteten die Gruft nicht ausreichend aus. Charly flog hinter einem der Steinsärge in Deckung. Er roch den ersten sich nähernden Wächter.
Die Ausdünstungen des Hexers ließen Charlys Augen rot aufglühen. Leise stupste er den Panzer mit seiner Nase unter einen erhöhten Sarg.
Fein, das rechte Bein des Wächters stand direkt vor seiner Schnauze.
Man sollte einen Höllenhund niemals unterschätzen, selbst in seiner gegenwärtigen Größe durchtrennte er mit nur einem kraftvollen Biss das rechte Bein des Hexers. Der Wächter stürzte und wollte schreien, doch Charly schnappte erneut zu.
Auch wenn sein Magen mal wieder wegen mangelnder Nahrungszufuhr krampfte, spuckte er das Gesicht des Wächters in den Gang. Die Zeit für einen Snack reichte leider nicht aus, denn der nächste Gegner würde sicher nicht warten, bis er seinen Bissen durchgekaut hätte.
Irgendwie trieb ihn nun der Hunger an, schneller zu handeln, der zweite Hexer wurde für Charly ebenso zur leichten Beute. Zuerst traf sein messerscharfes Gebiss auf den Arm, der den bereits Blitze versprühenden Stab hielt. Dann schnappte der Höllenhund nach der Kehle des Gegners und durchtrennte sie samt Genick.
Charly machte seinem Ursprung alle Ehre. Er handelte schnell und mit tödlicher Sicherheit. Höllenhunde waren präzise, todbringende Killer!
Mit dem entsprechenden Blutrausch hechtete er lautlos dem dritten und letzten Wächter von hinten in den Rücken.
Vom Nacken bis zum Steißbein riss er dem Feind die Wirbelsäule aus dem Fleisch und noch während er die Knochenkette umher schleuderte, loderte ein siegessicheres Feuer in seinen düsteren Hundeaugen auf. Das Blut spritzte kreuz und quer durch die Gruft.
Gut, dass es keiner sah, denn nun stillte Charly seinen Hunger, indem er seine Beute emporschleuderte, sein Maul überdimensional aufriss und mit einem Happs verschlang. Kaum geschluckt, hielt Charly abermals inne und reckte seine Nase hoch.
Es kam Nachschub!
Ahnend, dass es weitere Harmwächter waren, die sich von der anderen Seite nähern würden, rannte er zum Panzer und versteckte sich hinter einer Säule neben dem Übergang. Nicht, dass er dem Kampf ausweichen würde, es war der Zeitmangel, der ihm im Fellnacken saß!
Aus dem Tor begann Kälte über den steinernen Boden wabern. Nacheinander flogen mehrere Wächter in die Gruft. Charly wartete den vermutlich letzten ab und kroch knapp über dem Boden durchs Tor.
Er hatte es geschafft, er war in der Grabwelt.
So weit das Auge reichte, säumten Gräber aller Unterweltwesen die graue Landschaft ein. Jeder Hügel war bedeckt mit den steinernen Wegweisern derer, die verblichen unter ihnen weilten.
Ähnlich wie auf dem Unterweltdrachenfriedhof, war es auch hier den Lebenden nicht gestattet zu fliegen. So schlich sich Charly von einem günstigen Versteck zum nächsten. Den Wächtern würde schnell auffallen, dass ihr Gegner entkommen war und sie würden ausschwärmen, um ihn zu töten.
Wieder einmal musste er diesen unliebsamen Weg gehen. Zu allem Überfluss war er durch die falsche Gruft geschritten.
Dieser Zugang lag wirklich und wahrhaftig am anderen Ende seines Ziels.
Ungestüm begann er sich zu dem Durchlass des Seelentors vor zu schnüffeln. Für einen Höllenhund war das durchaus leicht, da sie die absteigenden Düfte der Seelen, die sich auf dem Weg zum Durchlass befanden, von ihrem irdischen Duft stückweise befreiten.
Was so viel hieß, wie: Je näher sie dem endgültigen Seelendurchlass kamen, desto besser und reiner wurde die Luft knapp über den Erdboden.
Allerdings nahm ihm der Panzer in seinem Maul die Sicht auf den Boden direkt vor seinen Pfoten.
Scheinbar unendliche Stunden kämpfte sich der Höllenhund durch das Land der Toten, jedenfalls fühlte es sich so an, denn wenn man nicht richtig voran kam …
Hier und da wurden vor langer Zeit die magischen Gebeine entfernt, wodurch klaffende Löcher entstanden. Auch ragten sporadisch Knochen von ungenügend verscharrten Leichen aus der stark nach Fäulnis riechenden Erde.
Charly fluchte ununterbrochen. Mehrere Male trat er auf Knochen, die sich schmerzhaft in die Zwischenräume seiner Pfoten bohrten.
Das stetig fallende Laub der Immerherbstbäume sorgte zusätzlich dafür, dass er sich vor zu schnellen Schritten hüten musste. Der Höllenhund hatte auch schwer damit zu kämpfen, den rufenden Seelen, die auf ihre Begleitung warteten, zu entkommen. Jedes Mal, wenn er an einer wartenden Seele vorbei musste, versuchte diese sich an ihn zu klammern. Aber er war kein Begleiter, nur ein Torwächter der verschiedenen Dimensionen.
Endlich, nach gefühlten Wochen, die hier keine waren, denn die reguläre Zeit stand in dieser Zone überwiegend still und so waren vielleicht ein paar Minuten oder Stunden vergangen, konnte Charly sein Ziel erspähen.
Ein grabfreier Hügel, inmitten von acht heiligen Stäben, die locker dreizehn Meter in die Höhe ragten, erschien in seinem Blickfeld. Bedrohliche Mahnmale, diesen Hügel nie lebend zu betreten.
Bei diesem Hügel vereinten sich die Seelen der Übergänger. Kein sterbliches Wesen durfte dieses Tor durchschreiten, außer es waren Dragots oder Höllenhunde mit höheren Bestimmungen.
Und es hatte Sabera damals viel Geduld gekostet, mit den Herrschern der Seelenbestimmer ein Abkommen für diese beiden Rassen zu beschließen.
Mehrere Jahrzehnte musste sie Beweise - durch ihre Zeitreisen - sammeln, um den Durchlass zu begründen. Mit Jasons Bestimmung der Friedenbringer zu sein, gelang ihr dann der entscheidende Durchbruch.
Da auch noch hinzukommend - zum jetzigen Zeitpunkt - zu viele Seelen nicht zum Tor fanden, was Axa durch das Gefangennehmen eben dieser Seelen verhinderte, war Sabera der letzte Beweis für die Wichtigkeit ihres Handelns zugeflogen.
Allerdings ließen sich die Seeleneinsammler auch nicht überrumpeln.
Sabera musste versprechen, Jasons Seele den Bestimmern zu überlassen, wenn er es nicht binnen eines Jahres aus seinem Zustand herausschaffen würde.
Was soviel hieß wie: sollte es Sabera - beziehungsweise Jason - nach diesem befristeten Zeitrahmen nicht gelingen, wieder richtig zu leben, dann müsste Sabera die Seelenzone verlassen ... oder sich selbst sowie Jasons Seele opfern.
Natürlich dachte Sabera zuvor, dass alles seiner Prophezeiung folgen würde. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Jason mit seiner unvorhergesehenen Handlung die Zukunft vernebeln würde. Erst als sie keinen Zugang zu ihm fand, was eigentlich hätte gelingen sollen, schickte sie Charly los, um alles zu überprüfen.
Seit sie zeitreiste und um die vorher sichere Zukunft wusste, war Charly vorerst dazu abgerichtet, die Familie um Jason und ihn selber zu schützen.
Ein kurzes Gespräch mit der damals schwangeren Vanilla reichte aus, dass ein Höllenwesen vier Jahre später in der Familie liebevoll aufgenommen wurde. Vanilla selbst war es, die Charly aus Saberas Armen entgegennahm, als Elaine und Rob gerade den Koboldgarten unsicher machten.
Charly würde seine Familie, unter deren Obhut er sich befand, bedingungslos beschützen. Doch auch darum gab es ein weiteres Geheimnis, das Sabera Vanilla nicht anvertraut hatte. Unter keinen Umständen durfte die Hexe damals erfahren, wer Charly wirklich war …
Mit der Nase fast im Dreck tastete Charly sich an die heiligen Stäbe heran, er musste die richtigen beiden finden. Ginge er ziellos durch die achteckig angeordneten Stäbe, liefe er ins Körperlose. Dann würde sich seine Seele vom Fleisch lösen und in den Seelenwald entschwinden.
Doch zur Sicherheit hatte er die beiden Stäbe mittels Duftmarke veredelt, so verriet ihm seine Nase die richtigen Durchlassstäbe. Er warf einen Blick zurück, Wächter waren nicht zu sehen. Gut, es würde ihm sowieso keiner folgen können, aber sicher war sicher. Vorsichtig durchschritt Charly die Stäbe.
Im nächsten Moment stand er in einer Landschaft, die jedem bekannten Naturgesetz widersprach. Hier wuchs alles dorthin, wo es wollte. Falls es wuchs!
Wovon Charly aber keine Notiz nahm.
Bäume in den verrücktesten Farben wuchsen schräg aus Hügeln - und dennoch kerzengerade - heraus. Violette Grasinseln schoben ihre Wurzel an glatten Steinen empor und streckten ihre Halme waagerecht weg. In einem kleinen Flüsschen floss das Wasser schräg an der linken Steinuferböschung empor, um dann im Bogen durch die Luft auf die andere Seite zu fließen. Schräge Mauern, von denen niemand sagen konnte, wer sie je erbaut hatte, standen so schief, dass sie laut dem Gesetz der normalen Schwerkraft längst umgefallen sein müssten.
In der Ferne erstreckte sich ein Gebirge, das auch nichts klar erkennen ließ. Es sah wie aus steinernen Seifenblasen geformt aus.
Schier aus Langeweile flog Charly sie im letzten Monat an, um sie näher zu betrachten. Was ihm auch keine Erklärung bot, denn von Nahem glichen die einzelnen Blasen eher undurchsichtigen Kristallen, die vereinzelt pulsierten und Leben in sich zu tragen schienen.
Selbst das Fortbewegen war hier so unterschiedlich wie abwegig. Charly bevorzugte den Flug, welcher ihm durch Übung schon recht gut gelang. Die Seelenwinde trieben ihn mal hier hin mal dorthin. Anfangs hatte er wie ein Irrer versucht, gegen die Luft anzukämpfen, was ihn aber immer weiter von seinem Ziel entfernt hatte. Dass alles in dieser Welt von den Seelen beeinflusst wurde, musste Sabera ihm erst richtig erklären.
Die Seelen wussten, wohin er wollte und übernahmen den Transport.
Einige von ihnen zeigten sich dann und wann als Nebelschwaden, manchmal waren sie nur glühende Punkte oder sie erschienen in der Form ihrer früheren Körper. Dass Höllenhunde sich nicht sonderlich ängstlich zeigten, konnte man sich denken, doch hier war alles anders. So hatte es Charly einige Überwindung gekostet, sich ohne Kontrolle treiben zu lassen.
Um Jason ein einigermaßen normales Umfeld zu erschaffen, bat Sabera, damals bei ihrer Ankunft mit seiner körperlichen Hülle, die Seelen einen Tempel zu erschaffen, in dem er ruhen könne.
Fast machte es den Anschein, als ob die Seelen sich freuten einer sinnvollen Bestimmung zu folgen, denn bereitwillig erschufen sie umgehend einen Tempel, den sie Jasons Erinnerungen abrangen: Den Tempel der Dragots auf Dragotan.
Nun lag er dort seit gut vier Monaten in einer Gelflüssigkeit, die seinem körperlichen Verfall Einhalt gebot und seine Seele hielt.
Ab den Stufen zum Tempel war es den Körperwesen gestattet, sich in den Gesetzen der Schwerkraft zu bewegen. Charly nahm mit jedem Sprung drei Stufen auf einmal.
Alles war ruhig, Sabera schlief auf ihrem Bett und Charly sah keinen Grund sie zu wecken. Er platzierte den Panzer bei den restlichen Aufrüstern und legte sich neben Drag, der ihn müde anschielte.
Wenig später schnarchten die Höllenhunde um die Wette. Hier lauerte keine Gefahr.
Flüchtige Blitze durchzuckten Jasons intaktes Gehirn, sein kleiner, knöchriger Finger zuckte, doch niemand bemerkte es.
Fernab von dieser Welt in einer anderen Zone …
Seitdem die Welt durch Jasons Opferung ihrem normalen Ablauf folgte, ging es zwei Personen seelisch ganz besonders schlecht. Die eine war seine Schwester, jedoch wohlwissend, ihr Bruder würde noch existieren, die andere lebte in einem Hexenheim. Skyla konnte sich auf nichts konzentrieren. Selbst Jamalin konnte sie nicht trösten. Bei jeder Gelegenheit weinte die Junghexe steinerweichend.
Kein Hexdoktor konnte ihr helfen. Alle angewandten Mittelchen vermochten es nicht, sie aus ihrer Traurigkeit zu holen.
In den Abständen, in denen Jason Blitze durchzuckten, durchzog es Skyla mit Trauer und Tränen. Ihr klarer Verstand konnte diesen Zustand nicht deuten. Doch ihr Gefühl sagte, dass sie etwas tun musste.
Während die anderen Kinder in Gruppen Zonenhotels besuchten, um von Gästen zu lernen, musste Skyla meist im Heim zurückbleiben.
Zu Anfang nahmen die Gäste ihre Gefühlsausbrüche hin, doch mit den Wochen kümmerten sich so viele Gäste um sie, dass die anderen Kinder nichts zu tun hatten. Dem tieferen Grund ihrer Traurigkeit kam keiner an die Wurzel, und an lernen war bei ihr nicht einmal ansatzweise zu denken, so blieb sie im Heim.
Wie auch die Male zuvor, saß sie am liebsten vor dem Bild, welches Jason ihr über das Bett gehext hatte. Als er es ihr zeigte, bat er sie mit dem Finger darüber zu streicheln, worauf sich die Person darin zum Drachen verwandelt hatte.
Jeden Abend wiederholte sie es vor dem Zubettgehen.
Doch seit diesem einen Tag vor etwa vier Monaten war alles anders. Wie üblich wollte sie die Wandlung sehen, aber anstelle derer, durchfuhr sie ein schmerzvoller schwarzer Blitz, der ihr bis zum Hirn gefunkt hatte.
Die Person auf dem Bild verschwand und mit ihr Skylas normales Leben.
In den letzten zwei Wochen gesellte sich eine bittere Leere hinzu und mit jeder Sekunde vergrößerte sich die Gewissheit, sie würde diesen Ort verlassen müssen, um ihren eigenen Weg zu gehen.
An diesem frühen Morgen, nachdem alle gefrühstückt hatten und in die Zonenhotels geflogen waren, war es so weit. Skyla sah auf den jetzt schwarzen Seelenkristall in ihrer Hand und verstaute ihn in einem Lederbeutel, den sie sich mit einem robusten Band um den Hals knotete. Ihre Hexereiutensilien packte sie in den Rucksack. Etwas Proviant und ihren Stab brachte sie im Umhang unter.
Mit festem Schritt griff sie im Vorbeigehen ihren Besen und öffnete die Tür ihrer Unterkunft.
Draußen war es still, denn alle waren unterwegs. Skyla warf einen Blick in den grauen Hexenhimmel über sich. Die Wetterhexen schienen ihren trüben Seelenzustand zu ahnen. Sie schwang sich auf den Besen und hob ab.
Niemand außer einer lächelnden Krähe beobachtete Skyla, wie sie ihren Flug ins Ungewisse antrat.
Sie überflog den dichten Wald, in dem das Hexenheim lag und folgte der falschen Sonne am violettblauen Himmel. Heute - genau auf den Tag - war ihr zwölfter Geburtstag. Und mit dem Tagesanbruch war ihre letzte Hoffnung verflogen. Seit sie die Augen aufgeschlagen hatte, wusste sie, dass Jason nicht mehr zurückkommen würde, vielleicht nie mehr kam. Alles um sie herum war schlagartig noch unwichtiger geworden, als es ohnehin schon war, sie folgte dem Seelenschrei in ihr.
Den Wetterhexen war es egal, wer durch die Hexenwelt flog. Sie sandten Regen aus dämonischen Wolken ins Reich. Ein kalter Sturm trieb aufgewühlte Regentropfen unter Skylas Umhang.
Auf der Insel der Dragots …
Das Donnerwetter, welches über Dragotan fegte, war eines der schlimmsten, das Rob je erlebt hatte.
Bilwer ließ die Erde auf der gesamten Insel erbeben.
Umgehend steuerten alle Dragots den Vulkan an.
Schon aus der Ferne konnten alle Bilwers Drachenwut erkennen. Mit seinem erhobenen langen Gehstock in den Himmel drohend stand er am Krater. Seine Haare standen durch die Winde wirr von seinem Kopf ab. Er hatte sich öffentlich zum Großdragot gewandelt. Was in den vergangenen Jahren, seit seiner Ernennung zum Anführer der Bewohner Dragotans, nie mehr geschehen war.
Blitze aus seinem Stock formten eine in sich wirbelnde grauschwarze Wolke über dem Vulkan. Die Dragots wagten sich nicht zu landen.
Es vergingen etliche Minuten, bevor Bilwer die tosende Wolke auf eine ungewisse Reise schickte.
Rob traute sich als erster näher.
Seinem Beispiel folgten die hohen Dragots.
Bilwer warf ihnen einen Blick zu, der alle in der Bewegung einfrieren ließ. Er breitete seine Flügel aus und hob Richtung Tempel ab. Wortlos und in sicherem Abstand folgten ihm die anderen.
Bilwer landete direkt vor dem Eingang des Tempels, die anderen vor den Stufen. Keiner traute sich ihm sofort hinterher, erst nachdem alles ruhig war, schritten die hohen Dragots die Stufen empor.
Auf dem Podest der Throne, mit dem Rücken zu allen stehend, starrte Bilwer auf die Wand, auf deren Absatz die Heiligtümer der Dragots lagern sollten.
Alle nahmen nach den hohen Dragots Platz und warteten, dass Bilwer sich ihnen zuwenden würde.
Die Stille, die nun herrschte, irritierte alle.
Ohne sich umzudrehen dröhnte Bilwer jählings los. „In den ganzen Jahren meines Lebens ist auf dieser Insel nichts, aber auch gar nichts abhanden gekommen!“
Bilwer drehte sich um, sah in die Gesichter der anderen. Rob schaute an ihm vorbei und war sprachlos. Auch die hohen Dragots auf ihren Plätzen sahen alle auf die Mauervertiefung, in der die Aufrüster liegen müssten.
Mit einem Handschlag ebnete Bilwer die Nachbildung von Axas Festung, die nach wie vor inmitten der hohen Dragots auf einem Podest stand, ein.
„Anhand der Dragtafeln kann es sich bei dem Dieb nicht um einen der Unseren handeln, denn alle Dragots sind noch da. Wo also sind die Heiligtümer?“ Finster blickte Bilwer in die Runde.
Viele zuckten ratlos mit ihren Schultern. Rob verschwieg aus familiären Gründen lieber, dass er seiner Tochter den Panzer anvertraut hatte, denn auch dieser Aufrüster war weg.
„Ihr schwärmt aus und kommt mir nicht ohne die Dragheiligtümer zurück. Sucht die ganze Insel ab! Dreht jeden Stein um! Wenn sie nicht hier auf der Insel sind, lege ich meine Führung ab und kehre erst nach Dragotan zurück, wenn ich sie selber gefunden habe!“
Ein Raunen erfüllte den Tempel.
Charlyn betrat unbemerkt den Gang zum Hauptsaal. Sie blieb vor den Tafeln stehen und streichelte über die Tafel ihres Bruders, worauf der sehr blasse Schriftzug aufglühte. Still lächelnd ging sie unbeeindruckt aller Blicke, die sie auf sich zog, zu ihrem Thron und ließ sich darauf plumpsen.
Bilwer kraulte seinen ellenlangen Bart nervös. „Mylady, ich bin untröstlich Ihnen mitzuteilen zu müssen, dass die heiligen Dragaufrüster gestohlen wurden. Hiermit verpflichte ich mein Leben der Suche nach ihnen! Ich werde keinen Tag ruhen, ehe ich nicht alle unversehrt an ihren Bestimmungsort zurückgeführt habe!“
Seelenruhig lächelte Charlyn ihn an, was Bilwer nicht richtig deuten konnte.
„Mir ist bewusst, Ihr könnt den Wert dieser Gegenstände noch nicht einschätzen. Doch noch bevor Ihr es wisst, werden sie wieder hier sein.“
Charlyn lächelte ununterbrochen weiter. Rob ahnte bereits, sie wusste mehr, als jeder andere hier vor Ort.
„Ich ehre deine Loyalität unserem Volke und meiner Stellung gegenüber. Doch in den kommenden Monaten brauchst du die Dragaufrüster nicht suchen. Sie befinden sich an dem wohl sichersten Ort dieses Planeten und seiner Zonen.“ Sie stand auf, wandelte sich zur Dragotin und flatterte auf das Podest.
Räuspernd wandte Bilwer sich Charlyn zu. „Entschuldigt meinen Widerspruch, die Aufrüster gehören in den Tempel. Nirgendwo anders sollten sie aufbewahrt werden. Ihre Macht ist viel zu groß! In unwissenden Händen können sie gewaltigen Schaden anrichten.“
Charlyns Blick verfinsterte sich, ihre Augen funkelten Bilwer an. Sie wusste um ihre Führung der Dragots und sie mochte es überhaupt nicht, wenn ihr in solch einer ernsten Angelegenheit widersprochen wurde. Doch um sein Gemüt zu besänftigen sprach sie weiter. „Sie sind im Tempel meines Bruders und er wird sie zu gegebener Zeit tragen um als das, was er seiner Bestimmung folgend ist, wiederzukehren. Nun gehe du deiner Bestimmung folgend deiner Tätigkeit nach und führe unser Volk. Nicht mehr und nicht weniger!“
Mehr als ratlos starrte Bilwer in die Gesichter der hohen Dragots, die alle nickend der kleinen Dragotin zustimmten.
„Papa, bringst du mich zurück? Ich bin hungrig.“
Rob reichte seiner Tochter die Hand und verließ mit ihr den Tempel. Gemeinsam spazierten sie den Strand entlang.
„Wer hat die Aufrüster zu Jason gebracht?“, wollte er wissen, obwohl die Antwort nicht anders als Charly lauten konnte, was er bereits geschlussfolgert hatte.
Charlyn bestätigte ihm das.
„Woher weißt du, dass Jason sie braucht, um mit ihnen zurückzukommen?“
Sie sah zu ihrem Vater auf. „Ich weiß es nicht, nichts weiß ich. Es ist nur eine Ahnung.“
Rob entglitten die Gesichtszüge. „Dann wollen wir inständig hoffen, dass du nicht zu hoch gepokert hast.“
„Wenn er es nicht schafft, hat Axa mit ihrem gigantischen Plan eh gewonnen. Nur Jason allein kann sie aufhalten.“
Rob blieb abrupt stehen. „Was für ein Plan?“
„Axa muss etwas sehr Großes planen … ich sprach mit Jason, ehe er ging. Er erzählte mir von den Tätowierungen, die du, Zakton und er haben. Darauf sah ich in die Nacken der anderen Dragots, selbst Bilwer trägt eine Nummer. Auch die Drachenmädchen haben, seitdem sie auf Dragonrock waren, eine Nummer im Nacken. Nur ich fehle noch, deshalb hab ich dir ja gesagt, du musst mich beschützen. Axa darf mir keine Nummer in den Nacken hexen, sonst kann sie auch ohne Jason machen, was sie vorhat. Ich wäre ein vielversprechender Ersatz für meinen Bruder.“
Sie setzten ihren Weg weiter fort. „Was in Dragots Namen hat sie vor?“, grübelte Rob.
„Ich weiß nur aus meinen Träumen, dass sie einen Dragot braucht, der die Schwelle zum Tod überschritten hat um wiederzukehren, sicher ist das Jason. Einen, der in ihr war, was immer das heißt, keine Ahnung. Einen, der ihr treu ergeben ist und drei unschuldige Wesen, sicher die Mädchen. Und zu guter Letzt den Wächter der Toten, für die Kraft der Seelen, also Zakton. Die restlichen Dragots verstärken ihr Vorhaben ins Unermessliche, so kann sie tun, was immer sie plant.“
Rob kratzte sich an der Stirn. „Hat es Sinn, Bilwer darüber in Kenntnis zu setzen?“
„Nein, wozu auch? Jason muss her oder Axa schlägt zu, wenn ich die Nummer der Dragführerin im Nacken trage, ob mit Bilwers Wissen oder ohne.“
Ratlos sah er zu seiner Tochter runter und setzte sich in den Sand. „Woher weißt du das alles?“
„Das flüstert mir meine Seele im Schlaf zu“, sagte sie wie selbstverständlich, während Rob sich wieder am Kopf kratzte.
„Und Jason, was sagt dir deine Seele über ihn?“
„Ich soll die Hoffnung im Herzen bewahren, mehr nicht. Es sind eh immer nur verschiedene Fetzen über die anderen, die ich mir zusammenstückeln muss. Aber es ergibt sich daraus dann immer ein Gesamtbild. Seit ein paar Tagen ändern sich meine Träume, vielleicht werde ich bald wissen, was Axa vor hat.“
„Eins passt aber nicht ins Gesamtbild. Wie kann sie auf Jason verzichten, wenn sie einen Dragot braucht, der schon einmal tot war?“
„Zakton würde diese Lücke füllen, ebenso wie du, aber ihr passt ja eher in die anderen Positionen. Ich bin nur die Ersatzlösung, um das fehlende Glied eines sehr hohen Dragots, also Jason, zu ersetzten. In ihren Augen ist Jason bestimmt tot und kommt nicht wieder.“
Bei dem Gedanken lief Rob eine Gänsehaut den Rücken runter.
Anderorts … bei einem eher seltsamen Puzzleteilsuchspiel …
Akribisch genau sammelte Bolak mit einem Findehex alle Fetzen seiner Herrin zusammen. Dann legte er sie in einen Kessel und bereitete ein Feuer, über dem er die Überreste Axas erhitzen würde.
Dass sie nicht auf diese Weise getötet werden konnte, wusste er nur zu gut. Sicher könnte sie ihre sterbliche Hülle allein zusammensetzen, doch das würde Wochen dauern und diese Zeit hatten sie nicht.
Als letztes fand Bolak ihren linken Augapfel samt den halben linken Gesicht, wirr rollte das Auge hin und her, dann starrte es ihn an.
„Is ja gut, hab dich gleich zusammen.“ Herzlos schmiss er den Rest von ihr in den Kessel. Sein Feueratem brachte diesen schnell zum Glühen. Axas Überreste kochten zusammen, es roch nach Fäulnis und verbrannter Haut.
Bis in die tiefe Nacht köchelte der Axa-Sud vor sich hin, bevor Bolak mit schwarzen Hexsprüchen ihre Auferstehung einleitete.
Axa entfuhr vom Haarschopf bis zu den Füßen dem Kessel. Ihre Körperfetzen und Knochensplitter setzten sich von oben nach unten zusammen. Damit sie nicht irgendwo aneckte, reichte Bolak ihr seine Pranke, sie entstieg dem Kessel und streckte ihre Glieder, wobei einige ihrer Knochen knackten. Die Hände in die Hüften gestemmt stand sie Bolak gegenüber und es knallte heftig, als ihre Hand seine Wange erwischte.
„Was fällt dir ein, so zu trödeln? Beim nächsten Mal werde ich dir die Flügel stutzen!“, brüllte sie ihm ins Gesicht.
Jäh brauste Bolaks Temperament vor Wut auf, er schubste Axa um. Sie hatten ihre ganz besondere Art miteinander zu kommunizieren.
In dieser Nacht zeugten sie in den Trümmern des Hauses ihr erstes und einziges Kind miteinander … ohne Axas Wissen, denn eigentlich wollte sie keinen Nachwuchs mehr haben.
Im Land der Seelen …
Sabera erwachte als erste, die Höllenhunde schliefen noch tief. Beglückt stellte sie fest, der Panzer war endlich da. Nun konnte sie mit ihrem Drag-Ritus beginnen. Sie weckte die Höllenhunde und schickte sie vor den Tempel, wo sie auf den Stufen Platz nahmen.
Liebevoll streichelte Sabera über das Buch der himmlischen Drags, nahm es hoch und positionierte es auf dem steinernen Stehpodest. Sie schlug die Seite der Wiederkehr auf.
Ihre Finger glitten über die nur für sie leserlichen Schriftsymbole, denn niemand außer ihr durfte dieses Ritual beschwören.
Die Worte der Drachenbelebung vor sich her murmelnd, holte Sabera den ersten Gegenstand der Aufrüster, den Dragschädel der Dragots. Sie hielt ihn über Jasons Kopf. Wie von selbst glitt der Schädel in die bläuliche Gelflüssigkeit und berührte Jasons eingefallenes Gesicht.
Die Zeit des Wartens schien endlos zu sein. Sekunden zogen sich dahin wie Stunden. Sabera stand neben dem Becken, schaute ängstlich auf den im Becken liegenden Jason. Doch ihre Furcht war unbegründet. Der Schädel verschmolz mit Jasons Haupt und sein Gesicht reproduzierte sich.
Wäre Jason wirklich tot gewesen … das Ritual hätte nicht angeschlagen und der Schädel wäre auf den Boden des gläsernen Sarges gefallen.
Freudestrahlend seufzte Sabera auf, eine Träne des Glück lief über ihre Wange, in drei Tagen würde sie Jason das nächste Heiligtum zuführen.
Leider mussten laut Überlieferung drei Dragtage zwischen den Aufrüstern der Wiederkehr liegen.
Sie konnte es sich nicht verkneifen, tauchte mit ihrer Hand in die zähe Flüssigkeit ein und musste Jason über die heile Wange streicheln. „Nun ist dein Gesicht wieder hübsch. Und um den Rest kümmere ich mich auch bald.“
Beschwingt verließ sie den Tempel, um die frohe Kunde den Höllenhunden mitzuteilen.
Beide strahlten und zogen ihre Lefzen hoch.
‚Wann ist er wieder da?‘
„Rede normal mit mir, hier erkennt dich keiner. Wandle dich!“
Irritiert blickte Charly Sabera an. Niemals zuvor hatte sie ihm erlaubt sich zu dem Wesen zu wandeln, das er wirklich war.
„Tu es und guck nicht so trottelig“, forderte sie ihn nochmals auf.
Nun denn, Charly stellte sich auf die Hinterbeine und wandelte sich in seine wahre Gestalt. Überall musste er bisher seine echte Identität verbergen, denn er war der ungekrönte Fürst der Höllenhunde und stand auf Axas Abschussliste ganz weit oben.
Sein stolzer Vater führte einst sämtliche Völker der Höllenhunde. Ein unbeugsamer Herrscher, bis zu dem Tage, an dem Axa die weiße Hexe Satana vernichtet hatte und ungehindert das Reich der Höllenhunde bekämpfen konnte. Sicher, alle Höllenhunde leisteten erbitterten Widerstand, doch diese Hexe kämpfte mit dunkler Dämonenkraft.
Ein Rudel nach dem anderen wurde von Axas schwarzen Hexen ausgerottet, bis Faradamm, Charlys Vater, sich der Dämonenhexe in den Weg stellte. Er wollte sein Volk beschützen.
Axa ging unter einer Bedingung auf den Handel ein, dass Faradamm dafür durch ihre Hand - vor seinem Volk - sterben musste. Seither streunten die Rudel durch die verschiedenen Unterwelten, um sich vor ihr zu verbergen. Sehnsüchtig warteten sie auf die Rückkehr des einzig verbliebenen Fürstensohnes. Denn auch wenn Faradamms noch recht junger Wurf mit ihm ausgelöscht wurde, so wusste doch jeder einzelne Höllenhund, dass ein Welpe fehlte …
Versteckt vor Axas Augen erlernten sie in kleinen Gruppen ihre natürliche Magie, die der Urhöllenhunde. Sie wollten Rache nehmen an … allen … Hexen.
Das musste allerdings unter allen Umständen verhindert werden … doch momentan konnte Sabera nicht handeln, denn die Zukunft war ja nicht einsehbar …
Charly sah nun von seiner Statur einem zweibeinigen Werwolf ähnlich. Das Fell war kurz, schwarz und glänzend. Sein Hundeschädel im Vergleich zur normalen Höllenhundgestalt um ein Viertel schmaler, die Ohren hingen nicht mehr, nur seine Flügel waren weiterhin fledermausähnlich. Allerdings zum aufrechten Körper proportional größer. Seine Pfoten wandelten sich zu Klauen, mit denen er durchaus zugreifen konnte. Der breite Nacken und die gut verteilten Muskeln ließen erahnen, dass Charly eines der mächtigsten Wesen der Unterwelt war. Seine Züge strahlten nun etwas Aristokratisches aus, man sah ihm den Fürsten buchstäblich an. Auch in seinem Blick lag dieser gewisse Stolz eines Regenten.
Durch seine stattliche Größe war er jetzt gute zwei Köpfe größer als Sabera, die auch nicht gerade zierlich mit ihren eins neunzig war.
„Du bist ganz dein Vater, wirst ihn gut vertreten, wenn nicht besser. Ich kann äußerlich keinen Unterschied feststellen, außer vielleicht das fehlende graue Haar.“
Charly wandte sich dem gläsernen Sarg zu. „Ich kann mich nicht an meinen Vater erinnern. Soweit ich weiß, war ich ein Welpe, als du mich zu Vanilla brachtest. Und eigentlich sollte ich ja kein Thronfolger werden.“
Eine unwichtige Nebensächlichkeit, Sabera zuckte mit den Schultern, ihr allein hatte das Höllenhundvolk es zu verdanken, dass überhaupt einer der letzten Rüden überlebt hatte. „Was sollte ich tun? Der ganze Wurf deiner Eltern wurde umgebracht. Axa wollte um jeden Preis verhindern, dass ein Nachfolger überleben würde. Bedauerst du den Weg, den du durch uns gehen musstest?“
Zunächst schweigend setzte Charly sich auf eine der steinernen Treppen, um Sabera in die Augen zu sehen. „Keine Sekunde war bedauernswert. So lernte ich, nicht alle Hexen sind schlecht. Und dass es durchaus Wesen gibt, die ebenso gut leben sollten wie mein Volk.“
„Es wird nicht einfach sein, dein Volk zu führen. Viele feste Regeln werden mit Axas Tod gekippt werden müssen, um ein soziales Leben führen zu können.“
Sein Blick wich ihrem um keinen Deut aus. „Ja, doch sicher werde ich zu Anfang deine Hilfe benötigen.“
„Davon hält mich keiner ab, bis es eine Nachfolge für Satana gibt. Wenn du willst, lehre ich dich die Urkraft der Höllenhunde. Ich studierte sie zu Beginn meiner Zeitreisen.“
Ähnlich, wie Rob zu Anfang Jason mit Konzentrationsübungen an seine Energie geführt hatte, so begann Sabera Charly, oder - Fararot - wie er richtig hieß, auszubilden.
Dadurch, dass er der letzte im Wurf war, wurde ihm nicht automatisch die Urkraft mitgegeben, denn das stand nur dem Wurfersten zu.
Laut Höllenhundregel durfte nur der erste männliche Welpe der Leithündin zum Nachfolger werden. Doch Sabera würde ihrem Wesen nicht gerecht werden, wenn sie nicht vorgesorgt hätte. Sie behielt stets den Überblick in ihren Zeitreisen und verdankte ihren ausführlichen Aufzeichnungen vieles, das ihr nun helfen würde.
Es kam in der Geschichte der Höllenhunde nur ein einziges Mal dazu, dass der Erstgeborene eines Fürsten starb. Eben diese Seele des verstorbenen männlichen Nachkommen, beschwor Sabera gleich nach seinem Tod und zwang sie, ihr Wissen um die Urkraft an Fararot weiter zu geben.
Die nächsten drei Tage verflogen in der Seelenzone. Fararot lernte schnell, ihn bedrückten keine Sorgen, die ihn ablenken konnten. Auch war er älter und verstand die an ihn gerichteten Aufgaben besser. Jason war in seiner Nähe und der Rest der Familie war in Sicherheit.
Beste Voraussetzungen.
Während sich der kommende Höllenhundfürst auf seine Kräfte konzentrierte, bereitete Sabera das nächste Ritual für Jason vor. Sie schlug die Seite des himmlischen Dragbuches auf. Während sie las, zuckte Jasons kleiner Finger wieder ein wenig.
Nachdem sie den folgenden Beschwörungsritus verinnerlicht hatte, eröffnete Sabera das Ritual, sie murmelte den zweiten Dragseelenwecker und nahm das Drachenauge. Wie der Schädel zuvor, schwebte auch das Auge über Jasons Kopf und glitt lautlos in die Flüssigkeit. Vorbereitend auf die Ankunft des Auges öffnete sich ein Spalt in seiner Stirn. Das Drachenauge wurde von dieser Öffnung angezogen und versank darin, wurde zum inneren Auge.
Eine weitere Regenerationsphase trat ein. Jasons Körper bildete sich neu. Bis auf die Flügel, die schwarz und verkümmert unter ihm zusammengefaltet waren, diese regenerierten sich noch nicht. Erst, wenn der silberne Flügel im dritten Ritual zum Einsatz käme, würden auch seine Schwingen zu neuem Leben erweckt werden.
Die gleichen drei Tage flog Skyla mit wenigen Pausen im Hexenreich einem Ziel entgegen, das sie nicht kannte.
Ihre Vorräte waren seit gestern aufgebraucht. Müde und hungrig landete sie in der Nähe eines alten verrotteten Hauses. Sie war durchgefroren. Alle Knochen waren vom Wind und den vielen Flugstunden steif und ungelenkig, ihre Finger zitterten so stark, dass sie sich kaum noch auf ihrem Besenstiel halten konnte.